Einen Offenen Brief zum Thema Umbenennung von Bundeswehrkasernen, die nach Erwin Rommel benannt sind, hat der Sozialwissenschaftler Wolfgang Proske aus Gerstetten bei Heidenheim geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Offenen Brief und eine Petition an den Bundestag jeweils in voller Länge.
Von Wolfgang Proske, Sozialwissenschaftler aus Gerstetten
Vernichtungskrieg in Libyen, Ägypten und Tunesien
Sehr geehrter Herr Brendle,
sehr geehrter Herr Knab,
was die Bundesregierung 2006 bewogen hat, die historische Forschung zu Rommel als „umstritten“ zu bezeichnen, weiß ich nicht. Meine Forschungsergebnisse, die sich auf Rommels Zeit in Libyen, Ägypten und Tunesien beziehen, wurden erst später veröffentlicht (Vgl. Proske, Wolfgang: Zwei Rollen für Erwin Rommel beim Aufmarsch der Wehrmacht in Libyen und Ägypten, 1941-1943, in: Ders. (Hg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus dem östlichen Württemberg (Bd. 3), Reutlingen 2014, S. 153-176.). Ich lege diesem Schreiben meine Petition an den Deutschen Bundestag bei, in der ich meine Bedenken bezüglich Rommel zusammenfasse. Die Petition ist bisher nicht endgültig beantwortet, da eine erste Antwort von Generalarzt Dr. Groß am 28. Dezember 2016 von mir als völlig unzureichend zurückgewiesen wurde.
Strategisch-taktische Überlegungen, aber kein Widerstand
Was die Äußerung von Professor Johannes Tuchel im Zusammenhang mit der Umbenennung von Kasernen, insbesondere der beiden Rommel-Kasernen betrifft: Ich kann diese Einlassung keinesfalls nachvollziehen. Den Text, auf den Tuchel sich offenbar bezieht (Rommels „Betrachtungen zur Lage“ vom 15. Juli 1944), können Sie nachlesen bei Remy, Maurice Philip: Mythos Rommel, Berlin 2004, S. 280 f). Dort ergeht sich Rommel über die verzweifelte militärische Lage und empfiehlt indirekt, „die Folgerungen aus dieser Lage zu ziehen“. Mit Widerstand hat das meines Erachtens überhaupt nichts zu tun. Das alles sind strategisch-taktische Überlegungen innerhalb des gegebenen nationalsozialistisch bestimmten Referenzrahmens, die nirgends darüber hinausragen. Herrn Tuchel ist vorzuwerfen, mit geschichtspolitischer Absicht einen Beleg ins Spiel zu bringen, der nicht hergibt, was er ihm unterstellt, um das Ziel durchzusetzen, die Benennung zweier Kasernen nach Rommel beizubehalten. Nicht einmal quellenkritisch gelesen gibt diese Quelle her, was Professor Tuchel ihr unterstellt. Hier wird meines Erachtens bewusst mit gezinkten Karten gespielt!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Proske, Diplom-Sozialwissenschaftler, Goethestraße 34, 89547 Gerstetten
Telefon: 07323-95 35 01
Fax.: 07323 – 95 35 02
E-Mail: wproske@aol.com
Petition von Wolfgang Proske an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags (Datum: 2. November 2016):
(An) Deutscher Bundestag – Petitionsausschuss
Frau Kersten Steinke MdB
Platz der Republik 1
11011 B e r l i n
Wehrliegenschaftswesen – Traditionspflege in der Bundeswehr
hier: Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891-1944)
Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Mit meiner vorliegenden Eingabe nehme ich Bezug auf das in Art. 17 GG formulierte Grundrecht: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“
In meinem Vorbringen geht es um jene Liegenschaften der Bundeswehr, die nach Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt sind: Dornstadt, Augustdorf sowie die inzwischen leer stehende ehemalige Kaserne in Osterode am Harz. Aufgrund meiner zeitgeschichtlichen Forschungen gelange ich zur Überzeugung, dass die Person der Zeitgeschichte – nicht der „Mythos Rommel“ – für die Bundeswehr nicht als traditionswürdiges Vorbild geeignet ist.
Nach meiner Rückkehr aus Tripolis/Libyen, wo ich 1994-1996 Leiter der Deutschen Schule war, habe ich mich historischen Forschungen zum Auftreten der Wehrmacht in Nordafrika und hier insb. auch zur Person Erwin Rommel gewidmet. Dabei ging ich von folgenden Ausgangsfragen aus:
1. Welche Auswirkungen hatte der in Osteuropa praktizierte Vernichtungskrieg für die Kriegsführung des Deutschen Afrikakorps (DAK) in Nordafrika?
2. Welche Rolle spielte vorangehende „Osterfahrung“ der Soldaten bei der Radikalisierung des DAK?
3. Wie funktionierte in Nordafrika die Zusammenarbeit zwischen DAK, SS, SD und deutscher Diplomatie?
4. Inwiefern unterschied sich das Auftreten der Wehrmacht in Ägypten 1942 von ihrem Verhalten in Libyen 1941/42?
5. Welche Belege sprechen für einen einsetzenden Vernichtungskrieg gegen die Juden Ägyptens nach osteuropäischem Vorbild?
