„Gescheiterte Globalisierung“ – Hintergrundbericht von Paul Steinhardt (Teil 2)

Bei der Diskussion zu dem Vortrag „Gescheiterte Globalisierung“ vor Kurzem in Schwäbisch Hall über deutsche Handelsbilanzüberschüsse wurde sehr kontrovers diskutiert. Das hat den Referenten Paul Steinhardt dazu bewogen, noch einmal eine ausführliche Erklärung nachzuschieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den vollständigen Text in zwei Teilen.

Hintergrundbericht von Paul Steinhardt (Teil 2)

Teil 2: Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft

Herausgeber: Heiner Flassbeck & Paul Steinhardt – Handelsungleichgewichte – Wie erklärt man das Problem? (Teil 2) von Paul Steinhardt | 9. August 2018

Problem für die Realwirtschaft

Handelsungleichgewichte gefährden nicht primär die globale Finanzstabilität und sind auf Dysfunktionalitäten der Kapitalmärkte zurückzuführen. Sie sind primär ein Problem für die Realwirtschaft und beruhen auf Lohnstückkostendivergenzen.
Bislang habe ich die wesentlichen Charakteristika real existierender Marktwirtschaften skizziert und darauf hingewiesen, dass Deflation eines der größten Probleme eines solchen Wirtschaftssystems ist. Eine positive Inflationsrate, so habe ich daraus gefolgert, ist eine der bedeutsamsten wirtschaftspolitischen Zielgrößen.
Da es zwischen der Inflation und der Entwicklung der Lohnstückkosten einen engen empirischen Zusammenhang gibt, der sich auch theoretisch erklären lässt, ist es zur Steuerung der Inflation erforderlich, dass in einem Währungsregime wie der EWU die Lohnstückkostenentwicklungen der einzelnen Mitgliedsländer koordiniert werden.
Betrachten wir die Entwicklung der Lohnstückkosten in Deutschland, Italien und Frankreich, wird deutlich, dass die erforderliche Lohnkoordination nicht erfolgte.

Was aber ist nun die Folge für die betreffenden Volkswirtschaften, wenn die Lohnstückkostenentwicklungen eklatant auseinanderlaufen?

Nun, da die Lohnstückkosten einen erheblichen Anteil der Gesamtkosten zur Herstellung eines Wirtschaftsguts ausmachen, wird derjenige mit den niedrigeren Lohnstückkosten die in seinem Land produzierten Güter im Ausland billiger anbieten können, als der mit den höheren Lohnstückkosten es kann. Deutschlands Unternehmen haben also gegenüber Frankreich und Italien seit der Einführung des Euros massiv an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. An preislicher Wettbewerbsfähigkeit konnte Deutschland gewinnen, weil dort die Löhne im Verhältnis zur Entwicklung der Produktivität weniger rasch gestiegen sind, als die Produktivität, wie die Grafik zeigt: www.makroskop.eu

Wie die beiden folgenden Grafiken belegen, ist man in Frankreich sehr viel weniger „erfolgreich“ gewesen als in Deutschland. Und Italien ist sogar hinter Frankreich geblieben.www.makroskop.eu

(Die alten Grafiken (Index 2000 = 100) wurden zur Verdeutlichung der Problematik noch einmal durch Abbildungen mit einem Index 1999 = 100 ersetzt, wobei darauf geachtet wurde, dass speziell bei der Abbildung von Italien der gleiche Indexmaßstab genutzt wird wie bei Deutschland und Frankreich)
Aber der deutsche „Erfolg“ ist es eine zweischneidige Sache. Nehmen wir an, es handle sich bei Deutschland um eine geschlossene Volkswirtschaft, es gäbe also das Ausland nicht. Steigt dann die Produktivität stärker als die Reallöhne, dann stellt sich die Frage, an wen die zusätzlich produzierten Waren denn nun verkauft werden sollen.
Klar ist, dass es bei einer Entwicklung von Reallöhnen und Produktivität wie in Deutschland nicht die Lohnempfänger sein können. Ein kleines Beispiel: Bislang seien Konsumgüter im Wert von 100 GE produziert worden, die Lohnempfänger hätten ein Einkommen von 110 GE erzielt und davon fürs Al- ter 10 GE auf die Seite gelegt. Und nun machte sich endlich die arbeitssparende Digitalisierung be- merkbar und mit der gleichen Anzahl von Arbeitskräften könne man Waren im Wert von 110 GE pro- duzieren. Wenn die Einkommen konstant bleiben und sich an der Sparneigung der Einkom- mensempfänger nichts ändert, dann bleiben Konsumgüterhersteller nach Adam Riese auf Waren im Wert von 10 GE sitzen.
Zur Lösung dieses Problems können in einer geschlossenen, vollständig marktwirtschaftlich organ- isierten Volkswirtschaft entweder nur der Staat oder die Unternehmen aus der Investitionsgüterin- dustrie beitragen. Der Staat könnte zum Beispiel überschüssige Güter ankaufen und kostenlos an seine Bürger verteilen. Oder aber es kommt zu einem sogenannten Strukturwandel. Die erhöhte Produktivität wird nicht dazu genutzt, mehr Konsumgüter, sondern mehr Investitionsgüter zu pro- duzieren. www.makroskop.eu

Wer aber kauft diese Güter, wenn wir den Staat einmal außen vorlassen? Infrage kommt nur die Kon- sumgüterindustrie. Die Konsumgüterindustrie wird aber diese Güter nur kaufen, wenn sie zusätzliche Güter verkaufen kann oder aber es ihr erlaubt, ihre Gesamtkosten weiter zu reduzieren. Gelingt jedem Unternehmen eine solche Kostenreduzierung, dann werden die Konsumenten aber noch weniger ver- fügbares Einkommen haben und damit noch weniger Konsumgüter erwerben können. Eine mögliche Lösung also, die in der Realität jedoch keine ist.
Die Marktwirtschaft ist schon ein seltsames System. Jedes einzelne Unternehmen, versucht seine Kosten und eben auch seine Lohnkosten zu reduzieren, um seine Gewinne zu erhöhen. Sind aber alle Unternehmen erfolgreich dabei die Löhne immer weiter zu kürzen, dann bricht das System zusammen – wenn der Staat die Nachfragelücke nicht schließt.
Glücklicherweise gibt es in der wirklichen Welt das Ausland, an die man die überschüssigen Waren verkaufen kann. Verkaufen aber kann man sie nur dann, wenn man international auch preislich wettbewerbsfähig ist.
Offensichtlich ist, dass nicht jeder immer wettbewerbsfähiger werden kann. „Wettbewerbsfähigkeit“ ist ein relationaler Begriff, der Form x ist wettbewerbsfähiger als y“. Gilt dieser Zusammenhang, dann kann begriffslogisch y seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber x nur verbessern, wenn sich die von x gegenüber y verschlechtert. Beide können also nicht gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden.
Wer Wirtschaftswachstum will, gleichzeitig zulässt, dass die Reallöhne nicht mit der Produktivität steigen und auch staatliche Ausgaben nicht steigen lassen will, dem bleibt also nur der Export. Das ist der deutsche Mindset und daher verfolgt Deutschland eine exportorientierte Wachstumsstrategie. Kein Wunder, dass in Deutschland nahezu unisono auf alle Einschränkungen des sogenannten „freien Handels“ extrem allergisch reagiert und man nicht müde wird, das Mantra der Wettbewerbs- fähigkeit zu predigen.
Was ist zu erwarten, wenn ein Land gegenüber einem Land vergleichbarer Größe und mit vergleich- baren produktiven Kapazitäten an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewinnt und damit das andere verliert? Bei entwickelten, großen und so industrialisierten Ländern wie es Deutschland, Frankreich und Italien sind, steht zu erwarten, dass Unternehmen in den Ländern mit den höheren Produktion- skosten im In-und Ausland an Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden. Verlieren sie aber an Wettbe- werbsfähigkeit, dann werden sie Marktanteile verlieren und in Folge ihre produktiven Kapazitäten ten- denziell abbauen. Wer Marktanteile gewinnt, wird sie dagegen tendenziell ausbauen.
Wie die folgende Grafik belegt, hat zwar auch Deutschland beim weltweiten Export seit dem Beginn der EWU an Marktanteilen verloren, relativ zu Frankreich und Italien jedoch gewonnen. www.makroskop.eu

