Eine Rede über die Arbeit in kirchlichen und sozialen Einrichtungen hat Jochen Dürr, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe im Sonnenhof e.V. Schwäbisch Hall, bei der DGB-Kundgebung am 1. Mai 2012 in Schwäbisch Hall gehalten. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Redebeitrag in voller Länge.
Von Jochen Dürr, Schwäbisch Hall
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
der Tag der Arbeit ist der Feiertag aller abhängig Beschäftigten auf der Welt … darauf hat der Kollege Jörg Hoffmann vor mir hingewiesen. Ich ergänze: 1,4 Millionen Beschäftigte gehören auch dazu – sie arbeiten in Einrichtungen der Kirche, Diakonie und Caritas! Unsere Arbeitgeber nennen sich Dienstgeber und geben vor, andere und bessere Arbeitgeber zu sein. Spätestens seit der Lektüre des Haller Tagblatts vom 30. März 2012 ist damit vorbei: Die Evangelische Diakonie hat durch Verspekulierung von Wertpapieren mindestens 1,8 Millionen Euro in den Sand gesetzt.
Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gleichzeitig schließt das Evangelische Diakoniewerk das Krankenhaus in Gaildorf zum Juli diesen Jahres, weil dort eine Million Euro Verlust aufgelaufen sind. Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Altenhilfe wurden die Beschäftigten erpresst, durch tarifliche Absenkungen bis zu 6 Prozent mit betrieblichen Öffnungsklauseln wurden in die Gehälter eingegriffen.
Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deserselbe Arbeitgeber betrieb bis vor kurzem eine eigene Leiharbeitsfirma, bei der zeitweise bis zu 200 Menschen beschäftigt waren …
Das ist ein Skandal, liebe Kolleg*innen und Kollegen !
Über eine Reinigungsfirma (DDL) werden einzelvertraglich Stationsassistentinnen beschäftigt … die Bezahlung läuft einzelvertraglich unter Tarif !
Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen !
Das sind Beispiele, die aus meiner Sicht aufzeigen, daß die Diakonie eine normalo Arbeitgeber ist. Die Arbeit wird zu 100 Prozent über Steuergelder finanziert. Das Kronenkreuz im Logo diakonischer Einrichtungen ist nur eine hohle Fassade, hinter der sich bei kurzem Einblick Lohndumping, Niedriglohngruppen, Mobbing- und Bossing-Strategien befinden. Das falsche Firmenschild zeigt nochmals deutlich, dass kein Anspruch auf ein Sonderarbeitsrecht erhoben werden darf!
Was brauchen wir stattdessen?
Viele Beschäftigte in der Diakonie organisieren sich zunehmend mehr in Betriebsgruppen, so auch im Sonnenhof gab es eine Aktion in der Tarifrunde … die KollegInnen wollen zunehmend öffentlich in ihrer diakonischen Einrichtung für die Gewerkschaft aktiv werden – sie werden mutiger!
Streikrecht ist ein Grundrecht!
Die KollegInnen warten nicht darauf, dass sie es genehmigt bekommen … sie warten nicht darauf, dass ein Gericht es ihnen erlaubt … mehrere hundert KollegInnen haben in der Region Stuttgart gestreikt … sie haben es einfach gemacht … mutig nehmen sie es in Anspruch. Das Lügengebäude der Arbeitgeber, bei Kirchen gelte das Streikrecht nicht, ist deswegen wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.
Meine Gewerkschaft ver.di hat auf dem Bundeskongress im September 2011 deswegen beschlossen:
Wer weltliche Methoden wie Befristung, Ehrenamt, Leiharbeit, Outsorcing, Mobbingstrategien ausnützt, der hat den kirchlichen Sonderweg verwirkt… Das Betriebsverfassungsgesetz muss auch in Kirche, Diakonie und Caritas gelten … in kirchlichen Mitarbeitervertretungen (MAVen) gilt im Falle einer Kandidatur eine kirchliche Zwangsmitgliedschaft … BetriebsrätInnen können ihre Rechte über Arbeitsgerichte effektiver durchsetzen … bei Kirchen gibt hier nur eine unverbindliche Zwangsmitgliedschaft … BetriebsrätInnen haben viel bessere Freistellungsmöglichkeiten … vor allem in Konzernstrukturen … und sie haben bedeutend bessere Fortbildungsmöglichkeiten. Wir brauchen hierzu dringend einen Gesetzentwurf im Bundestag!
Im tariflichen Bereich brauchen wir auch dringend einen Flächentarifvertrag für die soziale Arbeit, der allgemeinverbindlich erklärt wird.
An alle anwesende VertreterInnen von AWO, DPWV, DRK, ASB, Diakonie + Caritas gilt mein dringender Appell: Beenden wir die Schmutzkonkurrenz über die Löhne … wir entwerten den Wert sozialer Arbeit … setzen wir uns mit ver.di und dem DGB zusammen und gehen in erste Gespräche hierzu. Nützen wir die Marktmacht der Beschäftigten … stoppen wir das Lohndumping … setzen die Beschäftigtenmacht für den gemeinsamen Kampf von Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen dafür ein, Druck auf die Kostenträger für bessere Pflegesätze ein … wir ArbeitnehmerInnen sind bereit hierfür.
Es ist doch allen hier im Hopitalhof klar:
Jede/r kann krank, jede/r wird alt, jede/r kann behindert werden und möchte engagierte MitarbeiterInnen hierfür in der Betreuung. Der Druck aus den Betrieben nimmt zu … ich habe es beschrieben … wir brauchen hierzu aber auch einen außerbetrieblichen Druck und die Unterstützung von KollegInnen aller DGB-Einzelgewerkschaften.
Zum Abschluss noch eine Aufforderung an alle hier anwesenden PolitikerInnen:
Lassen Sie nicht zu/lasst es nicht weiter zu, dass die Arbeit für/mit alten Menschen, kranken Menschen und Menschen mit einer Behinderung unter die Räder der politischen Schuldenbremse gerät! Die Beschäftigten sind oft schon zu müde/können nicht mehr! Sie brauchen unser aller Unterstützung!
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
Weitere Informationen und Kontakt:
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