Peter Härtling liest in Crailsheim aus dem Kinderbuch O´Bär und Texte über die Schwäbische Alb

Der bekannte Kinderbuch- und Romanautor liest auf Einladung der Literarischen Gesellschaft und der Crailsheimer Kunstfreunde am Dienstag, 1. Dezember 2009 aus seinem neuen Buch O´Bär im Forum der Sparkasse in Crailsheim. Zudem liest Härtling Texte über die Schwäbische Alb zu den Bildern von Andreas Felger, die zurzeit in der Spitalkapelle ausgestellt sind.

Pressemitteilung der Buchhandlung Baier in Crailsheim

„Grundschock seines Lebens: Der Zweifel an der Ehrlichkeit Erwachsener“

Peter Härtling, der im letzten Jahr seinen 75. Geburtstag feierte, ist über den „Grundschock seines Lebens, dem Zweifel an der Ehrlichkeit Erwachsener“ zur Literatur gekommen. Sein Vater stirbt 1945 in russischer Gefangenschaft. Im gleichen Jahr flüchtet Härtling mit seiner Mutter nach Österreich, wo er den Einmarsch der russischen Armee miterlebt. Die Familie setzt ihre Flucht fort und siedelt sich 1946 in Nürtingen an. Im selben Jahr nimmt sich Härtlings Mutter das Leben. Peter Härtling wächst bei seiner Oma auf, der er in seinem erfolgreichsten Kinderbuch „Oma“ ein Denkmal gesetzt hat.

Eine ans Herz greifende Bilanz eines Schriftstellerlebens

Heute ist der vierfache Vater und siebenfache Opa, der vor seinem 70. Geburtstag einen Herzinfarkt und einen Gehirnschlag erlitten hat, selbst in der Rolle, die einst seine Oma für ihn gespielt hat. Sein dreijähriger Enkel Samuel, der „kleine Herr“, der eben erst beginnt, die Welt und die Sprache für sich zu entdecken, wird von Opa Bär, dem schottisch anmutenden O´Bär, begleitet. Es ist ein Buch daraus geworden, das zugleich eine ans Herz greifende Bilanz eines Schriftstellerlebens ist.

Info: Beginn 20 Uhr im Forum der Sparkasse in Crailsheim. Karten zu dieser Veranstaltung gibt es im Vorverkauf bei der Buchhandlung Baier in Crailsheim (Telefon 07951/94 03 12) und an der Abendkasse.

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„Preis und Wert des Journalismus“ – Ein Beitrag aus dem Kellergeschoss der Medien-Hierarchie von Tom Schimmeck

Tom Schimmeck kritisiert die Ausbeutung freier Journalisten.

Tom Schimmeck kritisiert die Ausbeutung freier Journalisten.

Der freie Journalist Tom Schimmeck hat beim Mainzer Mediendisput Anfang November 2009 eine bemerkenswerte Rede über „Preis und Wert des Journalismus“ gehalten. Die Rede hat hohe Wellen geschlagen, wie Stefan Niggemeiers Beitrag zu diesem Thema verdeutlicht: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/hajo-schumacher-raecht-seinen-prometheus/. Hohenlohe-ungefiltert dokumentiert unten die gesamte Rede von Tom Schimmeck. Der freie Journalist ist auch beim Journalistennetzwerk Freischreiber aktiv, das sich insbesondere für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen von freien Journalisten einsetzt (www.freischreiber.de/).

Zusammengestellt von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

Die Rede von Tom Schimmeck beim Mainzer Mediendisput 2009:

Hochgeschätzte Exzellenzen,
Intendanten, Ministerpräsidenten,
verehrte Festangestellte,
liebe Freie!
Preis und Wert des Journalismus – schon der Titel dieses Vormittags nötigt mir ein Lächeln ab. Weil man Preis und Wert so herrlich zu preiswert zusammenziehen kann. Was ja schönfärberisch oft für „billig“ verwendet wird. Womit wir schnurstracks beim Kern wären. Denn deutsche Medienmacher können bald nur noch billig.
Die Veranstalter haben sich, vermutlich aus purer Menschenliebe, entschieden, hier zum Auftakt einen freien Journalisten sprechen zu lassen. Einen aus dem Kellergeschoss der Medien-Hierarchie, aus dem publizistischen Prekariat sozusagen. Sie müssen jetzt nicht in Tränen ausbrechen. Mir persönlich geht es ganz gut. Vor allem, weil ich in den letzten Jahren immer mehr Radio mache. Wenn ich, wie früher, allein von gedruckten Wort leben müsste, würde ich mir einen Hut kaufen, um ihn regelmäßig rumgehen zu lassen. Neulich zum Beispiel rief der Ressortleiter eines Magazins an, das zum Imperium von Gruner+ Jahr gehört und für das ich seit 20 Jahren schreibe. Seit zehn Jahren warte ich darauf, dass die endlich mal mehr zahlen. Und was sagt der nette Herr Ressortleiter, den ich sogar mit einem Kosenamen anzusprechen pflege? „Du Tom“, sagte er, „das ist mir jetzt ein bisschen unangenehm, aber wir haben die Honorare gerade pauschal um 33 Prozent gekürzt.“
Es gibt natürlich auch bei den Freien solche und solche. Das ist eine recht heterogene Gruppe. Beim Fernsehen soll es ja Leute geben, die nur deshalb freiberuflich arbeiten, damit die Anstalt ihnen Summen überweisen kann, die jeden Honorarrahmen sprengen. Die Arm-Reich-Schere geht halt überall auseinander. Aber dazu später.
Der gemeine Freie, meine Damen und Herren, muss als zunehmend bedrohtes Wesen betrachtet werden. Im zügig verwildernden Mediendschungel wird sein Lebensraum von mehreren Seiten eingeengt:
Da ist zum einen die wachsende Schar der Praktikanten.  Sie rekrutiert sich vor allem aus dem Heer der etwa 55 000 Studierenden der Kommunikations- und Medienwissenschaften. Und etlicher weiterer Nachwuchskräfte, die entweder ein echtes journalistisches Ideal haben – oder einfach „irgendwas mit Medien“ machen wollen, weil das immer noch als hip oder cool oder sonstwas gilt. Der Praktikant lebt bekanntlich von Luft und Liebe, beziehungsweise von Mutti und Vati. Im Redaktionsetat jedenfalls schlägt er kaum oder gar nicht zu Buche. Das schätzen Chefredakteure und Verleger ganz außerordentlich.
Sie lernen früh, sich zu verkaufen. Ich habe Ihnen, zum Aufwecken, einen Soundclip aus meiner Lieblingsserie „Türkisch für Anfänger“ mitgebracht, Folge 46. Lena, die Hauptfigur, und ihre beste Freundin sind Dauerpraktikantinnen beim Szene-Magazin „In-Be-Twen“. Beide konkurrieren um das einzige Volontariat und haben allerlei Probeartikel geschrieben. Lena ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat, die große Liebe zu ihrem türkischstämmigen Stiefbruder Cem verratend, einen fürchterlichen Text über Ausländerkriminalität fabriziert. Chefredakteurin Jette, eine Lifestyle-Zicke, ist begeistert
SOUND
draufsprechen: Jetzt folgt der unrealistische Teil. Lena geht bedrückt auf den Schreibtisch der Chefredakteurin zu. Sie will deren ausgestreckte Hand ergreifen. Doch dann schnappt sie sich ihr mieses Manuskript und zerreißt es.
SOUND
Die ganze Wahrheit im Vorabendprogramm des Deutschen Fernsehens. Wer hätte das gedacht?

