Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist am 24. Oktober 2012 in Berlin eingeweiht worden. Romani Rose, Vorsitzender des „Zentralrats Deutscher Sinti und Roma“ hat beim Festakt eine Rede gehalten. Hohenlohe-ungefiltert dokumentiert unten die Rede von Romani Rose und weitere Reden beim Festakt in Berlin.
Informationen zusammengestellt von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Viele Hohenloher Sinti und Roma wurden ermordet
Auch in der Region Hohenlohe wurden viele Sinti und Roma in Vernichtungslager der Nazis deportiert und dort ermordet. Der Zeitzeuge Zoni Weisz berichtete in seiner Rede bei der Einweihung des Denkmals auch von den 40 aus dem Mulfinger Kinderheim St. Josefspflege nach Auschwitz-Birkenau verschleppten Kinder. Fast alle wurden dort ermordet. Den Namen der Einrichtung und den Ort nannte der Redner allerdings nicht. Zoni Weisz zeigte Filmaufnahmen der NS-Rassenforscherin Eva Justin. Diese hatte die Mulfinger Kinder für ihre Doktorarbeit auch gefilmt. Die Filmaufnahmen sind die letzten Bilder der später ermordeten Sinti- und Roma-Kinder aus dem Mulfinger Kinderheim. Die Kinder waren aus ganz Württemberg und Baden nach Mulfingen gebracht worden. Die meisten ihrer Eltern wurden schon vorher von den Nazis in Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet.
Rede von Zoni Weisz auf Youtube:
Zoni Weisz – Einweihung des Denkmals für Sinti und Roma http://www.youtube.com/watch?v=Lv6DFw99__s
Informationen über die St. Josefspflege in Mulfingen:
Aus Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft lernen – Reisen der St. Josefspflege nach Auschwitz http://www.josefspflege.de/ueber-uns/geschichte/erziehung-nach-auschwitz/
http://www.josefspflege.de/ueber-uns/geschichte/
Teilnahme Gaucks und Merkels gewürdigt
In seiner Rede zur Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas würdigte Romani Rose die Teilnahme von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Sie erweisen damit unseren Menschen die Ehre und den Respekt vor ihrem Schicksal.“
Über 500.000 Sinti und Roma in Europa sind NS-Rassenwahn zum Opfer gefallen
Dem Völkermord der Nazis fielen über 500.000 Sinti und Roma in Europa zum Opfer. Dani Karavan habe sich intensiv mit dem Leid der Opfer auseinandergesetzt und mit seinem Denkmal ein Kunstwerk geschaffen, das Raum gebe, der unzähligen Opfer zu gedenken. Santino Spinelli habe mit seinem Gedicht „Auschwitz“ Worte gefunden für das Unsagbare des Völkermordes, die Dani Karavan in sein Kunstwerk aufgenommen habe, so Rose.
Denkmal in unmittelbarer Nähe zum Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor
Mit dem Ort des Denkmals in unmittelbarer Nähe zum Reichstagsgebäude und zum Brandenburger Tor sowie zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas sei für die Überlebenden und ihre Angehörigen sowie für die gesamte Minderheit in Deutschland und in Europa Ausdruck der Verpflichtung, Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus zu ächten.
Zunehmend gewaltbereiter Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland und Europa
Dies sei angesichts des neuen, zunehmend gewaltbereiten Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland und in Europa von entscheidender Bedeutung nicht nur für die Sicherheit von Minderheiten, sondern vielmehr noch für den Bestand unserer Demokratie, so Rose. Dieser neue Rassismus werde nicht nur von rechtsextremen Parteien und Gruppierungen getragen, sondern er finde immer mehr Rückhalt in der Mitte unserer Gesellschaft.
Weitere Informationen und Kontakt:
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Bremeneckgasse 2, 69117 Heidelberg
Tel : +49 6221 – 98 11 01
Fax : +49 6221 – 98 11 90
zentralrat@sintiundroma.de
Internet: www.sintiundroma.de
Rede von Romani Rose zur Einweihung des Denkmals in Berlin am 24. Oktober 2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen, Herr Bundespräsident, Herr Bundestagspräsident, Frau Bundeskanzlerin,
Herr Regierender Bürgermeister, Herrn Staatsminister, sehr geehrter Herr Graumann,
lieber Zoni Weisz, lieber Dani Karavan, und Ihnen allen, dass Sie heute teilnehmen an der
Einweihung dieses Denkmals. Sie erweisen damit unseren Menschen die Ehre und den Respekt vor ihrem Schicksal. Ich danke den Überlebenden, die heute hierher gekommen sind. Unsere Gedanken sind bei denen, die nicht bei uns sein können.
Jahrzehntelang verdrängte Menschheitsverbrechen
Mit der Einweihung dieses Denkmals für die über 500.000 im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas gedenken wir der Opfer des Völkermords. Zugleich erinnern wir an dieses jahrzehntelang verdrängte Menschheitsverbrechen. Es gibt in Deutschland keine einzige Familie unter den Sinti und Roma, die nicht unmittelbare Angehörige verloren haben – dies prägt unsere Identität bis heute.
