Die Derivatenblase wird voraussichtlich ab Mitte März bis weit in den August 2009 hinein implodieren. Von den Auswirkungen wird auch die Region Hohenlohe betroffen sein.
Kommentar von Roman Schmitt, Kirchberg/Jagst-Hornberg vom 18. März 2009
Die Finanzkrise schreitet voran. Wer die Entwicklungen aufmerksam verfolgt, kann sich des Ernstes der Lage nicht entziehen. Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, erwartet, dass sich die Krise in den nächsten Wochen deutlich verschärfen wird: „Ich fürchte, dass es nach der Finanz- und Wirtschaftskrise in Kürze eine soziale Krise geben wird, die vor allem durch Massenarbeitslosigkeit geprägt sein wird und Einkommensverluste für viele Menschen bedeutet. Dies kann dazu führen, dass das Vertrauen in das politische System deutlich zurückgeht. Daraus könnte ein explosives Gemisch mit dramatischen Folgen für Europa entstehen“, so Juncker.
Welt Online schreibt: „Wird Europa als zerfleddertes Huhn oder gestärkt aus der Krise hervorgehen?“ Juncker: „Das werden wir bei der Autopsie feststellen.“ (Sprachpsychologisch
gesehen ist die Wahl des Futur Indikativs bedeutsam.) Karl-Otto Pöhl, Bundesbankpräsident a.D., befürchtet die Zahlungsunfähigkeit Irlands und Griechenlands. Bundesaußenminister a.D. Josef Fischer hält die Währungsunion für gescheitert. Die europäischen Einrichtungen hätten in der Krise jede Autorität verloren.
Jaques Delors, EU-Kommissionspräsidetn a.D. warnt vor einem Auseinanderbrechen der EU und gleichzeitig äußerte er sich pessimistisch gegenüber dem Fortbestehen des Euro. Bezüglich des in dieser Woche beginnenden G 20-Treffens sieht das GlobalEurope Antizipations-Bulletin Nr. 33 lediglich zwei Optionen, die die Politik noch hat:
1. Ein neues Internationales Währungssystem. Welche Konsequenzen das haben würde, bleibt abzuwarten und auszuloten. Diese Variante würde die Krise auf drei bis fünf Jahre begrenzen. 2. Der Versuch, das bestehende System zu „verlängern“. Diese Variante würde die Welt gegen Ende 2009 in eine tragisch krisenhafte Dekade stürzen.
Angesichts der beschriebenen und antizipierten Entwicklungen ist es vernünftig, dass die Menschen sich in ihrer Heimatregion rechtzeitig darauf vorbereiten. Wenn die Ereignisse sich beschleunigen, könnte es für manche Reaktionen zu spät sein. Für die Bürgerinnen und Bürger kann es empfehlenswert sein, sich nicht auf den Fortbestand der Währung(en) zu verlassen, sich an Sachwerten zu orientieren und sich angemessen mit Nahrungsmitteln und den Dingen des täglichen Lebens zu bevorraten, um etwaigen Versorgungsengpässen vorzubeugen. Dabei sollten lokale und regionale Nahrungsmittelproduzenten, Geschäfte und Dienstleister bevorzugt werden. Eine starke Region bedeutet mehr Versorgungssicherheit.
Die bisherige Gestaltung des Wirtschaftslebens war gekennzeichnet von blindem Materialismus und ungezügelter Gier. Im kollektiven Bewusstsein der westlichen „Kultur“ konnte sich so eine völlig falsche Perspektive des Lebens entwickeln. Wir erleben den Zerfall eines Wirtschaftssystems, das nicht nur ineffektiv, sondern auch in höchstem Maße zerstörerisch war, besonders was menschliche Werte und die Zerstörung der Natur betrifft. Die Grenze des Erträglichen ist erreicht, für die „3. Welt“ schon lange. (s. John Perkins, Weltmacht ohne Skrupel: Die dunkle Seite der Globalisierung ISBN 363601448X). Ich bezweifle, dass diese Krise mit einer simplen Währungsreform und einem weiter wie bisher bewältigt
werden kann. Umdenken und ein neues Paradigma sind notwendig. In diesem Sinne beinhaltet die Krise eine große Chance. Was werden wir daraus machen?