Noch dramatischer stellt sich die Lage dar, wenn man sich die bilateralen Handelsbilanzen von Frankreich und Italien mit Deutschland betrachtet. www.makroskop.eu

Die bilateralen Handelsbilanzsalden besagen, dass die Franzosen beziehungsweise die Italiener mehr Güter von deutschen Unternehmen als umgekehrt Deutsche von den Unternehmen dieser Ländern er- werben. Das heißt aber, dass Frankreichs und Italiens Unternehmen mehr Güter produziertenkön- nten, wenn sie die von Deutschland importierten Güter selbst produzieren würden oder wenn Deutschland mehr Güter aus diesen Ländern importieren würde.
Der Rückgang der italienischen Handelsbilanzdefizite ist dabei leider kein Grund, Entwarnung zu geben. Er ist ein Nebeneffekt der Rezession, in der sich Italien seit Jahren befindet und sich daher im- mer weniger Importe leisten kann.
Deutschland wird inzwischen weltweit für seine exorbitanten Handelsüberschüsse kritisiert. So etwa kürzlich vom Chefvolkswirt des IWF,Maurice Obstfeld. Er macht sich Sorgen um die „globale Fi- nanzstabilität“, vergisst jedoch vollständig auf die jetzigen realwirtschaftlichen Probleme der Defiz- itländer hinzuweisen. Denn wenn gewinnorientierte Unternehmen permanent an Marktanteilen ver- lieren, werden sie produktive Kapazitäten abbauen. Das genau ist in Frankreich und Italien passiert, wie die beiden folgenden Grafiken belegen. www.makroskop.eu

Die Erfahrungen in der EWU machen mehr als deutlich, dass der „Freihandel“ zwischen Ländern, die faktisch in einem Festkurswechselsystem miteinander verbunden sind, jene mit den höheren Lohn- stückkosten aus dem Feld schlägt und nachhaltig schädigt. Klar aber dürfte auch sein, dass wenn alle Handelspartner versuchen, preislich wettbewerbsfähiger zu werden, dann jeder verlieren wird. Damit dies nicht passiert, muss die Lohnentwicklung der – wie wir sie nennen – goldenen Lohnregel folgen. Das heißt, die Löhne eines jeden Landes müssen mit der Zunahme der Produktivität plus der Zielinflationsrate steigen. www.makroskop.eu

Es braucht also entweder eine Lohnkoordination oder einen Mechanismus, der Inflationsdifferenzen ausgleicht, damit der grenzüberschreitende Handel zum Wohle aller führen kann. Eine Lohnkoordination in der EWU hat es bislang nicht gegeben und es gibt auch nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass es sie geben wird. Die Devisenmärkte können diese Rolle, wie die Erfahrung lehrt, nicht übernehmen. Es bleibt damit nur die Lösung, dass eine Staatengemeinschaft die miteinander gedeihlich han- deln treiben will, ein entsprechendes Wechselkursregime installiert, das diese Aufgabe übernimmt. Gegenwärtig dürfte ein solches Regime politisch aber nicht realisierbar sein.
Damit bleibt aber nur eine Steuerung des Außenhandels durch den jeweiligen Staat, die sicherstellt, dass in einem bestimmten Land durch Prädatoren wie Deutschland die wirtschaftliche Zukunft nicht verspielt und eine wirtschaftliche Entwicklung erst ermöglicht wird. Für die EWU folgt daraus, dass es zum Ausstieg aus dem Eurosystem kaum eine Alternative gibt, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes vorantreiben will. Entwicklungsländer dagegen müssen eine Kombination aus kluger Öffnung und klugem Protektionismus finden, die es ihnen erlaubt, einen wettbewerbsfähigen Industriesektor aufzubauen und sich von allzu großen Abhängigkeiten von entwickelten Volkswirtschaften frei zu machen.

Staatsverschuldung – Menetekel oder Segen?

Diese Frage zu stellen, wird bei durch neoliberale Ökonomen programmierten Mitbürgern sofort mit einem heftigen Kopfschütteln beantwortet werden. Staatsschulden sind selbstverständlich immer als äußerst negativ zu beurteilen! Warum sonst hätte man sich im Vertrag von Maastricht auf eine maxi- male Staatschuldenquote von 60% des Bruttoinlandsprodukts geeinigt?
Während unter Volkswirten weitgehend Konsens herrscht, dass eine Schuldenquote über einem bes- timmten Schwellenwert problematisch ist, bleibt Uneinigkeit, wie genau dieser Wert zu beziffern ist. Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff haben in einer vielbeachteten Studie behauptet, dass sich em- pirisch belegen ließe, dass bei einer Staatschuldenquote von über 90% große Gefahr drohe. Damit aber wären, wie sich der folgenden Grafik entnehmen lässt, vier der zehn größten Volkswirtschaften in diesem Sinne überschuldet. www.makroskop.eu

Die Schuldenquote Japans gibt einem in diesem Zusammenhang besondere Rätsel auf. Während Griechenland schon bei einer Schuldenquote von 120 Prozent von der Troika und dem IWF „gerettet“ und im Gegenzug massiv privatisiert werden musste sowie tiefe Einschnitte ins Sozialsystem vorgenommen wurden, kommen aus Japan bei einer Schuldenquote von nahezu 250 Prozent des BIP keine solche Meldun- gen auf. Noch seltsamer ist aus neoklassischer Sicht, dass die Zinsen nicht – wie sich nach ihrer Theo- rie erwarten ließe – inzwischen extrem gestiegen sind, sondern weitgehend bei nahe Null verharren.
Noch bedrohlicher muss die Situation erscheinen, wenn, wie die folgende Grafik belegt, der Schwellen- wert von 60 Prozent aus dem Maastricht-Vertrag als adäquat erachtet wird.
Nur ein Land, nämlich China, erfüllt vollständig das Maastricht Kriterium. Deutschland und Indien sind so nahe an diesem Schwellenwert, dass ihnen auch deutsche Ökonomen eine sogenannte solide Finanzpolitik bescheinigen. www.makroskop.eu

Das BIP weiter zu steigern, aber gleichzeitig die Staatsverschuldung zurückzuführen, dürfte allerdings aufgrund eines relativ jungen Phänomens äußerst schwierig werden. Wie aus der folgenden Grafik er- sichtlich, spart inzwischen in der Mehrzahl der größten Volkswirtschaften auch der Unternehmenssektor.
Will man nicht, dass das BIP sinkt, dann ist es unabdingbar, dass der durch das Sparen von Haushal- ten und Unternehmen verursachte Nachfrageausfall kompensiert wird. Nach dem bislang Gesagten kommt für eine solche Kompensation nur der Staat oder das Ausland infrage. Wenn die Verschuldung des Auslands aber als Lösung ausgeschlossen werden muss, dann bleibt für die Funktion nur der Staat. Das aber heißt, dass sich der Staat – alleine um eine Rezession zu verhindern – in der Höhe der Ersparnisse des gesamten Privatsektors jedes Jahr zusätzlich verschulden muss.
Aber ist das nicht unmöglich? Woher soll denn der Staat das viele Geld nehmen? An dieser Stelle ist zu fragen, woher denn EZB-Chef Mario Draghi das viele Geld genommen hat, um seine Anleihekäufe in Höhe von inzwischen 2,6 Billionen Euro zu refinanzieren? Die für viele wohl schockierende Wahrheit ist: er musste sich bei gar niemandem refinanzieren. Er hat die Wertpapiere durch einen einfachen Buchungssatz der Form „Wertpapiere an Zentralbankgeld“ bezahlt.
Zauberei? Nein. Eine jede Staatengemeinschaft oder ein jeder Staat, der eine Zentralbank hat, die bereit ist, seine Ausgaben jederzeit zu refinanzieren, hat diese Fähigkeit. Nur wenn man eine Zentral- bank so unabhängig ausgestaltet hat, dass sie das auch dann nicht tun muss, wenn eine Volkswirtschaft aufgrund der Sparbemühungen des Privatsektors unweigerlich in eine Rezession rutscht, muss sich mit Massenarbeitslosigkeit und der Zerstörung des Wohlfahrtsstaats abfinden.
Wer das nicht will, so kann man mit Bezug auf Abba Lerner sagen, muss sich vom Konzept der soliden Fiskalpolitik verabschieden und für eine funktionale Fiskalpolitik plädieren. Anstatt auf sinnlose Defizit- und Schuldengrenzen zu fokussieren, verlangt eine solche Fiskalpolitik, dass der Staat seine Fähigkeit der Geldschöpfung so einsetzt, dass Vollbeschäftigung erreicht wird und dergestalt begrenzt, dass unerwünscht hohe Inflationsraten vermieden werden.
Wer gegen eine solche Steuerung einer Marktwirtschaft durch staatliche Organisationen Einwände er- hebt, müsste nach Lerner auch gegen Lenkräder in einem Auto argumentieren:
„Denken Sie nur daran, wie viel Raum es wegnehmen würde. Ein Vordersitz wäre dann kaum noch möglich. Ein Lenkrad ist zudem schlimmer als ein altmodischer Schalthebel und zudem noch gefährlich. Und außerdem sind wir Verfechter der Demokratie und werden niemandem die alleinige Gewalt über Leben und Tod aller Insassen geben. Das wäre Diktatur.“
Das Konzept der funktionalen Fiskalpolitik erfordert natürlich, sich von alten Denkgewohnheiten zu verabschieden. Das scheint jedoch ein sehr kleiner Preis zu sein, wenn man sieht, wie viele junge Menschen in Europa durch eine ideologisch motivierte Wirtschaftspolitik der Möglichkeit beraubt wurden und werden, einer sinnstiftenden und sie materiell absichernden Arbeit nachzugehen. www.makroskop.eu

