Mit eigenartigen Schriftzeichen wirbt die Steinmetzfirma Prassler in Wallhausen seit vielen Jahren für ihre Dienste. Doch nicht alle Menschen sind von diesen Schriftzeichen angetan. Zu stark erinnern einige davon an die Zeit des Nationalsozialismus. Das doppelte S in Prasslers Firmenschriftzug hat starke Ähnlichkeit mit dem Symbol der SS im Dritten Reich. Der Firmenschriftzug ist so angebracht, dass er von der Bundesstraße 290 von Crailsheim her am Ortseingang von Wallhausen und auch aus der anderen Richtung gut zu sehen ist. Das Firmengebäude Prasslers befindet sich nur wenige Meter vom Straßenrand entfernt. Weil das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg den Anfangsverdacht einer Straftat sah, überprüfte die Staatsanwaltschaft Ellwangen die Schriftzeichen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der zuständige Sachbearbeiter der Ellwanger Staatsanwaltschaft bewertete die Schriftzeichen als nicht verboten.
Bericht und Kommentar von Ralf Garmatter, Freier Journalist aus Kirchberg/Jagst
Staatsanwalt: Kein Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Staatswalt Oliver Knopp begründete die Entscheidung auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert: Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sei verneint worden, „da selbst der unbefangene, nicht genau prüfende Beobachter die Buchstaben in der Mitte des (…) Nameszuges nicht für Zeichen der Organisation der Waffen-SS halten kann, weil er nicht den Symbolgehalt eines tatsächlichen Kennzeichens vermittelt. Das Verfahren wurde daher bereits am 27.03.2009 nach § 152 Abs.2 StPO (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) eingestellt.
S-Rune sei dem SS-Schriftzug nicht zum Verwechseln ähnlich
Staatsanwalt Knopp weiter: Das S in dem Namenszug, der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war, ist nicht mit der Sig-Rune, die in ihrer doppelten Verwendung durch die „Sturmstaffel (SS)“ und die (Waffen-)SS Bedeutung erlangt hat, identisch. Gemäß § 86a Absatz 2 Satz 2 StPO kommt es daher darauf an, ob das verwendete S dieser Sig-Rune „zum Verwechseln ähnlich“ ist.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so zuletzt in dem Urteil des 3. Strafsenats vom 28. 7. 2005 – 3 StR 60/05- muss „nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein“. Dies setzt voraus, dass die typischen Merkmale, welche das äußere Erscheinungsbild eines Kennzeichens einer der in § 86 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen und dadurch dessen Symbolgehalt vermitteln, sich in dem verwendeten Zeichen wiederfinden lassen.
Von der höchstricherlichen Rechtsprechung wird mit diesen Formulierungen somit der Begriff der „Verwechslungsgefahr“ im Sinne des § 86a Abs.2 Satz 2 StGB konkretisiert.
Der zuständige Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft Ellwangen hat nach Prüfung eine solche Verwechslungsgefahr verneint.
Staatsanwalt Knopp: „Nicht zu allgemeiner Rechtsauskunft befugt“
Eine völlig unbefriedigende Antwort erteilte Staatsanwalt Knopp auf die Frage von Hohenlohe-ungefiltert „Wie identisch muss ein SS-Zeichen mit dem SS-Zeichen der Nazis sein, damit es strafverfolgt wird – wie groß darf die Abweichung der Winkel des jeweiligen S sein, die zwischen Straftat und Nicht-Straftat entscheiden?“ Knopps Antwort: „Die Beantwortung dieser Frage würde eine über den konkreten Fall hinausgehende allgemeine Rechtsauskunft darstellen, zu welcher ich nicht befugt bin.“
S, P, R und das Steinmetzzeichen erinnern an Runenalphabet
Der Autor des Artikels von Hohenlohe-ungefiltert bleibt bei der Beurteilung des Schriftzuges der Firma Prassler bei seiner Meinung: Die leicht abgewandelte doppelte S-Rune könnte man alleine betrachtet möglicherweise noch als ein Versehen durchgehen lassen. Wenn da nicht auch noch das R, das P und auch das Steinmetzzeichen aus dem Runenalphabet Futhark stammen würden. Das scheint kein Zufall mehr sein. „Das sind Schriften, die an der Berufsschule für Steinmetze in Freiburg gelehrt werden“, sagt Firmeninhaber Prassler auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert. „Diese Schrift haben wir ganz normal in Freiburg gelernt.“
Beschreibung von Runenzeichen im Internetlexikon Wikipedia unter de.wikipedia.org/wiki/Runen
Freiburger Berufsschule bestätigt Prasslers Angaben nicht
Eine Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert an der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule in Freiburg bestätigt Prasslers Behauptung aber keineswegs. Demnach seien an der Berufsschule der Steinmetze nach 1945 weder Runenzeichen noch solche wie die von der Firma Prassler verwendete, unterrichtet worden, schreibt der stellvertretende Schulleiter Norbert Muser an die Hohenlohe-ungefiltert-Redaktion. An der Schule seien nach 1945 keine wie von Prassler verwendete Schriften zur Verwendung empfohlen worden.
