Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts gehört zu den besonderen und damit eher seltenen Ereignissen des städtischen Lebens. In Crailsheim wurden in den letzten 150 Jahren insgesamt nur zehn Personen, zwei Frauen und acht Männer, mit dieser Auszeichnung bedacht.
Vom Stadtarchiv Crailsheim
Mergenthalers Originalurkunde ist im Stadtarchiv
Normalerweise wird den Geehrten als materielles Zeugnis ihrer Auszeichnung eine Urkunde überreicht, so dass höchstens Abschriften oder Kopien der Urkunden im Archiv der Stadt verbleiben. So verfügt das Stadtarchiv Crailsheim über Kopien der Ehrenbürgerurkunden von Theodora Cashel (1987) und Ulricke Durspekt-Weiler (2019). Überraschenderweise findet sich im Urkundenbestand aber auch ein Original: die Ehrenbürgerurkunde für Christian Mergenthaler von 1933. Warum blieb das Original bei der Stadt? Man darf spekulieren.
Ausdruck der Verbundenheit
Wie fast alle Städte des Dritten Reiches bemühte sich auch der gleichgeschaltete Crailsheimer Gemeinderat 1933 darum, seine Verbundenheit mit dem neuen nationalsozialistischen Regime dadurch zu bekunden, dass man möglichst schnell einem oder mehreren hohen NS- Funktionären die Ehrenbürgerwürde antrug. Fast unüberschaubar ist etwa die Liste der Ehrenbürgerschaften Adolf Hitlers. Die entsprechende, keineswegs vollständige Liste bei Wikipedia nennt für Deutschland 166 Städte, darunter das benachbarte Feuchtwangen.
So hoch setzten die Crailsheimer NS-Verantwortlichen nicht an: Im Juli 1933 lud die Stadt gemeinsam mit der Kreis- und Ortsgruppenleitung der NSDAP den württembergischen Gauleiter Wilhelm Murr zum Fränkischen Volksfest ein, mit dem Hintergedanken, ihm bei dieser Gelegenheit die Ehrenbürger-würde anzutragen. Murr aber war „anderweitig beansprucht“. Ersatzweise bekundete Ministerpräsident und Kultminister Christian Mergenthaler seine Bereitschaft zur Teilnahme.
Gallionsfigur der NSDAP-Ortsgruppe Schwäbisch Hall
Mergenthalers endgültige Zusage, zum Volksfest nach Crailsheim zu kommen, erfolgte erst am 13. September 1933, drei Tage vor dem Volksfestsamstag. In einer Sitzung am 14. September 1933, beschloss der Gemeinderat offiziell, Mergenthaler anlässlich seines Besuchs das Ehrenbürgerrecht zu verleihen, denn, so die Ratsherren, für eine Ehrung des Ministerpräsidenten käme nur dies in Frage. In einer Festsitzung des Gemeinderates gemeinsam mit den führenden Vertretern der lokalen NSDAP, der SA und Hitlerjugend, der Kreisbauernschaft, der Behörden, Kirchen und Schulen wurde Mergenthaler denn auch am Volksfestsamstag, dem 16. September 1933, mit der höchsten Auszeichnung der Stadt Crailsheim versehen, als „Anerkennung“, so die offizielle Begründung, „seiner großen Verdienste im nationalen Kampf für Volk und Heimat“.
Mergenthaler erhielt das Ehrenbürgerrecht also ausdrücklich für seine Parteitätigkeit. Er ist damit der einzige „Ehrenbürger“ der Stadt Crailsheim, bei dem ein besonderes Wirken für die Belange der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger keinerlei Rolle spielte.
Und was hat es nun mit der Urkunde auf sich?
Bei der Auszeichnung Mergenthalers gab es ein Problem. Die Vorbereitungs- zeit für die Herstellung einer Ehrenbürgerurkunde war viel zu knapp, so dass Mergenthaler bei seinem Volksfestbesuch noch keine erhielt. Diese sollte ihm nach Fertigstellung und bei passender Gelegenheit später in Stuttgart überreicht werden. Gewerbelehrer Paul Deppe wurde beauftragt, eine angemessene Urkunde zu fertigen. Es entstand eine aufwändig gestaltete, in eine helle Ledermappe eingebundene und mit Kordel versehene „Ehrenbürgerrechts-Urkunde“. Nur: Sie wurde offensichtlich nie an Mergenthaler überreicht. Vielleicht fand sich keine passende Gelegenheit, die Übergabe wurde hinausgeschoben, geriet in Vergessenheit… Wir können nur spekulieren. Jedenfalls blieb die Urkunde im Crailsheimer Rathaus liegen und gelangte so in den Bestand des Stadtarchivs – im Original.
Ehrenbürgerwürde 1946 aberkannt
Im Mai 1946, ein Jahr nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs wurde Mergenthaler das Ehrenbürgerrecht vom Crailsheimer Gemeinderat übrigens wieder aberkannt – ebenso wie einem zweiten NS-Funktionäre, der die Auszeichnung sechs Jahre später, im Juni 1939, erhalten hatte: dem aus Tiefenbach stammenden Karl Wilhelm Waldmann, NSDAP-Mitglied seit 1925, hoher Funktionär in der Gauleitung Württemberg und von 1933 bis 1945 Staatssekretär beim Gauleiter.
- Forstmeister Alois Paradeis (1837-1919) – „für seine außerordentlichen Verdienste um die Verschönerung der Stadt CR und ihrer Umgebung“ (Verleihung 1884)
- Eichmeister und Feuerwehr-Kommandant Heinrich Krauß (1848-1926) – „in Anerkennung seiner großen Verdienste um das Feuerlöschwesen in hiesiger Stadt“ (Verleihung 1906)
- Hofrat Dr. h.c. Richard Blezinger (1847-1928) – für seine botanischen und geologischen Forschungen sowie für die Errichtung der geologischen Pyramide mit Anlagen auf der Wilhelmshöhe (Verleihung 1912)
- Dekan Lic. theol. Friedrich Hummel (1861-1946) – für seine Erforschung der Stadtgeschichte und grundlegende Arbeiten für das Crailsheimer Heimat- buch (Verleihung 1923)
- Bürgermeister Friedrich Fröhlich (1880-1964) – da er „in nahezu 35 Jahren als Bürger-meister die Geschicke der Stadt Crailsheim vorbildlich und vorausschauend zum Wohle der Stadt und der Bevölkerung geleitet und auch nach seiner Amtszeit freiwillig maßgebend am Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt mitgearbeitet“ hat (Verleihung 1955)
- Theodora Cashel (1910-1992) – für ihre Verdienste im Zusammenhang mit den Hilfsleistungen nach 1945 und der Städtepartnerschaft mit Worthington (Verleihung 1987)
- Bürgermeister Robert J. Demuth (geb. 1927) – für „seine jahrzehntelange nachhaltige und erfolgreiche Förderung der Städtepartnerschaft zwischen Worthington und Crailsheim“ (Verleihung 2002)
- Ulricke Durspekt-Weiler (geb. 1939) – „für ihr außergewöhnliches Engagement und ihren Einsatz für die Stadt Crailsheim“ insbesondere im Kulturbereich und als „Botschafterin der Stadt Crailsheim“ (Verleihung 2019)