„Arbeit und Rüstung“ lautet der Titel des neuen Buches des Crailsheimer Hobby-Historikers Willi Glasbrenner. Im Untertitel wird das spezielle Thema klar: „Die Geschichte des Arbeitsdienstes und der Firma Bosch in Crailsheim 1933 – 1945“
Von Ralf Garmatter, Freier Journalist, Hohenlohe-ungefiltert
Buchpräsentation am Donnerstag, 16. April 2009, um 19.30 Uhr, im Crailsheimer Ratssaal
Die im Crailsheimer Baier-Verlag gedruckte Neuerscheinung wird morgen, Donnerstag, 16. April 2009, um 19.30 Uhr im Ratssaal des Crailsheimer Rathauses der Öffentlichkeit präsentiert. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei. Der Autor Willi Glasbrenner (Jahrgang 1936), ein pensionierter Bahn-Mitarbeiter, signiert nach der Buchvorstellung seine Bücher. Das 187 Seiten starke Werk wurde vom Stadtarchiv Crailsheim in der Historischen Schriftenreiche der Stadt Crailsheim als Band 7 herausgegeben. Die Redaktion und das Lektorat übernahm Crailsheims Stadtarchivar Folker Förtsch.
Oberbürgermeister Raab urteilt: Detailreich und sehr differenziert
Crailsheims Oberbürgermeister Andreas Raab lobt den Autor in seinem Grußwort für dessen neues Werk. „Detailreich und in sehr differenzierter Art und Weise stellt Glasbrenner die Entwicklung von RAD und „Bosch“ dar und liefert damit wichtige Einblicke in die Crailsheimer Geschichte der NS-Zeit insgesamt.“
Tochter des ehemaligen Crailsheimer Bosch-Betriebsführers interviewt
Willi Glasbrenner hat für seine Forschungsarbeit jahrelang in Archiven und Ämtern recherchiert. Er befragte zahlreiche Zeitzeugen, die beim Reichsarbeitsdienst oder später im Bosch-Werk in Crailsheim beschäftigt waren. Das Bildmaterial hat Glasbrenner aus vielen Privatarchiven, dem Bosch-Firmenarchiv und dem Stadtarchiv Crailsheim zusammengetragen. „Ohne die Gespräche mit Frau Brigitte Kandel, geborene Kleemaier, der Tochter des damaligen Bosch-Betriebsleiters Otto Kleemaier, die in Maryland/USA lebt und die komplette Bosch-Zeit von 1939 – 1945 mit ihren Eltern in Crailsheim erlebte, wäre die Berichterstattung im Bosch-Teil des Buches unvollständig. Ihre Bilder und schriftlichen Unterlagen brachten entscheidende Erkenntnisse“, schreibt Willi Glasbrenner im April 2009 im Kapitel „Dank“ seines Buches.
Arbeitsdienst sollte junge Männer vor Verwahrlosung bewahren
Der bereits 1931 – also noch vor der NS-Zeit – eingeführte „Freiwillige Arbeitsdienst“ sollte helfen, „vorhandene Berufsfertigkeiten der Arbeitslosen zu bewahren und Erscheinungen wie Verwahrlosung, Jugendkriminalität oder politische Radikalisierung einzudämmen“, zitiert Glasbrenner in seinem Buch. Württemberg und somit auch Crailsheim gehörte bei den Nazis zum Arbeitsgau 26 (von reichsweit 32). „In Crailsheim war der Arbeitsdienst ab 1933 mit einem Gruppenstab und mit einer Abteilung präsent. Eine Abteilung hatte anfangs eine Normstärke von 216 Mann. Jeder Deutsche bis zum 25. Lebensjahr konnte sich bei den Arbeitsämtern für den Arbeitsdienst melden, ohne Rücksicht auf Beruf und Vorbildung.“ Vielerorts – auch in Crailsheim – wurden Arbeitsdienstlager eingerichtet. Dieses befand sich ab Ende 1933/Anfang 1934 am Alten Postweg auf dem ehemaligen Anwesen der Firma Schaper, die dort seit 1920 eine Marmeladen- und Konservenfabrik betrieben hatte.
