Das Gespenst des Kalten Krieges ist zurück. Die Welt steht am Rande des Friedens, denn sie wird zu einer zerbrechlichen Einheit. Das Krebsgeschwür des Nationalismus breitet sich aus. Soziale Ungleichheiten spitzen sich zu. Die globale Klimakrise bedroht die Menschheit. Kriege und Naturzerstörung sind entscheidende Gründe für Flucht und Vertreibung.
Initiative Abrüsten statt Aufrüsten
Frankfurter Appell zu einer neuen Entspannungspolitik
Die Corona-Pandemie ist ein Beleg dafür, dass die sozialen und ökologischen Schutzschichten des menschlichen Lebens dünn geworden sind. Es drohen neue Verteilungskämpfe – national, europäisch, global. Das 21. Jahrhundert wird entweder ein Jahrhundert neuer Gewalt oder ein Jahrhundert des nachhaltigen Friedens. Darüber entscheiden wir heute. Wir brauchen zivile Antworten, bei uns, in Europa und weltweit. Ein neuer Rüstungswettlauf ist bereits in vollem Gange. Konflikte, Kriege und bewaffnete Auseinan-dersetzungen tragen zu Flucht und Migration bei. Abrüstung findet nicht statt, zentrale Vereinbarungen der Rüstungskontrolle wurden aufgekündigt. Neue Atomwaffen werden stationiert. Die weltweiten Militärausgaben erreichen neue Rekordhöhen; allein auf die zehn Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben entfallen 75 Prozent. Und sie sollen weiter gesteigert werden.
Deutschland bei Waffenexporten auf Platz 5
Deutschland liegt auf Platz sieben und hatte 2019 den höchsten Zuwachs unter den ersten 15 Staaten. Bei den Waffenexporten erreicht unser Land den skandalösen Rang fünf. Der Wahnsinn muss gestoppt werden. Andernfalls drohen neue Verteilungskämpfe zulasten sozialer und ökologischer Reformen. Auf- und Hochrüstung ist keine Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie verschärft die Gefahr neuer Kriege und verschwendet wertvolle Ressourcen, die für eine friedliche Weltordnung dringend gebraucht werden – für den Klimaschutz, die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Entwicklungszusammenarbeit und die Verwirklichung der Menschenrechte.
Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen
Die doppelte Gefahr eines Selbstmords der menschlichen Zivilisation ist denkbar geworden, durch die Hochrüstung genauso wie durch die ungelösten sozialen und ökologischen Krisen. Unsere Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen, um Frieden zu schaffen und dauerhaft Abrüstung und Frieden zu verwirklichen. Für eine neue Entspannungspolitik in gesamteuropäischer Perspektive ist eine starke Zivilgesellschaft notwendig, nicht Spaltung und Ausgrenzung und schon gar nicht ein neuer Nationalismus. Das Friedensprojekt eines zivilen Europas muss nach wie vor zum Vorbild für andere Weltregionen werden. Verantwortung übernehmen heißt deshalb: abrüsten statt aufrüsten. Im November 1980 wurde der Krefelder Appell vorgestellt, mehr als fünf Millionen BundesbürgerInnen haben ihn unterstützt. Damals lehnte die Friedensbewegung die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa ab. Das fordern wir auch heute. In erster Linie wenden wir uns gegen das Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische Ziele auszugeben.
Kein Rüstungsexport an Krisenregionen
Wir fordern eine neue Friedens- und Entspannungspolitik, ein System gemeinsamer Sicherheit und kontrollierter Abrüstung. Der Rüstungsexport an Krisenregionen, an kriegsführende Staaten und an diktatorische oder autokratische Regime muss schnellstmöglich beendet werden. Die Bundeswehr darf nicht mit bewaffneten Drohnen ausgestattet werden. Wir wollen ein atomwaffenfreies Deutschland und sprechen uns für eine weltweite Ächtung autonomer Waffensysteme aus. Das Gebot der Stunde lautet: Investitionen in die soziale und ökologische Gestaltung der Transformation – in Hochschulen, Schulen und Kitas, in den sozialen Wohnungsbau, in die öffentliche Infrastruktur, in mehr soziale Sicherheit und in den Klimaschutz und eine ökologische Kreislaufwirtschaft. Denn wer den Frieden will, muss für den Frieden kämpfen.
Bundesweiter Aktionstag am 5. Dezember 2020
Wir rufen auf zum bundesweiten Aktionstag für „Abrüstung und neue Entspannungspolitik“ am 5. Dezember 2020.