Erschienen im Internet auf der Seite:

https://makroskop.eu/2018/08/handelsungleichgewichte-wie-erklaert-man-das-problem-2/

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„Gescheiterte Globalisierung“ – Hintergrundbericht von Paul Steinhardt (Teil 1)

Bei der Diskussion zu dem Vortrag „Gescheiterte Globalisierung“ vor Kurzem in Schwäbisch Hall über deutsche Handelsbilanzüberschüsse wurde sehr kontrovers diskutiert. Das hat den Referenten Paul Steinhardt dazu bewogen, noch einmal eine ausführliche Erklärung nachzuschieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den vollständigen Text in zwei Teilen.

Hintergrundbericht von Paul Steinhardt (Teil 1)

Teil 1: Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft

Herausgeber: Heiner Flassbeck & Paul Steinhardt – Handelsungleichgewichte – Wie erklärt man das Problem? (Teil 1) von Paul Steinhardt | 7. August 2018

Erste Station Schwäbisch Hall

Viele unserer Leser berichten uns regelmäßig über ihre Schwierigkeiten, unsere wirtschaftspolitischen Kernaussagen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis verständlich zu vermitteln. Wie schwer das ist, musste auch ich anlässlich einer Vorstellung unserer „Gescheiterten Globalisierung erfahren. Erste Station unserer Buchvorstellungstournee war die zirka 40.000 Einwohner große Stadt Schwäbisch Hall. Warum wir unser Buch in einer Kleinstadt vorstellten? Nein, nicht etwa, weil die dort ansässige Bausparkasse uns dorthin mit einem pekuniären Angebot gelockt hatte, dem wir nicht widerstehen konnten. Und auch nicht, weil die Stadt durch eine äußerst pittoreske mittelalterliche Altstadt zu gefallen weiß, für Kunstfreunde es in der Kunsthalle Würth viel zu sehen gibt und auf den 54 Stufen der Stadtkirche St. Michael alljährlich seit 1925 eindrucksvolle Theaterinszenierungen zur Aufführung gebracht werden.

Krachend voll

„Sentimentalität“ heißt die Antwort. Als gebürtiger „Haller“ hat mich vermutlich der Gedanke an das Gleichnis von der Rückkehr des verlorenen Sohnes dazu bewogen, der dortigen Attac-Gruppe einen Vortrag zu unserer „Gescheiterten Globalisierung“ anzubieten. Und immerhin fanden zur Veranstaltung, zu der auch die dortige Volkshochschule und das Evangelische Bildungswerk geladen hatte, bei brütender Hitze in einem mit zunächst vierzig Plätzen bestuhlten Raum über 80 Interessierte Platz und war damit krachend voll. Von einem krachenden Erfolg unseres Auftrittes zu reden, wäre dagegen allerdings etwas übertrieben.

Vermittlungshürden

Schon während unserer Präsentation beschlich mich das ungute Gefühl, dass die Konzeption unseres Vortrags auf allzu optimistisch eingeschätzten Vorkenntnisse vieler unserer Zuhörer basierte. Diese Einschätzung wurde durch die an die Vorträge anschließende Diskussion und einen recht ausführlichen Bericht des dort viel gelesenen „Haller Tagblatts“ bestätigt. Dieser Artikel war überdies Zeugnis davon, wie erfolgreich die neoliberale Ökonomenzunft und ihre publizistischen Sprachrohre ihre Botschaften als Wahrheiten im Glaubenssystem der meisten Menschen zu verankern wussten. Und vor allem davon, wie ein solches Glaubenssystem ein Bollwerk gegen ein Verständnis elementarer makroökonomischer Zusammenhänge darstellt.

Löhne in Deutschland zu niedrig

Wer so programmiert wurde, hört wohl zwar Dinge wie, dass eine funktionierende Marktwirtschaft der Verschuldungsbereitschaft von Unternehmen und/oder des Staates bedarf, dass auf die Verschuldung des Auslands zu setzen, die Handelspartner schädigt und langfristig kaum gut gehen kann, dass die Löhne in Deutschland zu niedrig sind, dass Haushaltsdefizite unter gegenwärtigen Bedingungen als positiv zu bewerten sind etc.pp. Beim entsprechend epistemisch konditionierten Hörer scheinen solche Thesen so starke negative Gefühle zu verursachen, dass es ihm unmöglich ist, den Erklärungen, die für diese Behauptungen vorgebracht werden, auch nur im Ansatz zu verstehen.
Wird einem dann noch von einem echten Volkswirtschaftsprofessor wie Clemens Fuest bestätigt, es gebe nicht die einfachen Zusammenhänge, wie sie von Flassbeck behauptet werden, dann hat man sich erfolgreich einer kognitiven Dissonanz entledigt. Das ist zwar emotional entlastend, aber leider hindert es einen daran, etwas über die Funktionsweise real existierender Marktwirtschaften zu lernen.

Über einfache Antworten und einfache Fragen

In der Diskussion mit den Zuhörern und auch in dem oben genannten Artikel wurde deutlich, dass man recht einfache makroökonomische Zusammenhänge als wohl für viel zu einfach erachtet. So einfach kann einfach alles nicht sein! Die offensichtlichen Divergenzen der wirtschaftlichen Entwicklung von Deutschland und Italien z.B. auf deren divergierenden Inflationsraten zurückführen? Als Lösung eine Erhöhung der Löhne in Deutschland vorschlagen? Viel zu einfach! Und vor allem so offensichtlich falsch! Höhere Löhne, wo doch die Globalisierung uns dazu zwingt Maß zu halten! Deutschland war doch der kranke Mann Europas, weil Löhne, vor allem die Lohnnebenkosten, viel zu hoch waren. Die Italiener müssen sich halt so wie wir anstrengen. Von nichts kommt halt nichts!

Nachfragen wäre besser gewesen

Anstatt der so gezeigten Empörung über unsere Ausführungen wäre an dieser Stelle freilich fragen und nachfragen sehr viel besser gewesen. Fragen wir also: Warum setzt sich eine Zentralbank, wie z.B. die EZB, sich ein positives Inflationsziel? Wie kann eine Zentralbank die Inflationsrate steuern? Wenn eine Zentralbank, wie Sie behaupten, die Inflationsrate nur begrenzt zu steuern in der Lage ist, was bestimmt dann die Inflationsentwicklung? Wie können Sie behaupten, dass in einem Hochlohnland wie Deutschland, die Löhne zu niedrig sind? Warum führen Lohnstückkostendivergenzen zwischen untereinander handelnden Ländern zu wirtschaftlichen Verwerfungen? Können nicht doch alle Länder wie Deutschland ihre Wirtschaft ankurbeln, indem sie ebenfalls wettbewerbsfähiger werden? Warum sollte der Staat gezwungen sein, mehr auszugeben, als er einnimmt, sich also verschulden?