Info-Links (chronologisch):
www.welt.de/wirtschaft/article3393599/Juncker-warnt-vor-Massenarbeitslosigkeit-in-der-EU.html
blogs.telegraph.co.uk/ambrose_evans-pritchard/blog/2009/02/26/are_germans_giving_up_on_the_euro
www.focus.de/politik/weitere-meldungen/wirtschaftskrise-ex-eu-kommissionspraesident-schliesst-auseinanderbrechen-der-eu-nicht-aus_aid_381211.html
www.leap2020.eu/GEAB-N-33-is-available!-Growing-Transatlantic-tensions-on-the-eve-of-the-G20-summit-An-illustration-of-Wall-Street-s-and_a2940.html
Gipfel der G20-Staaten: Letzte Chance, den Zerfall der öffentlichen Ordnung aufzuhalten
Offener Brief an die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten, veröffentlicht in englischer Sprache in der Welt-Ausgabe der Financial Times am 24/03/09
Sehr geehrte Damen und Herren,
In wenigen Tagen treffen Sie sich in London zu einem weiteren Gipfeltreffen. Aber ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Ihnen gerade noch sechs Monate bleiben zu verhindern, dass die Welt in eine tiefe Krise von mindest zehnjähriger Dauer abstürzt? Mit diesem offenen Brief möchte LEAP/E2020, das den Ausbruch der “umfassenden weltweiten Krise“ schon vor drei Jahren vorhersah, Ihnen in einigen Sätzen darlegen, warum es zu dieser Krise kam und wie es möglich ist, weiteren Schaden abzuwenden.
Ihnen ist die Krise erst vor knapp einem Jahr bewusst geworden. LEAP/E2020 hingegen hat schon in der 2. Ausgabe seines GlobalEuropa Antizipations-Bulletin vom Februar 2006 (2. GEAB)vorher gesagt, dass der Ausbruch einer Krise von historischer Bedeutung bevorstehe. Seitdem hat LEAP/E2020 Monat für Monat äußerst präzise Vorhersagen über den weiteren Ablauf der Krise vorgelegt, die gegenwärtig die Welt im Griff hat. Auf Grund dieser Bilanz erfolgreicher Vorhersagen fühlen wir uns berechtigt, Ihnen diesen offen Brief zu schreiben, mit dem wir hoffen, Ihnen Hilfestellung bei den schwierigen Entscheidungen zu geben, die sie in einigen Tagen treffen müssen.
Die Krise wird immer bedrohlicher. In seiner letzten, 32. Ausgabe des GEAB warnten wir vor ihrer weiteren verheerenden Entwicklung. Hier müssen die die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten unbedingt handeln. Wenn Sie auf Ihrem nächsten Gipfel am 2. April 2009 in London nicht geradezu revolutionäre, den Kern des Problems anpackende Entscheidungen treffen und diese Maßnahmen bis spätestens Sommer 2009 umsetzen, wird diese Krise bis zum Ende des Jahres sowohl zum Zerfall des internationalen Systems als auch der öffentlichen Ordnung in den USA, Russland, China und der EU führen. Wenn Sie hier versagen, verlieren Sie jede Möglichkeit der Kontrolle über die Krise und ihre Auswirkungen auf sechs Milliarden Menschen auf dieser Erde.
Sie haben die Wahl: Eine Krise von drei bis fünf Jahren – oder zumindest ein “schreckliches
Jahrzehnt”?
Bis heute haben Sie lediglich an den Symptomen and Nebenwirkungen der Krise herumgedoktert, denn unglücklicher Weise traf diese Krise Sie vollkommen unvorbereitet. Sie verfielen dem Irrglauben, dass es ausreichend wäre, mehr Benzin in den Weltmotor zu schütten, damit er wieder rund drehe; Sie
konnten nicht begreifen, dass der Motor nur noch Schrott war, ohne jegliche Reparaturmöglichkeit. Die Welt braucht einen neuen Motor. Um ihn zu bauen, bleibt immer weniger Zeit. Monat für Monat zerfällt das internationale System mehr.