Arbeitsdienst wurde ab 1935 Pflicht für alle jungen Deutschen
Am 26. Juni 1935 verabschiedeten die Nazis das „Reichsarbeitsdienstgesetz“. Damit wurde die Arbeitsdienstpflicht für alle jungen Deutschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren eingeführt. Die Dienstzeit betrug nach einem Erlass Hitlers zunächst sechs Monate. Der Reichsarbeitsdienst (RAD) bildete fortan eines der Instrumente des NS-Staates zur Erziehung des jungen Deutschen zur Volksgemeinschaft und stellte das Verbindungsglied zwischen Schulpflicht und Wehrpflicht dar. Vom RAD wurden in der Umgebung von Crailsheim im Jahr 1937 beispielsweise die Bundesstraße 14 zwischen Roßfeld und Maulach begradigt sowie 1938 die Ortsumgehung von Ilshofen angelegt. Auch Feld- und Waldwege wurden vom Crailsheimer RAD geschaffen. Ein Gedenkstein beim „Neuhaussträßchen“, an der Straße Crailsheim – Bergbronn zwischen Westgartshausen und Neuhaus, erinnert noch heute an die Wald- und Wegearbeiten des Reichsarbeitsdienstes. Die RAD-Ausbildung hatte einen stark militärischen Charakter. Ab 1938 gab es auch eine Ausbildung am Gewehr und verschiedentlich sogar an der Flugabwehrkanone (Flak).
Hauptaufgabe des RAD in Crailsheim war die „Jagstverbesserung“
Als Hauptaufgabe des RAD wurde in Crailsheim die „Jagstverbesserung“ angesehen. Diese war verbunden mit der Anlage von Hochwasserdämmen. Außerdem sollten die Arbeitsdienstmänner Grundentwässerungen in verschiedenen Bachauen in Angriff nehmen. Bereits in den Jahren 1928/29 hatte die Stadt Crailsheim geplant, die Jagst von der Markungsgrenze bei Ingersheim bis hinter die Kalkmühle zu begradigen und gegen das jährlich mehrmals auftretende Hochwasser Dämme zu errichten. Das Vorhaben scheiterte zunächst aber an der Finanzierung. Zwischen dem 8. Dezember 1933 und dem 5. September 1935 sollte das Projekt verwirklicht werden. Zu bearbeiten war ein Flussstück von 2,2 Kilometer Länge. Aber erst im Sommer 1936 wurde das Jagstprojekt vollendet. Der Fluss war an mehreren Stellen ausgehoben, verbreitert und begradigt worden. An beiden Uferseiten wurden Hochwasserdämme aufgeschüttet. Die „Jagstverbesserung“ kostete 508330 Reichsmark (fast 250000 Reichsmark mehr als zuvor veranschlagt), wovon die Stadt Crailsheim 458862 Reichsmark zu bezahlen hatte. Noch im Dezember 1947 beliefen sich die Verbindlichkeiten der Stadt aus diesem Projekt auf 197000 Reichsmark. Der am 15. Juni 1933 geschlossene Vertrag zwischen dem Reichsarbeitsdienst und der Stadt Crailsheim lief am 31. Dezember 1938 aus. Die Arbeitsdienstmänner wurden zum Bau des Westwalls verlegt.
Firma Bosch übernahm die Gebäude des Reichsarbeitsdienstes – Bosch-Großansiedlung in Altenmünster scheiterte am Krieg
Die damals schon weltbekannte Firma Robert Bosch GmbH aus Stuttgart übernahm ab 1. Oktober 1938 zunächst den westlichen Teil des ehemals Schaperschen Anwesens. Doch schon im Januar und März 1939 – kurz nach dem Abzug des RAD aus Crailsheim – erfolgte die Erweiterung auf das gesamte Fabrikgelände. Gleich im Herbst 1938 wurden dort zirka 100 Arbeitskräfte für Spezialaufgaben umgeschult. Zum 17. April 1939 nahm die Bosch-Lehr- und Umschulungswerkstätte offiziell die Arbeit auf. Bei Altenmünster, etwa dort, wo sich heute das Sportgelände des VfR Altenmünster befindet, sollte später ein großes Bosch-Werk entstehen. Dieses wurde aber wegen des Zweiten Weltkrieges nie verwirklicht. In Altenmünster sollten unter anderem Zündkerzen, Batterien, Radlicht-Dynamos, Scheinwerfer und dergleichen mehr hergestellt werden. Im August 1940 verkündete Crailsheims Landrat Sautermeister, dass wegen des fortschreitenden Krieges die geplante Großansiedlung der Firma Bosch im Süden Altenmünsters mit 3000 Arbeitspätzen für Crailsheim bis zum Kriegsende ausgesetzt sei. Stattdessen wurde die Umschulungs- und Lehrwerkstatt im Alten Postweg zum Rüstungsbetrieb ausgebaut. Während des Krieges arbeiteten bei Bosch in Crailsheim vor allem kriegsdienstverpflichtete deutsche Frauen und ausländische Zwangsarbeiterinnen – viele von ihnen (mindestens 100 Frauen) – kamen aus Tschechien. Der Historiker Hans Gräser rechnet, dass ein Drittel des bis zu 1200 Arbeitskräfte zählenden Crailsheimer Betriebs der Gruppe der Fremdarbeiter (Zwangsarbeiter), also 300 bis 400 Personen, zuzurechnen ist.