Auf der anderen Seite bedroht den Freien der fest angestellte Journalist. Das ist relativ neu. Bislang war die Koexistenz beider Gattungen ja oft recht ersprießlich. Bislang, könnte man sagen, war es ein fast schon fair zu nennender Deal: Die einen sitzen in den Büros fest, müssen ans Telefon und zu diesen ganzen endlosen Konferenzen gehen und dort immer so tun, als seien sie voll und ganz im Bilde. Sie müssen sich mit der ganzen hierarchischen Hühnerleiter herumschlagen und obendrein mit den Ideen und Manuskripten der Freien. Die ja nicht immer perfekt sind. Zum Ausgleich für all diesen Schmerz beziehen die „Festen“ ein festes, sprich: verlässliches, manchmal sogar stattliches Einkommen, das in regelmäßigen Abständen erhöht wird.
Die „Freien“ hingegen sind im Idealfall – also in den Fällen, wo sie nicht einfach nur ausgebeutet und/oder von einer Festanstellung ferngehalten werden – das, was die Bezeichnung suggeriert. Sie suchen sich ihre Themen, sie teilen ihre Zeit, ihre Neugier und ihre Nerven nach eigenem Gutdünken ein. Gelassen lauschen sie den goldenen Ratschlägen der Redakteure und machen es dann genau so, wie sie es für gut und richtig halten. Dafür schultern sie das Risiko. Und leben von der Hand in den Mund.
Das war üblicherweise der Deal. Heute aber sehen sich viele Festangestellte, nicht ganz zu Unrecht, als freie Journalisten in spe. Sie müssen befürchten, dass dieser ihr künftiger Stellungswechsel unter Umständen eine nicht ganz frei gewählte Entscheidung sein könnte. Tagtäglich hören und lesen sie, wie rundum ihresgleichen rausfliegt. Fest wird, wie das auf BWL-Deutsch so hübsch heißt, „freigesetzt“. Das geht seit Jahren schon so. Seit dem Zusammenbruch des sogenannten „Neuen Marktes“ anno 2001. Bis 2003 stieg die Zahl der offiziell arbeitslosen Journalisten und Fotografen von etwa 700 auf über 9 000 an. 2004 gab es dann plötzlich an die 1 500 medienschaffende „Ich-AGs“. 2007 hatte sich die Zahl unserer Arbeitslosen wieder etwa halbiert. Und jetzt, so scheint es, jetzt kommt es so richtig dicke.