Geduld und Neugierde

Im Folgenden möchte ich versuchen, diese Fragen, ohne allzu viel Vorwissen vorauszusetzen, zu beantworten. Ohne etwas Geduld und Bereitschaft ihrer Freunde und Bekannten Neues zu lernen und natürlich auch meiner Haller, wird es wohl trotzdem ein hoffnungsloses Unterfangen bleiben müssen.

Geld- nicht Tauschwirtschaft

Um die folgenden – leider nicht immer so ganz einfachen – Antworten auf all diese Fragen verstehen zu können, muss man sich zunächst einmal von der Vorstellung freimachen, dass eine Marktwirtschaft als eine Tauschwirtschaft konzeptualisiert werden kann (ausführlich belege ich das in meinem Buch „Was ist eigentlich eine Marktwirtschaft?“). Anders gesagt, eine Marktwirtschaft ist kein Wirtschaftssystem, das auf der Basis eines einfachen Tauschs von Gütern zwischen Dir und mir verstanden werden kann. In einer real existierenden Marktwirtschaft tauscht z.B. ein Fischer mit einem Bäcker keine Fische gegen Brot und wird das Austauschverhältnis auch nicht durch subjektive Nutzenempfindungen bestimmt. Obsolet ist damit auch der Geldbegriff, der den meisten wirtschaftsliberalen Theorien zugrunde liegt. Geld ist nicht im Prinzip eine Ware, wie jede andere, die sich allein durch ihre besondere Marktgängigkeit von allen anderen Waren unterscheidet. Damit aber hat sich auch die Vorstellung eines Kapitalmarkts, auf dem Anbieter und Nachfrager dieser Ware in Ab- hängigkeit vom Zinssatz Geld heute gegen Geld später tauschen als nicht haltbar erwiesen. Geld hat keinen intrinsischen Wert und ist auch kein Repräsentant des Wertes von irgendwelchen Warenkörben. „Geld“ ist zunächst ein Begriff, der eine Recheneinheit bezeichnet, die es erlaubt, Waren zu bewerten. So z. B. ein Stück Butter, das bei meinem Supermarkt mit einem Preis von 1,85 Euro bewertet, oder wie man in diesem Zusammenhang eher sagt, ausgezeichnet wird. Will ich Butter kaufen, dann jedenfalls muss ich dafür diesen Preis bezahlen. Die Bezahlung erfolgt z.B. durch die Übergabe von Münzen, die in der Summe sich auf diesen Betrag belaufen. Der Begriff Geld bezieht sich in diesem Fall also auf ein Zahlungsmittel, das es erlaubt, Zahlungsverpflichtungen, die sich aus einem Kaufvertrag ergeben, schuldbefreiend zu begleichen. Um Missverständnisse zu vermeiden, werde ich nur dann von „Geld“ reden, wenn ich ihre zweite Verwendungsweise im Sinn habe. Im ersten Fall dagegen werden ich von „Währung“ reden. Güter werden also mit einer Währung bewertet und solche Güter werden mit einem Zahlungsmittel bezahlt, das in dieser Währung denominiert ist. Geld, so kann man im Anschluss an Georg-Friedrich Knapp zusammenfassend festhalten, ist die Dokumentation des Anspruches Geldschulden zu begleichen (ausführlich habe ich das in meiner Geldserie erläutert, hier der erste Teil).

Handelsungleichgewichte – Wie erklärt man das Problem?

Neben der Tatsache, dass wir Güter, die wir uns wünschen oder derer wir bedürfen, nicht über Tauschgeschäfte in unseren Besitz gelangen, ist von ebenfalls großer Bedeutung, dass weder „Du“ noch „ich“ diese Güter in der Regel selbst herstellen. Kennzeichnend für eine Marktwirtschaft ist, dass die Produktion der überwiegenden Mehrheit dieser Güter durch Unternehmen erfolgt. Unternehmen sind Organisationen, deren Ziel es ist, mit der Herstellung von Gütern einen monetären Gewinn zu erzielen. Ihr Ziel ist es also, dass der in Währung bewertete und für die Produktion notwendige Input kleiner ist als der des Outputs, also der zum Verkauf angebotenen Waren. Und Unternehmen können dieses Ziel nur dann erreichen, wenn sie diese Waren auch erfolgreich zu einem entsprechend hohen Preis verkaufen können.

Löhne und Gewinne

Typisch für eine Marktwirtschaft ist also damit, dass wer über bestimmte Güter, die durch ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht produziert werden, verfügen will, zunächst einmal das dafür notwendige Einkommen erwerben muss. Von besonderer Bedeutung für ein Verständnis der Marktwirtschaft ist, dass Einkommen in Form von Löhnen und Einkommen und in Form von Gewinnen erworben werden können.
Für ein Wirtschaftssystem, das durch diese Charakteristika gekennzeichnet ist, gelten, wie der bedeutende deutsche Ökonom Wolfgang Stützel richtig festgehalten hat, »neben Zusammenhängen, die vom menschlichen Verhalten abhängen«, auch solche, die selbst »dann unverändert bestehen bleiben würden, wenn die Menschen sich noch so ungewöhnlich verhielten« (das ganze Buch von Stützel aus dem das Zitat stammt, ist Pflichtlektüre für jeden, der tiefer in die Materie einsteigen möchte).

Warum Einkommen sinken

Ein solcher, geradezu trivialer Zusammenhang ist, dass in einer Marktwirtschaft die Gesamtheit aller Einnahmen niemals höher sein kann als die Gesamtheit aller Ausgaben. Daraus aber folgt logisch zwingend, dass wenn in einer bestimmten Periode insgesamt weniger ausgegeben als eingenommen wurde, die Summe der Einkommen der folgenden Periode sinken muss.

Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt ist die Summe der Ausgaben für Konsum- und Investitionsgüter. Die Ausgaben können von (1) privaten Haushalten, (2) Unternehmen und (3) dem Staat getätigt werden, wobei diese Akteure sich im In-oder Ausland befinden können. Wir können daher vier Sektoren einer bestimmten Volkswirtschaft unterscheiden: Die inländischen Haushalte, die inländischen Unternehmen, den Staat und das gesamte Ausland. Während der Verkauf von Gütern an Ausländer das BIP er- höht, verringert der Kauf von ausländischen Gütern durch Einheimische das BIP. Zusammenfassend gilt für eine Geldwirtschaft also der folgende Zusammenhang:
Bruttoinlandsprodukt = (inländischer) Konsum + (inländische) Investitionen + (Exporte – Importe) Kurz: BIP = C + I + (Ex – Im)

Finanzierungssalden

Aus diesem unbestreitbaren Zusammenhang folgt dann aber, dass wenn z.B. die Gesamtheit der Haushalte in einer Periode weniger ausgeben, als sie einnehmen, dann das BIP gegenüber dem Vorjahr entweder sinken oder deren Einnahmeüberschuss durch einen entsprechenden Ausgabeüberschuss eines anderen Wirtschaftssektors kompensiert werden muss. Das Ergebnis der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben solcher Sektoren einer Volkswirtschaft bezeichnet man als Finanzierungssalden. Finanzierungssalden können also entweder null, positiv oder negativ sein. Aufgrund der dargestellten Zusammenhänge folgt wiederum logisch zwingend, dass die Summe aller Finanzierungssalden 0 beträgt. Hat ein Sektor also einen Überschuss, dann muss zumindest einer der anderen Sektoren zwingend ein Defizit gleicher Höhe ausweisen.

Inflation und ihre Ursachen

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen produziert in einer bestimmten Periode Güter, deren Kosten sich auf insgesamt 100 Geldeinheiten (GE) beliefen und das Unternehmen nehme zu ihrer Begleichung ein zehnjähriges Darlehen mit gleichbleibender Tilgung von 80 GE mit einem Zinssatz von 10 Prozent pro Jahr (p.a.) auf. Klar ist, dass dann alleine um die Kosten der Produktion decken zu können, die Verkaufserlöse sich am Ende dieser Periode auf 116 GE belaufen müssen.

