„Stuttgart 21: Göppinger Kreisbrandmeister bemängelt fehlendes Brandschutzkonzept“ – Leserbrief zum HT-Artikel „Löschtrupps für den Tunnelbau stehen bereit“

Einen Leserbrief zum Artikel „Löschtrupps für den Tunnelbau stehen bereit“ im Haller Tagblatt (Südwestpresse Ulm) hat Peter Aichelin aus Schwäbisch Hall geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Leserbrief in voller Länge.

Von Peter Aichelin, Schwäbisch Hall

Gesamtprojekt kostet nach Bahn-Schätzungen bereits über 10.000.000.000 Euro 

Lange waren Nachrichten über Stuttgart 21 in Randnotizen verschwunden. So zum Beispiel, dass einer der Hauptunternehmer beim Tunnelbahnhofsprojekt Konkurs angemeldet hat oder dass man für das Projekt plötzlich einen neuen Geschäftsführer braucht. Oder auch, dass die Neubaustrecke nach Ulm nun zehn Prozent teurer wird und das Gesamtprojekt damit  nach Bahn-Schätzungen bereits über 10.000.000.000 Euro kosten wird.

Kein Brandschutzkonzept für den Bau

Jetzt tauchen die Nachrichten wieder größer im Regionalteil auf: Der Bau der Neubautrasse verzögert sich, weil kein Brandschutzkonzept für den Bau vorlag. Man fragt sich, wie so etwas passieren kann. Schließlich ist das ja nicht der erste Tunnel über 200 Meter Länge, den die Bahn baut. Da müsste der Brandschutz doch in den Bauunterlagen zwingend drinstehen. Und nach der Pleite mit dem Berliner Flughafen sollte eigentlich jeder Bauherr beim Thema Brandschutz hellhörig werden. Nicht so bei S 21. Auch in Stuttgart und beim Flughafen gibt es noch kein Brandschutzkonzept.

Kreisbrandmeister mit dem Konzept der Bahn keineswegs einverstanden

So treibt die Sache ihre Blüten: Das HT (Haller Tagblatt) berichtet, dass der zuständige (Anmerkung: Göppinger) Kreisbrandmeister mit dem Konzept der Bahn keineswegs einverstanden ist. Im SWR-Radio  hieß es in den Nachrichten gar, die Bahn habe ein Brandschutzkonzept vorgelegt, das die gesetzlichen Bestimmungen erfülle. Seit wann ist denn so was bei uns eine Nachricht. Bisher dachte ich, das gäbe es nur in Bangladesh, wo beim Nähen der Kleidung für deutsche Kunden Häuser zusammenbrechen, weil die Bauvorschriften nicht eingehalten wurden. Braucht es auch in Deutschland mutige Brandmeister, damit Großkonzerne bei Milliardenprojekten nicht das Leben ihrer Mitarbeiter aufs Spiel setzen?

Artikel in der Südwestpresse Ulm, Mantelteil der Lokalzeitungen Haller Tagblatt, Hohenloher Tagblatt, Rundschau Gaildorf, Tauber-Zeitung Bad Mergentheim:

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Bahn-Loeschtrupps-fuer-die-Tunnelbaustelle-stehen-bereit;art1158742,2094487

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Feuerwehr-lehnt-Verantwortung-fuer-Tunnelbau-an-ICE-Neubaustrecke-ab;art1158742,2083336

http://www.swp.de/goeppingen/nachrichten/suedwestumschau/Termin-fuer-Treffen-der-S-21-Partner;art4319,2089328

http://www.swp.de/gaildorf/nachrichten/politik/Kommentar-Grosses-Versaeumnis-bei-Brandschutz-der-Neubaustrecke;art4306,2084399

Artikel in der Stuttgarter Zeitung:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.brandschutz-steinbuehltunnel-notfallplan-fuer-tunnelbau-steht-vorlaeufig.274fb07f-b89e-43c7-bacc-e18292289abf.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bahnprojekt-stuttgart-ulm-kein-brandschutz-fuer-ice-tunnelneubau.18ba64ed-d5d5-43fe-b1af-a68ef66a2ad3.html

Internetseiten von S21-Gegnern:

http://www.bei-abriss-aufstand.de/

http://www.parkschuetzer.de/

http://www.kopfbahnhof-21.de/

http://www.unternehmer-gegen-s21.de/

Internetseiten-Sammlung von S21-Gegnern:

http://www.alle-gegen-s21.de/

 

 

 

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„Unsere Schnäppchen – ihre Armut?“ – Gewerkschafter Heiner Köhnen berichtet über die Arbeitssituation der Näherinnen in Bangladesch

In einem Vortrag mit dem Titel „Unsere Schnäppchen – ihre Armut?“ berichtete in Schwäbisch Hall der Gewerkschafter Heiner Köhnen über die Arbeitssituation der Näherinnen in den Textilfabriken von Bangladesch.

Von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Köhnen arbeitet beim Projekt „Exchains“

Ein breites Bündnis Schwäbisch Hall Organisationen hatte den Gewerkschafter Heiner Köhnen zum Thema Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Bangladesch nach Schwäbisch Hall eingeladen. Köhnen arbeitet für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beim Projekt „Exchains“, das Solidarität zwischen Beschäftigten entlang der Textil-, Bekleidungs- und Einzelhandelskette zu schaffen versucht.

