Zwei Männer suchen einen Raum, in dem sie eine Nazi-Geschichte erzählen können. Nicht irgendeine, sondern eine über Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg, der Hitler für ein Geschenk Gottes hält. Die beiden Männer finden keinen Saal, weil sie keinen kriegen sollen. In Langenburg und anderswo.
Von Josef-Otto Freudenreich, Kontext:Wochenzeitung
Die Nazis „geadelt“
(…) Vor zwei Jahren machte sich der freie Journalist Ralf Garmatter, 55, daran, die NS-Geschichte derer von Hohenlohe-Langenburg zu erforschen. Der Faschismus in der Region, das ist seit 1995 eines seiner Themen, weil er, im Rahmen seiner Möglichkeiten, verhindern will, dass Deutschland wieder ein antidemokratisches Land wird. Und weil er erklären will, wie es kommen konnte, dass die Nazis von diesen Herrschaften geadelt wurden. Zu all dem betreibt er auch einen Blog. Diesmal kümmerte er sich um Fürst Ernst II. (1863–1950), den Urgroßvater des amtierenden Standesherrn Philipp.
„Gebet für den Führer“
Die gesamte Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, war Mitglied in der NSDAP, als Patron der evangelischen Kirchengemeinde sorgte Ernst II. 1936 dafür, dass das „Gebet für den Führer“ in den Gotteshäusern legitimiert wurde. Für ihn war Hitler ein „Geschenk Gottes“ an das deutsche Volk, das sich „nach starken Führern“ sehnt, die Demokratie war des Übels, der Parlamentarismus zum Erbrechen. Als Abgeordneter im Berliner Reichstag konnte er den „Ekel nicht überwinden“, schrieb er 1906 an seinen Vater, wenn Bebel oder Erzberger sprachen.
Trostloser Fürst-Ernst-Platz
Die Stadt Langenburg machte ihn 1936 zum Ehrenbürger, erhielt dafür zwei Parzellen Land (rund 600 Quadratmeter) zwischen Schloss und Friedhof, welche fortan „Fürst-Ernst-Platz“ hießen, auf dem die Jugend, so der Namensgeber, sich tummeln und zu „tüchtigen deutschen Menschen“ heranwachsen solle. Was zunächst wie eine Schenkung aussah, notiert Heimatforscher Garmatter, bezahlte die Gemeinde mit 1.500 Reichsmark in bar. Den Ehrentitel gibt es noch immer, den Platz auch. Er ist ein wenig trostlos.
„Täter Helfer Trittbrettfahrer“
Nachzulesen ist diese Geschichte in dem Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“, herausgegeben von Wolfgang Proske, erschienen 2018. Garmatter und Proske hätten gerne daraus gelesen, am liebsten in einem Raum der Stadt, in dem sich ihre Geschichte erzählen ließ. Aber das war ihnen nicht vergönnt. Ihr Name war fortan Odysseus. (…)
Link zum ganzen Artikel in Kontext:Wochenzeitung:
https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/465/das-grosse-wegschweigen-6534.html