Anne Rieger, Co-Sprecherin Bundesausschuss Friedensratschlag, hat zum Anti-Kriegstag in Bremen am 1. September 2016 und am 2. September 2016 in Schwäbisch Hall gesprochen. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht die Rede in voller Länge.
Von Anne Rieger, Co-Sprecherin Bundesausschuss Friedensratschlag
Liebe Freundinnen und Freunde,
zweimal bereits haben deutsche Großkonzerne mit deutschen Regierungen Eroberungskriege geführt. Leben, Umwelt und Infrastruktur wurde millionenfach vernichtet. Immer war das Ziel höhere Profite für Konzerne. Wir stehen heute hier, damit solcher Terror nicht zum dritten Mal geschieht.
Wir fordern von der von Frau Merkel geführten deutschen Regierung:
Sofortiger Stopp aller Auslandseinsätze der Bundeswehr!
Holen sie die deutschen Soldaten zurück aus den 14 Militäreinsätzen aus Afghanistan, Kosovo, Sudan, Somalia, Mali, Westsahara, Irak, Libanon, dem Mittelmeer und Syrien.
Kriegseinsätze in Afghanistan oder Irak haben gezeigt:
Frieden kann nicht herbeigebombt werden. Und er wird auch nicht in Syrien herbeigebombt werden. Nur Verhandlungslösungen mit allen – ich sage allen – beteiligten Interessengruppen können zum Waffenstopp, zum Waffenstillstand, zum Frieden führen. Die KolumbianerInnnen haben gezeigt, ein Waffenstillstand und ein Weg in den Frieden ist möglich. Wir verurteilen die Invasion türkischer und Söldner-Truppen in Syrien! Wir verurteilen die Zusammenarbeit und Unterstützung der Bundesregierung mit Kriegstreibern wie Erdogan. Der Einmarsch der türkischen Armee in Syrien ist Völkerrechtsbruch und muss mit Sanktionen beantwortet werden. Unter dem Deckmantel der angeblichen Eindämmung des IS wurde in der vergangenen Woche der Einmarsch in den souveränen Staat befohlen.
Grundgesetz verbietet Mitwirkung an Angriffskriegen
In Wirklichkeit geht es der türkischen Regierung unter Erdogan darum, die Kurden in Syrien
daran zu hindern, ein zusammenhängendes autonomes Kurdengebiet zu organisieren. Und es geht um türkische Einflussnahme in Syrien. Wir würden es sehr begrüßen, wenn es zu einer Waffenruhe zwischen Kurden und der Türkei
kommen würde. Die Bundesregierung darf diesen Krieg gegen die Menschen in der Region nicht unterstützen. Nicht durch die Stationierung der Bundeswehr in der Türkei mit 1200 Soldaten, sechs Tornados, einem Airbus-Tankflugzeug, einer Kriegsfregatte und einem Radarsatellitensystem. Das Grundgesetz verbietet die Vorbereitung und Teilhabe an Angriffskriegen. Die Bundeswehr muss abgezogen und die Waffenlieferung für den Aggressor Türkei sofort
gestoppt werden. Kriege sind nur mit dem ständigen Nachschub von Waffen, Waffenfabriken und Munition
möglich. Daran haben deutsche Konzerne einen erheblichen Anteil und dadurch exorbitante Gewinne!
Für zivile Alternativen der Konfliktlösung einsetzen
Kooperationen von Rheinmetall mit türkischen Rüstungskonzernen MKEK und BMC zum Bau von Waffenfabriken müssen gestoppt werden. Ebenso die Zahlung von drei Milliarden Euro an die Türkei für den so genannten Flüchtlingsdeal. Wir verurteilen die tausenden Verhaftungen und willkürlichen Entlassungen in der Türkei. Wir fordern alle Bundestagsabgeordneten auf, gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatz in Syrien zu stimmen, die im Dezember auf der Tagesordnung des Bundestages steht. Gerade wegen der zerstörerischen Geschichte unseres Landes dürfen wir junge Menschen unseres Landes nicht wieder als SoldatInnen in fremde Länder schicken. Unsere VolksvertreterInnen haben die Aufgabe, sich verstärkt für zivile Alternativen der Konfliktlösung einsetzen.
Seit 2012 hat sich die Situation für die Menschen in Syrien permanent verschlechtert:
Die Waffen nieder! Denn Krieg ist ein Verbrechen!
400.000 Tote, die komplette Zerstörung der lebenswichtigen Infrastruktur, die aktuell weltweit größte Fluchtbewegung. Für die Zivilbevölkerung bedeutet dieser Krieg physische und soziale Verwüstungen. Millionenfache Traumatisierungen sind dabei nicht nur unmittelbare Folgen des Krieges, sie werden auf Jahre hinaus die Zukunft des Landes bestimmen. Deutschland muss raus aus dem Krieg gegen syrische Menschen, raus aus jedem Krieg, denn die Folgen sind überall die gleichen. Wir fordern: die Waffen nieder! Denn Krieg ist ein Verbrechen!