Bosch profitierte vom Einsatz von Zwangsarbeitern
Gerade in der Zwangsarbeiterfrage aber zeigte, dass sich „auch ein Unternehmen wie Bosch, das sich im Widerstand betätgte, ungewollt in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickte.“ Auch wenn es zutreffend sein sollte, dass eine „Ablehnung der zugewiesenen Zwangsarbeiter nicht möglich gewesen sei, profitierte Bosch vom Einsatz dieser Menschen und begab sich in dieser Frage in eine, wenn auch unfreiwillige Komplizenschaft mit dem Regime“, zitierte Willi Glasbrenner.
Bomben zerstörten große Teile des Crailsheimer Rüstungsbetriebs
Bei den schweren Luftangriffen auf Crailsheim am 23. Februar 1945 ist der Rüstungsbetrieb Bosch am Alten Postweg durch Bomben schwer beschädigt worden. Die Gebäude, in denen bis zu 1200 Menschen im Dreischichtbetrieb gearbeitet hatten, wurden aber nicht vollständig zerstört. Zwei Drittel des nahegelegenen Bahnhofs waren dem Erdboden gleich gemacht worden. Nach Kriegsende nahm Bosch die Produktion in Crailsheim nicht wieder auf. Im Januar 1947 eröffneten Waldemar Schultz aus Kowno und Kurt Kloß aus Pniewy einen Bosch-Dienst in Crailsheim. Dort wurde Autoelektrik gewartet und repariert, später auch Elektrogeräte und nach der Währungsreform 1948 auch Kühlschränke.
Bosch kaufte 1973 den Crailsheimer Verpackungsmaschinenhersteller Strunck
1973 kaufte die Firma Bosch mehrheitlich den seit 1952 in Crailsheim an der Blaufelder Straße produzierenden Verpackungsmaschinenhersteller Strunck & Co. „Die Firma kam in den folgenden Jahren sehr gut voran und konnte auch im Jahr 2007 ihre Stellung als Weltmarktführer im Bereich Abfüllanlagen für Pharmazeutik zur Injektion halten. So wurde der Name des großen Schwaben wieder mit Crailsheim verbunden, wie es schon der Zeitungsberichterstatter zur Eröffnung des Bosch-Werkes Crailsheim im Jahr 1939 ausgedrückt hatte. Hoffentlich für alle Zeiten“, schließt der Autor Willi Glasbrenner sein lesenswertes Buch „Arbeit und Rüstung“.
Buchinfo: Arbeit und Rüstung – Die Geschichte des Arbeitsdienstes und der Firma „Bosch“ in Crailsheim 1933 – 1945. Erschienen im Baier-Verlag Crailsheim, herausgegeben vom Stadtarchiv Crailsheim, Historische Schriftenreihe der Stadt Crailsheim, Band 7, Redaktion Folker Förtsch, Satz Hansjörg Wirth, ISBN 978-3-929233-80-3, Preis 14,90 Euro
Weitere Informationen im Internet:
de.wikipedia.org/wiki/Reichsarbeitsdienst
de.wikipedia.org/wiki/Robert_Bosch
www.bosch.de/start/content/language1/html/index.htm