Es begann mit Ausgrenzung und Entrechtung
Die ungeheuerlichen Verbrechen der Nazis entziehen sich noch immer dem Verstehen. Sie begannen mit Ausgrenzung und Entrechtung, und sie endeten mit Massenmord in den Vernichtungslagern, in denen Sinti und Roma gemeinsam mit den Millionen anderer Opfer litten. Ich begrüße an dieser Stelle den Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Herrn Heubner.
Unterschiedslos ermordet, alte Menschen ebenso wie Kinder
Sinti und Roma wurden allein aufgrund ihrer vorgeblichen Rassenzugehörigkeit, ihrer bloßen biologischen Existenz ausgesondert und unterschiedslos ermordet, alte Menschen ebenso wie Kinder.
Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus ächten
Dieses Denkmal neben dem Reichstag, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor und zum „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ ist Ausdruck der Verpflichtung, Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus zu ächten.
Rechtsextreme finden mehr Rückhalt in der Mitte der Gesellschaft
Es gibt aber in Deutschland und in Europa einen neuen, zunehmend gewaltbreiten Rassismus gegen Sinti und Roma. Dieser Rassismus wird nicht nur von rechtsextremen Parteien und Gruppierungen getragen, sondern er findet immer mehr Rückhalt in der Mitte unserer Gesellschaft.
Rassismus richtet sich gegen unsere Demokratie
Gerade der heutige politische und juristische Umgang mit rechtsextremer Gewaltideologie stellt einen Prüfstein dar, ob und welche Lehren wir aus Krieg und Holocaust gezogen haben. Es gibt heute vor allem im Internet massive Aufrufe zur Gewalt gegen Juden, gegen Sinti und Roma; der Mordserie der sogenannten NSU fielen zehn Menschen zum Opfer. Dieser Rassismus richtet sich vordergründig gegen unsere Minderheit, tatsächlich aber richtet er sich gegen unsere Demokratie und unsere demokratischen Werte. Hier genügen keine Verbote – die Ächtung jedweder Gewalt muß in der ganzen Gesellschaft Platz greifen.
1980 trat eine Gruppe Sinti und Roma im ehemaligen KZ Dachau in den Hunterstreik
Als 1980 eine Gruppe von Sinti und Roma, darunter fünf Überlebende des Holocaust, im ehemaligen Konzentrationslager Dachau in einen Hungerstreik traten, um auf die Tatsache des Völkermordes und seine jahrzehntelange Verleugnung in der Bundesrepublik Deutschland aufmerksam zu machen, konnte sich niemand von uns vorstellen, dass es einmal ein solches Denkmal geben würde. Bis dahin waren die Überlebenden ausgeschlossen von jeder moralischen, rechtlichen und politischen Entschädigung; erst 1982 wurde der Holocaust an Sinti und Roma durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt anerkannt.
Viele Dankesworte
Dieses Denkmal, das wir heute einweihen, ist auch ein Ergebnis der langen Auseinandersetzung mit der Geschichte von Sinti und Roma in Deutschland. Ich danke Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Merkel, und der Bundesregierung sowie Ihnen, Herrn Regierender Bürgermeister Wowereit, und der Berliner Landesregierung für die Fertigstellung dieses Denkmals.
Mein besonderer Dank gilt Ihnen, Herrn Staatsminister Neumann. Sie haben dieses Denkmal zu Ihrer persönlichen Angelegenheit gemacht.
Mein Dank geht an die vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für ihr langjähriges Engagement; stellvertretend für die vielen, die ich hier nennen sollte, danke ich Angelika und Manfred Lautenschläger.
Über zwanzigjährige Auseinandersetzung
Vor allem aber geht mein Dank an unsere Holocaust-Überlebenden. Ihre unermüdliche moralische Unterstützung hat entscheidenden Anteil daran, dass das Denkmal nach einer über zwanzigjährigen Auseinandersetzung verwirklicht wurde. Es ist bedrückend, dass viele von ihnen den Tag der Eröffnung nicht mehr miterleben können.
Insbesondere danke ich Dani Karavan, der sich mit den Opfern und ihrem Leid auseinandergesetzt hat, und dessen Kunstwerk uns Raum gibt, der unzähligen Opfer zu gedenken. Ich danke Santino Spinelli, der Worte gefunden hat für das Unsagbare und die Dani Karavan in dieses Denkmal aufgenommen hat.
Denkmal verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Denkmal verbindet für uns Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es steht zugleich für eine besondere, aus dem Holocaust resultierende Verantwortung für die Sinti und Roma in Deutschland und in Europa. Untrennbar damit verknüpft ist der eindeutige Auftrag an Politik und Gesellschaft, künftig die Rechte unserer Minderheit zu wahren und ihre und Würde und Sicherheit zu garantieren.