Nachricht aus den USA: Die Zeitungs-Auflagen sind im Sommer 2009 noch einmal gut 10 Prozent gesunken. Ein Dutzend Zeitungen wurde seit 2007 dichtgemacht, wohl an die 10 000 Redakteure entlassen. Eben hat die New York Times bekanntgegeben, dass noch einmal 150 Leute fliegen. Auch in Großbritannien wurden Dutzende Blätter dichtgemacht. Als eine britische Bergbaustadt in diesem Jahr ihre Zeitung verlor, fand ich im Economist den schönen Satz: Der Stadt fehle nun „ein Ort wo sie zu sich selbst sprechen kann“.
Aber wir müssen wahrlich nicht in die Ferne schweifen. In Mecklenburg-Vorpommern geht es kaum anders zu. Unsere New York Times heißt Süddeutsche Zeitung. Die hat in den letzten Jahren schon derart viele Spar-, Abfindungs- und Entlassungswellen hinter sich gebracht, dass man manchmal anrufen möchte, nur um zu horchen, ob noch jemand da ist. Die nächste Welle rollt übrigens gerade an. Das Hackebeil kreist überall. Bei Spinger, Burda, Holtzbrink und der FAZ, bei Gruner+Jahr und bei Bauer schlägt es zu. Selbst beim „Neuen Deutschland“ soll das Zeilenhonorar von 39 auf 35 Cent gesenkt worden sein. Es heißt, die Freien hätten dort Kuchen an die Festangestellten verteilt und die Entscheidung so rückgängig machen können.
Nur die taz, las ich letzte Woche mit ungläubigem Staunen im „Genossenschaftsinfo 2/2009“, wird – Zitat – erstmals seit 15 Jahren wieder ein Geschäftsjahr mit einem wenn auch bescheidenen Gewinn abschließen.
Ansonsten ist das Fließband jetzt die neueste Mode der Medienindustrie: Chefredakteure machen gleich mehrere Blätter. Ein paar Frauenmagazine aus einer Hand – das muss doch möglich sein. Bei G+J sind die Wirtschaftsmedien auch schon zentral in Hamburg kaserniert. Bernd Buchholz, der Vorstandschef, hat seiner Truppe jetzt erklärt, sie dürfe nicht länger davon ausgehen, dass Redaktionen als autarke „Manufakturen“ für nur einen Titel verantwortlich seien. Ziel ist vielmehr – ich zitiere hier mal aus einem Branchendienst:
der „Aufbau von Plattformstrukturen“, bei denen „Kompetenzteams“ mehreren Abnehmern und auch externen Mandanten Inhalte zuliefern.
Auch die WAZ-Gruppe hat kräftig gespart und drei ihrer NRW-Blätter zu einem „Content-Desk“ vereint. Insgesamt wurden 287 Stellen gestrichen. Zur feierlichen Einweihung der Sparmaßnahme kamen im Juni bei Bodo Hombach in Essen unter anderen Peter Maffay, Felix Magath und Hombachs neuer Kumpel Jürgen Rüttgers zu Besuch. Man hat rund um den den „Content-Desk“ auch ganz sportlich Tischfussball gespielt.
„Content“ schlage ich als Unwort des Jahrzehnts vor. Früher haben wir ja, naiv, wie wir sind, Content einfach mit Inhalt übersetzt. Aber dann hätte man eigentlich auch gleich weiter Inhalt sagen können. Inzwischen wissen wir: Der Begriff Content wird in der Regel benutzt, wenn das Gegenteil von Inhalt gemeint ist. „Content is king“ – das war der Schlachtruf von Bill Gates und der New Economy. Gates hat schon damals erklärt, was für ihn Content ist: Software, Spiele, Sport, Anzeigen, Entertainment, On-line communities und, ja auch, ein paar News. Content ist oft einfach Heißluft aus dem Unterhaltungsgebläse. Blödsinn in Dosen. Ein alberner Begriff. Als Unwort-Alternativen bieten sich „Synergieeffekt“, „Kompetenzteam“ oder „Drei-Stufen-Test“ an.
Letzten Freitag erfuhr sie Redaktion der Netzeitung, vor neun Jahren als wohl erste nennenswerte deutsche Internet-Zeitung gegründet, dass es sie in wenigen Wochen nicht mehr geben wird. Die Online-Zeitung werde als „automatisiertes Nachrichtenportal“ weitergeführt, teilte die Kölner Verlagsgruppe DuMont Schauberg mit. Jener DuMont, dem wir im Frühjahr noch alle um den Hals gefallen sind, weil er die Berliner Zeitung, die Hamburger Morgenpost, den Berliner Kurier, den Tip und, ja, die Netzzeitung vor der supergefräßigen Heuschrecke David Montgomery gerettet hatte.
Sie erinnern sich noch? Montgomery? Mecom? Dieser Montgomery ist in der Tat ein psychologisches Kuriosum: Ein Großverleger, der Zeitungen hasst. Seine britische Mecom Group besitzt übrigens europaweit immer noch an die 300 Blätter! Unlängst hat er sich wieder zu Wort gemeldet. Der gedruckte Zeitung, deklamierte er neulich in London, sei „ökonomisch bankrott“ und eine „sinnlose, egoistische Obsession mit toten Bäumen“.
Aber wozu brauchen wir Montgomery? Die Messer unserer heimischen Verleger sind auch verdammt scharf. Dumont Schauberg plant für seine vier Abo-Blätter – Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Kölner Stadtanzeiger und Mitteldeutsche Zeitung –  nun „Schreiber-Pools“. Und die Zusammenlegung ganzer Ressorts. Politik soll in Berlin, Wirtschaft und Wissenschaft eher in Frankfurt gestemmt werden. Die Redaktionsversammlung der Berliner Zeitung hat am 24. August an Verleger Neven DuMont geschrieben: Bei der Übernahme unseres Hauses haben Sie zugesagt, die Berliner Zeitung zu entwickeln und die Redaktion an diesem Prozess zu beteiligen. Unser Vertrauen in diese Zusage ist erschüttert.