In diesem Zusammenhang komme ich folgenden Ergebnissen:
zu 1. Die Wehrmachtsstrategie eines Vernichtungskrieges war nicht auf Osteuropa beschränkt, sondern fand ähnlich ihre Fortsetzung auch in anderen Kriegsgebieten, hier in Libyen, Ägypten und Tunesien.
zu 2. In Libyen, Ägypten und Tunesien gab es zunehmende „Osterfahrung“ der vor Ort anwesenden Deutschen wegen einer Vielzahl von Versetzungen von Offizieren, Soldaten und Diplomaten aus Osteuropa, insb. der Sowjetunion, die ihre einschlägigen Erfahrungen in Nordafrika einführten und umsetzten.
zu 3. Zwischen DAK, SS, SD und dem Deutschen Konsulat Tripolis gab es vielfache Beziehungen, insb. auch in Sachen Judenpolitik, die inzwischen in Bruchstücken nachgewiesen werden können.
zu 4: In Libyen handelte das DAK unterstützend unter italienischem Oberbefehl und mit Blick auf seine Judenpolitik „mit angezogener Handbremse“. Mit dem Einmarsch in Ägypten ab 22. Juni 1942 und bis 8. November 1942 begann ein NS-typischer, von Italien unabhängiger Eroberungskrieg mit entsprechenden Nebenwirkungen auf die ortsansässige jüdische Bevölkerung unter Erwin Rommel als von Hitler neu ernanntem Militärbefehlshaber Ägypten. Die von Hermann Göring am 31. Juli 1941 mit Schreiben an Reinhard Heydrich befohlene „Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa“ galt auch für Ägypten und Tunesien: „Nordafrika ist ein Teil Europas“, bestätigte Unterstaatssekretär Martin Luther dem Gesandten bei den deutschen Truppen, Rudolf Rahn, am 21. November 1942.
zu 5: Im DAK setzte über seine Propagandakompanie unter Sonderführer B beim Auswärtigen Amt, Constantin Alexander von Neurath, eine massive antisemitische Propaganda ein mit dem Ziel, einen Mob gegen die Juden Ägyptens zu mobilisieren. Nach osteuropäischem Muster wurde, um dem weiter nachhelfen zu können, das SS-Einsatzkommando Ägypten (später umbenannt in SS-Einsatzkommando Tunis) unter Walther Rauff aufgestellt, mit dem erste, im Detail unbekannte Absprachen bereits am 20. Juli 1942 getroffen wurden (Oberstleutnant Sieg-fried Westphal für das DAK, Obersturmbannführer Walter Rauff für das EK). Der deutsche Konsul Gebhard von Walther bzw. SS-Hauptsturmführer Theo Saevecke arbeiteten derweil im Konsulat insb. mit Blick auf Italien an einer „Gleichschaltung in der Judenpolitik“.
Dass heute über diese Vorgänge kaum noch etwas bekannt ist, liegt an der Niederlage der deutschen Truppen unter Erwin Rommel gegen britische Truppen vor El Alamein im November 1942, dem dadurch ausgelösten Rückzug der Panzerarmee Afrika aus Ägypten, Libyen und schließlich Tunesien sowie dem Verlust der Akten aus dem Deutschen Konsulat (die nach meiner Vermutung und aufgrund eines Hinweises von MdB Roderich Kiesewetter nach seinem Besuch in Libyen im Dezember 2012 heute im Nationalarchiv Tripolis liegen könnten). Inzwischen liegen insgesamt genügend gesicherte Hinweise vor, die in eindrucksvollen Bruchstücken die von mir hier zusammengefassten Verläufe und Sachverhalte belegen. Aus diesem Grund ist nicht einzusehen, wieso der Hauptverantwortliche der damaligen deutschen Nordafrikapolitik, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, weiterhin als eine im Sinne der Traditionspflege der Bundeswehr geeignete Persönlichkeit gilt. Nach meiner Überzeugung ist die öffentliche Ehrung Rommels ein eklatanter Verstoß gegen die geltenden Richtlinien zur Traditionspflege!
Gestatten Sie an dieser Stelle, dass ich einige für mein Anliegen wesentliche Abschnitte aus den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr (20. September 1982) anführe:
„Politisch-historische Bildung trägt entscheidend zur Entwicklung eines verfassungskonformen Traditionsverständnisses und einer zeitgemäßen Traditionsverständnisses und einer zeitgemäßen Traditionspflege bei. Dies fordert, den Gesamtbestand der deutschen Geschichte in die Betrachtung einzubeziehen und nichts auszuklammern.“ (I. 5)
„Die Geschichte deutscher Streitkräfte hat sich nicht ohne tiefe Einbrüche entwickelt. In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht. Ein Unrechtsregime, wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht begründen.“ (I. 6)
„In der Traditionspflege der Bundeswehr sollen solche Zeugnisse, Haltungen und Erfahrungen aus der Geschichte bewahrt werden, die als ethische und rechtsstaatliche, freiheitliche und demokratische Traditionen auch für unsere Zeit beispielhaft und erinnerungswürdig sind.“ (II. 15)
„In der Traditionspflege soll auch an solche Geschehnisse erinnert werden, in denen Soldaten über die militärische Bewährung hinaus an politischen Erneuerungen teilhatten, die zur Entstehung einer mündigen Bürgerschaft beigetragen und den Weg für ein freiheitliches, republikanisches und demokratisches Deutschland gewiesen haben.“ (II. 16)
„Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr können mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung nach Persönlichkeiten benannt werden, die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben.“ (III. 29)
Bitte schaffen Sie Abhilfe – gemäß der Grundwerte unserer freiheitlich-demokratischen Verfassung! Bitte nehmen Sie, sehr geehrte Frau Vorsitzende, mein Vorbringen zum Anlass, beim Bundesministerium der Verteidigung einen Bericht zum Sachstand der Prüfung einer möglichen Neubenennung jener Liegenschaften, die nach GFM Rommel benannt sind, anzufordern.
Für weiterführende Rückfragen und Klärungen stehe ich Ihnen stets sehr gerne zur Verfügung. Besten Dank für Ihre Mühe!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Proske, Goethestraße 34, 89547 Gerstetten
2. November 2016