Inflation und Deflation

Von „Inflation“ spricht man, wenn das Preisniveau anhaltend steigt, von „Deflation“ wenn es anhaltend sinkt. Eine Inflation wird also Waren verteuern, was auf die absetzbaren Mengen dieser Güter einen negativen Einfluss haben mag. Inflation mag also das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Allerdings hat sich diese Vermutung empirisch für nicht astronomisch hohe Inflationsraten nicht bestätigen lassen (ausführlich dazu hier). Dass eine Deflation extrem gefährlich ist, wird aber von niemandem bestritten. Wie das kleine Beispiel oben illustriert, kann sie Unternehmen rasch in Existenzschwierigkeiten bringen. Der Grund: bestimmte Verbindlichkeiten, wie etwa Darlehen, sind nominal fixiert, sind also unabhängig von der Entwicklung des Preisniveaus. Ein geringes Preisniveau aber führt zu geringeren Einkommen und gefährdet daher die Bedienung von in der Vergangenheit aufgenommen Krediten.
Zentralbanken haben also einen guten Grund, sich ein positives Inflationsziel zu setzen. Ob sie guten Grund haben zu glauben, dass sie über die geeigneten Instrumente verfügen, um dieses auch steuern zu können, kann man dagegen bezweifeln. Denn das einzige Instrument über das sie verfügen, ist der Zinssatz. Unbezweifelbar ist dagegen der Zusammenhang zwischen der Inflation und der Entwicklung der Löhne. Betrachten wird dazu die folgende Grafik (https://makroskop.eu/2018/08/handelsungleichgewichte-wie-erklaert-man-das-problem-1/).

Lohnstückkosten

Die blaue Kurve der dortigen Grafik zeigt die jährlichen Veränderungen der so genannten Lohnstückkosten. Die Lohnstückkosten wiederum geben Auskunft darüber wieviel Lohn für die Produktion eines Wirtschaftsgutes bezahlt werden muss. Nehmen wir z.B. an, dass die Herstellung eines Wirtschaftsguts 100 Arbeitsstunden beträgt und eine Stunde mit 10 Euro entgolten wird, dann betragen die Lohnstückkosten dieses „Stücks“ 1000 Euro. Die Lohnstückkosten hängen ganz offensichtlich von der Höhe der Löhne ab. Sie sind aber nicht weniger davon abhängig, wie viele Stunden man braucht, um ein solches Stück zu produzieren. Braucht man beispielweise nur noch etwa 90 Stunden zu seiner Fertigung, dann sinken die Lohnstückkosten auf 900 Euro. Die Lohnstückkosten sind gesunken, weil der Arbeiter weniger Zeit benötigte, ein Stück zu produzieren, also seine Produktivität erhöhte. Eine erhöhte Produktivität muss aber nicht notwendigerweise die Lohnstückkosten verringern, denn ihre Entwicklung hängt ja ebenfalls von der Entwicklung der Löhne ab.

Preisniveau

Die blaue Kurve nun gibt nicht Auskunft über die Entwicklung der Lohnstückkosten eines ganz bestimmten Gutes, sondern der aller produzierten Güter einer Volkswirtschaft, in diesem Fall von Deutschland. Die braune Kurve gibt Auskunft über die Entwicklung des Preisniveaus in dieser Volkswirtschaft, also über die Inflationsrate. Die Kurve zeigt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Lohnstückkosten und der Inflationsraten gibt. Sich wie in der Europäischen Währungsunion ein gemeinsames Inflationsziel zu setzen, kommt damit einer Vereinbarung gleich, die Entwicklung der Lohnstückkosten europaweit zu koordinieren.

Im zweiten Teil dieser Artikelserie können Sie lesen, was passiert, wenn eine solche Lohnkoordination ausbleibt. Teil 2 folgt in Kürze in Hohenlohe-ungefiltert.

Weitere Informationen im Internet:

www.makroskop.eu

Erschienen unter: https://makroskop.eu/2018/08/handelsungleichgewichte-wie-erklaert-man-das-problem-1/

Weitere Informationen über das Buch „Gescheiterte Globalisierung“:

https://www.suhrkamp.de/buecher/gescheiterte_globalisierung-heiner_flassbeck_12722.html

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„Fraktionen zahlen Abgeordneten fragwürdige Boni in Millionenhöhe“ – Recherchen des Vereins Abgeordnetenwatch

Als die Abgeordneten kürzlich die Geldleistungen für die Fraktionen um 30 Prozent anhoben, ging dies weitgehend geräuschlos vonstatten. Über 115 Mio. Euro stehen Union, SPD, AfD, FDP, Linke und Grünen in diesem Jahr zur Verfügung – man empfand dies als durchaus angemessen.

Recherchen des Vereins Abgeordnetenwatch

Fraktionen haben viel Geld

Es ist allerdings nicht so, dass die Fraktionen zuletzt knapp bei Kasse gewesen wären. Allein die Union schloss das Jahr 2017 mit einem Überschuss von knapp 2,6 Millionen Euro ab, bei der SPD waren es immerhin rund 250.000 Euro, wie die gerade vom Bundestagspräsidenten veröffentlichten Fraktionsbilanzen zeigen.

3,6 Millionen Euro extra

Die aktuellen Rechenschaftsberichte der Fraktionen weisen jedoch nicht nur staatliche Überschüsse aus, sondern auch äußerst fragwürdige Ausgaben in Millionenhöhe. Diese verbergen sich hinter einem auf den ersten Blick recht unscheinbaren Posten: Mehr als 3,6 Mio. Euro zahlten die Fraktionen vergangenes Jahr für „Leistungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen“ – Extra-Zahlungen an Abgeordnete, die einen Fraktionsposten innehaben. In den allermeisten Fällen dürften diese Boni verfassungswidrig sein. (…)

Zum ganzen Artikel auf der Internetseite von abgeordnetenwatch.de:

https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2018-08-22/fraktionen-zahlten-abgeordneten-fragwurdige-boni-millionenhohe#pk_campaign=nl20180902

 

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„NATO-Aufmarsch gegen Russland – oder wie ein neuer Kalter Krieg entfacht wird“ – Vortrag in Schwäbisch Hall

Eine Matinee mit dem Titel „NATO-Aufmarsch gegen Russland – oder wie ein neuer Kalter Krieg entfacht wird“ findet am Sonntag, 26. August 2018, ab 11 Uhr auf der Minigolf-Insel (Minigolfplatz) in Schwäbisch Hall statt. Es spricht Jürgen Wagner von der „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) Tübingen. Der Eintritt ist frei.

Von Siegfried Hubble, DGB-Schwäbisch Hall

Die Veranstaltung wird organisiert vom DGB Schwäbisch Hall im Bündnis mit Gruppen aus der Friedens- und Antimilitarismusbewegung. Wer die Schlagzeilen der letzten Jahre liest, fühlt sich in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück versetzt. Das Säbelrasseln zwischen Nato und Russland hat unverkennbar zugenommen. In der Darstellung des „Westens“ geht die Aggression – spätestens seit der Krim-Krise – von Russland aus. Wie stichhaltig ist das Feindbild vom russischen Aggressor? Stehen schon russische Truppen an der Grenze der Nato? Von wem geht die neue Stufe des Wettrüstens aus?

Die Matinee ist der Auftakt zur Antikriegsdemo am 1. September 2018 in Schwäbisch Hall. Weitere Informationen im Link unten auf dieser Seite.

Weitere Informationen und Kontakt:

http://nordwuerttemberg.dgb.de/termine/++co++d85e5286-964c-11e8-84de-52540088cada

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„Aktive Flüchtlinge dürfen nicht kriminalisiert werden“ – Protest- und Solidaritätskundgebung in Stuttgart

Eine Protest- und Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge findet am Samstag, 18. August 2018, um 14 Uhr in Stuttgart (Schlossplatz) statt. Gemeinsame Abfahrt mit dem Zug um 12.01 Uhr in Schwäbisch Hall-Hessental. Treffpunkt ist 11.50 Uhr für den gemeinsamen Fahrkartenkauf. Ursprünglich war eine Demonstration in Ellwangen geplant.

