„KPD um Heinrich Stark aus Gnadental propagierte 1933 den entschiedenen Widerstand gegen die Nazis“ – Silke Makowski über Widerstand und Verfolgung im Raum Schwäbisch Hall

„Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern“ lautet der Titel einer aufwändig recherchierten Dokumentation der Autorin Silke Makowski über die „Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933“. Für Hohenlohe-ungefiltert hat Silke Makowski Informationen über den Widerstand in Schwäbisch Hall gegen die Nazis zusammengestellt. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Text in voller Länge.

Informationen von Silke Makowski, Heidelberg, Mitarbeiterin des Hans-Litten-Archivs München

Arbeitersportvereine, Konsum- und Mieterverein

In der Weimarer Zeit war die SPD in der „roten Hochburg“ Schwäbisch Hall dominierende Partei und erreichte bei Wahlen etwa 30 Prozent der Stimmen. In ihrem Umfeld existierten zahlreiche parteinahe Vereine und Organisationen, die verschiedene kulturelle und alltagspraktische Bereiche abdeckten, darunter Arbeitersportvereine, der Konsum- und der Mieterverein.

Haller KPD hatte 1931 einen Sitz im Gemeinderat

Die KPD-Ortsgruppe war erst recht spät – im Jahr 1930 – gegründet worden und erreichte erst 1931 erwähnenswerte Wahlergebnisse sowie immerhin einen Sitz im Gemeinderat. Dennoch waren ihre Mitglieder recht rege und brachten mit der „Haller Rakete“ eine eigene Zeitung heraus.

1933 Protestmarsch durch Hall

Nach der Machtübergabe an die Nazis kam es auch in Schwäbisch Hall zu antifaschistischen Aktionen: die SPD-nahe „Eiserne Front“ rief für den 26. Februar 1933 zu einem „Protestmarsch“ durch die Stadt auf, die mit einer Wahlkampfversammlung mit dem Heilbronner SPD-Abgeordneten Fritz Ulrich enden sollte. Bereits am 15. Februar 1933 war die öffentliche Rundfunkübertragung einer Hitler-Rede durch Sabotage gestört worden; eine andere spektakuläre symbolische Aktion führte ein unbekanntes Mitglied des Arbeiterathletikvereins durch, der an einem schwer erreichbaren Blitzableiter die rote Fahne hisste.

Treffen zwischen Michelfeld und Heimbach

Die KPD druckte direkt nach dem Reichstagsbrand in ihrem Parteibüro neben der Brückenapotheke 600 bis 700 Flugblätter und verteilte sie nachts in die Briefkästen. Ein Teil der Auflage wurde bei einem klandestinen Treffen an einer Scheune zwischen Michelfeld und Heimbach an MitstreiterInnen aus dem Umland weitergegeben.

KPD propagierte entschiedenen Widerstand

Zu einem Zusammengehen der beiden Arbeiterparteien kam es auch in Hall nicht: bei einem heimlichen Treffen im Bierkeller in der Sporersgasse im Februar (Anmerkung: 1933) waren die Vorstellungen über den Umgang mit den Nazis zu weit auseinandergegangen. Während die Vertreter der SPD auf die Wahl im März und einen anstehenden Regierungswechsel setzten, propagierte die KPD um Heinrich Stark aus Gnadental in der Diskussion den entschiedenen Widerstand.

66 Oppositionelle aus dem Raum Hall verhaftet

Im März (Anmerkung: 1933) setzte die Repressionswelle ein, die zunächst viele KommunistInnen, dann auch prominente SPD-Mitglieder, darunter mehrere Stadträte, traf. Bis Dezember 1933 wurden 66 Oppositionelle aus dem Raum Hall verhaftet und teilweise monatelang im KZ Heuberg festgehalten. Das Eigentum aller Vereine der Arbeiterbewegung wurde beschlagnahmt, darunter zahlreiche Turngeräte und Bargeld. Vier Brüder aus der Sozialistischen Arbeiterjugend wurden inhaftiert, nachdem sie versucht hatten, die Bibliothek ihrer Organisation vor der Beschlagnahmung zu retten.

Höchststrafe für Heinrich Stark aus Gnadental

Neunzehn der verhafteten KPD-Mitgliedern, die aus Hall, Waiblingen, Winnenden, Backnang und Gnadental stammten, wurde im März 1934 der Prozess gemacht. Der Gruppe wurde vorgeworfen, bei Gnadental ein Waffendepot für einen bewaffneten Aufstand angelegt zu haben, weshalb das Reichsgericht Leipzig sie wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilte. Die Höchststrafe von zwei Jahren und elf Monaten erhielt Heinrich Stark aus Gnadental, der als „geistiger Kopf“ eingestuft wurde. Mit ihm verurteilt wurden die Haller Kommunisten Hans-Georg Albrecht, Erwin Wieland, Hans Denner und Georg Hosemann. Damit war der Widerstand in der Region weitgehend zerschlagen.

Kontakt zur illegalen Bezirksleitung der RHD in Stuttgart

Mit größter Wahrscheinlichkeit gab es in der Folge lokale Solidaritätsaktionen im Sinn der Roten Hilfe Deutschlands (RHD), so dass die Familien der Verhafteten materielle Unterstützung erhielten. In jedem Fall bestand noch über Jahre hinweg Kontakt zur illegalen Bezirksleitung der RHD in Stuttgart, denn noch Anfang 1935 vermerkt ein interner Bericht, dass Angehörige von Gefangenen aus Gnadental aus Mitteln der württembergischen Leitung versorgt würden: „Anton meldet uns aus Württemberg 32 Familien, die jetzt unterstützt werden und zwar aus den Orten: Stuttgart, Gnadenthal, (OA: Hall), Reutlingen, Nürtingen, Luginsland, St.-Westen, St.-Heslach, ST.-Osten, St.-Stöckach, Backnang, Ludwigsburg, Zuffenhausen, Konrwestheim, Feuerbach, Ravensburg, Cannstatt, Schw.Gmünd, Heidenheim, Botnang. Er gibt aus diesen Orten die Namen der Familien, die unterstützt werden, an.“ (Bericht von „Rohde“, Anfang 1935, SAPMO RY I 4/4/27 Blatt 125; Schreibung im Original)

Quellen der hier veröffentlichten Informationen von Silke Makowski:

Als Grundlage hat Silke Makowski „Schwäbisch Hall. Geschichte einer Stadt“ (2006), „125 Jahre Arbeiterbewegung in Hall“ (1989) und „Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstands und der Verfolgung Band 5: Württemberg I“ (1991) verwendet, außerdem Unterlagen aus dem RHD-Bestand im Bundesarchiv (früher SAPMO).

Kontakt zur Autorin Silke Makowski über die E-Mail-Adresse von Hohenlohe-ungefiltert:

E-Mail: rag.pad@t-online.de

Silke Makowski freut sich über weitere Informationen zum Thema Widerstand und  Verfolgung im Raum Schwäbisch Hall, Gaildorf, Crailsheim, Bad Mergentheim, Künzelsau, Öhringen, Bad Mergentheim, Heilbronn

Weitere Informationen über die Rote Hilfe Deutschlands:

Dokumentation „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern – Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933“ von Silke Makowski, Schriftenreihe des Hans-Litten-Archivs zur Geschichte der Roten Hilfe, Band I, Verlag „Gegen den Strom“, September 2016, ISBN3-9809970-4-9, Preis 7 Euro.

 

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