Titelseite des Buches "Dorf unterm Hakenkreuz – Diktatur auf dem Land im deutschen Südwesten 1933-1945".
„Dorf unterm Hakenkreuz. Diktatur auf dem Land im deutschen Südwesten 1933-1945“ heißt ein Buch, das 2009 im Thorbecke-Verlag erschienen ist. Darin hat der Autor dieses Artikels (der Journalist Ralf Garmatter) auch die NS-Karriere von Friedrich Niklas, einem Landwirt und Gastwirt aus Riedbach in der heutigen Gemeinde Schrozberg beschrieben. Friedrich Niklas trat 1931, als 36-Jähriger, der NSDAP bei und wurde gleich Ortsgruppenleiter in Riedbach. Von 1934 bis 1937 war Niklas NSDAP-Kreisleiter im Oberamt Gerabronn. Nach der Fusion der NSDAP-Kreise fiel dieser Posten im Jahr 1937 weg. Der Inhaber des Roten Ochsen in Riedbach war aber deshalb innerhalb der NSDAP nicht ohne Amt. Von 1936 bis 1945 war Niklas Kreisbauernführer im „Großkreis Crailsheim“, zu dem auch das Oberamt Gerabronn zugeschlagen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte sich Niklas seiner Verantwortung für seine jahrelange Unterstützung des nationalsozialistischen Unrechtssystems entziehen. Er versteckte sich auf seinem Hof in Riedbach in einem großen Mostfass, wurde aber von Nachbarn bei den Amerikanern verraten und kam ins Internierungslager Ludwigsburg.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Begleitpublikation zu den Ausstellungen „Dorf unterm Hakenkreuz“
Die Begleitpublikation ist zur gemeinschaftlichen Ausstellungsreihe „Dorf unterm Hakenkreuz“ erschienen, an der sich die sieben Freilandmuseen des Landes Baden-Württemberg beteiligen. Das Freilandmuseum Wackershofen hat einen eigenen Bahnhaltepunkt auf der Strecke Schwäbisch Hall/Hessental – Heilbronn.
Aus der Verlagsinfo des Buches: „Die einzelnen Themenbeiträge dieses Sammelbandes zum Nationalsozialismus auf dem Dorf ergänzen und bereichern sich gegenseitig. Sie werfen Schlaglichter auch die Vielschichtigkeit und nicht selten Widersprüchlichkeit der nationalsozialistischen Diktatur, die über sechzig Jahre nach ihrem Ende immer noch Kontroversen und Debatten hervorruft.“
Wackershofen zeigt Ausstellungen in vier Gebäuden
Das Freilandmuseum Wackershofen schreibt zu der Ausstellung „Dorf unterm Hakenkreuz“: Anhand vier originaler Gebäude zeigt das Hohenloher Freilandmuseum in Schwäbisch Hall-Wackershofen Ausschnitte aus dem Alltagsleben hier in der Region. Gerade dieses direkte Treffen auf eine Vergangenheit, die man hinter schönen Fachwerkfassaden nicht so vermuten möchte, lässt ein neues und intensives Licht auf diesen Teil deutscher Geschichte fallen – so wie es nur Freilichtmuseen mit ihren Hausexponaten können.
Roter Ochsen in Riedbach gehörte dem Kreisleiter und Kreisbauernführer
Den großen Gasthof „Roter Ochsen“ aus Riedbach bewirtschaftete ein Land- und Gastwirt, der schon vor 1933 Ortsgruppenleiter der NSDAP war und ab 1936/37 die Funktion eines Kreisbauernführers im damals neu
geschaffenen NSDAP-Kreis Crailsheim ausübte. Das heutige Museumsgasthaus war also Sitz des Kreisbauernführers innerhalb des „Reichsnährstandes“, einer Funktion, die mit großer Machtfülle ausgestattet war.
