„Irgendwo in Hohenlohe“ – eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreiundvierzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XLIII Hinterhalt
… daheim angekommen, ging Carl zuerst in die Küche und bereitete sich einen Eisenkrauttee*. Er stellte seine Lieblingstasse und ein Tellerchen auf das Tablett. Dann öffnete er drei Packungen Kekse, er wollte die verschiedenen Sorten des neuen Spritzgebäcks nun in Ruhe ausprobieren, um sich dann mit der besten für künftige Vorräte einzudecken. Ob Paula Vollkornkekse mögen würde? Er hatte nie viele gesunde Lebensmittel bei ihr entdeckt. Obst, das aß sie, aber alles andere? Kaffee ja, den trank sie schwarz und in ziemlichen Mengen. Ob sie wohl auch abends mit ihm
gemütlich Tee trinken würde? Er musste sich zugestehen, dass er eigentlich nur wenig von Paula wusste. Er kannte ihre früheren finanziellen Verhältnisse, und diese würden sich wohl nicht gravierend verändert haben. Nun hatte sie zwar mittlerweile ein weiteres Gebäude geerbt, aber auch dort würden ihr die Hände gebunden sein. Vermutlich war sie nicht Alleinerbin des elterlichen Stadthauses geworden. Und so wie er sie mittlerweile einschätzte, würde sie sich nicht aufraffen, etwas daraus zu machen. Sie würde eben alles so weiterlaufen lassen wie bisher. Von dieser Warte aus betrachtet, brauchte er sich zumindest keine Sorgen machen, dass sie juristisch fundiert gegen ihn vorgehen würde – das würde sie nämlich schon im Vorfeld eine Menge Geld kosten. Carl Eugen stellte die Teekanne zu den anderen Utensilien auf das Tablett und balancierte es geschickt in sein Arbeitszimmer. Dort konnte er in aller Ruhe über Paula nachdenken. Und er würde sich weitere kluge Vorgehensweisen überlegen, mit welchen er Paula die Wahrheit näherbringen könnte.
Reifer
In seinem aufgeräumten Arbeitszimmer angekommen, stellte er das Tablett auf einer der beiden Anrichten ab, goss sich eine Tasse Tee ein, nahm die Tasse und das Tellerchen und setzte sich an seinen Schreibtisch. Oh, die Kekse waren aber gut, fein, und der Tee wärmte ihn auf – er fühlte sich ganz und gar zufrieden mit sich selbst und genoss die Stille, die ihn hier umgab. Er zog Bilanz; es war ihm durch den guten Rat seines Freundes Anton gelungen, mit Paula Kontakt aufzunehmen. Paula traf sich mit ihm und so schwierig die Gespräche auch waren, sie stellte sich jetzt allen Auseinandersetzungen. Das hatte sie vor mehr als zehn Jahren noch nicht getan; sie brach unvermittelt und wortlos in Tränen aus oder entzog sich bereits im Voraus bei aufkommenden Schwierigkeiten. Und was ihn immer besonders schmerzte, war ihr letztes Mittel, sobald Paula anfing zu schreien und ihn mit üblen Beschimpfungen bombardierte, traf es ihn mitten ins Herz. Eigentlich war es jetzt sogar anregender, mit ihr die Umstände zu erörtern als früher – auch wenn sie ihm manchmal wüst über den Mund fuhr. Sie dachte mit und war nicht gleich von allem und jedem, was er zur Überlegung in den Raum stellte, überfordert. Paula Engel war reifer geworden. Er musste, bei der Vorstellung, ihr diese Erkenntnis mitzuteilen, lächeln. Vermutlich hätte sie vordergründig dafür nur Stirnrunzeln übrig und würde ihn mit Spott überziehen.
Misstrauisch
Nun hatte sich aber auch seine Rolle bei Paula geändert. Er war nicht mehr ihr erster Ansprechpartner und als Helfer in der Not schon gleich gar nicht mehr gefragt. Im Gegenteil, Paula war extrem misstrauisch geworden, sie hielt mit vielem hinter dem Berg. Und besonders ihre Zuneigung zu ihm schien sie zurückzuhalten. Er stand auf und goss sich eine weitere Tasse Tee ein, hm, und die Kekse waren aber auch zu gut! Dreikorn, bestehend aus Hafer, Gerste und Buchweizen, kam im Geschmack recht kräftig und vollmundig daher. Diese konnte er sich auch zu einer Tasse starken Kaffees gut vorstellen. Die mit Einkorn hergestellten schmeckten nicht so rustikal, waren milder auf der Zunge, zurückhaltend würde er den Geschmack nennen. Sie würden wohl eher zu schwarzem oder Grüntee passen. Jedoch die Dinkelkekse hatten es ihm besonders angetan, die waren sein Favorit. Ausgewogen und fein empfand er sie, wenn er sich einen Bissen von dieser Sorte im Mund zergehen ließ. Er würde sich einfach von allen einen Vorrat anschaffen. Die Geschmäcker waren verschieden und wer nicht wusste, dass es sich dabei sogar um ein hochwertiges Vollkorngebäck in Demeterqualität* handelt, der fand sie halt einfach nur lecker.
Geier
Carl Eugen Friedner wägte die nächsten Schritte der Reihe nach ab. Die kommende Verabredung mit Paula würde sehr schwierig werden. Er wollte ihr dabei die damalige Rolle von Landolin Dreist erklären. Dreist hatte irgendwann, wie es bei so manchen Männern Mode wurde, bei der Heirat den Namen seiner Frau angenommen. Carl fragte sich bei dem Gedanken an den damals noch jungen Mann, wie man nur einen so schönen Nachnamen wie Bäuerle in Dreist umtauschen konnte? Nun war es ihm letztlich egal wie er hieß, es passten beide Namen zu dem smarten Vasallen*, der zielstrebig seine Karriere verfolgte. Dreist bedrängte Paula gezielt und im Auftrag seiner Vorgesetzten, ihrer Kreditgeber, während Vorderschein ihr gleichzeitig ein scheinbar hilfreiches Angebot unterbreitete. Man erhoffte sich, dass sie irgendwann weichgekocht war, aufgeben würde und ihr das prächtige Haus dann günstig abzunehmen wäre. Dieses Vorhaben war jedoch, dank seines ständigen Eingreifens, lange Zeit nicht von Erfolg gekrönt. Er konnte anfänglich das Schlimmste verhindern, ja, er nahm sogar ein Zerwürfnis mit seinem langjährigen besten Freund, Norbert Schneider, in Kauf und stellte sich vor Paula. Letztlich war es ihm aber nicht gelungen seine geliebte Paula vor dem Zugriff der Geier ausreichend zu beschützen, er hatte kläglich versagt. Würde sie ihm seine Schwäche jemals verzeihen?…. Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
*Eisenkraut: Heilpflanze, wird in der Volksmedizin als schlaffördernd angesehen.
*Demeter: Griechische Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin, Der Begriff „Demeter“ ist weiterhin ein geschütztes Markenzeichen anthroposophisch orientierter Betriebe, die kontrolliert landwirtschaftlichen Produkte und verarbeitete Lebensmittel werden nach biologisch dynamischen Richtlinien angebaut, erzeugt, und zertifiziert.
*Vasall: Lakai, Gefolgsmann, seinem Herrn in wohlbedachtem Eigennutz ergebener Diener bzw. Jünger.
Wer hat auch schon eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gern an die Autorin wenden.
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