August Luwig Schlözer wurde 1735 im Pfarrhaus in Gaggstatt geboren: Der bedeutende Staatsrechtler, Historiker, Journalist, Schriftsteller und Statistiker starb vor 200 Jahren (1809) in Göttingen.
Die Stadt Kirchberg an der Jagst, besser gesagt, deren heutiger Ortsteil Gaggstatt, hat einen berühmten Sohn. Der europäische Aufklärer August Ludwig Schlözer wurde 1735 im Pfarrhaus in Gaggstatt geboren. Gestern vor 200 Jahren – am 9. September 1809 – ist der Große Sohn der Gemeinde als Professor in Göttingen gestorben. Was Schlözer als Journalist und Publizist veröffentlicht hat und welche humanistischen Ziele er damit verfolgte, ist auch 200 Jahre nach seinem Tod noch aktuell. In der vergangenen Woche (von Mittwoch, 2. September 2009, bis Samstag, 5. September 2009) befassten sich bei einer „Internationalen Schlözer-Tagung“ im Rokoko-Saal des Kirchberger Schlosses etwa 15 Wissenschaftler verschiedener Bereiche der Schlözer-Forschung mit dem bedeutenden Aufklärer. Einer der Wissenschaftler nannte Schlözer sogar in einem Atemzug mit dem großen französischen Philosophen Voltaire.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Schlözer: „…noch stumpfer ist ein Mensch, der alles für wahr nimmt, was in der Zeitung steht“
Besonders interessant für Hohenlohe-ungefiltert waren bei der Kirchberger Tagung die Vorträge, bei denen sich die Referenten mit August Ludwig Schlözers Arbeit als Journalist und Schriftsteller befassten. Schlözer selbst war ein eifriger Zeitungsleser. Seine Einstellung zu dem im 18. Jahrhundert noch relativ neuen Medium der politischen Journale drückt sich in folgendem Zitat aus: „Stumpf ist der Mensch, der keine Zeitung liest, noch stumpfer aber derjenige, der alles für wahr nimmt, was in der Zeitung steht.“ Schlözer plädiert für eine kritische und analytische Zeitungslektüre. Der kritische und informierte Leser soll sich zu den veröffentlichten Ereignissen stets seine eigenen Gedanken machen und seine eigenen Schlüsse ziehen. Bevormundung und Besserwisserei lehnte er ab.
Der gebürtige Gaggstatter wollte „nackte Tatsachen“ erfahren
Wichtig waren dem gebürtigen Gaggstatter die „nackten Tatsachen“ über wirklich wichtige Geschehnisse aus Politik, Kultur und Gesellschaft. Rubriken wie „Buntes aus aller Welt“, die Schlözer als „beliebige Nichtigkeiten“ bezeichnete, betäuben nach Ansicht des Publizisten die Leser und hielten sie von den wichtigen Themen fern. Als albern stufte er den unterwürfigen Kanzleistil vieler Zeitungen seiner Zeit ein. Der gebürtige Pfarrersohn sprach sich klar gegen Untertanengeist aus. Er wollte keine Presse, die die Mächtigen feiert. Revolution und gewalttätigen Aufruhr lehnte der Göttinger Professor aber entschieden ab.
Ein Loblied auf die Zeitung
„Schlözer singt der Zeitung ein Loblied wie kaum jemand anders zu Zeiten der Aufklärung“, sagte Professor Dr. Holger Böning (Bremen) in seinem Vortrag „August Ludwig Schlözer und die neuen Medien des 18. Jahrhunderts“. Das Sammeln von Informationen sowie das Ordnen und Einordnen seien Schlözer besonders wichtig gewesen.
Macht braucht Gegenmacht
Die politisch bürgerlich-liberale Einstellung Schlözers kommt in dessen Ausspruch „Macht braucht Gegenmacht“ zum Vorschein. Eine Gegenmacht zu den herrschenden Personen und den wirtschaftlich Mächtigen seiner Zeit sah Schlözer auch in der von ihm von 1782 bis 1793 herausgegebenen Zeitschrift Stats-Anzeigen (heute würde man wahrscheinlich Staatsanzeiger sagen). Damit wollte er den Informationsvorsprung der herrschenden Schichten gegenüber den Bürgern verringern.
Skandale müssen öffentlich gemacht werden
Bei der Tagung in Kirchberg hielt Professor Dr. Thomas Nicklas (aus Reims, Frankreich) einen Vortrag zum Thema „Publizität als Allheilmittel? Schlözer als Kombattant in den Pressekampagnen der Spätaufklärung“. Laut Nicklas ist der „ideologieresistente Schlözer“ der Ansicht gewesen, ein Skandal müsse unbedingt publik gemacht werden. Das öffentliche Leben müsse sich vor den Augen und Ohren der ganzen Welt abspielen. Bei der Berichterstattung gelte es, durch das Veröffentlichen der Wahrheit wieder „Gerechtigkeit herzustellen“, führte Thomas Nicklas die Gedankengänge Schlözers weiter aus. Demnach „liebt auch die rechtschaffene Justiz das helle Licht“ und die Publizität sei ein Heilmittel.