Von Willi Maier, Schwäbisch Hall

Organisation Geflüchteter sollte verhindert werden

Der kleine Ort Ellwangen auf der Ostalb erreichte in den vergangenen Wochen eine breite Presse-Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Rechtsentwicklung der Regierung ist es wichtig, Tatsachen und Hintergründe genauer zu betrachten. Inzwischen wurde der Sprecher der Flüchtlinge, Alassa Mfouapon, nach Italien abgeschoben. Kein „Geschäft wie üblich“, sondern es sollte dem sich in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen entwickelnden Zusammenhalt und Protest die Spitze genommen werden, vor allem eine organisierte und organisierende Arbeit zerstört und Alassa als krimineller „Gefährder“ eintaxiert werden. Die Abschiebung selbst wurde als blanke Machtdemonstration und versuchte Einschüchterung der anderen inszeniert. Vieles erinnert dabei an die Vorgehensweise bei Verhaftungen von politisch Verfolgten in Nazi-Deutschland. Um drei Uhr in der Frühe rückten am 20. Juni 2018 – sehr passend am „Weltflüchtlingstag“ – zirka 20 schwer ausgerüstete Polizisten aus vier Mannschaftsbussen und zwei Streifenwagen mitsamt sechs Polizeihunden auf dem Gelände der LEA Ellwangen an, nur um Alassa zu holen und nach Italien, dem Land seiner Einreise in die EU, abzuschieben.

Sich mit den Zuständen nicht abfinden

Alassa ist ein hoch gebildeter und begabter Mensch, spricht Englisch, Französisch, Italienisch und auch schon ganz gut Deutsch, dazu noch mehrere afrikanische Sprachen. Er war ein wichtiges Bindeglied zu den Bewohnern der LEA, zu ehrenamtlichen Helfern und der LEA-Leitung. Alassa hatte immer ein offenes Ohr, war akzeptierte Respektsperson, trotzdem bescheiden und immer engagiert für die Rechte der Flüchtlinge und bemüht um den Kontakt mit den Einheimischen. Er hat erzählt, dass er in seiner Heimat Kamerun selbst nicht politisch aktiv war, aber wegen der
herrschenden Zustände fliehen musste. Auf seiner Flucht durch mehrere afrikanische Staaten hat er sich politisiert und eine unerschütterliche Freiheitsideologie entwickelt.
So organisierte er federführend die Pressekonferenz und maßgeblich auch die Demonstration gegen den brachialen Polizeieinsatz am 3. Mai 2018 in Ellwangen/ Ostalbkreis gegen die Abschiebung eines Togoers. Und immer ermunterte er alle, die mit ihm zu tun hatten, sich mit den Zuständen nicht abzufinden, für die eigenen Rechte zu streiten und gemeinsam und organisiert für eine lebenswerte Zukunft einzutreten.

Alassa lebt jetzt in Italien auf der Straße

Bei der Abschiebung wehrte sich Alassa nicht. Dennoch wurde er brutal zu Boden geworfen, Hand- und Fußfesseln erst im Flugzeug abgenommen. Um 15 Uhr nachmittags war er schon bei der Polizei in Mailand. Diese hat ihn dann laufen lassen, ein Busticket gegeben, mit dem er „hinfahren könne in Mailand, wo er wolle.“ Alassa hat die Nacht am Bahnhof verbracht und lebt jetzt auf der Straße – ohne Dach über dem Kopf, ohne Geld, ohne Perspektive.

Ellwangen-Appell für Alassa Mfouapon unterschreiben:

https://www.rotefahne.info/2018/kw33/180810-unterschriftenliste-ellwanger-appell-erstunterzeichner.pdf

Weitere Informationen und Kontakt:

Willi Maier, Schwäbisch Hall, Telefon 0791-6681

E-Mail: freundeskreis-alassa@gmx.de

Weitere Informationen in Hohenlohe-ungefiltert für die Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge in Ellwangen/Jagst:

„Das Ende der Willkommenskultur?“ – Nach der LEA-Razzia in Ellwangen: Ein-Mann-Demo gegen Flüchtlinge, Merkel und die Polizei

https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=23646

„Geflüchtete aus der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen berichten über die Razzia“ – Mahnwache, Demonstration und Pressekonferenz von Geflüchteten in Ellwangen

https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=23627 

Weitere Informationen im Internet:

Was ist in Ellwangen passiert? Ein Statement von den Geflüchteten in Ellwangen

https://refugees4refugees.wordpress.com/2018/05/09/was-ist-in-ellwangen-passiert-ein-statement-von-den-gefluchteten-in-ellwangen/

Sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Geflüchtete in Ellwangen! Solidarisiert euch mit den Angeklagten, kommt zu den Gerichtsterminen!

https://refugees4refugees.wordpress.com/2018/07/30/pressemitteilung-sofortige-einstellung-aller-verfahren-gegen-gefluechtete-in-ellwangen-solidarisiert-euch-mit-den-angeklagten-kommt-zu-den-gerichtsterminen/

Nach Großrazzia: LEA-Bewohner wegen tätlichen Angriffs vor Gericht

https://www.schwaebische.de/landkreis/ostalbkreis/ellwangen_artikel,-nach-gro%C3%9Frazzia-lea-bewohner-wegen-t%C3%A4tlichen-angriffs-vor-gericht-_arid,10915127.html

Nach LEA-Razzia: Guineer kommt frei

https://www.swp.de/suedwesten/staedte/crailsheim/nach-lea-razzia_-guineer-kommt-frei-27340362.html

Von wegen tätlicher Angriff: Vom Vorwurf gegen einen Geflüchteten in Ellwangen blieb nichts übrig – U-Haft für nichts

http://www.beobachternews.de/2018/08/09/u-haft-fuer-nichts/

Erste Gerichtsverhandlung nach verhinderter Abschiebung in Ellwangen
Grundlose Razzia endet mit Haft

http://www.beobachternews.de/2018/08/01/grundlose-razzia-endet-mit-haft/

Geflüchtete in Ellwangen vor Gericht – Stellungnahme von „Refugees4Refugees“

https://fluechtlingsrat-bw.de/fluechtlingsarbeit-ansicht/gefluechtete-in-ellwangen-vor-gericht.html

 

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„Aktiv für Abrüstung eintreten“ – Aufruf zum Antikriegstag am 1. September 2018 und darüber hinaus

Am Antikriegstag gedenken wir den mehr als 80 Millionen Opfern der beiden Weltkriege. Die historische Lehre aus zwei Weltkriegen heißt für uns: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ Aber auch „Nie wieder Aufrüstung!“. Aufrüstung bringt keine Sicherheit und keinen Frieden. Aufrüstung heizt internationale Konflikte weiter an. Waffen, die entwickelt werden, kommen auch zur Anwendung. Deshalb Schluss damit!

Aufruf von der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“

Dramatische Rüstungsspirale

Hundert Jahre nach Ende des 1. Weltkrieges befindet sich die Welt wieder einmal in einer dramatischen Rüstungsspirale. Statt mehr Geld in die Lösung der großen globalen Probleme wie Armut oder Klimawandel zu stecken, wurden 2017 unfassbare 1,4 Billionen Euro weltweit für Rüstung ausgegeben. Deutschland spielt dabei eine gewichtige Rolle. Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, den Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren kontinuierlich zu steigern. Ziel soll sein, dass zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Rüstung aufgewendet werden, entsprechend der NATO-Vorgabe. Eine Anhebung auf zwei Prozent würde nach Aussagen der Stiftung Wissenschaft und Politik 2024 rund 85 Milliarden Euro bedeuten, d.h. jährlich sollen bis zu 40 Milliarden Euro zusätzlich für Rüstung ausgegeben werden. Dieses Geld fehlt vor allem bei Bildung, Wohnen, Altenpflege und Umwelt. Ein Wahnsinn, dem wir entgegentreten. Abrüstung ist das Gebot der Stunde – national wie international.

Gegen Aufrüstungspläne der Bundesregierung protestieren

Der Protest gegen die Aufrüstungspläne der Bundesregierung nimmt Fahrt auf! Den Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ haben bereits über 70.000 Menschen unterschrieben (Stand 10. August 2018). Ein erstes erfolgreiches Zeichen für den Wunsch nach Abrüstung. Daran müssen wir gemeinsam weiter arbeiten!

Den Aufruf unterschreiben:

https://abruesten.jetzt/2018/08/aktiv-fuer-abruestung-eintreten-zum-antikriegstag-am-1-september-und-darueber-hinaus/

„Nur gemeinsam können wir die Aufrüstungspläne stoppen“

Der Antikriegstag am 1. September 2018, mit seinen vielen Veranstaltungen von Gewerkschaften und Friedensgruppen, ist ein geeigneter Anlass, um weitere Unterschriften für den Aufruf zu sammeln, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und Zeichen für Frieden und Abrüstung zu setzen. Nur gemeinsam können wir die Aufrüstungspläne stoppen.