Beim deutschen Verleger macht sich allmählich eine fatale Doppelmoral breit. Sonntags predigt er weihevoll die Qualität, die Vielfalt und gibt, im feinen Zwirn, den verantwortungsbewussten Musterdemokraten. Werktags aber macht er immer öfter einen auf Montgomery.
Soeben meldet der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, er rechne für das laufende Jahr mit 9,4 Prozent Umsatz-Minus und Stellenstreichungen von 4,75 Prozent. Das heißt: Allein in diesem Jahr darf wieder etwa jeder 20. Festangestellte gehen. Schuld daran ist natürlich die Anzeigenkrise. 2010, sagen die Verleger, könnte umsatzmäßig stabil verlaufen. Weitere „Restrukturierungsmaßnahmen“ seien gleichwohl dringend geboten. Der aktuelle Vorschlag der Verleger für den zum Jahresende gekündigten Manteltarif für ihre Redakteure und Redakteurinnen lautet: Weniger Geld für mehr Arbeit.
Die Verleger-Mitteilung vom 4.11. trägt übrigens die wunderschöne Überschrift:
Zeitschriftenverleger parieren die Krise mit Mut, Innovationen und neuen Geschäftsmodellen
Da hat man offensichtlich auch schon den letzten Journalisten rausgeschmissen. Und einen PR-Praktikanten machen lassen.
Ich will wahrlich nicht bestreiten, dass Verlage neue Wege suchen müssen. Und wenn sie klug und innovativ sind und investieren, werden sie die sogar entdecken. Wir haben etwa 350 Tageszeitungen, 34 Wochenzeitungen, an die 6000 Publikums- und Fachzeitschriften sowie 190 Fernseh- und über 300 Radiosender. Viele werden sich verändern. Einige werden verschwinden. Oder sich ganz neu erfinden. Viel zu wenige sind wirklich gut. Und es wäre schade, verdammt schade, wenn ausgerechnet jene kaputtgehen, die wir brauchen für eine funktionierende Demokratie. Denn es gibt keine Demokratie ohne Öffentlichkeit. Ohne eine Pluralität hervorragender Medien.
Das notorische Endzeit-Gezeter der Verleger aber ist nicht konstruktiv. Es dient vor allem dazu, besser Kasse zu machen. Im dritten Quartal 2009 wurden laut IVW 115,79 Millionen Publikumszeitschriften verkauft – etwa 1,8 Prozent mehr als im zweiten Quartal. Der Kioskverkauf ist um 5,9 Prozent gestiegen. Pro Erscheinungstag konnten außerdem 23,25 Millionen Tageszeitungen einschließlich Sonntagszeitungen abgesetzt werden. Das sind gerade mal 1,17 Prozent weniger als im Vorquartal. Der Einzelverkauf ist mit aktuell 7,16 Mio. Stück sogar leicht gestiegen.
Auf den Milliardärs-Listen von Forbes finde ich neben Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch, neben Schlecker und Thurn und Taxis weiterhin auch Hubert Burda, Friede Springer, Heinz Bauer, Anneliese Brost (WAZ), drei Holtzbrincks sowie die Familie des im Oktober verstorbenen Reinhard Mohn. Wir müssen also vielleicht doch nicht sofort sammeln.
Ich tue jetzt mal etwas, was sich für einen „Freien“ nicht geziemt. Ich lasse zwei extravagante Tipps an die Verleger vom Stapel.
Nummer 1: Vielleicht sorgen Sie einmal dafür, dass in Ihren Wirtschaftsteilen auch Leute zu Wort kommen, die nicht immer nur grenzenlose Opferbereitschaft für unsere Exportindustrie predigen, sondern auch solche, die eine Lanze für die Stärkung der Kaufkraft im Lande brechen. Liebe Medienmogule, es mag ihnen entgangen sein, aber in den Portemonnaies ihrer Leser, Hörer und Zuschauer hat sich lausig wenig getan in den letzten Jahren. Dieser Umstand dürfte sich auch in Ihrem Absatz ungut niederschlagen.
Nummer 2: Das ständige Streichen und das flankierende Krisengeschrei wird mittelfristig nicht nur der Moral ihrer Mitarbeiter, sondern auch der Substanz ihrer Medien schaden. Ja, ich weiß: Es gibt in Deutschland große Verlage, in denen seit 1875 kein aufklärerisches Wort erschienen ist. Trotzdem bleibt Qualität ein Kaufkriterium. Oder, schlichter gesagt: Nur Mist werden sie auf Dauer nicht los. Trauen sie sich. Lassen sie die vielen guten Journalisten viele gute Sachen machen. Nicht nur „Dogs“ und „Adel aktuell“.
Gerade ist eine neue US-amerikanische Studie erschienen: “The Curse of the Mogul“ – „Der Fluch des Moguls“. Von drei Experten verfasst, die nun mit dem Mythos der superkreativen Massenmedienindustrie aufräumen. Die haben sich die 15 weltgrößten Medienindustriellen angeschaut und stellen fest: Ihr Fluch sind Hybris, übergroße Ambition und Selbsttäuschung. Manche Mogule stehen in diesem Licht als ziemlich dämliche Kapitalvernichter da, als Supernieten in Nadelstreifen sozusagen. Seit dem Jahr 2000, so lautet die Bilanz, haben die Größten gemeinsam etwa 200 Milliarden Dollar an Werten verbrannt. Durch zu teure Akquisitionen, falsche strategische Investitionen etcetera. 200 Milliarden! Diese gewaltige Summe, sagen die Autoren, – Zitat – spiegelt den Grad der Verzweiflung unter Medienmogulen angesichts neuer Konkurrenten, neuer Technologien und neuer Kundenwünsche wieder.

