NPD- und JN-Funktionär Alexander Neidlein aus Crailsheim ist mit den Mai-Demonstrationen in Ulm und Neu-Ulm zufrieden. Neidlein hatte zumindest die JN-Demonstration in Ulm als Verantwortlicher angemeldet.
Schwere Krawalle hat es bei Demonstrationen am 1. Mai 2009 in Ulm gegeben. Zeitgleich fanden dort die traditionelle Mai-Kundgebung der Gewerkschaften des DGB und eine Demonstration der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Nachwuchsorganisation der NPD statt. Die JN-Demonstration hatte nach Angaben der Stadt Ulm, der aus Crailsheim stammende JN-Landesgeschäftsführer Alexander Neidlein angemeldet. Neidlein ist auch Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Schwäbisch Hall/Main-Tauber.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Gewerkschaftsgebäude mit rechtsradikalen Farbschmierereien beschädigt
In Ulm gingen linke Gegendemonstranten und Teilnehmer der NPD-Demo aufeinander los und lieferten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit starken Polizeieinheiten. Nach Polizeiangaben ging die Gewalt von linken Gruppierungen aus, die keine Demonstration angemeldet hatten. Die Stimmung in Ulm war schon im Vorfeld aufgeheizt gewesen. Bereits Wochen vor den Mai-Demonstrationen hatte es in Ulm Sachbeschädigungen durch rechtsradikale Farbschmierereien an verschiedenen Gewerkschaftsgebäuden gegeben.
21 Personen der Demonstration und 29 Polizisten wurden verletzt
Eine erste Bilanz der Mai-Krawalle in Ulm durch die Polizei ergab: Mehrere Straftaten wie Landfriedensbruch, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und eine Widerstandshandlung trüben das Resümmee der Polizeidirektion Ulm und der Bundespolizei in Stuttgart. 21 Personen wurden leicht verletzt, nachdem sie von Würfen mit Flaschen oder Steinen getroffen wurden oder Reizstoffen (Tränengas) der Polizei ausgesetzt waren. Unter den Verletzten war auch ein Fotograf der Deutschen Presseagentur (dpa). Insbesondere durch Böller, aber auch durch Steinwürfe, wurden 29 Polizeibeamte verletzt, darunter eine Beamtin schwer. Der Rettungsdienst war mit 21 Fahrzeugen und 48 Helfern im Einsatz, um vor Ort zu helfen oder Verletzte zur ambulanten Behandlung in Kliniken zu bringen. Mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei und der Feuerwehr wurden beim Münsterplatz durch Steinwürfe leicht beschädigt, ein Fenster ging in der Sterngasse zu Bruch.
„Bis zum späten Nachmittag mussten die Einsatzkräfte immer wieder verhindern, dass Gewaltbereite die Absperrungen zwischen Bahnhof und Neutorstraße überwinden und den Aufzug und die Kundgebung stören“, berichtet die Polizei. „Mit einer Reihe von Anti-Konflikt-Teams vermittelte die Polizei ihre Aufgabe und verhinderte an zahlreichen Stellen schon im Ansatz, dass sich Emotionen weiter hochschaukeln.“
Polizei spricht 440 Platzverweise aus
Eine Gruppe von rund 130 Personen separierte die Polizei in der Sattlergasse. Sie drohte nach deren Einschätzung, den Aufzug des DGB zu missbrauchen, um von dort aus Straftaten zu verüben. Auf richterliche Anordnung mussten sie mehrere Stunden im Gewahrsam der Polizei verbringen. Zehn Personen nahm die Polizei nach Straftaten vorübergehend fest, um deren Identität festzustellen. Sie wurden angezeigt. 29 weitere wurden nach kurzer In-Gewahrsam-Nahme wieder entlassen. Die meisten von ihnen erhielten Platzverweise. Nur wenige mussten bis zum Abend festgehalten werden. Insgesamt sprachen die Beamten gegen 440 Personen Platzverweise aus, um die Sicherheit in der Ulmer Innenstadt zu gewährleisten.