Kultur der Humanität und der gegenseitigen Anerkennung
Wir verbinden mit diesem Denkmal die Hoffnung, dass der Holocaust an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes wird. Dass es in Deutschland für alle Menschen eine gemeinsame Kultur der Humanität und der gegenseitigen Anerkennung gibt, in der die Würde des Menschen, wie es unsere Verfassung verspricht, der höchste Maßstab jeglichen Handelns ist.
Romani Rose
Weitere Informationen:
E-Mail: zentralrat@sintiundroma.de
Informationen über den Künstler Dani Karavan im Deutschlandradio Kultur:
Dani Karavan über sein Denkmal für Sinti und Roma
„Das wird der größte Tag meines Lebens.“ So hat der Künstler Dani Karavan zusammengefasst, was ihm die morgige Einweihungszeremonie seines Denkmals für ermordete Sinti und Roma in Berlin bedeutet. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, der Bau der Gedenkstätte sei für ihn einer der wichtigsten Aufträge als Künstler gewesen. Mit dem Denkmal habe er den Sinti und Roma endlich die Ehre gegeben, die ihnen gebühre, so Karavan. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zur morgigen Eröffnung komme, wertete der Israeli als großes Interesse für die Sinti und Roma; und zwar zu einer Zeit, in der sie vielerorts noch diskriminiert würden.
Interview mit Dani Karavan zum Nachhören:
http://www.dradio.de/kulturnachrichten/2012102318/11/
Rede von Zoni Weisz auf Youtube:
Zoni Weisz – Einweihung des Denkmals für Sinti und Roma http://www.youtube.com/watch?v=Lv6DFw99__s
Von der Internetseite der Bundesregierung:
Mittwoch, 24. Oktober 2012
Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma
Hunderttausende Menschen in ganz Europa wurden während des Nazi-Regimes als „Zigeuner“ verfolgt und ermordet. Bei der Einweihung des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, das Leid der Opfer nie zu vergessen.
An der feierlichen Einweihung des „Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas“ nahmen neben der Bundeskanzlerin auch Bundespräsident Joachim Gauck sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert teil. Außerdem Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma, sowie Überlebende des Völkermords und deren Angehörige.
Für sie ergriff der niederländische Holocaust-Überlebende Zoni Weisz das Wort. In einer bewegenden Rede erinnerte er an das Schicksal all jener, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden: Kinder, Frauen und Männer als Sinti und Roma, als Angehörige der Gruppe der Jenischen oder als andere Fahrende.
Mehr als 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist in Berlin ein Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma eingeweiht worden.
An der Einweihung nahmen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch Bundespräsident Joachim Gauck, seine Lebensgefährtin Daniela Schadt sowie Kulturstaatsminister Bernd Neumann teil.
In ihrer Rede betonte Bundeskanzlerin Merkel, dass das Erinnern ein Teil des demokratischen Selbstverständnisses sei.
Außerdem dankte sie allen Überlebenden für ihr Kommen.
Merkel sagte, die Würde des Menschen zu achten sei ein Grundstatut der Demokratie. Deutschland werde weiter darauf hinwirken, dass die Rechte von Sinti und Roma gewahrt werden.
Betroffenheit rief die Rede des Holocaust-Überlebenden Zoni Weisz hervor, der seine Familie in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten verlor.
Das Denkmal liegt in unmittelbarer Nähe zum Reichstag und zum Brandenburger Tor. Sein Zentrum bildet ein runder Brunnen.
Den Beckenrand ziert ein Gedicht von Santino Spinelli: „Eingefallenes Gesicht / erloschene Augen / kalte Lippen / Stille / ein zerrissenes Herz / ohne Atem / ohne Worte / keine Tränen“.
Messina Weiss, Urenkelin eines von den Nazis ermordeten Sinto, trug die erste Blüte für das Denkmal zum Wasserbecken.
Mit einer Schweigeminute wurde der ermordeten Sinti und Roma gedacht.
In der Mitte des Brunnens taucht ein Stein auf. Auf diesen wird von nun an täglich eine neue Blüte gelegt.
Das Wasserbecken ist umgeben von Steinplatten. 70 von ihnen tragen die Namen von Vernichtungslagern, in denen Sinti und Roma ermordet wurden.
Entworfen wurde das Denkmal von dem israelischen Künstler Dani Karavan; hier im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose.
„Erinnern ist Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses“
Die Kanzlerin dankte allen Überlebenden für ihr Kommen. Das Mahnmal gelte einer öffentlich viel zu lange und zu wenig wahrgenommenen Opfergruppe. Es „erinnert an die vielen Hunderttausend Sinti und Roma, an die im Nationalsozialismus als so genannte Zigeuner Verfolgten ‑ darunter auch die Jenischen ‑, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte.“
Jedes einzelne Schicksal dieses Völkermordes sei eine Geschichte unfassbaren Leids. „Jedes einzelne Schicksal erfüllt uns, erfüllt mich mit Trauer und Scham“, so Merkel.