Zurück zu unseren irdischen Nöten. Zu unserem Preis und Wert. Insgesamt gibt es hierzulande etwa 50 000 hauptberufliche Journalisten. Festangestellt sind rund 14000 bei Tageszeitungen, gut 9000 im Rundfunk und etwa ebensoviele bei Zeitschriften. Dazu kommen noch Agenturen und Onlineredaktionen. Hinzu kommt die Schar der freiberuflichen Text-, Ton- und Bildarbeiter, die immer wichtiger werden. Da in den Redaktionen immer weniger Redakteure die Seiten und Kanäle befüllen müssen. Gleichwohl fallen bei den Freien seit Jahren die Honorare. Auch Korrespondenten im In- und Ausland beziehen immer seltener reguläre Gehälter.
Das Ergebnis: Um überleben zu können, produzieren alle für möglichst viele Kunden in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Text. Recherche – Nachhaken, Nachdenken, Nachlesen – verkommt zum Luxus. Journalisten sind verdammt zum Wiederkäuen der zirkulierenden Worthülsen und Soundbytes. Viele finden selbst bei vollem Einsatz kaum mehr ein Auskommen. „Wie viele unserer Professionsgenossen“, klagt der Publizist Klaus Harpprecht, „sind gezwungen, unter ihren geistigen Verhältnissen zu schreiben, zu recherchieren, zu redigieren!“
Wir müssen wohl langsam von Armut reden. Ich weiß, schon mit dem Wort tun sich deutsche Medien schwer. Es passt nicht recht in unser Marktwirtschafts-Märchenbild. Es passt auch nicht in das Weltbild vieler Journalisten, die, wie Studien zeigen, meist aus besserem Hause kommen. Die kannten materielle Existenzbedrohung bislang gar ist. Sie wussten nicht, wie das ist, stundenlang auf dem Flur des Sozialamtes rumzuhängen und die Selbstgedrehte in einer alten Blechbüchse auszudrücken.
Das Vermögensgefälle zwischen Karl und Theodor Albrecht und deren Kunden wird immer steiler. Auch die Journalisten, die freien zumindest, werden ärmer. Wer, wie ich, viel im Ausland arbeitet, muss richtig zaubern, um die Unkosten halbwegs reinzubekommen. Fragen sie heute mal einen Redakteur am Telefon nach Reisespesen. Da kommen manchmal Geräusche aus der Hörmuschel, die sie bislang nur aus Hagenbecks Tierpark kannten. Honorare stehen nur selten noch in einem halbwegs angemessenen Verhältnis zum betrieben Aufwand. Wenn Sie es richtig gut machen – wenn Sie wirklich recherchieren, telefonieren, nachlesen und nachhaken, wenn Sie nochmal losfahren und richtig hingucken, sind Sie ökonomisch betrachtet ein Vollidiot. Auch „Qualitätszeitungen“ zahlen wahrlich keine Qualitätshonorare mehr. Von einer sehr auflagenstarken Qualitätszeitung erhielt ich in diesem Frühjahr für eine volle Woche Arbeit 200 Euro. Ein Medienmagazin bat mich kurz darauf um eine Buchrezension. Auf die kühne Nachfrage nach dem Honorar kam die Antwort, ich könne ja das Buch behalten.
Hier die wissenschaftliche Untermauerung: Leipziger Journalismus-Forscher haben 235 Journalisten in Tageszeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online-Redaktionen beobachtet und festgestellt, dass diese pro Tag im Schnitt noch 108 Minuten für sogenannte Überprüfungs- und Erweiterungsrecherchen aufwenden. Für die Kontrolle der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit von Quellen und Informationen bleiben gerade elf Minuten. Raus in die weite, wahre Welt kommen sie gar nicht mehr. Der Anteil der Ortstermine und leibhaftigen Begegnungen an der knappen Recherchezeit beläuft sich auf sagenhafte 1,4 Prozent. Der deutsche Journalist, könnte man folgern, ist der letzte, der mitkriegt, was in Deutschland los ist.
In der Welt der Hochglanz-Magazine sieht es oft nicht besser aus. Freie Journalisten werden hier zu Tätigkeiten genötigt, die viel mit den Wünschen der Inserenten zu tun haben, aber wenig mit Journalismus im engeren Sinne. Meine Kollegin Gabriele Bärtels schrieb nach vielen frustrierenden Berufserlebnissen im Sommer eine kleine Kolumne, die mit dem schönen Satz begann:
Die Pressefreiheit ist konstituierend für die Demokratie, aber nachts steht sie im dünnen Kleidchen an einer Laterne und zwinkert den Anzeigenkunden zu.
Sie beklagt in diesem Text, was viele von uns bedrückt, nämlich, Zitat, dass die Journalistenbranche von innen verfault und ich Texte schreiben soll, in denen nichts von dem vorkommt, was ich gesehen oder gehört habe.“
Gabriele Bärtels lieferte auch ein Beispiel, das die Misere so blendend illustriert, dass ich es hier ganz vortragen möchte:
Gestern zum Beispiel: Da sollte ich für ein Lifestyle-Magazin einen Text über zwei Schauspieler schreiben, die in einem Fitness-Studio trainieren, um sich für eine Mega-Inszenierung, deren Hauptdarsteller sie sein werden, fit zu machen. Tatsache ist aber, dass sie nie in diesem Fitness-Studio trainieren, nur an diesem Tag, unter den Augen und in der Obhut von Fotograf, Assistent, Stylistin, Produktionsleitung und natürlich der Marketing-Dame des Studios.
Der Verlag des Life-Style-Magazins ist geschäftlich mit dieser Fitnessstudio-Firma verbunden. Deswegen muss dafür gesorgt werden, dass sowohl im Text als auch im Bild klar wird, in welch exklusiver Umgebung das Training stattfindet, das sich die beiden Schauspieler im wahren Leben gar nicht leisten können. Die Produzenten der Mega-Inszenierung wiederum stellen dem Lifestyle-Magazin Freikarten zur Verfügung, die diese an ihre Leser verlosen können. Und weil das Fitness-Studio eine bestimmte Sportklamotten-Marke favorisiert, müssen die Schauspieler genau die auch anziehen.
Und ich soll einen Text schreiben, in dem nichts davon vorkommt, was ich an diesem Tag gesehen und gehört habe. Sondern so tun, als würden hier zwei Schauspieler begeistert schwitzen… Im Heft wird er als redaktioneller Beitrag erscheinen. Sämtliche Beteiligte finden das normal, sie arbeiten so seit ewig und drei Tagen. Gewissensbisse würden sie ganz und gar lächerlich finden.
Die Autorin Bärtels musste das verschlüsseln – weil sie auch von solchem Quatsch lebt. Aber es ärgert sie, dass es für Lügen weit bessere Honorare gibt als für Wahrhaftigkeit. Damit sind wir auf einer neuen Stufe in dem nach unten offenen Tiefgeschoss der Publizistik angekommen. Früher hieß es: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Heute reden wir von einem brutalen Entweder-Oder: Fressen ODER Moral.

