Die Geschäftsleitung des Druckzentrums Gerabronn will den Betriebsratsvorsitzenden mit aller Macht los werden. Abmahnungen und aktuell eine geplante fristlose Kündigung sollen den Maschinenführer der Gerabronner Druckerei mürbe machen.
Kommentar von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Druckzentrum Gerabronn beschäftigt mal wieder das Arbeitsgericht
Wieder einmal musste sich das Arbeitsgericht Crailsheim am Dienstag, 9. März 2010, mit einer Firma des Hohenloher Druck- und Verlagshauses (HDV) oder einer vom HDV abgespaltenen Firma beschäftigen. Das HDV gibt auch die Lokalzeitung Hohenloher Tagblatt in Crailsheim heraus.
Nach einer Stunde Verhandlung war klar, dass die streitenden Parteien bei dem Gütetermin auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Der Geschäftsführer des Druckzentrums Gerabronn, Jürgen Bauder (66), will den gewerkschaftlich organisierten Betriebsratsvorsitzenden unbedingt los werden. Der Drucker ist dem Geschäftsführer als Betriebsratsvorsitzender offensichtlich zu engagiert. Der Mann ist alles andere als ein Duckmäuser. Er setzt sich engagiert und mutig für die Belange der Belegschaft und seine eigenen ein. Deshalb hat das Gesamtgremium Betriebsrat des Druckzentrums Gerabronn der fristlosen Kündigung nicht zugestimmt.
Bauder scheiterte bisher mit fristloser Kündigung am Betriebsrat
Weil er bei der fristlosen Kündigung vom Betriebsrat keine Zustimmung erhielt, hat Druckerei-Geschäftsführer Bauder einen „Zustimmungsersetzungsantrag“ beim Arbeitsgericht Heilbronn, Außenstelle Crailsheim gestellt. Arbeitsrichter Ralf Büschler ließ am Ende der Verhandlung durchblicken, dass er die vorgebrachten Gründe der Geschäftsleitung für eine fristlose Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden als nicht ausreichend ansieht.
Fehldruck eines Volkshochschulprogramms
Zwei scheinbare Verfehlungen des Maschinenführers sollen die Anlässe für die fristlose Kündigung liefern. Am 7. Januar 2010 soll es unter der Verantwortung des Maschinenführers zu einem Fehldruck eines Volkshochschulprogramms gekommen sein – einen Faltenwurf habe es da gegeben, der zu einer Qualitätsminderung geführt habe, führte der Anwalt der Geschäftsleitung vor Gericht aus. Diesen Mangel habe der Schichtführer im Arbeitsprotokoll nicht detailliert festgehalten, lautete der Vorwurf.
Druckmaschine ist veraltet
Zum technischen Hintergrund: Die Druckmaschine im Druckzentrum Gerabronn ist schon über 30 Jahre alt und nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. Schon seit längerer Zeit soll die Druckmaschine ersetzt werden. Wegen der hohen Kosten denkt die Geschäftsleitung des Druckzentrums Gerabronn zusammen mit dem Hohenloher Druck- und Verlangshaus in Crailsheim und der Südwestpresse Ulm darüber nach, ob nicht ein neues Druckzentrum an einem anderen Ort – gemeinsam mit einem anderen Verlag errichtet werden könnte. Im Gespräch sollen dem Vernehmen nach die Standorte Autobahnkreuz Feuchtwangen und Gewerbegebiet Fichtenau-Neustädtlein sein. Diese Diskussion hinter verschlossenen Verlags- und Druckereitüren sorgt für große Verunsicherung bei der Gerabronner Belegschaft.
Tippgang oder Schleichgang?
Die zweite Verfehlung des Maschinenführers für die fristlose Kündigung sollte am 19. Januar 2010 eine falsche Art der Reinigung der 22 Meter langen und zwölf Meter hohen Druckmaschine liefern. Nach einer Sicherheitsanweisung sei die Druckmaschine im Tipp-Gang (Handbetrieb) zu reinigen, lautet eine Vorschrift, die alle Mitarbeiter schon vor einiger Zeit unterschreiben mussten. Verboten ist demnach die Reinigung der Anlage im „Schleichgang“ – bei langsam laufender Maschine. Am 19. Januar 2010 sollen jedoch Mitarbeiter des Druckzentrums Gerabronn Teile der Maschine im Schleichgang gereinigt haben. Dies habe ein höher gestellter Vorgesetzter bei einem überraschenden nächtlichen Rundgang festgestellt, führte der Rechtsanwalt der Geschäftsleitung weiter aus. Zum Zeitpunkt der nächtlichen Kontrolle hat der Maschinenführer an einer anderen Stelle der Druckmaschine den Falz mit einem lauten Staubsauger gereinigt. Wegen des Staubsaugerlärms habe er nicht mitbekommen können, wie die ihm unterstellten Mitarbeiter hinter seinem Rücken arbeiteten, sagte der Maschinenführer beim Arbeitsgerichtstermin. Geschäftsführer Bauder konstruierte wegen dieses offensichtlich nur einmal nicht bemerkten Fehlverhaltens anderer Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht eine mangelnde Autorität des Maschinenführers. „Nur in Ihrer Schicht wird das so gemacht, nur mit Ihnen haben wir diese Probleme“, sagte Geschäftsführer Bauder am Dienstag in Crailsheim. Doch es folgte eine faustdicke Überraschung: Ein weiteres Mitglied des Betriebsrats entgegnete dem Geschäftsführer im Gerichtssaal, dass es auch in der anderen Schicht Mitarbeiter gebe, die im Schleichgang – statt im vorgeschriebenen Tipp-Gang – reinigen würden. Diese Aussage sorgte für allgemeines Erstaunen und für Verblüffung auf der Arbeitgeberseite. Die Luft der Argumente wurde dünn. Der Anwalt der Geschäftsleitung machte einen schnellen Rückzieher und kündigte an, dass dies intern geprüft werden müsse.