Bundesweite Aktionstage im November 2018

Mit dem 1. September 2018 beginnt für die Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ eine intensive Aktionsphase, die bis zum Jahresende gehen wird. In dieser wollen wir bis zu den Haushaltsdebatten im November weitere Unterschriften sammeln und diese symbolisch an Abgeordnete in Berlin übergeben sowie in Gesprächen mit Abgeordneten weitere Unterstützung erreichen. Für den 1. bis 4. November 2018 bereiten wir bundesweite Aktionstage mit Protestaktionen und dezentralen Demonstrationen vor.

Nicht länger schweigen und stillhalten

Wir wenden uns an alle, die den Wahnsinn der Aufrüstung in einer Welt voll Hunger, Armut, sozialen und ökologischen Herausforderungen nicht länger schweigend und stillhaltend hinnehmen wollen:

Mach mit!

Unterzeichne den Aufruf!

Sammele selbst Unterschriften!

Werde aktiv und beteilige Dich an den Aktionen!

Weitere Informationen und Kontakt:

Initiative abrüsten statt aufrüsten: www.abruesten.jetzt

E-Mail: info@abruesten.jetzt

Terminübersicht zum Antikriegstag beim Netzwerk Friedenskooperative:

www.friedenskooperative.de/termine-antikriegstag-2018

Material bestellen (Aufruf/ Unterschriftenliste, Zeitung, Aufkleber und Poster):

https://www.friedenskooperative.de/shop/abruesten_statt_aufruesten

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„Zwischen Bilgoraj und Crailsheim – Werner Ansel, NS-Kreishauptmann und Landrat“ – Vortrag in Crailsheim

„Zwischen Bilgoraj und Crailsheim – Werner Ansel, NS-Kreishauptmann und Landrat“, lautet der Titel eines Vortrags, der am Montag, 10. September 2018, um 19.30 Uhr im Rathaus Crailsheim, Forum in den Arkaden, stattfindet. Es referieren der Journalist Ralf Garmatter und der Herausgeber der Buchreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ Wolfgang Proske.

Von der Stadtverwaltung Crailsheim

Vernichtungslager Sobibor im Verwaltungsbezirk

Aufgrund vieler Veranstaltungen im Herbst startet die historische Vortragsreihe von Crailsheimer Historischem Verein und Stadtarchiv Crailsheim in diesem Jahr bereits vor dem Volksfest. Am Montag, 10. September 2018, beginnt der Journalist Ralf Garmatter mit einem Vortrag über Werner Ansel, früherer NS-Kreishauptmann in Bilgoraj und von 1948 bis 1972 Landrat des Kreises Crailsheim. Als der promovierte Jurist Werner Ansel Ende Oktober 1939 in die ostpolnische Kreisstadt Bilgoraj kam, war er ein junger Verwaltungsbeamter von 30 Jahren. In der heutigen Crailsheimer Partnerstadt hatte Ansel bis Anfang 1942 den Posten eines Kreishauptmanns inne. Dies entsprach einem Landrat im „Altreich“. Anschließend tat er als Kreishauptmann Dienst im Kreis Cholm, wo im Frühjahr 1942 das Vernichtungslager Sobibor in Betrieb genommen wurde.

Ermittlungsverfahren wegen „Beihilfe zum Mord“

Der Vortrag beschreibt Ansels Werdegang, seine Dienstzeit im „Generalgouvernement“ während des Zweiten Weltkriegs, aber auch seine Nachkriegskarriere als Landrat von Crailsheim (1948 bis 1972). Ebenfalls beleuchtet wird das im Jahr 1968 gegen ihn angestrengte Ermittlungsverfahren wegen „Beihilfe zum Mord“ in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im besetzten Polen 1942. Einleitend stellt der Herausgeber Wolfgang Proske das Buchprojekt „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“, vor, in dem neben anderen Biografien der Beitrag zu Werner Ansel erschienen ist.

Kurzinformation:

Vortrag „Zwischen Bilgoraj und Crailsheim – Werner Ansel, NS-Kreishauptmann und Landrat“, Montag, 10. September 2018, 19.30 Uhr Rathaus Crailsheim, Forum in den Arkaden. Eintritt: 5 Euro (Abendkasse), Mitglieder des Crailsheimer Historischen Vereins frei.

Weitere Informationen im Internet über die Buchreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ und Buchbestellung:

„Täter, Helfer, Trittbrettfahrer: NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“, Kugelberg-Verlag, 441 Seiten, 19.99 Euro, ISBN: 978-3945893098

Internet:

http://www.ns-belastete.de/

Buchrezension im Hohenloher Tagblatt vom 2. Juni 2018:

„Treue Diener des Regimes“: https://www.swp.de/treue-diener-des-regimes-26878718.html

Weitere Informationen im Internet:

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/die-vergessenen-toten-von-treblinka-zum-holocaust-gedenktag-swr2-glauben-2023-01-22-100.html

SWR2 Glauben
Die vergessenen Toten von Treblinka – zum Holocaust-Gedenktag

Von Marta Kupiec

Vernichtungslager Treblinka, Bełżec und Sobibór

In den Tötungslagern der Nationalsozialistischen Aktion „Reinhardt“ starben mehr Menschen als in Auschwitz. Doch in Deutschland ist das kaum bekannt. Nach Kriegsende wurden die Lager Treblinka, Bełżec und Sobibór dem Erdboden gleich gemacht. Als Gedenkorte für den Holocaust sind sie in Deutschland kaum im Bewusstsein und werden selten besucht. Erst 2018 hat die deutsche Regierung die Finanzierung einer modernen Ausstellung in der Gedenkstätte Sobibór übernommen. Nach Treblinka, wo der Bau eines neuen Museums noch ansteht, ist bislang kein Geld geflossen.

Wie wird an die zum größten Teil anonymen Toten vor Ort erinnert? Und welche Konflikte birgt das in sich?

Übernahme von rbbkultur „Lebenswelten“ 24.07.22

Sendung SWR2 Glauben vom Sonntag, 22. Januar 2023, 12:05 Uhr

Internet: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/die-vergessenen-toten-von-treblinka-zum-holocaust-gedenktag-swr2-glauben-2023-01-22-100.html

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„Keine Zukunft ohne Geschichte“ – Offener Brief an den SPD-Parteivorstand wegen der geplanten Auflösung der Historischen Kommission

„Keine Zukunft ohne Geschichte“ – Einen „Offenen Brief“ an den SPD-Bundesparteivorstand hat Christina Morina vom Duitsland Instituut Amsterdam (DIA) geschrieben. Die Initiatorin fordert andere Menschen dazu auf, diesen Offenen Brief im Internet zu unterzeichnen. Sie will damit verhindern, dass die Historische Kommission beim SPD-Parteivorstand aufgelöst wird (https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSc7oDBUSq-QhhEd_-y7yr0MYhwyGkRToVfNHC7A3n7VxcvSHw/viewform).

Offener Brief von Christina Morina vom Duitsland Instituut Amsterdam (DIA)

Sehr geehrte Frau Nahles, sehr geehrte Mitglieder des Parteivorstands,

mit völligem Unverständnis haben wir die Nachricht über die Auflösung der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand vernommen. Als Historikerinnen und Historiker, mit oder ohne SPD-Parteibuch, halten wir diesen Schritt für einen schweren politischen Fehler. Mit Blick auf die Erneuerungsbemühungen innerhalb der Sozialdemokratie, aber auch für unsere liberale Demokratie, setzt er ein fatales Zeichen.

Neue Rechte will „nationale Wende“

Die beiden wichtigsten Impulse, die 1981 zur Gründung der Kommission geführt hatten, sind heute aktueller denn je: Unter gesellschaftlicher Zustimmung bis weit in die Mitte hinein arbeitet eine so genannte Neue Rechte wieder einmal an einer „nationalen“ Wende und torpediert mit der Macht von fast 100 Bundestagsmandaten den humanistischen, historisch-selbstkritischen Grundkonsens der Bundesrepublik; und vielleicht mehr als je zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik ist die Erhaltung unseres liberalen Gemeinwesens heute auf ein zivilgesellschaftlich inspiriertes Engagement „von unten“ angewiesen. Auch deshalb muss die Historische Kommission – möglicherweise in erneuerter Form – als Forum der Auseinandersetzung über historisch-politische, geschichts-kulturelle und geschichts-politische Fragen erhalten bleiben. Angesichts der vielen globalen Herausforderungen und der immer rabiateren „Lösungs-“ Vorschläge von Populisten und Nationalisten sind die geschichtlichen Erfahrungen der Sozialdemokratie von essentieller Bedeutung. Werden diese nicht bereitgehalten und immer wieder neu reflektiert, wird die Verteidigung unseres solidarischen Rechtsstaates um ein Vielfaches schwerer.