In schweren Krisen muss das grundlegende Problem angegangen werden. Sie haben die Wahl: Entweder ergreifen Sie radikale Maßnahmen die ein neues internationales System schaffen, womit die Dauer der Krise verkürzt und ihre tragischen Folgen reduziert würden; oder Sie scheuen diesen Schritt und versuchen vielmehr, vom gegenwärtigen System zu retten, was noch rettbar scheint, womit Sie die Dauer der Krise verlängern und ihre verheerenden Folgen noch verstärken. Am 2. April in London können Sie entweder den Weg frei machen, damit die Krise geordnet in drei bis fünf Jahren überwunden werden kann; oder Sie lassen zu, dass die Welt ein schreckliches Jahrzehnt durchleben muss.
Wer werden uns darauf beschränken, Ihnen drei strategische Ratschläge zu geben, von denen wir glauben, dass mit ihnen die Weichen richtig gestellt werden könnten. Wenn die Weichen bis Sommer 2009 nicht entsprechend gestellt werden, wird der Zerfall des internationalen Systems und der öffentlichen Ordnung in wichtigsten Staaten nicht mehr aufzuhalten sein.
DIE DREI STRATEGISCHEN RATSCHLÄGE VON LEAP
1. Der Schlüssel zur erfolgreichen Krisebekämpfung liegt in der Schaffung einer neuen internationalen Reservewährung
Die erste Empfehlung ist eigentlich von der Idee her recht simpel: Reformieren Sie das internationale Währungssystem, das noch ein Kind der Nachkriegszeit ist; schaffen Sie eine neue internationale Reservewährung. Der US- Dollar und die USA – Wirtschaft sind nicht mehr in der Lage, Dreh – und Angelpunkt des internationalen Wirtschafts- , Finanz – und Währungssystems zu sein. So lange dieses grundsätzliche Problem unbeachtet und ungelöst bleibt, wird sich die Krise verschärfen. Denn es ist ursächlich für die Krise der Finanzderivate, Banken, Energiepreise… und für deren Folgen der massiv ansteigenden Arbeitslosigkeit und abstürzenden Lebensstandards. Daher muss dieses Problem unbedingt Hauptgegenstand des G20-Gipfels in London sein; und schon dort die ersten entsprechenden Maßnahmen beschlossen werden. Die Lösung drängt sich auf: Die Schaffung einer internationalen Reservewährung (die man den “Global” nennen könnte) aus einem Korb der Währungen der größten Volkswirtschaften der Welt (Dollar, Euro, Yen, Yuan, Khaleeji – Einheitswährung der Erdöl produzierenden Staaten des Persischen Golf, die im Januar 2010 eingeführt werden soll- Rubel, Real…). Diese Währung wäre von einem “Weltwährungsinstitut” zu verwalten, mit einem Exekutivausschuss, der gewichtet nach der jeweiligen Bedeutung der einzelnen am Global beteiligten Volkswirtschaften zu besetzen wäre. Sie müssen den IWF und die betroffenen Zentralbanken anweisen, einen entsprechenden Vorschlag für Juni 2009 vorzulegen, der bis zum 1. Januar 2010 umzusetzen wäre. Dies ist die einzige Möglichkeit für Sie, ein gewisses Mindestmaß an Kontrolle über die Krisenereignisse wiederzuerlangen. Diese internationale Korbwährung ist die einzige Möglichkeit für Sie zu erreichen, dass das zukünftige internationale Währungssystem gemeinsam gemanagt wird.
