Die Monsanto-Aktionäre in St. Louis stimmen am heutigen Dienstag, 13. Dezember 2016, über die Übernahme durch den Bayer-Konzern ab. Aber auch damit ist der Deal noch längst nicht besegelt. Die Prüfung durch etliche Kartellbehörden steht noch aus.
Offener Brief von Grünen-Bundestagsabgeordneten an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
Besondere Situation auf dem Saatgut- und Pestizidmarkt
Anlässlich der drohenden Fusion hat Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe und Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik, gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und seinen MdB-Kolleginnen und -Kollegen Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Thomas Gambke, Dieter Janecek und Renate Künast einen offenen Brief an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager geschrieben. Darin bitten sie Vestager, bei ihrer Überprüfung der geplanten Übernahme die besondere Situation auf dem Saatgut- und Pestizidmarkt und den Zusammenhang mit anderen Zielen zu berücksichtigen und appellieren an sie, die Übernahme zu untersagen.
Weitere Informationen und Kontakt:
Büro Harald Ebner, MdB, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030 / 227-730 28
Fax: 030 / 227-760 25
E-Mail: harald.ebner.ma11@bundestag.de
Internet:
www.harald-ebner.de
http://harald-ebner.de/startseite/startseite-volltextansicht/article/offener_brief_baysanto_fusion_stoppen/
Erste Online-Berichte zum Thema:
Ärger für Bayer: Grüne fordern EU-Veto gegen Monsanto-Übernahme
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bayer-und-monsanto-gruene-fordern-veto-aus-bruessel-a-1125575.html
Monsanto-Übernahme durch Bayer: Stoppen Grüne den Mega-Deal in letzter Minute?
http://www.ariva.de/news/monsanto-uebernahme-durch-bayer-stoppen-gruene-den-mega-deal-5979126
Der Offene Brief im Wortlaut (Zwischenüberschriften von Hohenlohe-ungefiltert):
Berlin, 12. Dezember 2016
Sehr geehrte Frau Kommissarin Vestager,
am 14. September 2016 gab die Bayer AG bekannt, dass sie den US-amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto für 59 Milliarden Euro übernehmen wird. Die Fusion ist der jüngste von drei Fällen, in denen global agierende Saatguthersteller mit Produzenten von Pflanzenschutzmitteln fusionieren wollen. Als Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag appellieren wir an Sie, die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemiemarkt zu stoppen und alle drei Übernahmen zu untersagen.
Sehr bedenkliche Marktkonzentration
Bereits heute existiert bei Saatgut und Pestiziden eine bedenkliche Konzentration von Marktmacht. Sechs Unternehmen kontrollieren 74 Prozent des weltweiten Pestizidmarkts, sieben Firmen 71 Prozent des globalen Saatgutmarkts. Auch in Europa ist insbesondere auf Teilmärkten wie Gemüsesaatgut schon heute eine sehr bedenkliche Marktkonzentration festzustellen, da Monsanto allein bereits fast ein Viertel dieses Marktes kontrolliert. Mit der Fusion von Dow und DuPont, der Übernahme von Syngenta durch ChemChina, und dem nun geplanten Zusammenschluss von Bayer und Monsanto würde sich diese Konzentration nochmal deutlich zuspitzen.
In Europa 95 Prozent Marktanteil beim Gemüsesaatgutmarkt
Damit würden in Zukunft drei Konzerne 65 Prozent des weltweiten Saatgutmarkts kontrollieren, bei Pestiziden hätten vier Konzerne die Kontrolle über 80 Prozent des Weltmarktes. In Europa würden nur vier Unternehmen den Gemüsesaatgutmarkt mit 95 Prozent Marktanteil beherrschen. Bereits geschädigte Wettbewerbsstrukturen würden dadurch weiter geschwächt und die Verdrängung kleiner und mittlerer Hersteller befördert. Eine wachsende Abhängigkeit der Erzeuger von wenigen großen Konzernen wäre die Folge. Diese könnten gegenüber Landwirten und Verbraucherinnen und Verbrauchern deutlich höhere Preise durchsetzen und auch viel leichter Preise untereinander absprechen. Auch gäbe es weniger Auswahl bei Pflanzenschutz, Dünger und Saatgut. Hinzu kommen Konzentrationsentwicklungen in weiteren Bereichen wie Digitalisierungsanwendungen in der Landwirtschaft sowie die wachsende private Aneignung genetischer Ressourcen mittels Biopatenten, welche die Marktmachtwirkung weniger Unternehmen auf weite Teile der Agrarwirtschaft und der Lebensmittelkette weiter verstärken.