„Erinnern ist Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses“. Durch das Denkmal im Zentrum Berlins zwischen Brandenburger Tor und Reichstag werde das Gedenken in unsere Mitte geholt. Gleichzeitig sei es eine Mahnung für die Zukunft, wachsam zu sein, Minderheiten zu schützen, Verantwortung zu übernehmen, sagte die Bundeskanzlerin.
Mahnung für Toleranz und Menschenrechte
Kulturstaatminister Bernd Neumann bezeichnete das Denkmal als einen „wichtigen Baustein in der deutschen Erinnerungskultur“. Mit ihm werde dokumentiert, dass der Völkermord an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes sei.
Das Denkmal sei aber nicht nur dem Gedenken gewidmet. Es sei gleichzeitig Mahnung für mehr Toleranz und eine Aufforderung, gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma anzugehen, so Neumann.
Denkmalentwurf von Dani Karavan
Entworfen wurde das Denkmal von dem israelischen Künstler Dani Karavan.
Karavan ging es darum, einen Ort des Nachdenkens und der würdevollen Ehrung für die Ermordeten zu schaffen. Am Rande des Berliner Tiergartens gestaltete er ein Mahnmal, dessen Zentrum ein runder, schwarzer Brunnen bildet. Auf einem versenkbaren, dreieckigen Stein liegt eine täglich frische Blüte als Zeichen der Trauer und der Erinnerung. Begleitet wird dieser optische Eindruck von einem dauerhaften Geigenton.
Auf dem Rand des Brunnens ist in englischer und deutscher Sprache ein Zitat aus dem Gedicht „Auschwitz“ des italienischen Rom Santino Spinelli angebracht. Umgeben ist das Denkmal von mehreren Tafeln. Auf ihnen ist in deutscher und englischer Sprache die Chronologie des Völkermords widergegeben.
Mehrjährige Entstehungsgeschichte
Erste Überlegungen zur Errichtung eines nationalen Denkmals in Erinnerung an die im Nationalsozialismus ermordeten europäischen Sinti und Roma gab es bereits 1992. Danach dauerte es allerdings noch mehrere Jahre bis es realisiert werden konnte. Grund war eine kontrovers geführte Diskussion zwischen den Opferverbänden vor allem über die Frage der Inschriften.
Auf Initiative von Kulturstaatsminister Bernd Neumann einigten sich die Beteiligten schließlich auf die Anbringung einer „Chronologie des Völkermordes an den Sinti und Roma“. Erarbeitet wurde dieser Text gemeinsam mit Historikern des Instituts für Zeitgeschichte in München und des NS-Dokumentationszentrums in Köln. Das Ergebnis wurde 2007 vom Bundesrat und vom Ausschuss des Bundestages für Kultur und Medien ausdrücklich begrüßt. Baustart war im Dezember 2008.
Der Bund hat den Bau des Denkmals mit rund 2,8 Millionen Euro finanziert. Das Land Berlin stellte das Denkmalgrundstück südlich des Reichstagsgebäudes zur Verfügung. Die Bauleitung und Bauausführung lag beim Land Berlin. Betreut wird das Denkmal von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.
Die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Staatsminister,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten,
sehr geehrter Herr Karavan,
aber vor allen Dingen sehr geehrter Herr Weisz, als Erstes möchte ich mich an Sie wenden, stellvertretend für alle Überlebenden eines grauenhaften Völkermordes. Ich danke Ihnen für Ihre berührenden, uns alle, glaube ich, tief berührenden Worte, die Sie an uns gerichtet haben. Ich danke Ihnen einfach, dass Sie heute bei uns sind!
Sehr geehrter Herr Rose, ich möchte auch Ihnen danken, der Sie als Vertreter der nachgeborenen Generation und Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma so lange für das Denkmal gekämpft haben, das wir heute endlich einweihen können. Sie haben nicht nachgelassen, Sie haben durchgehalten. Danke!
Meine Damen und Herren, dieses Denkmal erinnert an eine Opfergruppe, die öffentlich viel zu lange viel zu wenig wahrgenommen wurde. Es erinnert an die vielen hunderttausend Sinti und Roma, an die im Nationalsozialismus als sogenannte Zigeuner Verfolgten, darunter auch die Jenischen, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte. Dieses Denkmal mitten in Berlin erinnert an das unsägliche Unrecht, das ihnen allen widerfuhr.
Ebenfalls mitten in Berlin nahm die Katastrophe ihren Lauf, als der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg vor bald 80 Jahren einen neuen Reichskanzler ernannte. Der verhängnisvolle Tag, der 30. Januar 1933, ist auf Filmen und Fotos dokumentiert. Das, was auf den ersten Blick wie der Amtsantritt eines neu gewählten Regierungschefs in einem demokratisch verfassten Staat aussah, war in Wirklichkeit das Ende der Weimarer Republik und der Beginn einer grausamen Zeit irrsinnigen Rassenwahns und fanatischen Großmachtstrebens.