Apropos Moral. Da muss ich noch eine Sache ansprechen, die mir sauer aufstoßen ist. Den wachsenden Klassenunterschied in unserem eigenen Metier. Es ist vielleicht so, dass sich jetzt auch im Journalismus jeder Hans und Franz als Marke aufstellen muss, um auf dem Markt der unbegrenzten Eitelkeiten einen gewissen Stellenwert zu ergattern. Und entsprechendes Einkommen zu generieren. Mir ist auch klar, dass der hochdotierte Nebenjob lange schon absolut salonfähig ist. Wir haben da allergrößte Vorbilder. Schließlich bekam Helmut Kohl von Leo Kirch von 1999 bis zur Pleite des Medienmeisters 600 000 Mark jährlich. Auch einige seiner Minister, voran die ehemaligen Postminister, gingen nicht leer aus. Unser Ex-Kanzler Schröder verdingt sich ungeniert als Chefklempner des lupenreinen Wladimir Putin. Und nebenbei noch als Verlagsvertreter von Ringier.
Das Promi-Unwesen ist vor allem ein TV-Problem. Schreiber und Radioleute sind von den Tücken des Promitums weniger bedroht. Man kann als Zeitungsmensch ein Leben lang sagenhafte Texte schreiben. Und wird seine Leser finden. Aber die Visage kennt kein Mensch. Wer aber sein Gesicht regelmäßig in Kameras hält, egal ob als Journalist oder als Talkshow-Dauergast, wird automatisch prominent. Manchmal ist der Begriff ja nur ein Synonym von penetrant.
Ich bedaure Fernsehjournalisten, weil sie immer und überall erkennbar sind. Aber ich war doch verblüfft zu erfahren, wie viele Gesichter, die wir aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen kennen, schätzen und natürlich lieben, zu mieten sind. Etwa bei Nowak Communications in Hamburg: Anja Kohl und Frank Lehmann, Tom Buhrow, Petra Gerster, Astrid Frohloff, Laura Dünnwald. Und viele andere mehr. Können Sie alle haben. Als Moderator oder Gastredner. Das gilt als „private“ Nebentätigkeit.
Ich mag begriffsstutzig sein – aber ich verstehe da etwas nicht. Sie alle verdanken die „Bekanntheit“, die sie hier vermarkten, dem Rundfunk – den Redaktionen, der Technik und letztlich den Gebühren, die das finanzieren. Sie stehen für die Integrität und Seriosität der Sendungen und Anstalten, in denen sie auftreten. Zugleich zehren sie vom Ruf dieser Institutionen. Die Reputation, mit der ihr öffentliches Antlitz angereichert ist, ist niemals allein die ihre. Sie sind Repräsentanten für mehr als sich selbst.
Dies alles aber schleppen sie gelegentlich zu irgendwelchen Firmen- und Verbands-Events und kassieren dort in ein paar Stunden, wofür freie Autoren Monate schuften. Sie tragen dabei mehr zu Markte als nur ihre Haut. Ich weiß, das Thema ist nicht populär. Aber ich fand es gut, dass „Zapp“ es aufgegriffen hat. Ich habe mich geprüft und glaube: Ich bin wirklich nicht neidisch. Aber ich finde, so etwas schadet uns allen. Es senkt das Sozialprestige eines Berufsstandes, der ohnehin als verkommen gilt.
Wie soll denn ein ganz normaler Journalist da noch frohgemut seine Arbeit machen? Stellen Sie sich vor, sie sitzen in ihrer Lokalredaktion in Vorder- oder Hintertupfingen. Vor drei Jahren waren sie noch zu dritt. Jetzt machen Sie den Job alleine. Die Praktikantin hat Grippe. Die Kaffeemaschine ist kaputt. Der Tisch ist voll mit Pressemitteilungen, in denen Ihnen PR-Heinis, die höchstens halb so alt sind wie sie und mindestens doppelt so viel verdienen, irgendein Produkt oder gleich eine ganze Gesinnung aufschwatzen wollen. Ein Studienrat hat auch wieder geschrieben, weil irgendein Komma nicht richtig saß. Drei Dutzend Vereine und Lokalpolitiker zerren an ihnen. Telefonisch. Weil sie ja längst nicht mehr rauskommen. Sie sind so klein und unbedeutend, dass nicht einmal die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sie zum Medienpartner haben will. Und dann lesen Sie, was die Damen und Herren Kollegen vom Fernsehen so nebenbei einstecken. Und sollen nicht zynisch werden.
Vielleicht sollte man auch einfach mal realistisch sein. Und  gleich voll auf PR umschulen. Einen Master in Communication & Leadership machen! Für schlappe 26.000 Euro. Es gibt da jetzt einen neuen Studiengang. Berufsbegleitend. An der Quadriga Hochschule für Kommunikationsmanagement in Berlin – unter der weisen Leitung des Ex-Intendanten Peter Voß. Im Prospekt steht, dort finde man „ein starkes und exklusives Netzwerk“, das „optimale Karrierechancen“ biete. Und den direkten Draht zu „hochrangigen Entscheidern“ aus Wirtschaft und Politik sowie zu „Chefredakteuren deutscher Leitmedien“. Die sitzen im Kuratorium. Das Fernsehen ist an dieser neuen PR-Uni stark vertreten. Zum Beispiel durch Dr. Verena Wiedemann, Generalsekretärin der ARD. Durch Christoph Lanz, Fernsehdirektor der Deutschen Welle. Durch MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich. Der seit Oktober auch Honorarprofessor für Fernsehjournalismus an der Universität Leipzig ist. Da möchte man auch mal Mäuschen spielen.