Beschäftigte arbeiten oft von 8 bis 22 Uhr

In der von 40 Menschen besuchten Veranstaltung  schilderte Köhnen die dramatische Arbeitssituation der Beschäftigten in den Textilfabriken von Bangladesh. Die überwiegende Zahl der ArbeiterInnen sind Frauen. Die Fabriken, oftmals umgebaute Wohnhäuser, weisen deutliche Mängel in der Gebäudesicherheit und im Brandschutz auf. Brandschutztüren werden regelmäßig verbarrikadiert. Der Grund: Damit soll verhindert werden, dass die ArbeiterInnen sich dem Zwang zu endlosen Überstunden entziehen. Denn Arbeitstage von 8 bis 22 Uhr sind dort keine Seltenheit – vor allem dann, wenn wegen kurzer Lieferfristen Aufträge unbedingt abgearbeitet werden sollen. Wenn aber, wie es in den letzten Jahren häufiger passierte, Brände ausbrechen oder gar ein Gebäudeeinsturz droht, sitzen die Arbeiterinnen in einer tödlichen Falle.

1700 Menschen starben seit 2005 wegen Bränden oder Einstürzen

Seit 2005 sind in Bangladesch 1700 Menschen in der Bekleidungsindustrie infolge von Bränden und Gebäudeeinstürzen verstorben. „Ermordet“, wie die Menschen in Bangladesch sagen, da alle Akteure in der Textilindustrie die Verhältnisse in diesen Fabriken kennen, aber nichts Wirksames unternehmen. Im Gegenteil: Die Politik in Bangladesch ist eng mit der Textilindustrie verbunden. 80 Prozent der Devisen Bangladeshs kommen aus der Bekleidungsproduktion und viele Politiker sind Besitzer einer Fabrik.

Miete frisst den Monatslohn von 30 Euro

Die Auftraggeber,  Firmen aus dem Westen, interessiert vor allem der niedrige Produktionspreis. Die ortsansässigen Firmen arbeiten deswegen tatsächlich oft an der Rentabilitätsgrenze. Deshalb versuchen sie, wo es nur geht, zu sparen – bei den Löhnen, bei den Arbeitsbedingungen und bei der Sicherheit. Die Beschäftigten erhalten lediglich den Mindestlohn von 30 Euro im Monat. Das reicht auch in Bangladesch nicht zum Leben, 30 Euro kostet die Miete in einem Wellblech-Zimmer. Auf Nachfragen aus dem Publikum, ob es Unterschiede bei der Produktion von Billigwaren und teurer Markenkleidung gebe, stellte Köhnen klar:  Im Prinzip sind die Arbeitsbedingungen überall miserabel. Billigstanbieter wie KiK haben allerdings Kleider, die aus noch schlechteren Verhältnissen stammen als etwa H&M, denen Köhnen zumindest die Bemühung um Arbeitssicherheit attestiert.

Löhne deutlich anheben, Arbeitsbedingungen verbessern

Köhnen sprach sich gegen eine Boykott der Kleidung aus Bangladesch aus. Vielmehr müssten die Löhne dort deutlich angehoben und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Das Projekt „Exchains“, bei dem Köhnen mitarbeitet, fordert einen monatlichen Aufschlag von 50 Euro auf den Mindestlohn für die Näherinnen in Bangladesch. Das würde den Preis eines Kleidungsstücks um lediglich 12 Cent erhöhen, aber den Arbeiterinnen enorm helfen.

Deutsche ArbeiterInnen vernetzen sich mit KollegInnen in Bangladesh

Als Köhnen von der Vernetzung der Kolleginnen aus Deutschland und Bangladesch erzählte, waren die Zuhörer beeindruckt. Beschäftigte von H&M sowie ZARA besuchten ihre Kolleginnen in Bangladesch, um sich dort vor Ort zu informieren.  Die Beschäftigten wollen sich gegenseitig über die Arbeitsbedingungen in ihren jeweiligen Ländern informieren und in Konflikten mit ihren jeweiligen sich gegenseitig unterstützen. Die Näherinnen in Bangladesch legen Wert auf den Umstand, dass die Solidarität auf „gleicher Augenhöhe“  passiert. Den Gedanken, dass die KollegInnen in Deutschland ihre Probleme in Bangladesch lösen könnten, weisen sie zurück. Im Gegenteil:  Anlässlich der Tarifrunde im Einzelhandel  trafen bei Verdi Solidaritätsbotschaften aus Bangladesch ein.

Auftraggeber in Europa und USA in Haftung nehmen

Etwas Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse in der Textilindustrie in Bangladesch brachte ausgerechnet der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza, bei dem über 1100 Menschen getötet wurden. Unter dem Eindruck breiter internationaler Proteste in den Fabriken, erklärten sich eine Reihe von europäischen und amerikanischen Textilkonzernen erstmals zur Unterzeichnung eines Brandschutzabkommens bereit, das die betroffenen Arbeiterinnen miteinbezieht und im Falle von Unfällen die Auftraggeber in Europa und USA in Haftung nimmt.

Erst nach Katastrophe waren Textilkonzerne zur Kooperation bereit

Auf diesem Erfolg hoffen Köhnen und „Exchain“s aufbauen zu können. Aber: „Es ist traurig, dass es erst dieser Katastrophe bedurfte bis die Textilkonzerne zur Kooperation bereit waren“, so Köhnen.

Hintergrundartikel zur Textilindustrie in Bangladesh:

http://www.untergrund-blättle.ch/wirtschaft/bangladesh_die_naehstube_der_welt.html

Informationen über das Projekt Exchains:

http://handel-bawue.verdi.de/themen/exchains

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