Schon vier Wochen später setzte die sogenannte Reichstagsbrandverordnung zentrale Grundrechte außer Kraft. Bald darauf folgte das Ermächtigungsgesetz. Zur gleichen Zeit wurde in Dachau das erste Konzentrationslager der SS errichtet. Politische Gegner wurden fortan verfolgt, Parteien und Gewerkschaften zerschlagen. Es begann die systematische Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder ihrer Art zu leben.
Es begann damit auch die Verfolgung der Sinti und Roma. Ihr Alltag veränderte sich radikal. Verbote schränkten das Leben zusehends ein. Die Grundlagen der eigenen Existenz – sie waren plötzlich dahin. Am Ende standen: gezielte Verfolgung, Zwangssterilisation, der Zivilisationsbruch des Holocaust, der Völkermord an den Sinti und Roma Europas. An ihn denken wir heute.
Jedes einzelne Schicksal dieses Völkermordes ist eine Geschichte unfassbaren Leids. Jedes einzelne Schicksal erfüllt uns, erfüllt mich mit Trauer und Scham. Jedes einzelne Schicksal mahnt uns. Denn jede Generation steht aufs Neue vor der Frage: Wie konnte es nur dazu kommen?
Die Antwort auf diese Frage wird immer unbefriedigend bleiben müssen, weil das, was damals in Deutschland geschah und von Deutschland ausging, letztlich unfassbar ist. Antworten auf das Warum zu suchen, das ist und bleibt dennoch Aufgabe kultureller, historischer, politischer Bildungsarbeit, und zwar deshalb, um uns für die Zukunft dazu zu befähigen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und von vornherein Schlimmeres zu verhüten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang Bundespräsident Roman Herzog zitieren, der am 27. April 1995 in Bergen-Belsen sagte: „Totalitarismus und Menschenverachtung bekämpft man nicht, wenn sie schon die Macht ergriffen haben. Man muss sie schon bekämpfen, wenn sie zum ersten Mal – und vielleicht noch ganz zaghaft – das Haupt erheben.“
Deshalb ist es so wichtig, genau hinzuschauen, sich rechtzeitig einzumischen und Verantwortung zu übernehmen. Dies ist im Übrigen nicht nur als Aufgabe von Bildungsträgern wichtig, so unverzichtbar diese auch sind, sondern es ist Aufgabe von uns allen, es ist die Aufgabe jedes Einzelnen von uns. Denn in der Gleichgültigkeit, in einem Klima des Geht-mich-nichts-an, keimt bereits die Menschenverachtung auf.
Menschlichkeit – das bedeutet Anteilnahme, die Fähigkeit und die Bereitschaft, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Sie bedeutet hinzusehen und nicht wegzusehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Davon lebt jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie.
Das sollte, das muss uns die bleibende Mahnung aus unserer Geschichte sein, weil wir nur so eine gute Zukunft gestalten können. Das sind wir den Toten schuldig. Und das sind wir den Überlebenden schuldig. Denn im ehrenden Gedenken der Opfer liegt immer auch ein Versprechen. So verstehe ich auch unseren Auftrag zum Schutz von Minderheiten heute nicht nur im Blick auf die Schrecken der Vergangenheit, sondern als Auftrag für heute und für morgen. Was wir zu tun haben, darauf haben Sie uns hingewiesen.
Die Geschichte von Minderheiten, ihre Kulturen, ihre Sprachen – sie sind eine Bereicherung der Vielfalt Deutschlands. Diese Vielfalt macht unser Land lebenswert und liebenswert. Doch reden wir nicht drumherum: Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung, unter Ablehnung. Sie, lieber Herr Rose, werden nicht müde, wieder und wieder darauf hinzuweisen. Sinti und Roma müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Deshalb ist es eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben. Deshalb wirkt Deutschland auch im Rahmen der Europäischen Union und in den Beitrittsprozessen darauf hin, dass die Rechte der Sinti und Roma gewahrt werden.
So verstanden ist die vielfältige Gedenkkultur, die Deutschland pflegt, Erinnerung, die nicht rückwärtsgewandt ist. So verstanden trägt ein nationales Denkmal zum Nachdenken bei. Es hilft heutigen und kommenden Generationen, das Verantwortungsbewusstsein für ein gedeihliches Miteinander aller Menschen in Deutschland wachzuhalten. Erinnern ist also Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses, um die Zukunft gestalten zu können.
Ohne Zweifel sprechen die Gedenkstätten an authentischen Orten eine besonders deutliche Sprache. Bilder einstiger Gefängniszellen, KZ-Baracken und Krematorien prägen sich uns allen tief ein. Ausstellungen erläutern ergänzend, was an diesen Orten geschah. Es gibt aber auch andere Formen des Erinnerns. So erinnert unweit von hier das Stelenfeld Peter Eisenmans an die ermordeten Juden Europas. Ebenfalls in Reichweite steht das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Noch im Entstehen ist ein Ort des Gedenkens an die Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde.