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen

Sehr geehrte Frau Nahles, sehr geehrte Mitglieder des Parteivorstands, es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, innerhalb und außerhalb der SPD, denen die Krise des sozial-demokratischen Projekts große Sorgen bereitet. Die Auflösung der Historischen Kommission würde diese Krise vertiefen. Es gibt viele Historikerinnen und Historiker, die bereit sind, sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen. Die Historische Kommission ist eines der Foren, in denen über Wege zur Stabilisierung unserer demokratischen Grundordnung nachgedacht werden kann und sollte.

Wir fordern Sie auf: Revidieren Sie diesen geschichts- und gegenwartsvergessenen Beschluss!

Amsterdam, 1. August 2018
PD Dr. Christina Morina
Kontakt: c.morina@uva.nl

Den Offenen Brief im Internet unterschreiben:

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSc7oDBUSq-QhhEd_-y7yr0MYhwyGkRToVfNHC7A3n7VxcvSHw/viewform

Weitere Informationen und Kontakt:

https://duitslandinstituut.nl/medewerker/17/christina-morina

Duitsland Instituut Amsterdam
Oude Hoogstraat 24
1012 CE AmsterdamPostadresse:
Kloveniersburgwal 48
1012 CX Amsterdam
E-Mail: c.morina@uva.nl
Telefon: +31 (0)20-5255396
Weitere Informationen im Internet über Christina Marina:
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„AfD-Schmierenkomödie um verdeckte Wahlkampfhilfe“ – Kommentar und Hintergrundinformationen des Vereins LobbyControl

Die AfD hat jahrelang von verdeckter Wahlkampfhilfe in zweistelliger Millionenhöhe profitiert, die ein wesentlicher Faktor hinter ihren Wahlerfolgen war. Die ganze Zeit hat sie nichts gegen die intransparente Wahlwerbung unternommen. Jetzt, zweieinhalb Jahre nach den ersten Geldflüssen, versucht sie, sich davon zu distanzieren. Das ist unglaubwürdig und grenzt inzwischen an eine Schmierenkomödie.

Kommentar des Vereins LobbyControl

Schweizer PR-Agentur Goal AG

Dem Briefkasten-Verein, der vordergründig als Initiator der Wahlkampfhilfe fungierte, untersagte der AfD-Bundesvorstand letzte Woche in einem Brief die künftige Nutzung des Logos und des Designs der AfD. Dass der Brief laut dem Spiegel-Bericht noch nicht bei dem Vereinsvorsitzenden Bendels angekommen ist, ließe sich recht einfach erklären: Hinter der Vereinsadresse steckt eben nur ein Briefkasten – die Post wird an die Schweizer PR-Agentur Goal AG weitergeleitet. Da kann es eben etwas dauern, bevor der “Vorsitzende” sie zu sehen bekommt. Auch die Goal AG habe eine Unterlassungsaufforderung erhalten.

Meuthen selbst eng verstrickt

AfD-Chef Meuthen leugnet im ARD-Interview (ab Minute 17:30) jeden persönlichen Kontakt zu dem Briefkasten-Verein und geht noch weiter: Er und die Partei hätten „mit denen gar nichts zu tun“.

Aber: Meuthen selbst ist nach eigener Aussage uns gegenüber persönlich befreundet mit dem Macher hinter der Wahlwerbung, Alexander Segert – und hat sich von dessen PR-Agentur Goal AG Anzeigen, Wahlplakate und Webseite bezahlen lassen. Die Zusammenarbeit ist sogar mit Meuthens Unterschrift belegt (siehe ZDF-Frontal 21 vom 29. August 2017). Meuthen hat zudem ein Interview für die Wahlkampfzeitung des Wahlwerbe-Vereins zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016 gegeben.

Meuthens groteskes Täuschungsmanöver wäre zum Totlachen, ginge es nicht um ein sehr ernstes Thema: verdeckte Wahlbeeinflussung durch anonyme Geldgeber.
AfD versucht Transparenzregeln auszuhebeln

AfD will Transparenzregeln aushebeln

Meuthen versucht aber, diese direkte Unterstützung durch die Goal AG nicht als Parteispende zu werten. Das ist aus Sicht von LobbyControl sachlich abwegig – und es ist politisch hochbrisant, weil Meuthen und die AfD damit versuchen, die Transparenzregeln für die Parteienfinanzierung auszuhebeln. Falls Meuthen und die AfD Erfolg hätten, könnten Konzerne, Vermögende oder ausländische Regierungen Wahlkampagnen für eine Partei unter Mitwirkung von Politikern dieser Partei organisieren, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, wer dahinter steckt. Partei und Politiker müssten nur behaupten, die Kampagne nicht offiziell beauftragt zu haben.

Die Situation wird brenzliger für die AfD

Allerdings scheint die AfD mit dieser Position auf Probleme bei der Bundestagsverwaltung zu stoßen, die für die Kontrolle der Parteifinanzen zuständig ist. Das zeigt an einem Vermerk der AfD im Rechenschaftsbericht 2016 (S. 223): sie behauptet darin einerseits, dass die Unterstützung der Goal AG für Meuthen nach Auffassung der AfD nicht als Parteispende zu werten sei. Zugleich hält sie sich eine Hintertür offen: der Sachverhalt habe nicht endgültig geklärt werden können. Wenn es sich doch um eine Einnahme der Partei handeln würde, könne dieser erst in den folgenden Rechenschaftsberichten verbucht werden. Dieser Vermerk zeigt, dass die AfD selbst weiß, dass ihre Position in dieser Frage wackelig ist. Bei der Bundestagsverwaltung laufen mehrere Prüfverfahren zur Wahlkampfhilfe für die AfD.

Öf­fentlichkeit in die Irre geführt

Die jetzige Distanzierung deutet daraufhin, dass die AfD die Situation inzwischen heikler einschätzt als zuvor. Lange hatte sie nichts gegen die intrans­parente Wahlwerbung zu ihren Gunsten unternommen. AfD-Politiker redeten die Unterstützung durch die geheimen Gelder klein, sie gaben Unwissenheit vor, bemühten sich in keiner Weise um Aufklärung und führten sogar die Öf­fentlichkeit in die Irre. Wie etwa Jörg Meuthen, der noch im Mai 2017 versuchte, das ganze Ausmaß seiner Unterstützung durch die Goal AG zu verschleiern.

Meuthens „Freund“ Segert

Selbst im Rechenschaftsbericht 2016 redet die AfD nur von „Werbemaßnahmen“ der Goal AG ohne diese genau aufzulisten. Und sie behauptet, der mögliche Wert habe zum Zeitpunkt des Berichts nicht beziffert werden können. Das war mehr als eineinhalb Jahre nach den Werbemaßnahmen – da hätte Herr Meuthen bei seinem „Freund“ Segert sicher Zahlen in Erfahrung bringen können, wenn das gewollt gewesen wäre.

Keinen Sand in die Augen streuen lassen

Klar ist: Wenn die AfD für die Wahlwerbung Verantwortung übernehmen muss, drohen ihr Millionen-Strafen wegen illegaler Parteienfinanzierung. Im Fall von Jörg Meuthen geht es um die Frage, ob es sich am Ende um illegale anonyme Parteispenden handelt (mehr dazu siehe in unserem Bericht von Juni 2018: https://www.lobbycontrol.de/2018/06/parteispenden-wer-stoppt-die-intransparenten-geldfluesse-zugunsten-der-afd/). Die Bundestagsverwaltung ist jetzt in der Pflicht, die Untersuchungen voranzutreiben – und sich keinen Sand in die Augen streuen zu lassen.

Weitere Informationen und Links:

https://www.lobbycontrol.de/2018/07/afd-schmierenkomoedie-um-verdeckte-wahlkampfhilfe/#pk_campaign=20180802A&pk_source=nl

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