Die Wahrheit ist der zentrale Wert
„Die Mehrheit ist aber nicht automatisch im Recht“, urteilte Schlözer. Der zentrale Wert sei die Wahrheit. Als Staatsform schwebte Schlözer laut Thomas Nicklas eine „temperierte Monarchie – eine erneuerte Monarchie“ vor. Die Auswirkungen der Französischen Revolution (1789 bis 1799) habe Schlözer seinerzeit für „Politische Experimente“ gehalten, meint Nicklas. Nach Schlözers Auffassung spielten „kleine Gruppen von Berufsrevolutionären mit den Volksmassen“.
Schlözer blieb stets misstrauisch und ließ sich nicht in politische Lager einordnen
Der stets misstrauische Schlözer ließ sich nicht in die politischen Lager einordnen. Er habe auch keine „Schule in Deutschland“ begründet. „Schlözer hatte in Deutschland nicht viele Kinder im Geiste“, schloss Thomas Nicklas seinen Vortrag.
Lokale Publikationen zu August Ludwig Schlözer:
„August Ludwig Schlözer – Der europäische Aufklärer“, von Alexander Hugo Braun, in Kirchberger Hefte Nr. 7, herausgegeben vom Museums- und Kulturverein Kirchberg an der Jagst e.V. zur Eröffnung der Schlözer-Ausstellung am 26. April 2009, in Kirchberg an der Jagst. 36 Seiten im DIN A 5-Format. Die Ausstellung „Kirchberg – St. Petersburg – Göttingen – Der euopäische Aufklärer August Ludwig Schlözer (1735 – 1809) im Sandelschen Museum (Stadtmuseum) in Kirchberg an der Jagst ist noch bis Sonntag, 13. September 2009 an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Außerhalb dieser Zeit ist ein Besuch nach telefonischer Anmeldung (07954/98010) möglich.
„Schlözers Wurzeln in Hohenlohe“ von Grete Gonser, in Kirchberger Hefte Nr. 8, herausgegeben vom Museums- und Kulturverein Kirchberg an der Jagst e.V.. Das 28 Seiten starke Heft im DIN A5-Format enthält auch einen ausklappbaren Stammbaum „Vorfahren und Verwandte von August Ludwig Schlözer“. Das Heft enthält den Text eines Vortrags, den Grete Gonser aus Kirchberg im Rahmen der Vortragsreihe zum Schlözerjahr 2009 am 14. Mai 2009 im Schlözerzimmer des Sandelschen Museums gehalten hat.
Weitere Informationen zu August Ludwig Schlözer im Internet:
http://de.wikipedia.org/wiki/August_Ludwig_Schlözer
http://www.kirchberg-jagst.de/data/augustLudwigSchloezer.php
http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufkl/statsanzeigen/statsanzeigen.htm
http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/schloezer/briefwechsel/
http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/
Informationen zur Tagung (2. bis 5. September 2009) in Kirchberg an der Jagst:
August Ludwig Schlözer in Europa
Internationale Tagung zum 200. Todestag des Historikers, Publizisten und Staatsrechtlers vom 2.-5. September in Kirchberg/Jagst
(Mainz, 5. August 2009, voi) Zum 200. Todestag August Ludwig Schlözers findet vom 2.-5. September 2009 in Kirchberg an der Jagst, dem Geburtsort Schlözers, eine internationale Tagung mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, Italien, Rumänien und der Schweiz statt. Die Beiträge der Tagung „August Ludwig Schlözer in Europa“ werden die bisherigen Forschungen zum Leben und Werk des schillernden Aufklärers und „deutschen Voltaires“ bilanzieren sowie neue Forschungsperspektiven eröffnen. August Ludwig Schlözer (1735-1809) wuchs in Hohenlohe im heutigen Baden-Württemberg auf, studierte und arbeitete in Wittenberg, Göttingen, Uppsala, Stockholm und Sankt Petersburg. Er beschäftigte sich intensiv mit der europäischen Geschichte und Kulturgeschichte und kommentierte die politischen Ereignisse und Transformationsprozesse in Europa.
Die von der Gerda Henkel Stiftung geförderte Tagung wird vom Institut für Europäische Geschichte (IEG) Mainz gemeinsam mit der Stadt Kirchberg an der Jagst und dem Museums- und Kulturverein Kirchberg e.V. veranstaltet. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Heinz Duchhardt, Dr. Martin Peters und Dr. Claus Scharf.
Das Tagungsprogramm finden Sie unter:
http://www.uni-mainz.de/downloads/ieg_tagung_schloezer_flyer.pdf
Weitere Informationen:
Institut für Europäische Geschichte
Stefanie Wiehl
Alte Universitätsstraße 19
55116 Mainz
Tel. 06131 39-39350 / Fax 06131 39-35326
E-Mail: ieg4@ieg-mainz.de
Internet: http://www.ieg-mainz.de