Profite aus der Ausbeutung
Kriege werden von PolitikerInnen und Medien zu so genannten „humanitären Interventionen“ umgelogen. Humanitär ist an diesen Kriegen gar nichts. Tatsächlich ging und geht es um geopolitische Machtkämpfe, um die Ausbeutung wirtschaftlicher Reichtümer wie beispielsweise Öl und hier speziell Gas, denn Syrien liegt im Herz der kolossalsten Gasreserven des Planeten. Es geht ebenso um Absatzmärkte, billige Arbeitskräfte, um die Durchsetzung neoliberaler
Freihandelsverträge, um den Sturz von Regierungen, die nicht zur völligen Unterordnung unter die westlichen Großmächte und ihre Konzerne bereit sind. Letztendlich geht es eben immer um die Profite aus der Ausbeutung der Regionen für die Aktionäre und Eigner von Großkonzernen und Banken. Dafür nehmen sie die Zerstörung ganzer
Regionen in Kauf.
Jagd auf Menschen, die nach Europa wollen
Ich empfehle dazu die Lektüre des gerade beschlossenen Weißbuches. Dort heißt es unter anderem: Die deutsche Wirtschaft sei „auf gesicherte Rohstoffzufuhr und sichere internationale Transportwege angewiesen.“ Die deutsche Wirtschaft! Wer ist denn das?? Eindeutiger können Kapitalinteressen nicht formuliert werden. Es war zynisch und beschämend, als sich in der vergangenen Woche die Bundeskanzlerin mit ihren beiden Helfern Holland und Renzi auf dem italienischen Kriegsschiff Garibaldi medienwirksam der Bevölkerung der EU gestellt haben, um scheinbar zu symbolisieren, dass die so genannte Operation „Sophia“ Fluchtursachen bekämpfe – indem sie Schiffe fremder Länder auf dem Mittelmeer aufbringt. Tatsächlich ist der Hubschrauberträger »Giuseppe Garibaldi« mit 825 Militärs an Bord das Flaggschiff des EU-Verbands EUNAVFOR MED, ein Militäreinsatz, der Jagd auf Menschen macht, die nach Europa wollen. Ein Krieg gegen Flüchtlinge – auch wenn – ebenfalls medienwirksam – Flüchtende aus dem Meer gerettet werden. Das machen auch andere Schiffskapitäne, dazu braucht es keine Kriegsschiffe.
Verstärkte Militärkooperation der EU
In Wirklichkeit war Merkels Auftritt ein Symbol für eine verstärkte Militärkooperation der EU. Ich zitiere dazu Frau Merkel: „Die Kooperation im Bereich der Verteidigung kann ausgebaut werden und sollte ausgebaut werden“, und weiter: „In diesem Falle denken wir auch unsere Grenzschutzmechanismen zu verbessern.“ Ja, genau, so sehen wir das auch, Der Grenzschutz gegen den Waffenexport muss verbessert werden.
Grenzen schließen für Waffen.
Grenzen öffnen für Flüchtlinge.
Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt
Wir brauchen legale Wege für Menschen, die nach Europa kommen aus Angst und wirtschaftlicher Not – über 3000 Menschen sind in diesem Jahr bereits bei ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken. Wir fordern die EU Parlamantarier auf, gegen den verstärkten Grenzschutz zu stimmen. Denn Waffenproduktion und Waffenexporte sind eine der großen tatsächlichen Fluchtursachen. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und der größte in der EU. Im Jahr 2015 hat Deutschland für 12,5 Milliarden Euro Waffen exportiert. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat die Bundesregierung prozentual noch mehr Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt. Ein Flüchtling sprach aus, worum es geht: „Diese Waffen töten. Sie werden in unseren Ländern benutzt. Hier hört niemand die Schüsse.“
Sperren sie also die Grenzen für Waffen.
Stoppen sie alle Rüstungsexporte.
Abgerichtet werden zum Töten auf Kommando
Die Regierung ist dazu in der Lage, das haben Sie Frau Merkel mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland – leider – bewiesen. Und Frau Merkel, holen Sie ebenfalls die SoldatInnen aus Schulen, Arbeitsämtern und von Messen zurück. An jeder Straßenecke wirbt die Bundeswehr, an Schulen und Hochschulen, Kirchenfesten und Spielemessen. Wir wollen keine Werbung für Soldaten, für einen „Beruf“ zum Töten. Denn Soldat sein – abgerichtet werden zum Töten auf Kommando – ist kein Beruf wie jeder andere. Ziel der Ausbildung eines Soldaten ist es, seine Waffen perfekt und auf Befehl hin zu benutzen. Das lehnen wir ab. Und: die Bundeswehr hat keinen Bildungsauftrag!