Brechhütte Amlishagen: Wichtig für die militärische Aufrüstung
Beinahe alle Brechhütten draußen am Rand der Dörfer erlebten in den Dreißiger Jahren einen ungeahnten Aufschwung mit dem Anbau von Flachs und Hanf. Dieser „Gespinstpflanzenanbau“ wurde vehement gefördert, um vom Ausland unabhängig zu werden und weil der Bedarf an Leinenstoff für die militärische Aufrüstung stark zunahm. Im Freilandmuseum steht die unscheinbare Brechhütte aus Amlishagen, in der diese Entwicklung bis zur fabrikmäßigen Produktion nachgezeichnet wird.
Hößlinsülz: Hitlerjugend tagte im ehemaligen Armenhaus
Das Armenhaus aus Hößlinsülz, 1988 in Wackershofen wieder aufgebaut, diente von 1936 bis 1944 als Heim der Hitlerjugend. Im Freilandmuseum wird in der früheren Wohnstube das HJ-Heim nach alten Überlieferungen wieder eingerichtet und auf die besondere Bedeutung der Hitlerjugend für den NS-Staat eingegangen. Hier wird dokumentiert, wie stark die NSDAP auf die weibliche und männliche Jugend im Sinne ihrer Ideologie propagandistisch Einfluss nahm.
Käshof in Weipertshofen diente als Versteck für NS-Verfolgte
Im Käshof aus Weipertshofen wird seit Jahren die Geschichte der verfolgten Ilse Rosenfelder erzählt. Sie hat sich, kurz bevor sie ins KZ abtransportiert werden sollte, auf diesem Bauernhof, der heute im Museum steht, bis zur Befreiung durch die Amerikaner versteckt. Anhand dieses Beispieles soll dem politischen Leben in der Ära des „Tausendjährigen Reiches“ nachgegangen werden – wer waren damals die Parteifunktionäre, wie viele waren NSDAP-Mitglieder?
Ausstellungsdauer:
16. Mai bis 08. November 2009
Info zur Ausstellung: www.dorf-unterm-hakenkreuz.de/mitlaeufer_funktionaere_verfolgte.html
Hohenloher Freilandmuseum
Wackershofen
74523 Schwäbisch Hall-
Wackershofen
Telefon: 0791/971010
Telefax: 0791/9710140
www.wackershofen.de
info@wackershofen.de
Öffnungszeiten:
15 März bis 30. April:
Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
01. Mai bis 30. September:
täglich 9 bis 18 Uhr
01. Oktober bis 08. November: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Informationen zur Begleitpublikation:
Dorf unterm Hakenkreuz. Diktatur auf dem Land im deutschen Südwesten 1933-1945
Ein Buch der sieben regionalen ländlichen Freilichtmuseen in Baden-Württemberg
ISBN 978-3-37995-8044-1
176 Seiten
Preis: 16,90 Euro
Die Begleitpublikation ist in den sieben am Projekt „Dorf unterm Hakenkreuz“ beteiligten Museen sowie über den Buchhandel erhältlich. Internetinfo: www.dorf-unterm-hakenkreuz.de/begleitpublikation.html
„Eugenik und Euthanasie – Rassenpolitik in Stadt und Dorf
Im Freilandmuseum Wackershofen gibt es seit Ende Juni 2009 eine zusätzliche Ausstellung zum Thema „Eugenik und Euthanasie – Rassenpolitik in Stadt und Dorf“. Diese ist noch bis zum 8. November 2009 zu sehen.
Zum Ausstellungsinhalt: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden Verbände, die sich „Eugenik“, d.h. die gezielte Verbesserung von Erbanlagen durch „Züchtung“ zum Ziel gesetzt hatten. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden diese Ansätze Regierungspolitik. Sie beinhaltete im Wesentlichen die Förderung von als rassisch hochwertig eingestuften Nachwuchses, die zwangsweise Sterilisierung von als rassisch minderwertig angesehenen Menschen sowie die Ermordung von geistig und / oder körperlich behinderten Erwachsenen und Kindern und von psychisch Kranken. Opfer und Täter dieser Politik lassen sich in jedem Dorf nachweisen. In der Ausstellung soll den Spuren für den Raum Schwäbisch Hall nachgegangen werden.