Fatale Konsequenzen für die Artenvielfalt
Der besorgniserregende Trend zu Monokulturen, mit allen fatalen Konsequenzen für die Artenvielfalt und die Ernährungssicherheit, würde zunehmen. Und schließlich würden auch die finanzielle Macht und der politische Einfluss dieser riesigen Agrochemiekonzerne auf Umweltschutzregulierung und Zulassungsverfahren steigen. Die EU-Kommission muss auf Grundlage des Kartellrechts verhindern, dass es soweit kommt.
Ziel: Mehr Kombiprodukte
Bayer und Monsanto argumentieren, dass die Fusion zu keiner relevant höheren Marktkonzentration führen würde, weil beide Unternehmen einen unterschiedlichen Fokus haben. Monsanto ist vor allem auf dem Saatgutmarkt aktiv, Bayers Schwerpunkt liegt bei Pestiziden. Ähnlich ist es bei Dow und DuPont, sowie bei Syngenta und ChemChina. Allerdings wird eine enge Marktabgrenzung zwischen Saatgut- und Pestizidmarkt der wirtschaftlichen Bedeutung der neu entstehenden Megakonzerne nicht gerecht. Denn Ziel der Unternehmen ist es, verstärkt Kombiprodukte zu entwickeln und Saatgut zusammen mit abgestimmten Pflanzenschutzmitteln zu vermarkten; inzwischen auch durch Sorten mit nicht
gentechnisch erzeugter Herbizidresistenz. Diese Bündelung von Saatgut und Pestiziden steigert zusätzlich zur Marktkonzentration die Abhängigkeit der Erzeuger von einzelnen Firmen. Eine enge Marktabgrenzung, die den Saatgut und Pflanzenschutzmarkt getrennt betrachtet, entspricht also nicht mehr dem tatsächlichen Marktgeschehen.
Rendite steigt, wenn der Wettbewerb abnimmt
Beim Blick auf die Eigentümerstrukturen der führenden Agrochemiekonzerne ist zudem auffällig, dass weitgehend dieselben Finanzinvestoren relevante Anteile an allen Unternehmen halten. Die Erfahrungen aus dem Markt für Fluggesellschaften haben gezeigt, dass der Wettbewerb abnimmt und die Preise steigen, wenn die gleichen Investoren an unterschiedlichen Unternehmen desselben Marktes beteiligt sind. Für die Investoren zählt dann nicht die Rendite der einzelnen Unternehmen, sondern die des gesamten Marktes, und diese steigt, wenn der Wettbewerb abnimmt. Die geplanten Zusammenschlüsse im Agrochemiesektor könnten also dazu führen, dass nicht nur wenige Konzerne den Markt kontrollieren, sondern dass sich diese aufgrund ihrer Eigentümerstrukturen auch noch untereinander kaum Wettbewerb liefern.
Grüne lehnen die geplanten Zusammenschlüsse im Agrochemiesektor ab
Zum Schutz von Landwirten, Verbrauchern, der Umwelt und des Wettbewerbs in Deutschland, Europa und global lehnt die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen die geplanten Zusammenschlüsse im Agrochemiesektor ab. Wir verweisen zudem darauf, dass sich Zielsetzungen wie die des Pariser Klimaabkommens auch im Marktgeschehen abbilden müssen. Eine weitere Reduzierung von Wettbewerb und Konzentration auf einen hohen Einsatz von Agrarchemie widerspricht aber diametral der Tatsache, dass auch die Landwirtschaft einen sichtbaren Reduzierungsbeitrag bei Treibhausgas-Emissionen leisten muss.
Wir bitten Sie daher, bei Ihrer Überprüfung des Kaufs die besondere Situation auf dem Saatgut- und Pestizidmarkt und die Kohärenz mit anderen Zielen zu berücksichtigen und appellieren an Sie, die Übernahme zu untersagen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Anton Hofreiter, Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Dieter Jan-
ecek, Renate Künast (für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag)