Trotz intensiver Unterstützung durch die Stadtverwaltung Crailsheim bei der Suche nach einem neuen Standort im Stadtgebiet hat sich die Biermanufaktur ENGEL dazu entschlossen, einen seit längerem angestrebten Neubau außerhalb des Crailsheimer Stadtgebiets weiterzuverfolgen. Bis zuletzt hatte die Stadtverwaltung daran gearbeitet, dem Traditionsunternehmen die Perspektive für eine Erweiterung in Crailsheim zu geben.
Pressemitteilung der Stadtverwaltung Crailsheim
Entscheidung der Unternehmensführung
Seit 1738 braut das familiengeführte Unternehmen ENGEL sein Bier in Crailsheim. Seit jeher ist die Biermanufaktur eng mit der Stadt und ihren Menschen verbunden. Dementsprechend groß ist das Bedauern in der Stadtverwaltung über die Entscheidung der Unternehmensführung, Crailsheim wohl teilweise den Rücken zu kehren und an einem anderen Standort einen Neubau zu errichten – zumal bis zuletzt weitere Alternativen im Stadtgebiet verfolgt und aufgezeigt worden waren.
Langwieriges Zielabweichungsverfahren als Hürde
„Schon vor meinem Amtsantritt gab es das erste Treffen mit Wilhelm und Alexander Fach. Sowohl die jetzige Verwaltungsspitze mit Sozial- & Baubürgermeister Jörg Steuler und mir als auch unsere Vorgänger haben das Traditionsunternehmen im Bemühen um ein erfolgreiches Zielabweichungsverfahren unterstützt“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer. „Leider müssen wir registrieren, dass Genehmigungsverfahren manchmal kompliziert, langwierig und unsicher sind. Die dem Unternehmen am nun neu gefundenen Standort gebotene Perspektive können wir leider nicht geben.“ Bis zuletzt habe sich die Verwaltung mit der Unternehmensleitung über Alternativen zum diskutierten Standort Saurach ausgetauscht.
Vorhaben seit mehreren Jahren unterstützt
Tatsächlich war die Verwaltung seit mehr als sechs Jahren mit der Familie Fach als Inhaberin der Biermanufaktur in engen Gesprächen. Zunächst ging es darum, die Brauerei bei der Erweiterung des Betriebes am bisherigen Standort zu unterstützen. Die Stadt Crailsheim prüfte bis Mitte 2015 unterschiedliche Varianten. Dabei stellte sich heraus, dass aus städtebaulichen, betrieblichen und emissionsrechtlichen Gründen letztendlich eine umfangreiche Betriebsvergrößerung, wie sie die Familie
Fach plante, in der Haller Straße nicht realisierbar war. Von beiden Seiten wurde daher dieser Standort nicht weiterverfolgt.
Standort für eine Natur-Erlebnisbrauerei
Veränderungen des Biermarktes und des Brauereiwesens ließen die Brauerei im Folgenden ein neues, auf Nachhaltigkeit ausgelegtes Konzept entwickeln. Daher trat die Familie Fach erneut an die Stadt mit dem Wunsch heran, sie bei der Suche nach einem neuen Standort für eine Natur-Erlebnisbrauerei zu unterstützen. In der neuen Brauerei sollte ein direkter Bezug zur hohenlohischen Natur und Landschaft sowie zur Landwirtschaft hergestellt werden. Dabei sollte auch das touristische Potential einbezogen werden. Mit diesen Anforderungen schied ein klassisches Gewerbegebiet aus Sicht der Familie Fach als Möglichkeit aus, was die Standortsuche maßgeblich einschränkte.
Standort Saurach war erste Wahl
Mitte 2016 hatte sich auch der Crailsheimer Gemeinderat mit der Thematik auseinandergesetzt und sprach sich grundsätzlich für eine Unterstützung der ENGEL-Brauerei aus. Bis zu 16 Flächen innerhalb der Crailsheimer Gemarkung wurden von 2016 bis 2018 gemeinsam von der Familie Fach und der Stadtverwaltung untersucht und diskutiert. Im Verlauf des Prozesses legte sich die Biermanufaktur ENGEL auf ein Gebiet bei Saurach fest.
In mehreren Etappen versuchten Stadt und Inhaber, den landesplanerischen Vorgaben gerecht zu werden, auf die das Regierungspräsidium Stuttgart als obere Planungsbehörde verwies. Bereits ab Ende 2016 fanden Abstimmungen hierzu zwischen der oberen Planungsbehörde, dem Regionalverband Heilbronn-Franken, der Stadtverwaltung Crailsheim und der Familie Fach statt. Diesen ersten Abstimmungen folgten bis heute zahlreiche weitere. Aufgrund der besonderen und isolierten Lage im Außenbereich mussten zunächst verbindliche Vorgaben aus dem Landesentwicklungsplan und dem Regionalplan sowie weiteren nachgeordneten Entwicklungsvorgaben als Hürden gemeistert werden. Das Regierungspräsidium hätte der Aussiedlung planungsrechtlich nur zustimmen können, wenn es auf der gesamten Gemarkung keine besser geeigneten Standorte als Alternative zur „grünen Wiese“ in Saurach gegeben hätte.
Verwaltung im Dialog mit dem RP Stuttgart
Die Stadtverwaltung hat insgesamt sechs Gutachten bei Fachbüros in Auftrag gegeben, die die Eignung des anvisierten Grundstücks fachlich nachwiesen und darüber hinaus aufzeigten, dass bestehende Siedlungsbereiche und landwirtschaftliche Strukturen durch die geplante Entwicklung nicht beeinträchtigt werden. Mit den Gutachten sollten die planungsrechtlichen Möglichkeiten dargestellt werden, um den Wünschen der Familie Fach nachzukommen. In der Folge wurden noch weitere Experten wie unter anderem eine Anwaltskanzlei hinzugezogen. All diese Maßnahmen konnten bis heute an den Vorgaben des Regierungspräsidiums (RP) nichts ändern. „Es gibt strenge Auflagen, an die das Regierungspräsidium gebunden ist. Das RP setzt geltendes Recht um und stellt dessen Einhaltung sicher, was wir akzeptieren müssen. Wir haben dennoch bis zuletzt versucht, in Saurach eine Lösung zu finden“, betont Stefan Markus, Leiter des Ressorts Stadtentwicklung. Nachdem das Unternehmen gegenüber der Stadt mitteilte, den Standort Saurach in seinen Planungen aufgeben zu wollen, hat auch die Verwaltung ihre Bemühungen, dem Regierungspräsidium weitere Unterlagen aufzuarbeiten und zur Verfügung zu stellen, nicht mehr weiterverfolgt.
Suche nach Alternativstandorten
Sowohl die Brauerei als auch die Stadtverwaltung hatten in den vergangenen Jahren viel Zeit und Energie in das planungsrechtliche Genehmigungsverfahren für dieses Gebiet investiert. In den zurückliegenden Monaten wurden diese Bemühungen noch einmal intensiviert. Nachdem das Regierungspräsidium nur wenig Spielraum sah, etwas an den Vorgaben ändern zu können, schlug die Verwaltung 2019 weitere Standorte außerhalb des „Regionalen Grünzugs“ vor, von denen zwei in diesem Jahr genauer untersucht wurden. Einer davon schied aufgrund der Eigentumsverhältnisse aus. Bei der zweiten Fläche fungierte Oberbürgermeister Grimmer in diesem Sommer noch persönlich als Mittler zum Eigentümer.
Zusätzlich nahm Oberbürgermeister Grimmer Kontakt mit der baden- württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut sowie dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl auf, um auf die große Bedeutung der Traditionsbrauerei für Crailsheim hinzuweisen und die Verlagerung der Biermanufaktur ENGEL abzuwenden, indem auf politischer Ebene eine verlässliche Perspektive für die Umsiedlung auf Crailsheimer Gemarkung gegeben wird. Das Wirtschaftsministerium verwies in dessen Rückmeldung auf das Planungsrecht und die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums; aus dem Innenministerium ist bislang keine Rückantwort eingegangen.
Verständnis für unternehmerische Entscheidung
„Aus meiner Sicht hat die Verwaltung über Jahre versucht, was sie konnte, um der ENGEL-Brauerei eine Perspektive in Crailsheim zu bieten. Leider sind die Anforderungen an eine Zielabweichung hoch. Für die unternehmerische Entscheidung der Familie Fach, nicht länger warten zu können und warten zu wollen, habe ich auch Verständnis“, betont Grimmer. „Nun gilt es, mit der Inhaberfamilie zu klären, welche Teile des Unternehmens verlegt werden und was eines Tages mit der bisherigen Produktionsstätte sowie dem Firmengelände am hiesigen Standort geschehen soll“, schaut Jörg Steuler nach vorne. Sowohl er als auch Oberbürgermeister Grimmer betonen: „Wir hoffen, dass die Biermanufaktur Crailsheim weiterhin verbunden bleibt und wir im Interesse der Region auch zukünftig gut zusammenarbeiten.“