Bundeswehr will „globale Ordnung aktiv mitgestalten“
Die Bundeswehr sucht Nachschub für ihr ehrgeiziges Programm, das im neuen Weißbuch festgelegt ist. Sie beansprucht, (Zitat:) „die globale Ordnung aktiv mitzugestalten‘. Das lässt das Schlimmste für die Zukunft befürchten. Die Bundesregierung will innerhalb der Nato und der EU oder in einer ‚Koalitionen der Willigen‘ militärische Führung übernehmen.
Erneute Aufrüstungsspirale droht
Brisant, lebensgefährlich für uns ist, was an den Grenzen zu Russland geschieht. Die NATO – mit Zustimmung von Bundesregierung und EU – hat sich immer enger an die Grenze zu Russland heran geschoben, stationiert dort tausende Soldaten, Eingreiftruppen, hält Manöver ab, die Angriffe simulieren, rüstet gefährlich auf. Russland reagiert entsprechend. So droht eine erneute Aufrüstungsspirale, das Risiko von nervösen Fehldeutungen der gegnerischen Manöver steigt. Angesichts der riesigen Menge von Atomwaffen, die auch bei uns gelagert sind, eine tödliche Bedrohung für uns alle.
Atomwaffen raus aus Deutschland!
130 Milliarden Euro soll die Armee bis zum Jahr 2030 für Waffen und Ausrüstung zusätzlich erhalten, das bedeutet neun Milliarden Euro jährlich für Kriegsgerät. Das Geld fehlt für Investitionen in Wohnungen, Schulen, Renovierungen von Schulen, für die soziale Entwicklung, für Gesundheits- und Pflegebeschäftigte, LehrerInnen, für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, für Renten, Hartz-IV-EmpfängerInnen, für zu uns geflohene Menschen, eben für alles was die Bevölkerung wirklich braucht braucht.
Rüstungskonversionsfonds schaffen
Wir fordern: Abrüstung statt Sozialabbau. Natürlich braucht es dazu zivile Arbeitsplätze für die jetzigen RüstungsarbeiterInnen, -forscherInnen, SoldatInnen und Zivilangestellte. Dazu muss ein von der Regierung finanzierter Fonds zur Umstellung dieser Arbeitsplätze her – ein Rüstungskonversionsfonds. Das kostet Geld, aber Geld ist genug da. Nutzen wir die 18,5 Milliarden Euro Steuerüberschuss von Schäuble und die neun Milliarden Euro jährlich statt für Waffen für Konversion. Denn Konversion ist möglich, wenn sie politisch gewollt ist. Das haben Rüstungskonversionsprojekte in Bremen oder die Umstellung von Kohle auf Öl im Ruhrgebiet gezeigt.
Wir fordern Rüstungskonversion!
Wir brauchen weder TTIP noch Ceta, schon gar nicht ein vorläufiges CETA, dass dann bleibt. Wir brauchen keine Cyberarmee, keine Drohnen, keine gemeinsamen Übungen von Bundeswehr und Polizei, keine Drohungen und Konfrontationspolitik gegenüber Russland, keine NATO-Mitgliedschaft und keine Europäische Armee. Wir wollen eine andere Politik, eine Entspannungspolitik, wir wollen eine andere Ressourcen- und Finanzverteilung. Wir wollen eine Welt des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern. Eine Welt ohne Ausbeutung, Verfolgung, Unterdrückung und Flucht. Eine Welt in der der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt des Handels steht. Diese andere Welt ist möglich und notwendig. Es ist Zeit für eine zivile Politik, die Lösungen sucht auf dem Wege des Verhandelns und des
Ausgleichs von unterschiedlichen Interessenlagen. Aber ohne unseren Druck wird sich in diesem Land nichts ändern. Und damit wir diesem Ziel einen Schritt näher kommen, fordere ich euch auf:
Friedensdruck auf die Merkel-Regierung
Kommt am 8. Oktober 2016 zur großen Friedensdemonstration nach Berlin. Bringt FreudInnen, KollegInnen, NachbarInnen, Eure Familie mit, damit unser Wille zum Frieden unüberhörbar wird. Unsere Vision ist eine andere, friedliche demokratische Welt ohne Armut und Umweltschäden, ein Deutschland, eine EU, die in Frieden mit Russland lebt. Denken wir an Albert Einstein, der sagte: „Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, ein Bruchteil des Geldes wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen und die Katastrophe der Arbeitslosigkeit zu verhindern.“ Damit es so wird, machen wir den nächsten Schritt, machen wir den 8. Oktober 2016 in Berlin zu unserem Fanal mit Friedensdruck auf die Merkel-Regierung.