Viele Menschen, die in Berlin leben oder die die Stadt besuchen, werden in Zukunft auch an dem von uns heute einzuweihenden neuen Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas vorbeikommen. Zum Reichstag, dem Sitz des Deutschen Bundestages, sind es nur wenige Meter. Auch das Brandenburger Tor, Wahrzeichen dieser einst geteilten und heute weltoffenen Stadt, steht in unmittelbarer Nähe. Mitten in Berlin, mitten in der pulsierenden Metropole, mitten unter uns gibt es diesen Ort des Gedenkens an die Toten.
Wir können die ermordeten Sinti und Roma damit nicht zurück ins Leben holen. Wir können Geschehenes nicht ungeschehen machen. Doch wir können das Gedenken, die Erinnerung, die Mahnung in unsere Mitte holen.
Wir tragen dieses Gedenken in unsere Mitte, damit niemand vergisst, was geschehen ist: die Entrechtung und Erniedrigung, die Gewalt und Deportation, der Missbrauch in pseudomedizinischen Versuchen, die Ermordung hunderttausender Sinti und Roma im von Deutschland besetzten Europa. Dieser Völkermord hat tiefe Spuren hinterlassen und noch tiefere Wunden.
Deshalb danke ich Ihnen, lieber Herr Weisz, und allen Überlebenden und ihren Angehörigen, dass Sie die Kraft gefunden haben, heute mit uns zusammen dieses Denkmal einzuweihen. Denn diejenigen, die Zeugen der Verbrechen waren, und diejenigen, die Angehörige und Freunde verloren haben – sie können nicht vergessen. Und wir alle, wir dürfen nicht vergessen.
Es ist deshalb in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass wir nach langen Jahren und manchen Rückschlägen heute nun dieses nationale Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas einweihen können – ein Denkmal, das Gefühl und Verstand gleichermaßen anspricht, indem es uns auf eine dunkle Wasserfläche auf einer Granitplatte blicken lässt, einem See stummer Tränen gleich hält es uns einen Spiegel der unendlichen Tiefe der Trauer vor, in der Mitte jedoch immer eine frische Blume. Indem es auf Glastafeln die Leidensgeschichte der Sinti und Roma schildert, gibt es eine Chronologie des Grauens.
Dieser Ort lässt erahnen: Das Leid hat Gesichter, es hat viele einzelne, individuelle Gesichter. Jeder einzelne grausam beendete Lebensweg steht ganz für sich allein. Es war ein Leben. Es war das Leben eines Menschen. Wir sehen in diesem Denkmal diesen einen Menschen, dieses eine Leben.
Dies zum Ausdruck zu bringen – das ist Ihr Verdienst, lieber Herr Karavan, und ich danke Ihnen sehr dafür. Das von Ihnen gestaltete Denkmal trägt das Schicksal des einzelnen Menschen in unsere Mitte, damit es uns stets Mahnung sei. Möge es uns mahnen, dass wir immer und zuerst die Würde des einzelnen Menschen zu achten haben, ganz gleich, wie er lebt, ganz gleich, woher er kommt, und ganz gleich, wer er ist, und zwar im Sinne des Artikels 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Dieser erste Artikel unseres Grundgesetzes war und ist die Antwort auf die Jahre der unfassbaren Schrecken zuvor. Und er ist und bleibt die Richtschnur unseres Handelns heute und in Zukunft – und zwar in jedem einzelnen Falle.
Herzlichen Dank.
Die Rede von Kulturstaatsminister Bernd Neumann anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
„Dieses Denkmal macht unmissverständlich deutlich, dass wir die Verbrechen an den Sinti und Roma nicht verdrängen, nicht vergessen und dass wir den Opfern ein würdiges Andenken bewahren“, so Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede.
– Es gilt das gesprochene Wort. –
Dies ist ein besonderer, ein bewegender Augenblick: Nach vielen Jahren der Diskussion können wir heute endlich das Denkmal einweihen, das an den Völkermord und die entsetzlichen Verbrechen erinnert, die während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in ganz Europa an den Sinti und Roma und an den als so genannte Zigeuner Verfolgten verübt wurden. Dazu gehören auch die Jenischen.
Der Völkermord, dem etwa 500.000 Menschen zum Opfer fielen, wurde planmäßig und systematisch durchgeführt mit dem Vorsatz und dem Willen zur endgültigen Vernichtung. Dies macht uns immer wieder fassungslos und erfüllt uns als Deutsche mit Scham!
Nur wenige haben die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie überlebt. Nur wenige können noch Zeugnis von dem unermesslichen Leid ablegen, das den Sinti und Roma angetan wurde.
Für uns alle ist es eine besondere Ehre, dass heute Überlebende zusammen mit ihren Angehörigen anwesend sind und dafür zumeist eine weite Anreise auf sich genommen haben. Stellvertretend für sie alle begrüße ich mit besonderer Herzlichkeit Zoni Weisz!
