Bürger aus Michelbach/Bilz und anderen Kreisgemeinden haben gegen die Windkraftpläne der Stadtwerke Schwäbisch Hall Einwendungen erhoben. Die teilweise über 30 Seiten umfassenden Ausarbeitungen dokumentieren die negativen Auswirkungen auf Natur und Landschaft und die gesundheitlichen Gefahren für Bewohner in der Nachbarschaft der geplanten Anlagen. Am Dienstag, 14. Oktober 2014, um 14.30 Uhr sollen in der Rudolf-Then-Halle in Michelbach/Bilz Bürgereinwendungen zum Bauantrag der Stadtwerke für Windkraftanlagen in den Limpurger Bergen erörtert werden. Die Veranstaltung ist öffentlich.
Von der Bürgerinitiative „Pro Limpurger Berge“, Dr. Karl-Heinz Glandorf, Michelbach/Bilz
BI zweifelt Windgutachten der Stadtwerke an
Die BI Pro Limpurger Berge weist nach eigenen Angaben Lücken und Fehler im Bauantrag hinsichtlich der Schall- und Infraschallimmissionen und beim Schattenwurf nach und kritisiert gravierende Lücken und Fehler bei den Naturschutzgutachten der Stadtwerke Schwäbisch Hall. Vor allem kritisiert sie das im Bauantrag vorgelegte Windgutachten der Stadtwerke und bezweifelt, dass die Windhöffigkeit in den Limpurger Bergen ausreicht, um die im Windenergieerlass verlangte Mindestwindgeschwindigkeit zu erreichen. Denn nur wenn diese ausreicht, ist laut Windenergieerlass eine Naturzerstörung zu akzeptieren. Die BI vermutet, dass für die Stadtwerke politische Vorgaben Vorrang vor realistischen Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben. Dies hat für andere Stadtwerke ein Fernsehbeitrag der ARD-Sendung Report am 23.09.2014 aufgedeckt:
Die Hauptkritikpunkte der BI am Bauantrag:
Windhöffigkeit fragwürdig
Schon bei der Auswahl der Standorte wurden die falschen Daten des Windatlasses benutzt. Durch den Baumbestand erniedrigt sich die Windhöffigkeit erheblich, wie aus dem Windatlas selbst hervorgeht. Gemessen wurde laut Bauantrag in dem kurzen Teilzeitraum von April bis Oktober 2013 auch tatsächlich nur 4,9 m/s in 99,9 m Höhe. Dieser Wert liegt deutlich unter den Mindestanforderungen nach dem Windenergieerlass, der eine durchschnittliche Jahreswindgeschwindigkeit von 5,8 m/s bis 6 m/s in 100 m über Grund fordert. Die Stadtwerke stützen sich statt dessen auf Hochrechnungen und kommen damit auf einen langfristigen Durchschnittswert von 5,6 m/s in 100 m Höhe. Zugrunde gelegt werden Messergebnisse der weit entfernten Wetterstation Niederstetten, wo der Windatlas Baden-Württemberg eine weit höhere Windhöffigkeit als in den Limpurger Bergen ausweist. Dabei wurden keine aktuellen Daten sondern lediglich Daten aus den Jahren 1996 bis 2009 verwendet. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit nimmt seit 2000 tendenziell ab.
Fehler auch bei Schattenwurf…
Eine auf der Gemeinderatssitzung in Michelbach am 29.01.2014 von den Stadtwerken gezeigte Schattenkarte weist eine weit größere Betroffenheit aus als die Schattenkarte im Bauantrag. Die neue Karte beruht auf einem Papier des Länderausschusses für Immissionsschutz aus dem Jahr 2002. Das damals definierte Mittelungsverfahren ist auf neue Anlagen mit wesentlich längeren Rotorblättern nicht übertragbar. Das Gutachten der Stadtwerke im Bauantrag ist somit falsch und verharmlost die Beeinträchtigung der Bürger in Michelbach.
…. und Schallimmission
Grundsätzlich in Frage zu stellen ist die Schallimmissionsprognose. Es ist unbestreitbar, dass die hier verwendete Prognosemethode zwar für normale Gewerbebetriebe, aber nicht mehr für hochliegende Quellen anwendbar ist. Die Lärmquelle erstreckt sich von 75 – 200 m Höhe. Hinzu kommt die ungünstige Lage auf dem Berg. Es gibt Messungen, die belegen, dass bei den nächtlichen Luftschichtungen, die in unseren Breiten vorherrschen, die vorgelegten Prognosen überschritten werden. Dies hätte der Gutachter wissen und berücksichtigen müssen. Außerdem muss die Vorbelastungssituation in Wohngebieten durch den vorgeschriebenen Einbau erneuerbarer Wärmequellen wie Wärmepumpen und Kraftwärmekopplung angemessen berücksichtigt werden.
