Mit Verwunderung wird so manche/r im aktuellen Programm des Radio StHörfunk die neuen Sendungen zur Kenntnis genommen haben. Was für eine seltsame Hinwendung zu religiösen Themen hat sich denn da eingeschlichen? Da bietet beispielsweise ein gewisser Manuel Raisch montags von 10 bis 11 Uhr seine Sendung „Rock´n´Roll Jesus“ an. War das nicht der selbe, der sich nach der negativen Berichterstattung in „Hohenlohe ungefiltert“ über das christliche Punkkonzert in der Wiesenbacher Kirche darüber aufgeregt hat, als Laienprediger bezeichnet worden zu sein?
Von Dagmar Müller, Schwäbisch Hall, Erstveröffentlichung in Alpha Press, Ausgabe Juli/August 2009
Hintergrund:
Da er sich in seinem Kommentar in „Hohenlohe ungefiltert“ als studierter Theologe bezeichnet, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf seine Studienorte zu werfen. Zum einen führte er den Titel „Master of Arts – Bible (Columbia International University)“, erworben an der Akademie für Weltmission in Korntal. Zitate aus der Homepage der Akademie: „In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entschlossen sich evangelikale Missionsgesellschaften ein eigenes Fortbildungsprogramm für ihre Missionare aufzubauen.“ und „Lange vor dem europäischen Bologna-Prozess im Bildungsbereich beschlossen die AEM (Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen e.V.) Dachverbände daher ein Masterprogramm in Partnerschaft mit einer amerikanischen Universität einzuführen. Mit der Columbia International University wurde ein Partner gefunden, der eine ähnliche Ausrichtung hat.“
Zum anderen erwirbt er gerade den Titel„Master of Theology (New Covenant International University Florida)“ an der Akademie für Leiterschaft in Ditzingen. Zitat aus der Ditzinger Homepage: „Getrieben von dem Anliegen eine Nation zu Jüngern zu machen und das Möglichste zu tun um die Gemeinde Jesu für eine Erweckung vorzubereiten, gründete Michael Winkler 1993 die Werkstatt für Gemeindeaufbau.“ Auch hier wird in Zusammenarbeit mit einer amerikanischen evangelikalen Universität ein akademischer Titel erworben. Sowohl an den Akademien, wie auch an den genannten Universitäten kann man/frau nix anderes studieren, wie die Bibel und die in evangelikaler, missionarischer, fundamentalistischer, kreationistischer Auslegung.
Die Sendung:
Da braucht man/frau auf die Sendung dieses Masters eigentlich nicht mehr sonderlich gespannt sein. Aber die Sendung vom 13.07.09 barg doch noch so einige Überraschungen. Zwischen den einzelnen Musikstücken las Manuel Raisch hauptsächlich aus den „Sprüchen“, denn diese würden uns gute Ratschläge fürs Leben geben. Was Intellektuelles (seine Worte) will er uns mit Sprüche 7 vermitteln: da geht es um eine treuelose Frau, deren Gatte auf Geschäftsreise ist, herausgeputzt und zurechtgemacht wie eine Hure, die einen Mann so betört, dass er ihr wie ein Ochse zur Schlachtung in ihr Haus folgt. Und solch ein Haus ist ein Weg zur Unterwelt, führt zu den Kammern des Todes. Solch spannende Lektüre, so findet Herr Raisch, befindet sich in der Bibel. Aha! Das blöde alte Spiel. Die Frau als Verführerin, der Mann kann sich nicht erwehren, die üblichen Beschimpfungen als Hure. So wie eben auch in der berühmten Geschichte mit dem Apfel. Die ewige Dämonisierung des Weiblichen. Wie wenn Frauen was dafür können, wenn Männer ihre Geschlechtsteile nicht unter Kontrolle haben. Und dann die Kammern des Todes! Zwar wird der Orgasmus auch als kleiner Tod bezeichnet, aber das war hier wohl nicht gemeint.