Nassforscher Pragmatismus bedroht uns schon in der Ausbildung. Der Wissenschaftsrat warnte 2007 nicht nur davor, dass sich die Zahl der „Medien“-Studenten binnen zehn Jahren fast verdoppelt habe. Er wies auch darauf hin, dass die ja eigentlich konträren Bereiche Journalismus und PR zunehmend miteinander vermatscht werden. An der Fachhochschule Gelsenkirchen können sie zum Beispiel den „Bachelor-Studiengang Journalismus und Public Relations“ belegen. Dieser trägt – Zitat – der engen Verzahnung von Journalismus und Public Relations im Alltag Rechnung. Nach dem Motto: Wenn es mit meinem Journalisten-Traum nix wird, kann ich immer noch PR machen. Oder, wie es in der Selbstanpreisung der Fachhochschule heißt:
Diese einzigartige Kombination gibt den Studierenden eine breite kommunikative Basis und erhöht die Konkurrenzfähigkeit und Flexibilität im Arbeitsmarkt beträchtlich.“
Eine weitere, sehr handfeste Bedrohung ist die Gier der Verleger. Das fällt auch in die Abteilung Doppelmoral. Von der Bundesregierung verlangen sie lautstark ein „Leistungsschutzrecht“. Das ist auch schon wieder so eine hübsche Verdrehung der Worte. So wie die Arbeitgeber die Arbeit ja eigentlich nehmen, so soll das „Leistungsschutzrecht“ die Verleger, die ja eigentlich die Verpacker und Zwischenhändler unserer als Urheber erbrachten Leistung sind, schützen. Vor wem? Vor dem bitterbösen internet? Vor Goo-hu-hu-gle? Dem neuen Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass unsere schwarz-gelbe Bundesregierung – Klammer auf: den Verlegern zu ewigen Dank verpflichtet – Klammer zu – sich darum kümmern will; dafür sorgen will, dass – so hat es der Herr Döpfner vom Springer-Verlag ausgedrückt – „die Mehrfachverwertung professionell erstellter Inhalte auch bezahlt wird“.
Wir freien Autoren und unser neuer Verband, die „Freischreiber“, sind köstlich amüsiert. Handelt es sich bei diesen durch das Internet so übel enteigneten Verlage doch just um jene, die seit Jahren mit allen Tricks die angemessene Bezahlung der Mehrfachverwertung unserer Arbeit zu verhindern trachten. Im Fachjargon heißt dies recht treffend „Total buyout“. Als Autor oder Fotograf bekommen sie inzwischen Verträge zugesandt, die zuweilen schon länger sind als der Text, den sie eigentlich schreiben sollen. Die Süddeutsche etwa erlaubt sich – Zitat –
darauf hinzuweisen, dass mit jeder Honorarzahlung die Einräumung folgender umfassender, ausschließlicher, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschrankter Nutzungsrechte abgegolten ist: das Printmediarecht, inklusive das Recht zur Erstveröffentlichung, das Recht zur Bearbeitung, Umgestaltung und Übersetzung, das Recht für Werbezwecke, das Recht der elektronischen/digitalen Verwertung und der Datenbanknutzung sowie das Recht, die vorgenannten Nutzungsrechte auch auf Dritte übertragen zu können.
Und: den Dritten zu ermächtigen, diese Nutzungsrechte wiederum weiter zu übertragen, gegebenenfalls auch mit der Maßgabe, abermals Drittverwertungsrechte einräumen zu können usw.
USW. Das ist mittlerweile schon Standard. Beim Bauer-Verlag erstreckt sich ein Vertrag auch auf die Verbreitung – Zitat – „mittels TV, PC, Handy oder sonstigen Geräten mit oder ohne Draht, via Kabel, Satellit…“
Und so weiter. Aber Heinz Heinrich Bauer pflegt auch einen ganz speziellen Umgang mit seinen Leuten. Der Spiegel fragte den Verleger vor einiger Zeit, ob es wirklich stimme, dass er die Chefin seines Betriebsrates, seit einem Vierteljahrhundert im Hause, noch nie empfangen habe.
Und Bauer antwortete und sprach:
Das kann sein. Ich wüsste auch nicht, worüber ich ein konstruktives Gespräch mit ihr führen sollte.
Einige Verlage haben es inzwischen schriftlich, wie unanständig ihre Verträge sind. Das Landgericht Berlin untersagte dem Axel Springer Verlag im Dezember 2008 die Nutzung seiner „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ – weil sie die betroffenen freien Fotografen ”unangemessen benachteiligen”. Auch Bauers „Rahmenvertrag” stieß beim Hamburger Landgericht auf wenig Begeisterung. Die Zeitung Nordkurier, der sich besonders frech hervorgetan hatte, kassierte ein Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostocks, das gleich eine ganze Latte von Klauseln für „unwirksam“ befand. Der Verlag wollte ein ausschließliches, zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht  für wirklich alles, Sogar für Merchandising-Produkte inklusive bedruckter T-Shirts und Tassen. Außerdem verlangte er sämtliche Manuskripte, Illustrationen und Bilder einschließlich der Negative für sich.
Das war ein bisschen zu dreist. Im Alltag aber sind wir Urheber ständig mit ganz ähnlichen, immer zahlreicher werdenden Klauseln konfrontiert. Und haben nicht die Zeit und den Nerv und die Kraft, immer Nein zu sagen. Neulich habe ich mich, nachdem ich wieder einmal artig so einen ellenlangen Vertrag unterzeichnet hatte, mit einer Email an den Verlag gerächt:
Was machen wir mit den Musicalrechten für Nordkorea? Auch die mögliche Entdeckung von intelligentem Leben in anderen Galaxien scheint mir noch nicht berücksichtigt.
Sie fanden es nicht lustig.