Infraschall nicht ausreichend berücksichtigt
Die gesundheitsgefährdeten Auswirkungen von Infraschall werden im Antrag der Stadtwerke nicht ausreichend berücksichtigt. Man beruft sich anscheinend auf die Aussage des LUBW-Flyers Infraschall, wo es heißt: „Wenn die Hörschwelle unterschritten ist, gibt es keine Belästigungseffekte“. Dies ist nun durch die Studie des Bundesumweltamtes vom März/Juni 2014 (ISSN 1862-4804) offiziell widerlegt worden. Die neue Studie des Bundesumweltamtes kommt zum Ergebnis, dass „Infraschall ab gewissen Pegelhöhen vielfältige negative Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben kann“. Weiter heißt es in dieser Studie wie folgt: „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass viele der negativen Auswirkungen von Infraschalleinwirkungen die Bereiche Herz-Kreislaufsystem, Konzentration und Reaktionszeit, Gleichgewichtsorgane, das Nervensystem und die auditiven Sinnesorgane betreffen.“
Fehlende Rechtsgrundlage
Einen weiteren Schwerpunkt der Einwendungen stellt der Nachweis der fehlenden Rechtsgrundlage dar.
1. Unzulässige Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes
Das Vorhaben „Windpark Kohlenstraße“ wird im Bauantrag als privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB behandelt. Genehmigungsfähig ist dieses Vorhaben aber nur, wenn ihm keine öffentlichen Belange entgegenstehen. § 35 Abs. 3 BauGB verweist ausdrücklich auf „Belange des Naturschutzes und der Landschaftpflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert“. Der Bau und Betrieb der geplanten Windkraftanlagen entlang der Kohlenstraße steht dem entgegen. In den Einwendungen wird der hohe Schutzwert der Landschaft detailliert dargelegt und begründet, dass der Bau von 200 m hohen Windkraftanlagen in solch exponierten Lagen wie in den Limpurger Bergen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wegen Verunstaltung des Landschaftsbildes unzulässig ist.
2. Immissionsschutz nicht berücksichtigt
Die in § 35 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange sind – wie das Wort „insbesondere“ andeutet – keine abschließende Auflistung. Ein Vorhaben ist auch dann nicht zulässig, wenn dadurch die Nachbarschaft durch Immissionen in übermäßiger Weise beeinträchtigt wird. „Nachbarschaft“ im Sinne der Immissionsschutzvorschriften sind Grundstückseigentümer, Mieter und sonstige Personen, die sich im Einwirkungsbereich der Anlagen aufhalten. Diese Schutzwirkung des § 35 BauGB wird im Bauantrag der Stadtwerke nicht berücksichtig.
3. Rechtskräftiger Flächennutzungsplan fehlt
Die derzeit von der Verwaltungsgemeinschaft Schwäbisch Hall geplante Änderung des
bestehenden Flächennutzungsplans und die darin enthaltene Konzentrationszone für
Windenergieanlagen ist – wie in Einwendungen dezidiert und mit Bezug auf die
Rechtsprechung erläutert – rechtswidrig. Insbesondere fehlt die Rechtsgrundlage wegen
rechtsunwirksamer bzw. fehlender Beschlüsse der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft
Schwäbisch Hall und wegen des eigenmächtiges Handeln der Stadt Schwäbisch Hall
ohne erteilten Auftrag. Grundsätzlich überschreitet ein Gemeindeverwaltungsverband
bei Aufstellung eines Flächennutzungsplanes mit Konzentrationszonen für
Windenergieanlagen seine Befugnisse. Darüber hinaus ist nicht begründet, weshalb
die übrigen Gebiete der Verwaltungsgemeinschaft nicht als Konzentrationszonen
ausgewiesen werden sollen.
4. Verstoß gegen den Landesentwicklungsplan
Der Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg stellt besondere Naturräume unter Schutz. So heißt es dort, dass „die überregional bedeutsamen naturnahen Landschaftsräume möglichst unzerschnitten in ihrem landschaftlichen Zusammenhang erhalten und untereinander vernetzt werden“ sollen und dort „überregional bedeutsame Ver- und Entsorgungseinrichtungen … grundsätzlich zu vermeiden“ sind. Der Regionalverband hat daher das Gebiet der nördlichen Limpurger Berge als schutzwürdigen „Regionalen Grünzug“ ausgewiesen. Wegen der großen Zahl der 200 m hohen Anlagen und dem damit verbundenen immensen Flächenverbrauch stellt der geplante Windpark Kohlenstraße eine unzulässige überregional bedeutsame Versorgungseinrichtung im Sinne des Landesentwicklungsplanes dar.