Die Errichtung des Denkmals war ein langer und schwieriger Weg, aber es war richtig und wichtig, ihn zu gehen. In Berlin, der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, ist damit ein Erinnerungszeichen von besonderer Bedeutung entstanden. Ich danke allen, die trotz immer wieder aufgetretener Hindernisse dieses Vorhaben bis heute begleiteten.
An erster Stelle nenne ich Romani Rose, den Vorsitzenden des Zentralrates der Sinti und Roma. Mit Ihrem Namen, lieber Herr Rose, ist die Initiative zu diesem Denkmal untrennbar verbunden. Sie haben in den vielen Jahren alle Beteiligten immer wieder zusammen gebracht und von ihnen unermüdlich die Fortsetzung der Arbeit eingefordert. Wir danken Ihnen von ganzem Herzen!
Ich danke auch allen beteiligten Opferverbänden: dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma, der Sinti-Allianz Deutschland und Ihnen, lieber Timo Wagner, als dem Vertreter des Jenischen Bundes in Deutschland.
Bei allen unterschiedlichen Auffassungen haben die Opferverbände nie das Ziel aus den Augen verloren und schließlich durch die Bereitschaft zu Kompromissen seine Verwirklichung ermöglicht. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch an die leider jüngst verstorbene Natascha Winter erinnern, die sich als Vorsitzende der Sinti Allianz Deutschland ebenfalls vehement für das Denkmal eingesetzt hat.
Es ist auch ein gutes Zeichen, dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages den Weg bis heute gemeinsam mitgegangen sind. Das Grundstück hier im Tiergarten, auf dem das Denkmal nun steht, hat das Land Berlin dankenswerterweise zur Verfügung gestellt und ebenfalls die Baumaßnahmen durchgeführt.
Es ist ein würdiger Ort im Zentrum Berlins in unmittelbarer Nachbarschaft zum Deutschen Bundestag und unweit des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.
Besonders freue ich mich über die Anwesenheit von Dani Karavan, dem großen Künstler, der mit seinen Werken weltweit Maßstäbe gesetzt hat. Nach Ihrem Entwurf, lieber Herr Karavan, wurde das Denkmal errichtet; es ist ein ebenso eindringliches wie sensibles Kunstwerk entstanden.
Mit Beharrlichkeit und Geduld haben Sie die exakte Umsetzung Ihrer künstlerischen Vorstellungen verfolgt. Entstanden ist ein großes Werk der Erinnerung und Mahnung.
Sie sagen selbst, dieses Denkmal ist eines der wichtigsten Werke, das Sie geschaffen haben, wenn nicht das wichtigste von allen. Wir sind Ihnen sehr dankbar!
Meine Damen und Herren,
dieses Denkmal macht unmissverständlich deutlich, dass wir die Verbrechen an den Sinti und Roma nicht verdrängen, nicht vergessen und dass wir den Opfern ein würdiges Andenken bewahren. Es ist ein wichtiger Baustein der deutschen Erinnerungskultur, mit dem wir dokumentieren, dass der Völkermord an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes ist.
Aber dieses Denkmal soll nicht nur Teil der Erinnerung sein, sondern vor allem auch für die Zukunft eine eindringliche Mahnung und Aufforderung, gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma anzugehen und sich immer wieder für Menschenrechte, Toleranz und den Schutz von Minderheiten einzusetzen – hier in Deutschland und darüber hinaus!
Weitere Informationen:
Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
Die Chronologie des Völkermordes im Wortlaut: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/BKM/2012-10-11-denkmal-fuer-die-ermordeten-sinti-und-roma-texte.html?nn=8988&__site=Mauerfall
http://de.wikipedia.org/wiki/Denkmal_für_die_im_Nationalsozialismus_ermordeten_Sinti_und_Roma
http://de.wikipedia.org/wiki/Dokumentations-_und_Kulturzentrum_Deutscher_Sinti_und_Roma
http://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitz-Erlass
http://de.wikipedia.org/wiki/Sinti-Kinder_von_Mulfingen
http://www.youtube.com/watch?v=A5DDRy0I9rU
Zoni Weisz: Das neue Mahnmal ist ein Ort der Hoffnung http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/1902642/
ROMANI ROSE Der ewige Mahner http://www.fr-online.de/leute/romani-rose-der-ewige-mahner,9548600,20695350.html
Uni Münster: http://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/geschichte/personen/weisz.html
Mahnmal für Sinti und Roma eingeweiht – Kritik an Umgang mit Minderheit
Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas http://www.neues-deutschland.de/artikel/802288.mahnmal-fuer-sinti-und-roma-eingeweiht.html
Der Widmungstext auf dem Brunnenrand des Denkmals im Wortlaut:
Gedicht von Santino Spinelli
[der Titel „Auschwitz“ wird auf dem Rand nicht genannt)
Eingefallenes Gesicht
erloschene Augen
kalte Lippen
Stille
ein zerrissenes Herz
ohne Atem
ohne Worte
keine Tränen.
Pallid face
dead eyes
cold lips
Silence
a broken heart
without breath
without words
no tears.
