Der dritte Prozesstag gegen den Totalverweigerer Hannes findet am Donnerstag, 4. Februar 2010, ab 14 Uhr, im Amtsgericht Schwäbisch Hall statt. Schon während der ersten zwei Prozesstage, an denen Hannes ohne Anwalt auftrat, wurden ihm Strafen von über sechs Monaten Gefängnis angedroht, solle er sich offensiv verteidigen und sich weiterhin weigern, den Zivildienst oder einen Ersatzdienst abzuleisten.
Pressemitteilung der Soli-Gruppe Totalverweigerung
Gewissensgründe anerkennen
Das Urteil, das am Donnerstag, 4. Februar 2010 erwartet wird, könnte also je nach Strafmaß wegweisend für weitere Totalverweigerer und deren Prozesse sein. Dabei geht es auch anders: im Jahr 2000 wurde ein Totalverweigerer in Hamburg freigesprochen, weil bei ihm die Gewissensgründe anerkannt wurden.
Was in Nachbarländern längst der Vergangenheit angehört, ist in Deutschland alltägliche Praxis: die zwangsweise Einbeziehung junger Männer in den Militär- und Zivildienst. Wer aus pazifistischen, politischen oder religiösen Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigert, hat alternativlos den Zivildienst zu leisten – ungeachtet dessen Funktion in der zivilen Verteidigung im Kriegsfall und damit der Teilnahme am Krieg sowie der indirekten Legitimation des Kriegsdienstes.
Als Hannes am 1. Dezember 2008 dem Zivildienst nach zweo bereits abgeleisteten Monaten selbstbestimmt fernblieb, nahm er damit auch den Kampf gegen die strafrechtlichen Konsequenzen und gegen den Zivildienst als Zwangsdienst auf. „Die Kriegsmaschine hat viele Gesichter – und der Zivildienst ist eines davon“, begründet er seine Entscheidung zur Totalverweigerung: „Wenn ich aber Herrschaft und Krieg ablehne, dann ist es nur konsequent, total zu verweigern“. Tatsächlich ist der Zivildienstleistende im nationalen Kriegsfall als ziviler Kriegshelfer verpflichtet. Darunter fallen alle Aufgaben, die keinen direkten Dienst an der Waffe bedeuten, wie die Aufrechterhaltung der herrschenden Infrastruktur und die Unterstützung der Streitkräfte mit Nachschub: „Für die Kriegsführung ist es nebensächlich, wer schießt und wer die Infrastruktur erhält – beide sind gleichermaßen unabdingbar als Räder im Getriebe.“ Zudem ist der Zivildienst selbst ein – vom Kriegsdienst abgesehen – alternativloser Zwangsdienst. Die Arbeit ist auf Befehl zu leisten, Zuwiderhandlungen werden bestraft. Die Parallele zum Kriegsdienst ist hier offensichtlich, die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit des Dienstpflichtigen wird durch das Gesetz stark eingeschränkt: „Anstatt Bedingungen zu schaffen, unter denen Menschen sich frei und gleich begegnen und solidarisch miteinander leben können, wird der Zivildienst erzwungen, er schafft also keine Anreize zur gegenseitigen Hilfe, sondern erhält im Gegenteil eine sozial kalte Gesellschaft, die nur mit Zwang funktioniert“, stellt Hannes fest. Niemand habe aber das Recht, über das Leben eines anderen Menschen zu bestimmen.
Info: Der Prozess beginnt am Donnerstag, 4. Februar 2010, um 14 Uhr im Amtsgericht Schwäbisch Hall, Unterlimpurger Str. 8 in 74523 Schwäbisch Hall.
Kontakt: hannes.weidmann@web.de und 0178 2040735 sowie http://herrschaftsfrei.blogsport.de
Website: http://herrschaftsfrei.blogsport.de
Ein Artikel vom Dezember 2009 auf der Internetseite http://www.kampagne.de/Wehrpflichtinfos/AktuellePraxisTKDV.php
Prozess gegen Hannes Weidmann vertagt
Hannes (20) trat zunächst als anerkannter Kriegsdienstverweigerer seinen Zivildienst an. Wachsende Zweifel, damit das Richtige zu tun, führten zu dem Entschluss, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen. Seit dem 1.12.2008 ist er seiner Dienststelle eigenmächtig fern geblieben. Er verweigert seitdem total und bezeichnet dies als einzig konsequenten Weg.“Ich lehne Gewalt in Form von Krieg, Militarismus, Bevormundung und Zwangsarbeit ausnahmslos ab. Der Zivildienst verkörpert aber direkt oder indirekt diese Form von Gewalt“.In einer gemeinsamen Erklärung mit Jonas Ahlgrimm und Jan-Patrick Ehlert vom 2.12.2008 fordern sie …“die sofortige Abschaffung von jedem Zwangsdienst, für eine solidarische Welt ohne Herrschaft und Gewalt.“
Am 26.11.2009 fand am Amtsgericht Schwäbisch Hall der Prozess gegen Hannes statt. Etwa 60 ZuschauerInnen verfolgten die Verhandlung, die nach 90 Minuten durch die Richterin abgebrochen wurde. Zuvor hat Hannes seine Erklärung zur Totalverweigerung vorgetragen. Aufgrund der anschließenden Befragung durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Richterin beantragte er einen Pflichtverteidiger. Dieser Antrag lehnte die Richterin ab, auch den sich daran anschließenden Antrag auf Befangenheit. Über den Antrag auf Gewährung eines Rechtsbeistand wurde nicht mehr entschieden. Als Fortsetzungstermine hat das Gericht den 11. Dezember 2009 und 4. Februar 2010 um 14.00 Uhr anberaumt.
Weitere Informationen über seine Totalverweigerung auf seiner Homepage unter http://www.herrschaftsfrei.blogsport.de