5. Unzureichende Berücksichtigung der Erschließung
Die wenigen Angaben im Bauantrag der Stadtwerke zur Erschließung sind unzureichend. Sie beschränkten sich darauf, dass die Erschließung von der Landesstraße L 1066 bei Winzenweiler erfolgt, die Zufahrten für Baufahrzeuge eine Breite von 4,50 Metern haben müssen und nur wenige Kurvenbereiche wegen des Transports der Rotorblätter baumfrei zu halten sind. Die Einwendungen weisen darauf hin, dass das vorhandene Forstwegenetz für Bauverkehr mit schweren Fahrzeugen nicht geeignet ist. Außerdem ist das vorhandene Wegenetz nicht für Unglücksfälle und Feuerwehreinsätze gerüstet. Die für Gegenverkehr nicht geeigneten Forstwege werden im Brandfall erforderliche Löscheinsätze nicht ermöglichen und können, sollte eine Brandsituation außer Kontrolle geraten, zur tödlichen Falle für die sich im Einsatz befindenden Feuerwehrleute werden.
Die Antragsunterlagen enthalten auch keine Angaben, wer die Kosten für die Wiederherstellung des Wegenetzes zu tragen hat. Damit stehen dem Vorhaben öffentliche Belange wegen unwirtschaftlicher Aufwendungen für Straßen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB entgegen.
6. Keine Angaben zur Entwässerung
Die Bauvorlage der Stadtwerke enthält keine Angaben zur Entwässerung. Im Bauantrag selbst wird darauf hingewiesen, dass der Untergrund der Standorte für die riesigen Fundamente wasserundurchlässig ist. Unter solchen Bedingungen ist nach § 8 LBOVVO die Entwässerung des Vorhabens darzustellen. Es wird auch nicht dargelegt, welche Auswirkungen eine Entwässerung auf die Ökologie hat. Es könnten Bäche – über 20 entspringen an der Kohlenstraße und sind meist als Biotop eingetragen – oder moorige Flächen austrocknen, was massive Auswirkungen auf Fauna und Flora hätte.
7. Kein gemeindliches Einvernehmen
Die Gemeinde Michelbach hat das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben versagt. Außerdem hat die Gemeinde einen Rückstellungsantrag nach § 15 Abs. 3 BauGB gestellt. Nach § 15 Abs. 3 BauGB „hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6“ für den im Rückstellungsantrag genannten Zeitraum „auszusetzen“. Das Weiterbetreiben des Genehmigungsverfahrens ist daher rechtswidrig.
Der Artenschutz wird unzureichend berücksichtigt
Ausführlich gehen die Einwender auch auf den Naturschutz ein, der nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 ebenfalls zu den öffentlichen Belangen gehört, die einem Vorhaben entgegen stehen können. Die Datenerhebung des von den Stadtwerken beauftragten Gutachters zum Rotmilan wird als unwissenschaftlich bezeichnet. Eigene Beobachtungen zeigen ein großes Gefahrenpotenzial auf. Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Schutz von Fledermäusen. Aufgrund der hohen Fledermausdichte, der Frequentierung der Waldwege und der Nähe zu dem bedeutenden Quartier Wilhelmsglück wird die Kollisionsgefährdung mit Windkraftanlagen hoch eingestuft. Damit verstößt eine Genehmigung des Bauantrags gegen die Verbotstatbestände des § 44 Bundesnaturschutzgesetz. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Abschaltungen und ein ergänzendes Monitoring beim Betrieb der Anlagen für weitere Abschaltungen werden als unzureichend bezeichnet.
Umweltverträglichkeitsprüfung nötig
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss nach dem Wortlaut des § 3c Satz 1 UVPG bereits dann durchgeführt werden, wenn das Vorhaben „erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann“, nicht muss. Wie die Einwendungen darstellen,
kann das Vorhaben des Baus und Betriebs der sieben Windkraftanlagen von 200 m Höhe , entsprechenden Fundamenten und Rodungsflächen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf geschützte Tierarten, auf die Landschaft, auf das Klima sowie auf Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen haben. Auch die laut Gutachten der Stadtwerke nur geringfügige Unterschreitung der Lärmgrenzwerte nach TA Lärm macht eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig. Zu kritisieren ist außerdem, dass das Landratsamt nicht – wie vorgeschrieben- bekannt gemacht hat, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleibt.
Weitere Informationen und Kontakt:
http://www.pro-limpurger-berge.de/