Ich finde, die Verleger und Privatfernsehunternehmer haben‘s wirklich gut getroffen mit der CDU und der FDP. Und umgekehrt. Ich wüsste manchmal auch gerne solch eine Macht hinter mir. Die CDU hat das Privatfernsehen durchgeboxt. Sie wird bald auch das Pressefusionsrecht im Verleger-Interesse ändern. Die schwarzen Ministerpräsidenten führen sich wie Cheflobbyisten der Verlage auf. Und scheinen allzeit bereit, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an den Karren zu fahren. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag war da wieder ein klares Signal.
Sie hier beim ZDF können ja ein langes Liedchen in Sachen Einmischung singen. Neulich fiel mir eine dicke Broschüre in die Hände: „Der Wert des ZDF“. Aus dem Jahre 2006. Da stehen Passagen drin, bei denen einem ganz festlich zumute wird – über „gemeinwohlorientierten Rundfunk“ als „Errungenschaft der Demokratie“, „unabhängig von Markt und Staat“, „kulturellen Standards und journalistischer Qualität verpflichtet“. Und ich dachte mir: Das ist alles wunderschön und höchst erstrebenswert. Aber warum meint das ZDF, dazu eine 80seitige Broschüre verfassen zu müssen? Die Antwort ist ganz einfach: Weil all dies eben kein politischer Konsens mehr ist. Weil viele Mächtige immer wieder am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sägen!
Ich hab hier einen echten Knüller für sie. Ein schlimmes Pamphlet, aus dem ich auszugsweise zitieren möchte:
„Immer stärker dringen Schlachtlärm aus und Kassandrarufe nach Mainz, als gelte es… allein die negative Bilanz der Anstalt zu komplettieren: …Die größte deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt scheut am stärksten die Öffentlichkeit….
Eine streng zentral-hierarchische Struktur, der autoritäre Führungsstil, ein extremer Bürokratismus und mangelnde Kommunikation im Haus sorgen permanent für ein schlechtes Betriebsklima. Proteste der ZDF-Redakteure gegen … die CDU-Vereinheitlichung der Führungsspitze blieben wirkungslos. …Nahtlos reihen sich auch die Parteilosen und die SPD-Alibis in diese christlich-konservative Phalanx ein…“
Ich muss zugeben: ich bin dafür ziemlich tief ins Archiv gestiegen: Der Artikel stammt aus der Zeit vom 20.08.1971 und trägt die schöne Überschrift: „Ein später Sieg für Konrad Adenauer“. Der Verwaltungsratsvorsitzende hieß damals übrigens Helmut Kohl.
Ach, ich muss noch das Fazit des Zeit-Autors nachtragen:
„Zehn Jahre nach Konrad Adenauers gescheitertem Versuch, ein CDU-Staatsfernsehen zu etablieren, bescheren ihm die routinierten Strategen seiner Partei einen späten Sieg. Die Reaktion marschiert, und die SPD sieht tatenlos zu. Ihre verschlafene Medienpolitik ist das Unbegreiflichste und Gefährlichste an der jüngsten Entwicklung des ZDF.“
Das Zitat mag ihnen verdeutlichen, dass Sie es mit einem ziemlich notorischen Problem zu tun haben. Ich war schon als junger Bursche ein staunender Bewunderer sozialdemokratischer Medienpolitik. Damals beim NDR. Die Sozis packten dort immer die Personal-Päckchen. Und der CDU-Intendant wickelte sie aus und sagte: Aaah, wie hübsch – drei Rote, drei Schwarze. Die Roten nehmt mal wieder mit. Aber die Schwarzen sind ein sehr konstruktiver Vorschlag.
Übernächstes Jahr können Sie mit Roland Koch auf 50 Jahre CDU-Herrschaftsanspruch im ZDF anstoßen. Na dann Prost.
Und weil ich hier zu Gast bin, möchte ich Ihnen auch etwas Nettes sagen: Ich finde ihr Programm oft verblüffend gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich in Ihrem Verwaltungsrat vier bis fünf Ministerpräsidenten herumdrücken. Interessanter aber ist natürlich die Frage, wie man sich politisch unsittlichen Annäherungen auf Dauer erfolgreich erwehrt. Nicht, dass es am Ende heißt: Mit dem Zweiten kneift man besser.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

Tom Schimmeck, Mainzer Mediendisput 2009

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