Beratungslehrer sieht kein Neonazi-Bekenntnis
Der Freiburger Beratungslehrer Rupert Birmele bewertet die Schrift wie folgt: „Bei dem Schriftzug von Herrn Prassler handelt es sich nicht um eine klassische Schriftart, sondern um eine frei gestaltete stilisierte Schrift, die unter gestalterischen Gesichtspunkten in sich stimmig ist. Sicherlich lassen sich in unserem Hause ähnlich gestaltete „S“ finden, die besonders in den 70er und 80er Jahren einen gewissen Anklang fanden. Bei der „MRP“-„Rune“ handelt es sich um ein Steinmetzzeichen. Diese Zeichen haben ihre Herkunft aus dem Mittelalter und wurden damals als Signierung zu Abrechnungszwecken auf jedem Werkstein angebracht. Hier handelt es sich um eine durchaus übliche Form. Natürlich haben diese Zeichen den Nazis gut gefallen, sodass der in den 30-er Jahren gegründete Reichsverband der Steinmetze und Steinbildhauer ein solches Symbol im Wappen trägt. Dieses Symbol finden Sie auch heute noch im Wappen des Bundesinnungsverbandes der Steinmetze und Steinbildhauer.“ Der Beratungslehrer der Friedrich-Weinbrenner-Schule ist „vorsichtig, aus einem Schriftzug ein Bekenntnis eines Neonazis zu machen. Insider würden die SS-Zeichen vermutlich als solche erkennen. Für mich zählt, ob es sich um Werbung für Nazi-Denkweisen handelt, die Erkennbarkeit im Gesamt-Schriftzug fällt meiner Meinung nach schwer.“
Lehrer sorgt sich um Neonazi-Denkweisen bei Schülern
Der Berufsschullehrer macht sich an seiner Schule aber Sorgen wegen Schülern mit Neonazi-Denkweisen. „Wir haben an unserer Schule immer wieder Probleme mit Jugendlichen aus dem Neonazi-Milieu. Da diese Gesinnung dieser jungen Männer allzu offen auf T-Shirts und Arbeitsunterlagen prangten, haben wir an unserer Abteilung kurzerhand ein Verbot jedweder Symbole mit radikalem Inhalt ausgesprochen. Bei vielen dieser Symbole ist es jedoch schwierig, eine eindeutige Zuordnung zu finden, und noch schwieriger wird es sein, dies einem staatlich verbotenen Symbol zuzuordnen.“ Dies werde nach Ansicht von Rupert Birmele wohl auch bei den Schriftzügen der Firma Prassler nicht gelingen. „Vermutlich ist sich Herr Prassler der Zweideutigkeit dieses Schriftzuges auch nicht bewusst“, meint der Freiburger Beratungslehrer.
Polizei kann anhand einzelner Schriftzeichen den Schriftzug nicht bewerten
Der Polizeidirektion Schwäbisch Hall fiel es schwer, anhand der einzelnen zugesandten Schriftzeichen der Firma Prassler den gesamten Schriftzug zu bewerten, teilt Polizei-Pressesprecher Hans Ulrich Stuiber auf Nachfrage mit. „Die uns übersandten drei Schriftzeichen entsprechen in ihrer Ausführung nicht der Runenschrift. Die Schreibart des „S“ entspricht ebenfalls nicht der Schreibweise SS (…).“
Die Redaktion von Hohenlohe-ungefiltert meint: Zweideutige Schriftzeichen vermeiden
Die Redaktion von Hohenlohe-ungefiltert fände es gut, wenn die Firma Prassler ihren Schriftzug am Gebäude noch einmal überdenkt und abändert. Es gibt sicher bessere und unverfänglichere Schriften, um im 21. Jahrhundert für seine Firma zu werben.
INFO: www.ida-nrw.de/html/Fverbsymb.htm?
Kontakt: Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V. (IDA), Dr. Stephan Bundschuh (Geschäftsführer), Volmerswerther Straße 20, 40221 Düsseldorf, Tel: 02 11 / 15 92 55-5, Fax: 02 11 / 15 92 55-69, E-Mail: Stephan.Bundschuh[at]IDAeV.de
Web: www.IDAeV.de
Auszüge der Internetseite von IDAeV: Die S- bzw. Sigrune ist das Symbol, das nach dem Hakenkreuz am deutlichsten mit der NS-Diktatur assoziiert wird. Die aus zwei S-Runen kombinierte Doppel-Sigrune war das Zeichen der „Schutzstaffel“ (SS) der NSDAP, die für die „innere Sicherheit“ zuständig war. Die einfache Sigrune war das Emblem des „Deutschen Jungvolkes“ in der Hitlerjugend, das auf Fahnen, Standarten und Uniformen eine breite Verwendung fand.
In abgewandelter Form mit waagerechten Spitzen benutzte die neonazistische „Aktionsfront nationaler Sozialisten/Nationaler Aktivisten“ das Symbol. Aufgrund des 1983 ergangenen Verbots der Gruppe ist auch die Verwendung dieser Form der S-Rune strafbar.
Trotz Verbots taucht das Zeichen in modifizierter Form auch in Deutschland immer wieder in Schriftzügen auf CD-Covern oder Aufnähern auf. Im Ausland aktive Neonazis benutzen das Zeichen weiterhin offen. So bietet die 2000 in Deutschland verbotene, aber in anderen Ländern weiterhin aktive „Blood&Honour“-Bewegung über das Internet Fahnen mit dem SS-Abzeichen an, die hinsichtlich der NS-Ausrichtung keinen Zweifel lassen: Das SS-Zeichen wird z. B. kombiniert mit dem Totenkopf, dem Symbol der SS-„Totenkopfverbände“, die ab 1936 unter anderem für die Bewachung der Konzentrationslager zuständig waren.