Wirklich überraschend kam sie nicht, die Meldung, dass die Merkel-Regierung und die Mitmachopposition SPD/Grüne sich auf den Fiskalpakt geeinigt haben. Natürlich wird die Einigung vom Spitzenpersonal von SPD und Grünen als Erfolg verkauft.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Oppositionsführer bleiben bei konkreten Vereinbarungen nebulös
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, man habe sich auf ein Maßnahmenpaket für Wachstum und Beschäftigung geeinigt. Steinmeier erklärt, zu dem Deal gehöre auch eine Verständigung auf eine Finanztransaktionsteuer. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir setzt noch eins drauf: „Die Bundesregierung hat sich vom reinen Sparkurs verabschiedet.“ Auffällig ist: Die Herren Oppositionsführer bleiben ausgesprochen wenig konkret hinsichtlich der konkreten Vereinbarungen, die getroffen wurden. Und das mit gutem Grund: Hinsichtlich der Finanztransaktionssteuer bleibt es bei einer vagen unverbindlichen Zusage von Merkel und was die Wachstumspakete betrifft, so haben sowohl Kanzlerin Merkel, als auch CDU-Fraktionschef Kauder klar gemacht, dass es mit ihnen keine Konjunkturpakete geben wird. Über das Wachstumspaket heißt es bei SPIEGEL Online am 22. Juni 2012: „Mit den 130 Milliarden sind aber keine neuen staatlichen Mittel gemeint, sondern vor allem die Aktivierung privaten Kapitals und eine Umstrukturierung des bestehenden EU-Haushalts.“ Und über die Finanztransaktionssteuer erfahren wir an gleicher Stelle, dass Wolfgang Schäuble sich darum „bemühen“ wolle und dass eine Einführung vor der nächsten Bundestagswahl 2014 als ausgeschlossen gilt. Nebulös, nebulös!
In dieser Legislaturperiode wird es eine Finanztransaktionssteuer nicht geben
In der Substanz dürfte das jetzt erzielte Ergebnis kaum über das Übereinkommen hinausgehen, das schon Ende Mai 2012 in Gipfelgesprächen zwischen Regierung und Opposition erzielt worden ist. Damals hatte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) die Inszenierung mit einer freimütigen Bemerkung in kleiner Runde platzen lassen: In dieser Legislaturperiode, so Pofalla damals, werde es eine Finanztransaktionssteuer nicht geben. Daher könne man der SPD ruhig entgegenkommen.
Kritische Stimmen in den eigenen Reihen werden ruhig gestellt
Dass SPD und Grüne vor den Kameras wider besseres Wissen Erfolgsmeldungen zum Besten geben, ist Teil eines peinlichen politischen Schmierentheaters, mit dem kritische Stimmen in den eigenen Reihen ruhig gestellt werden sollen. Es war von vorneherein klar, dass SPD und Grüne dem Fiskalpakt (und so nebenbei auch dem finanzträchtigen Rettungsschirm ESM) zustimmen würden, schließlich sind sie wie die CDU/CSU und die FDP für die sog. „Schuldenbremse“ und haben deren Verankerung im Grundgesetz 2009 zugestimmt. In verschiedenen theoretischen Schriften rühmt sich das Spitzenpersonal der SPD sogar, eine bessere und härtere Sparpolitik als die Regierungskoalition betreiben zu wollen.
Denn sie wissen, was sie tun
SPD und Grünen ist sehr wohl bewusst, dass der Fiskalvertrag ökonomisch unsinnig, sozial verantwortungslos und undemokratisch ist. Aber beide Parteien wissen, dass jene kleine, aber mächtige Klientel, die in Fabriken und Banken das Sagen habt, keinen Zweifel daran lässt, dass der Fiskalpakt kommen muss. Jede Weigerung von SPD und Grünen, diesem Wunsch zu entsprechen, würde von den „Kapitänen der Wirtschaft“ als Beleg für „mangelnde Regierungsfähigkeit“ gewertet. Entsprechend schlagen die beiden staatskonformen Regierungsparteien, die mit den Parteien Merkels und Westerwelle darin wetteifern, wer der beste Dienstleister für die „Wirtschaft“ ist, den Herrschaften mit den dicken Bankkonten ihren Wunsch nicht aus.
Gezeigt, was von einer möglichen Neuauflage einer rot-grünen Bundesregierung zu erwarten ist
Was die Konsequenzen sind, ist klar: Der Fiskalvertrag liefert europaweit den Regierungen die Rechtfertigung für Sozialabbaumaßnahmen, die weitaus einschneidender sind als die von Schröder/Fischer durchgepaukten Hartz-Gesetze. Spätestens, wenn es in der BRD zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommt, folgt aus dem Fiskalpakt mit der vermeintlichen Gesetzmäßigkeit eines „Sachzwangs“ eine Agenda 2020. Mit ihrer Zustimmung zum Fiskalpakt haben SPD und Grüne deutlich gemacht, was von einer möglichen Neuauflage einer rot-grünen Bundesregierung zu erwarten ist.