Die Bundespolizei sicherte nach eigenen Angaben durch einen starken Kräfteeinsatz die An- und Abreise der Veranstaltungsteilnehmer mit der Deutschen Bahn AG und einen störungsfreien Reiseverlauf anderer Bahnreisender. Gemeinsam trennten Bundes- und Landespolizei am Ulmer Hauptbahnhof die verschiedenen politischen Lager. Dabei mussten Wasserwerfer gegen 15.30 Uhr eine Gruppe von aggressiv auftretenden linken Gegendemonstranten auf Distanz bringen, aus der massive Übergriffe auf abreisende Teilnehmer des Aufzugs der Rechten drohten.
Gewalttaten sind bei der Staatsanwaltschaft Ulm noch nicht aktenkundig
Die Staatsanwaltschaft Ulm teilte auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert mit: „…die entsprechenden strafrechtlich relevanten Vorgänge haben wir im Auge. Jedoch sind diese bei der Staatsanwaltschaft Ulm noch nicht aktenkundig und bedürfen zunächst der Bearbeitung durch die ermittelnde Polizei. Geprüft werden die Vorfälle nach Angaben der Staatsanwaltschaft in vielfältiger Hinsicht (wegen der Vorwürfe der gefährlichen bzw. vorsätzlichen Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung usw.).“
Bündnis ULM GEGEN RECHTS sucht Augenzeugen und Betroffene von Gewalttaten
Das Bündnis ULM GEGEN RECHTS (Internet: www.ulm-gegen-rechts.de/) ist nach eigenen Angaben bemüht, einen Beitrag zu einer offenen und ehrlichen Aufbereitung aller Vorkommnisse am 1. Mai zu leisten. Das Bündnis habe sich immer klar von Gewalt distanziert – das werde auch in Zukunft so bleiben. Gewalt sei kein Mittel der politischen Auseinandersetzung und schade dem gemeinsamen Anliegen aller Beteiligten, so die Organisatoren. Das Bündnis bittet daher um Unterstützung bei der Aufarbeitung der Krawalle. Wer am 1. Mai Gewaltszenen beobachtet hat, zu deren Aufklärung beitragen kann, mittelbar oder unmittelbar von Gewalt betroffen war oder dem Bündnis gegen Rechts seine Sicht der Dinge mitteilen möchte, kann sich unter info@ulm-gegen-rechts.de an die Organisation wenden.
Die Rechtsanwälte, die das Bündnis am 1. Mai unterstützt haben, bitten auch weiterhin um sachdienliche Hinweise (Augenzeugen-Berichte, Bilder), die zur Vertretung von Menschen, die von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, hilfreich sein können.“ Diese Nachrichten werden an die entsprechenden Rechtsanwälte weiter geleitet.
Über 100 Straftaten wurden von der Polizei registriert – Tendenz steigend
Über 100 Straftaten verschiedenster Art hat die Polizei nach eigenen Angaben bislang im Zusammenhang mit den Ereignissen am 1. Mai in Ulm registriert. Tendenz: steigend. Auch die Zahl der Verletzten hat sich im Vergleich zu den ersten Meldungen erhöht. Wie die Polizeidirektion Ulm inzwischen mitteilt, hat sie eine Ermittlungsgruppe gebildet, um die Straftaten möglichst zügig und beweiskräftig aufzuarbeiten. Die Darstellung der Polizei: Am Rande des Aufzugs der Jungen Nationaldemokraten (JN) waren zahlreiche gewalttätige Störer auf Polizisten losgegangen, um ihre Absperrung zu durchbrechen und den Aufzug zu verhindern. Die Polizei hatte schon früh die Strecke abgesperrt, um den Aufzug zu ermöglichen, wie er vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden war. Hinter einer zweiten Absperrung hielt die Polizei am Bahnhof und entlang der ganzen Aufzugsstrecke Raum für Gegendemonstrationen offen. Auf diese Weise sollten alle Demonstranten ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit verwirklichen können. Weil dazu auch die Möglichkeit gehört, die Meinung anderen kundzutun, hat die Polizei beiden Lagern ermöglicht, sich auf Sichtweite zu nähern.
Um Gewalttätern ein Einwirken auf die angemeldeten Versammlungen zu verwehren, war die Polizei mit weit über 1.000 Beamten im Einsatz, darüber hinaus standen weitere Hundertschaften der bayerischen Polizei und der Bundespolizei bereit, um in ihrem Zuständigkeitsbereich den Schutz der Grundrechte (Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung) zu gewährleisten.