Die nächsten Schmankerln folgen nach den Musikeinlagen. Beispielsweise zum Thema Ehebruch. Natürlich ist folgender Satz nur an den Mann gerichtet: die eigene Ehefrau, mit keinem anderen sollst du sie teilen. So viel zum Thema selbstbestimmte Sexualität von Frauen und Emanzipation. Weiterhin werden Männer dazu angehalten, nicht ihre ganze Kraft bei Frauen zu lassen, usw. Doch der Clou kommt am Ende der Sendung. Da hat unser lustiger Sprücheklopfer auch noch was für die Frauen. Jetzt festhalten und tapfer sein: der Ursprung der Gleichberechtigung von Mann und Frau liege in der Bibel. Belegen möchte er das mit Sprüche 31, dem Lob der fleißigen Frau. Zum Glück war die Sendezeit zu Ende und er konnte diese spannende und intellektuelle Lektüre nicht mehr vorlesen. Sinngemäß geht es darum, dass die Frau den Haushalt führt und alles mögliche herstellt, während ihr Gatte mit den Ältesten des Landes zu Rate sitzt. Solcherlei Aussagen brauchen wohl nicht weiter kommentiert werden.
Geht’s noch?
Da erklärt der doch glatt ein zutiefst patriarchalisches und frauenfeindliches Weltbild zum Meilenstein der Emanzipation!
Kurz noch zur Musik. In modernem Tongewand kommen da Texte daher, wie „Jesus, du musst mich wirklich lieben, wenn du mich nicht so liebst, wie ich bin, denn sonst gibt das keinen Sinn, lalala….“. Wenigstens veröffentlicht die Band Woodencross auf ihrer Homepage auch eine negative Medienkritik, die allerdings den Nagel auf den Kopf trifft: „Leider lassen die Musiker die Chance, zumindest kirchenkritisch aufzutreten, völlig ungenutzt vorüberziehen. Wer von einer konfessionell ausgerichteten Band Stellungnahmen zu Themen wie Abtreibung oder dem Zölibat erwartet, wird enttäuscht. Statt dessen richtet sich die Combo sogar ausdrücklich gegen ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Religionen: “We trust in God; He’s different from Allah, Buddha, Krishna or what, only He loves men without any condition.” Die textliche Eingeschränktheit ist manchmal fast ärgerlich: “Im Grunde ist es scheißegal, wer heute regiert. Hauptsache, es wird nicht mehr nach rechts marschiert; was ich will, ist eine Welt, in dem es jedem sehr gut geht, und das gibt’s nur für den, der auf Jesus’ Seite steht.“ (Feedback- Musikmagazin 09/ 1999).
Eigene Grundsätze vergessen?
Auch der StHörfunk ließ die Chance, kirchenkritisch aufzutreten, ungenutzt vorüberziehen. Und was ist denn mit den eigenen Programmrichtlinien? Wurden die einfach vergessen oder werden die demnächst geändert? Da ist nämlich zu lesen:“StHörfunk wehrt sich gegen jede Art von Diskriminierung und Unterdrückung. … Da in unserer Gesellschaft keine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen existiert, soll es Aufgabe des Radios sein, patriarchale und autoritäre Strukturen zu durchbrechen und dies in Sendungen und internen Strukturen zu verwirklichen.“ Weiterhin: “StHörfunk will die Struktur der Abhängigkeiten innerhalb des Staates und die sozialen, politischen und kulturellen Auswirkungen dieser Verflechtungen aufzeigen und im Radio kritisch hinterfragen (z.B. Politik und Wirtschaft, Politik und Kirche, Kirche und Wirtschaft).“ Ebenso: “StHörfunk setzt sich für eine selbst bestimmte, aufgeklärte Lebensführung ein und wendet sich gegen Ideologien, Dogmen und Weltanschauungen, die dies nicht ermöglichen und hinterfragt kritisch deren Ziele, Konzepte und Wertungen. Die kritiklose Verbreitung solcher Inhalte ist ausgeschlossen.“
Schleichender Einfluss
Schon lange findet eine mehr oder wenig offensichtliche Einflussnahme extrem religiöser Bewegungen auf das gesellschaftliche und politische Leben statt. Es werden zunehmend bundesweit „bibeltreue“ Privatschulen gegründet. Entweder illegal oder mit staatlicher Genehmigung, nach Erfüllung von ein paar Auflagen. So konnte nach jahrelangem Ringen auch in Öhringen eine Schule der Baptisten legal eröffnet werden. Ad Hoc News, 14.10.08: „So verpflichten sich die streng gläubigen Baptisten etwa, künftig die Evolutionstheorie ab Klasse 5 im Rahmen der Naturwissenschaften und Geschichte mit der «nötigen Seriosität und dem nötigen Umfang darzustellen, so dass sich die Schüler eine eigene Meinung bilden können», hieß es. Außerdem soll das pädagogische Konzept der Schule an das der staatlichen Schulen angepasst werden. Wegen des hohen Alters einiger Lehrer wird die Schule verpflichtet, sich um neue Lehrkräfte zu bemühen und dem Regierungspräsidium entsprechende Arbeitsverträge vorzulegen. Die Lehrer müssen außerdem wirtschaftlich abgesichert sein, das heißt, dass sie mindestens Zweidrittel des Gehalts von Lehrkräften an öffentlichen Schulen bekommen.