Das Gedicht mit seinem Titel „Auschwitz“ ist in Deutsch, Englisch und Romanes zusätzlich auf einem Gedichtstein aus Granit am Ende der Glaswände (Simsonweg) zu sehen.
GESCHICHTE – PERSONEN A-Z
Zoni (Johan) Weisz
*04. März 1937 in Den Haag – niederländischer Sinto, Überlebender des Holocaust, Florist
Zoni Weisz, Quelle: sintiundroma.de/Rogier Fokke
Autor: Christian Kuck, Erstellt: August 2011
Zoni Weisz wurde am 04. März 1937 als ältestes von vier Kindern – es folgten die Schwestern Augusta und Johanna und der Bruder Emil – in Den Haag geboren. Sein Vater, Johannes Weisz, war ein angesehener Musiker und Instrumentenbauer, der Ende der 30er Jahre mit seiner Familie in die mittelniederländische Kleinstadt Zutphen (Provinz Gelderland) zog, um hier ein Musikgeschäft zu eröffnen.
Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Niederlande im Mai 1940 waren, neben dem jüdischen Bevölkerungsteil, auch die niederländischen Sinti und Roma der Gefahr von Verfolgung und Deportation ausgesetzt. Fast vier Jahre später, am 16. Mai 1944, wurde, im Zuge einer landesweiten gewaltsamen Razzia, auch die Familie Weisz aufgegriffen und in das nordniederländische polizeiliche Durchgangslager Westerbork (Provinz Drenthe) deportiert. Zoni Weisz entging der Verhaftung, da er sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb von Zutphen in einem kleinen Dorf bei einer Tante versteckt hielt. Nachdem er sich mit einer kleinen Gruppe Leidensgenossen drei Tage in einem angrenzenden Wald versteckt hatte, wurde er entdeckt und zusammen mit anderen Verwandten ebenfalls nach Westerbork transportiert. Da der ‚Zigeunertransport‘ mit dem Bestimmungsziel Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, bestehend aus 245 niederländischen Sinti und Roma, das Lager Westerbork jedoch noch vor Eintreffen der Gruppe verlassen hatte, brachte man Weisz und die anderen Deportierten ins nahegelegene Assen, von wo aus der Deportationszug weitere Opfer aufnehmen sollte. Es ist der Hilfe eines im Widerstand aktiven niederländischen Polizisten zu verdanken, dass die kleine Gruppe um Weisz im allgemeinen Durcheinander am Bahnsteig in Assen doch noch unbemerkt fliehen und auf einen Personenzug aufspringen konnte, während nahezu Weisz gesamte Familie mit dem Deportationszug nach Auschwitz abfuhr. Die Zeit bis zur endgültigen Befreiung der Niederlande durch die Alliierten im Frühjahr 1945 verbrachte die kleine Gruppe in Verstecken in Wäldern und bei Bauern, gequält vom Hunger und in der ständigen Angst, doch noch entdeckt zu werden. Das Kriegsende erlebte Zoni Weisz bei seinen Großeltern. Erst wesentlich später erfuhr er die Umstände des Todes seiner nächsten Angehörigen: Der Vater starb wahrscheinlich im KZ Mittelbau-Dora (Thüringen), während die Mutter und seine Geschwister vermutlich in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.
Der schwer traumatisierte Weisz fand in der Nachkriegszeit nur sehr langsam zurück ins Leben. Nach einer Ausbildung zum Floristen und einem zweijährigen Militärdienst in der niederländischen Kolonie Surinam studierte er Ausstellungsarchitektur und Kunstgeschichte. 1958 erwarb er einen Floristikbetrieb und avancierte zu einem der bekanntesten und meistbeschäftigten Floristen der Niederlande, der die Gestaltung und Dekoration staatlicher Großveranstaltungen und Feierlichkeiten der Königsfamilie ausrichtete. Im Jahr 1999 arrangierte er das Blumenkunstwerk, das das niederländische Parlament der Bundesrepublik Deutschland zum 50-jährigen Bestehen des Bundestags schenkte – ein Auftrag den er erst nach einigem Zögern annahm und der für ihn selbst eine besondere symbolische Geste an die BRD bedeutete.
Weisz Engagement gilt bis heute der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in aber auch außerhalb der Niederlande. Er ist, zusammen mit anderen Überlebenden aller Opfergruppen, Mitglied des niederländischen und des internationalen Auschwitz-Komitees und berichtet als Zeitzeuge an niederländischen Schulen. Zudem setzt er sich für die Rechte und Belange der niederländischen Sinti und Roma ein. Im Januar 2011 sprach er, anlässlich der Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz, vor dem Deutschen Bundestag. In Anerkennung seiner Verdienste um die niederländische Floristikindustrie und seinen Einsatz für die Minderheitsgruppe der Sinti und Roma erhielt Zoni Weisz 1999 von Königin Beatrix eine der höchsten Auszeichnungen der Niederlande: Die Ernennung zum ‚Offizier des Ordens von Oranien-Nassau‘.