Kleinere Brände wurden gelegt, Pflastersteine geworfen – Polizeireiter und Wasserwerfer im Einsatz
„Angesichts der teils massiven Gewalt, der sich die Polizei gegenüber sah“, sei diese Unterstützung auch dringend erforderlich gewesen. Bereits auf halber Strecke des Aufzugs der JN, an der Einmündung Keltergasse/Wengengasse, griffen gewalttätige Gegendemonstranten die Polizisten an der Absperrung an. Kleinere Brände wurden gelegt. Die Polizei musste die Kräfte verstärken und Polizeireiter einsetzen, um die Gewalt zu stoppen. Schon hier wurden erste Polizisten verletzt. Nach Ende des Aufzugs stachelten sich die beiden Demonstrationsgruppen gegenseitig so auf, dass einzelne Gewalttäter wiederum Polizeibeamte angriffen. Sie warfen mit Pflastersteinen und Flaschen, vereinzelt scheinbar gezielt auf die Köpfe der Einsatzkräfte. Sie warfen auch Böller, die so laut explodierten, dass Polizisten Knalltraumata erlitten. Die Polizei fuhr deshalb Wasserwerfer auf, um den gewalttätigen Demonstranten ihre Entschlossenheit zu verdeutlichen. Nach einer Frist von mehreren Minuten, die Unbeteiligten ermöglichen sollte, sich zu entfernen, begannen Polizisten mit Unterstützung der Wasserwerfer den Bahnhofvorplatz zu räumen. Nachdem die Linie bis auf Höhe der Einmündung der Bahnhofstraße zurückgedrängt war, kehrte wieder Ruhe ein. Bis dahin waren aber mehrere Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr mit Steinen beworfen und erheblich beschädigt worden. Weiterer Sachschaden entstand insbesondere in der Sterngasse und der Keltergasse. Insgesamt 59 Verletzte vermeldet die Polizei, darunter 38 Polizeibeamte.
Vermummte Trittbrettfahrer
Bereits am Vormittag hatte die Polizei rund 130 Personen vom Aufzug des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in der Sattlergasse abgetrennt. Diese wollten sich, teils vermummt, als geschlossener Block in die Spitze des DGB-Aufzugs einreihen. Weil zu erwarten war, dass sie den Aufzug für Straftaten missbrauchen, wurden sie an der Teilnahme gehindert. Trotz Aufforderung hatten sie ihre Vermummung nicht abgelegt. Die rund 130 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.
In einer vorläufigen Bilanz meldet die Polizei inzwischen 104 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten wie gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung, aber auch wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Rauschgiftbesitz. Hinzu kommen möglicherweise weitere Anzeigen wegen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gegen die Personen, die in der Sattlergasse in Gewahrsam genommen wurden. Das Vermummen bei Versammlungen sowie das Mitführen von Gegenständen zur Vermummung sind nicht erlaubt.
Um die Ermittlungsverfahren zügig und beweiskräftig abzuarbeiten, hat die Polizei eine zehnköpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die Ermittler werten neben den bereits vorhandenen Unterlagen auch die Einsatzdokumentationen der Polizei aus, um Hinweise auf weitere Straftaten und Täter zu erlangen.
NPD-Kreisverband Schwäbisch Hall/Main-Tauber zieht eine positive Bilanz der Demos
Eine positive Bilanz der Demonstrationen in Ulm und Neu-Ulm zieht der NPD-Kreisverband Schwäbisch Hall/Main-Tauber auf seiner Internetseite: „Am Tag der deutschen Arbeit veranstaltete die JN Baden-Württemberg erfolgreich eine 1. Mai Demonstration in Ulm bzw. Neu-Ulm. Nach verschiedenen Angaben waren rund 1000 Teilnehmer angereist, um den sozialen Protest kundzutun. Trotz der staatlich gestützten „Gegendemonstranten“ kam es zu keiner nennenswerten Behinderung beim Ablauf der Demonstration. Die Polizei setzte das gerichtlich erstrittene Recht, zu demonstrieren, ohne wenn und aber um. Daher kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den linken Chaoten und den Sicherheitskräften, die im Verlauf dessen auch Wasserwerfer gegen die Störer einsetzten. Auch der Kreisverband Schwäbisch Hall nahm mit einer Abordnung an der Demonstration teil.“ (Verantwortlich für die Inhalte auf der NPD-Internetseite ist der Kreisvorsitzende Alexander Neidlein)
Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner: Rund 10.000 Menschen demonstrierten friedlich – Das bleibt im Bewusstsein“
Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner gibt sich in der Bewertung des 1. Mai 2009 in der Donau-Stadt optimistisch: „Im Bewusstsein bleibt, dass sich tausende Menschen friedlich versammelt haben“. Ausdrücklich dankte er den Einsatzkräften und Helfern am 1. Mai. Der DGB-Umzug und die Kundgebungen, an denen rund 10.000 Menschen teilgenommen hatten, seien ein eindrucksvolles Zeichen für Demokratie und gegen politischen Fanatismus und Extremismus gewesen. Erhard Eppler, der als Hauptredner auf dem Münsterplatz gesprochen hat, dankte Gönner für dessen „großartige, aufrüttelnde und gleichzeitig mahnende Ansprache“.