Weitere Informationen im Internet:
Mitmachen!Arbeitsausschuss der Initiative „abrüsten stattaufrüsten“Reiner Braun (International Peace Bureau), Barbara Dieckmann (Welthungerhilfe), Thomas Fischer (DGB), Philipp Ingenleuf (Netzwerk Friedenskooperative) Christoph von Lieven (Greenpeace), Michael Müller (Naturfreunde, Staatssekretär a. D.), Willi van Ooyen (Friedensratschlag), Miriam Rapior (BUNDjugend, Fridays for Futures), Uwe Wötzel (Ver.di), Thomas Würdinger (IG Metall), Olaf Zim-mermann. (Deutscher Kulturrat). Frankfurt, den 11. Oktober 2020
Weitere Informationen im Internet:
Broschüre „Für Abrüsten auf die Straße“:
Abrüsten statt Aufrüsten» Für Abrüsten auf die Straße «Herausgeber: » Initiative abrüsten statt aufrüsten, Abrüsten für unsere Zukunft: Wir müssen uns zeigen – überall und mit Nachdruck. Bei keiner anderen existenziellen Frage unserer Zeit ist der Widerspruch so groß zwischen der Bedeutung des Themas und der öffentlichen Aufmerksamkeit, die ihm gewidmet wird, wie bei der Sicherung des Friedens und der Minderung von Kriegsgefahren. Die Spirale der Aufrüstung beschleunigt sich, die Militarisierung der Welt nimmt zu. Abrüsten statt Aufrüsten, 175.000 UNTERSCHRIFTEN. Deshalb müssen wir, die Friedensbewegung, wieder deutlich zeigen, dass wir da sind und wofür wir kämpfen. Überall auf den Straßen und Plätzen der Republik. Wir stehen für ein erweitertes, auch historisch untermauertes Verständnis von Frieden und Sicherheit, das auch soziale und ökologische Sicherheit umfasst.
Wir fordern: Neue Entspannungspolitik jetzt – Webzeitung als PDF-Datei:
Weitere Informationen im Internet:
Prantls Blick: Der Anfang einer neuen Friedensbewegung?
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-friedensbewegung-frankfurter-appell-1.5115825
Keine deutschen Waffen mehr in den Händen von Kindersoldaten, keine Rüstungsexporte in Konfliktländer: 40 Jahre nach dem Krefelder Appell will der Frankfurter Appell die Abrüstung wieder voranbringen.
Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl
Leider keine rechtsverbindlichen Regeln
Auf dem Papier steht Deutschland vorzüglich da. Auf dem Papier gibt es in der Bundesrepublik viele politische Grundsätze und Richtlinien zur Kontrolle von deutschen Rüstungsexporten. Einige dieser Grundsätze sind relativ neu. Sie lesen sich sehr gut; sie sind aber nicht gut, weil es sich nicht um rechtsverbindliche Regeln handelt.
Lockeres Gesetz
Unter das strenge Kriegswaffenkontrollgesetz fällt nur ein kleiner Teil der Rüstungsgüter; die große Mehrheit der Rüstungsgüter fällt unter das Außenwirtschaftsgesetz. Pistolen, Revolver und die meisten Gewehrmodelle („Kleinwaffen“ genannt) werden nach diesem vergleichsweise lockeren Gesetz behandelt. In den „Politischen Grundsätzen“ der Bundesregierung von 2019 wird dazu ausgeführt, dass es ein übergeordnetes Ziel der staatlichen Rüstungsexportpolitik sei, das Risiko der Weiterverbreitung dieser sogenannten Kleinwaffen und der leichten Waffen zu minimieren.
Löchrigkeit und Halbherzigkeit
Es wäre schön, wenn es so wäre; es ist aber nicht so. Die genannten Grundsätze können von der Bundesregierung und von den Rüstungsfirmen ohne rechtliches Risiko ignoriert werden. In Wirklichkeit ähnelt das deutsche Konstrukt der Rüstungskontrolle daher nach wie vor einem Schweizer Käse. Opfer der alten Löchrigkeit und der neuen Halbherzigkeit sind Menschen wie Innocent Opwonya aus Uganda. Er war noch keine zehn Jahre alt, als er als Kindersoldat rekrutiert wurde. Die Waffe, mit der er kämpfen musste, war ein deutsches Sturmgewehr.
Als Kind entführt
Innocent Opwonya berichtet heute, Jahre später, so darüber: „Als mein zehnter Geburtstag nahte, trat der Teufel über meine Türschwelle. Ich wurde nachts von der Lord’s Resistance Army entführt und zu einem ihrer Verstecke in der Darfur-Region im heutigen Südsudan gebracht. Ich war noch so jung und musste mit ansehen, wie mein Vater direkt vor meinen Augen erschossen wurde, als er versuchte, mir zu helfen. Ich hatte keine Alternative, ich musste eine Waffe in die Hand nehmen und um mein Überleben kämpfen. Die Waffe, die ich von den Rebellen bekam, war ein deutsches G-3-Sturmgewehr.“
Deutsche Waffen für Kinderrechtsverletzer
Die Studie, welche die beiden Hilfsorganisationen Brot für die Welt und Terres des Hommes soeben dazu vorgelegt haben, heißt: „Kleinwaffen in kleinen Händen“; der Untertitel: „Deutsche Rüstungsexporte verletzen Kinderrechte“. Darin geht es vor allem um die Rüstungsexporte, die schwere Verletzungen von Kinderrechten begünstigen.
Es ist dies eine sehr brisante Studie, weil sich Deutschland als treibende Kraft sieht bei den Bemühungen zum Schutz von Kindern in Konfliktregionen – und sich etwas darauf zugutehält. Die Studie sieht das anders: Sie zeigt auf, welche fatalen Auswirkungen bewaffnete Gewalt in Krisengebieten auf Kinder und Jugendliche hat; und sie legt dar, dass fast alle Staaten, denen von den Vereinten Nationen schwere Kinderrechtsverletzungen vorgeworfen werden, seit 2014 deutsche Waffen erhalten haben. Das ist das Fazit vom Autor der Studie, Christopher Steinmetz, vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit. (…)
Link zum ganzen Artikel von Heribert Prantl auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung:
https://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-friedensbewegung-frankfurter-appell-1.5115825