Unkollegiales Verhalten der Arbeitgeberseite
Für einen außenstehenden Beobachter der Arbeitsgerichtsverhandlung stellte sich die Arbeitgeberseite gegenüber dem Maschinenführer, der schon mehrere Jahre im Amt ist, wenig kollegial dar. Schon mehrere Arbeitsgerichtsverhandlungen fanden statt. Es ist offensichtlich, dass einem unbequemen Betriebsratsvorsitzenden mit aller Macht Verfehlungen nachgewiesen werden sollen, um ihn loszuwerden. Dies versucht die Geschäftsführer Jürgen Bauder schon seit etwa zwei Jahren. Doch mit Abmahnungen hatte die Geschäftsleitung bisher keinen Erfolg. Das Arbeitsgerichts hat die ausgesprochenen Abmahnungen – offensichtlich bis auf eine – wieder kassiert und sie mussten aus der Personalakte des Maschinenführers entfernt werden. Eine Abmahnung zog die Geschäftsleitung vor kurzem von selbst wieder zurück, weil auch sie eingesehen hatte, dass ein Betriebsratsvorsitzender nach Schichtende um 2.45 Uhr Betriebsratsarbeit machen darf, ohne dazu mitten in der Nacht die Erlaubnis eines Vorgesetzten einholen zu müssen.
Giftiges Lösungsmittel entfernt
Über eine Abmahnung ist gerichtlich noch nicht entschieden. Zum Sachverhalt: Bei Reinigungsarbeiten an der Druckmaschine hat ein anderer Mitarbeiter dem Maschinenführer wenige Minuten vor Schichtende versehentlich Lösungsmittel auf den Kopf und in den Nacken gegossen. Aus gesundheitlichen Gründen ist der Maschinenführer etwa eine Viertelstunde vor Schichtende zum Duschen gegangen, um das hochgiftige Lösungsmittel von seinem Körper zu entfernen. Die Arbeitgeberseite sah darin ein unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz und sprach deshalb eine Abmahnung aus.
Über 20 Überwachungskameras waren installiert
Erstaunlich ist, dass dem Maschinenführer trotz massiver Überwachung durch Vorgesetzte bislang so gut wie keine Verfehlungen nachgewiesen werden konnten. Das sollte auch Geschäftsführer Bauder und dessen Vorgesetzten bei der Südwestpresse in Ulm zu denken geben. In der Vergangenheit sind von der Geschäftsleitung – ohne den Betriebsrat zu informieren oder um Zustimmung zu bitten – sogar rund 20 Überwachungskameras im Druckzentrum installiert worden. Damit wurden auch der Pausenraum und andere für die Produktion nicht notwendige Bereiche des Druckzentrums überwacht. Nicht einmal mit dieser verbotenen Strategie ist es Bauder gelungen, schwerwiegende Verfehlungen des Maschinenführers nachzuweisen. Fraglich ist derzeit, ob die Überwachungskameras noch im Betrieb sind, da der Betriebsrat des damals noch direkt zum Hohenloher Druck- und Verlagshaus gehörenden Druckzentrums Gerabronn im Jahr 2009 gegen die Überwachungskameras vorgegangen ist.
Ein Fall von Mobbing durch die Geschäftsleitung
Der Verteidiger des Maschinenführers, Rechtsanwalt Axel von Klitzing, verlangt, dass beim Kammertermin am Mittwoch, 2. Juni 2010, um 14 Uhr im Arbeitsgericht Crailsheim jede der bisherigen Abmahnungen im Detail durchzuarbeiten ist. Damit soll festgestellt werden, ob die Geschäftsleitung nicht nur einen unbequemen, fachlich und menschlich aber durchaus geeigneten Betriebsratsvorsitzenden und Maschinenführer los werden will.
Hohenlohe-ungefiltert sieht in der Vorgehensweise der Geschäftsleitung des Druckzentrums Gerabronn einen Fall von Mobbing. Jeder Vorgesetzte und Mitarbeiter der bei diesem üblen Spiel des Geschäftsführers Bauder mitspielt, sollte sich überlegen, ob er hinterher noch in den Spiegel schauen kann. Dem Betriebsratsvorsitzenden ist zu wünschen, dass er die Nachstellungen und Unterstellungen seitens der Geschäftsleitung ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen übersteht.