Nach der Auffassung von LEAP/E2020 wird,, wenn nicht diese Alternative zum Status quo nicht bis Sommer 2009 auf den Weg ge – und damit der Beweis erbracht wurde, dass gemeinsames internationales Handeln gegen die Krise möglich ist, wird das gegenwärtige internationale Währungssystem wegen des dann einsetzenden nationalen Egoismus und Protektionnismus diesen Sommer nicht überleben. Sollten einige G20- Staaten sich der Illusion hingeben, dass es für sie besser wäre, ihre Privilegien im aktuellen System so lang wie möglich zu bewahren, so sollten sie bedenken, dass heute sie die zukünftige Form des neuen internationalen Währungssystems noch beeinflussen können; wenn erst der Zerfall des internationalen Systems und der öffentlichen Ordnung allgemein erkennbar eingesetzt haben wird, büßen sie ihre Einflussmöglichkeiten ein.
2. Schaffen Sie so schnell wie möglich ein globales Bankenaufsichtssystem
Der zweite Ratschlag ist schon häufig in den vorbereitenden Debatten zum Gipfeltreffen zur Sprache gekommen. Damit sollte er ohne Schwierigkeiten umsetzbar sein. Es geht darum, noch vor Ende dieses Jahres ein globales Bankenaufsichtssystem einzurichten, das alle Steuerparadise abschafft. Von Ihren Ratgebern wurden schon verschiedene Optionen vorgelegt. Seien Sie sich darüber bewusst: Es wird Fälle geben, in denen Sie nicht anders können als Banken zu verstaatlichen! Nur so kann verhindert werden, dass die Banken erneut eine riesige Kreditblase aufblasen werden wie die derzeitige, die ganz überwiegend zur aktuellen Krise beigetragen hat. Nur so können Sie der Öffentlichkeit gegenüber nachweisen, dass Sie sich gegenüber den Bankern durchsetzen können.
3. Weisen Sie den IWF an, die Finanzsysteme der USA, Großbritanniens und der Schweiz zu evaluieren!
Der dritte Ratschlag betrifft eine politisch sensible Angelegenheit, die aber nicht länger bei Seite geschoben werden kann. Es ist entscheidend, dass spätestens 2009 der IWF dem G20 eine unabhängige Evaluierung der drei hauptursächlich für die gegenwärtige Finanzkrise verantwortlichen nationalen Finanzsysteme vorlegt: USA, Großbritannien und Schweiz. Keine dauerhafte Lösung ist möglich, solange nicht klar ist, wie groß der Schaden in diesen drei Pfeilern des internationalen
Finanzsystems ist. Die Zeit für diplomatische Rücksichtnahme gegenüber den hauptsächlich für die Finanzkrise verantwortlichen Ländern ist vorbei.
Schreiben Sie kurz und einfach Schlussfolgerungen!
Zum Schluss möchten wir Ihnen in Erinnerung rufen, dass Ihre Aufgabe darin besteht, bei sechs Milliarden Menschen und Millionen Unternehmen Vertrauen wiederherzustellen. Deshalb müssen Sie Ihre Schlussfolgerungen auf das Wesentliche beschränken – nicht mehr als zwei Seiten mit höchstens drei bis vier Hauptthesen, die auch ein Laie lesen und verstehen kann. Wenn Ihnen dies nicht gelingt, wird niemand, außer dem engen Kreis von Wirtschafts- und Bankenspezialisten, lesen, was Sie der Welt mitteilen wollen. Damit würde auch nicht das globale Vertrauen wiederhergestellt. Die Krise würde sich unweigerlich verschärfen.
Seien Sie sich bewusst: Die Geschichte wird die Teilnehmer des G20- Treffens nach dessen Erfolg oder Mißerfolg beurteilen. Wenn dieser offene Brief dazu beiträgt, Ihnen das verständlich zu machen, hat er seinen Zweck erreicht. Bis Ihre Wählerinnen und Wähler über Sie urteilen werden, wird höchstens noch ein Jahr vergehen. Dann bleibt Ihnen nicht erneut die Ausrede, das hätte wirklich niemand voraussehen können!
Franck Biancheri
Director of studies of LEAP/E2020
President of Newropeans