Leider, so Gönner in einer Pressemitteilung, seien nicht alle an diesem Tag friedlich gewesen, sondern einige wenige hätten durch gezielte Agitation und geplante Gewaltanwendung gegen die Polizei für Ausschreitungen gesorgt. In einem Brief an den Chef der Ulmer Polizei, Karl-Heinz Keller, dankte Gönner ausdrücklich den Polizeikräften, die „in direkter Konfrontation mit diesen Krawallmachern Umsicht und Verhältnismäßigkeit gezeigt haben“. Er wünschte den verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten eine rasche und völlige Genesung. Gönner betonte: „Im Bewußtsein der Bürgerinnen und Bürger der Städte Ulm und Neu-Ulm und der Region aber bleibt der Eindruck haften, dass sich tausende Menschen friedlich versammelt haben und ihre eindeutige Botschaft war und ist: Wir wollen weder Alt- noch Neonazis in unseren Städten und in unserer Region!“
Kein Wort verlor der Ulmer Oberbürgermeister allerdings zu den Verletzten aus den Reihen der Demonstranten.
Keine Krawalle und gewalttätigen Auseinandersetzungen hat es am 1. Mai 2009 im benachbarten Neu-Ulm auf der bayerischen Seite der Donau gegeben, sagte der Pressesprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Die Ulmer Polizei hatte die Brücken über die Donau nach Neu-Ulm abgesperrt und ließ keine offensichtlich gewaltbereiten Personen über den Fluss.
Die Polizei stellt ihre Aufgaben bei den Demonstrationen in Ulm und Neu-Ulm wie folgt dar:
Die Polizei gewährleistet den Teilnehmern der Versammlungen in Ulm und in Neu-Ulm ihre Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung. Polizei und Versammlungsbehörden akzeptieren keine Straftaten, dazu zählt auch das Tragen von Waffen, Uniformen und Vermummung. Dagegen wird die Polizei konsequent vorgehen. Die Polizei bittet alle Bürger, sich von Straftätern zu distanzieren. Um die Sicherheit zu gewährleisten, erhalten die Polizeidienststellen in Ulm und Neu-Ulm Unterstützung durch die Bereitschaftspolizei aus Bayern und Baden-Württemberg und von anderen Polizeidienststellen. Aufklärungskräfte in ziviler Kleidung sind unterwegs, Kontrollstellen sind eingerichtet. Die Bundespolizei gewährleistet durch umfangreiche Maßnahmen die sichere An- und Abreise der Veranstaltungsteilnehmer mit der Deutschen Bahn AG und einen möglichst störungsfreien Reiseverlauf der anderen Bahnreisenden. Mit dem Einsatz von Anti-Konflikt-Teams will die Polizei aufkommende Spannungen frühzeitig erkennen und abbauen.
Weitere Infos zu den Demonstrationen am 1. Mai 2009 in Ulm und Neu-Ulm:
Initiative Ulm gegen Rechts: www.ulm-gegen-rechts.de/
Regio TV (Ulm): video.regio-tv.com/video_id_=16592
Bericht der ARD-Tagesthemen: www.youtube.com/watch?v=SHnqZoiiwyE
Bericht der Schwäbischen Zeitung: szon.de/lokales/ulm/ulm/200905011218.html
Bericht auf der Internetseite des Nachrichtenmagazins Stern: www.stern.de/panorama/:Aufm%E4rsche-1.-Mai-Linksautonome-Polizei/662653.html
Ulm gegen Rechts und gegen Krawalle: www.youtube.com/watch?v=hcAh1wsk36Y