Das Regierungspräsidium hatte im Oktober 2006 den Antrag auf eine Genehmigung unter anderem deswegen abgelehnt, weil die Lehrkräfte keine pädagogische Eignung für ihre Aufgaben aufwiesen. Mehr als drei Jahre lang hatten die Baptisten die Schule illegal betrieben. Zuletzt besuchten 14 Kinder die Schule. Die Grundlage für die Erziehung der christlichen Bekenntnisschule war allein die Bibel.“ Ob da wirklich freie Meinungsbildung möglich ist, wenn Charles Darwin als notwendiges Übel betrachtet wird, ist fraglich. Hier wird nur Vorschub zur Bildung von Parallelgesellschaften geleistet. Und das mit staatlicher Billigung.
Ferner sei auf die am 13. Mai im Bundestag verabschiedete Verschärfung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verwiesen. EMMA, Juli/August-Heft 2009: „Fatal ist, dass von nun an allen Frauen, die nach dem dritten Monat abtreiben – und das waren im Jahr 2007 immerhin 2.303 Fälle – das Herz noch schwerer gemacht werden wird mit einer Zwangswartefrist von zusätzlichen drei Tagen zwischen Diagnose und dem Berechtigungsschein für eine Abtreibung. Fast noch fataler werden die Folgen für die wenigen ÄrztInnen sein, die überhaupt noch bereit sind, hilfesuchenden Frauen medizinischen Beistand zu gewähren. Denn sie sind jetzt verstärkt der Einschüchterung – wenn nicht gar Bedrohung – durch konservative Standesvertreter, christliche Krankenhäuser sowie Fanatiker der Lebensrechtler-Bewegung ausgeliefert.“ So findet religiöse Meinungsmache den Weg in die Politik. Man denke ebenfalls nur an die unsinnige Pro-Reli-Debatte letzten Jahres in Berlin.
Widerstand
Doch nicht überall werden solche Bestrebungen kritik- und protestlos hingenommen. In Marburg fand in diesem Jahr der „6. Internationale Kongress für Psychotherapie und Seelsorge“ statt. Es agierte dort unter anderem der dubiose christliche Verein Wüstenstrom. Eines seiner Bestrebungen ist, Menschen von ihrer Homosexualität zu therapieren. Verkauft wird dieses als Begleitung, da dort keine ausgebildeten Therapeuten tätig sind. Es formierte sich jedoch das Bündnis „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“, das aktiv gegen die Veranstaltung vorging und einige Vorträge und Workshops zum Platzen brachte. Ausführlich nachzulesen bei Indymedia (http://de.indymedia.org/2009/05/250071.shtml).
Warum ausgerechnet Radio StHörfunk so jemandem einen Platz zur Meinungsäußerung einräumen muss, ist unklar. Der hat seine eigenen Medien und Plattformen, genannt seien ERF (Evangeliums-Rundfunk e. V) und Bibel TV. Nicht zu vergessen die eigene Homepage „cometothecross.de“. Und Youtube gibt’s ja auch noch.
Mit was wird der StHörfunk uns in Zukunft beglücken? Wie wär’s mit: „ Wie die Burka den afghanischen Frauen zur Gleichberechtigung verhilft.“ Oder: „Die Inquisition war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer toleranten Gesellschaft.“