„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden sechsunddreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XXXVI Werk
… „Ach was! Das ist ja eine interessante Neuigkeit. Wann lernen wir die Kandidatin dann kennen?“, meinte Heiner fragend, und setzte erfreut hinzu: „Und zu welcher Partei gehört sie? Ist deine Violetta vielleicht eine Aktivistin bei >Team Freiheit<? Dieser neuen wirkungsvollen Größe im demokratischen Geschehen.“
Zwiespalt
Hier griff Carl jedoch ein, und nahm das Gespräch mit Paul wieder auf: „Warte Heiner, zuerst nochmal zurück, zu dem was dich berückt Paul: Was ist denn eigentlich bei dir los?“ Etwas unwillig fing der so gefragte, dann an sich auf sein Dilemma zu besinnen: Paul Malibo wollte seine Tochter Gislène derzeit auf gar keinen Fall, und für mehrere Wochen, ohne seine Aufsicht lassen. Deswegen stand er vor weiteren unlösbaren Problemen. Die Söhne handelten nicht mehr in der Art und Weise, wie er es für richtig hielt. Daher traute er ihnen ein Eingreifen in Afrika, in seinem Sinne, gar nicht erst zu. Diese Unvereinbarkeit trieb ihn in einen inneren Zweispalt, den er selbst seinen Freunden nicht erklären konnte. „Bei uns hat die Familie einen anderen Stellenwert als bei euch“, grenzte er sich unerwartet überheblich ab. „Ich als Sippenoberhaupt, habe sehr viele Kinder“, schloss Paul dann seine Rede ab. Heiner und Carl schauten sich fragend an und konnten sich keinen Reim auf diese Worte machen. Sie warteten ab, ob der Freund sich noch weiter äußern würde.
Überleben sichern
„Hast Du finanzielle Sorgen?“, fragte Carl dann nach. Ihm war klar, dass Paul – wie die meisten Migranten – umfangreiche monetäre Verpflichtungen zu erfüllen hatte. Er würde sicherlich Devisen in seine Heimat transferieren, um den Seinen das Überleben zu sichern. Über diese gezielte Frage, welche die Umstände von Pauls Zwängen exakt traf, war dieser so verblüfft, dass er mit „Ja“, antwortete. „Können wir dir helfen?“, legte Carl mit einer weiteren Frage nach. „Nein“, antwortet Paul ablehnend, der nun aber nicht mehr zurückrudern konnte. Daher sah er sich gezwungen, den Freunden wenigstens die Umstände grob zu erläutern. „Ich habe, wegen der Unsicherheit wann ich wiederkommen würde, beim letzten Besuch meinem jüngeren Bruder mehrere tausend Euro gegeben. Und gestern hat mir meine Schwägerin am Telefon erklärt, dass er kurz nach meiner Abreise irgendwo in der Stadt verschwunden sei.“ Besorgt fragte nun Heiner: „Ist ihm womöglich etwas passiert?“ Da senkte Paul beschämt den Kopf und meinte: „Er hat das Geld mitgenommen.“ „Und hat es für ein Lotterleben ausgegeben und nicht für die Familie, wie du ihm das aufgetragen hast“, stellte Carl dann unmissverständlich fest. „Ja“, kam es leise von Paul. „Mein Bruder hat keinerlei Vorstellung davon wie schwer es ist, sich hier in Europa alleine die eigene Existenz zu sichern und Geld zu verdienen. Eine Summe, die ich hier gerade noch erübrigen kann, bedeutet aber für ihn dort, einen unvorstellbaren Reichtum. Er denkt sich einfach, dass da ja jederzeit Nachschub kommt. Außerdem hatte er es schon lange satt, sich an meiner Stelle immer um alles zu kümmern. Derart viel Geld auf einmal in der Hand zu haben, hat ihn auf dumme Gedanken gebracht.“
Ungläubiges Schweigen
„Was macht jetzt die Familie ohne das Geld? Deine finanzkräftige Unterstützung war doch bestimmt für sehr wichtige Ausgaben gedacht?“, fragte Heiner. Paul gab keine Antwort mehr. Nach einer Weile beendete er dann das Thema mit den Worten: „Er wird es mir sicherlich irgendwann zurückgeben.“ Ungläubig schwiegen Carl und Heiner sich dazu aus. Wortlos gingen sie im Gänsemarsch weiter über die begehbare Mauer hinweg. Am Ende gab es den mächtigen Überlauf und den breiten Graben als sichtbare technische Bauten zum organisierten Ablauf des überschüssigen Wassers aus dem See zu bestaunen. Dann konnte Carl wiederum seine Neugierde nicht mehr bezähmen und fragte Paul: „Was sagt eigentlich deine Violetta dazu?“ Nachdem Paul weiterhin schwieg, blieb Carl nichts anderes mehr übrig, als die abwehrende Haltung des Freundes zu akzeptieren. Im Stillen vermutete er aber, dass Paul sich seiner Freundin gegenüber letztlich genauso verhalten würde, wie jetzt im Freundeskreis. Nach seiner Erfahrung war schweigendes Aussitzen zwar eine oft gewählte Möglichkeit in Konflikten – diese passive Art der Kommunikation wirkte jedoch genau dort destruktiv, wo es dringend konstruktive Lösungen von Problemen braucht.
Landtagswahl
Bei dem in den See ragenden Überlauf, nimmt das Wasser der Linach, für Betrachter unsichtbar, in einem unterirdischen Stollen ihren Weg in Richtung Krafthaus. Der Weg der drei Freunde, ging nun in abwärtsgewandten Serpentinen zur Talseite der Staumauer. Dort unten wurde vor der eindrucksvollen Mauerkulisse jeden Sommer Theater gespielt und es fanden viele andere illustre Vergnügungen, wie Konzerte und Kleinkunst statt. Da Paul weiterhin schwieg, spann Carl mit Heiner zusammen den Faden zu einem Brief an die Kandidaten zur Wahl des baden-württembergischen Landtags weiter. „Ich habe alle E-Mailadressen der einzelnen Kandidaten und die der Fraktionen beisammen“, meinte Heiner. „Sobald der vorgeschlagene Text vollends überarbeitet ist und wir einen oder zwei Ortstermine im Freien anvisiert haben, können die Anfragen abgesandt werden.“ „Und wie sieht es mit der örtlichen Presse aus?“, fragte Carl. „Der >Schwarzwälder Bote< wird auf unsere Kandidatenbefragung hinweisen und je nach Resonanz mit inhaltlichen Artikeln etwas schreiben.“
Team-Freiheit-Quellenland-Partei
Als die drei Freunde auf der Höhe des Venturihauses den Schwanenbach überquerten, tauschten sich Paul und Heiner über die Gründung und den Sinn und Zweck von Parteien aus. Vor mehr als vierzig Jahren war Heiner seinerzeit bei der GRÜNEN-Gründung dabei gewesen. Paul musste sich nun, angeregt durch Violetta, intensiv mit dem deutschen Parteisystem auseinandersetzen. Sie hatte nämlich nicht nur vor, den derzeitigen Bürgermeister im oberen Bregtal abzulösen, sondern sie war zudem dabei eine Team-Freiheit-Quellenland-Partei zu gründen. Carl nützte diese Zeit, um den Bericht von Findus abermals zu überdenken. Er freute sich auf Paula. Morgen Nachmittag würde sie ankommen und er hatte sich erkundigt was es im fürstlich-fürstenbergischen Donaustädtchen zu sehen gab. Nachdem man sich auch dort >karinabedingt< gänzlich kunst- und kulturlos gab, wären da nur noch die neckisch gestaltete Donauquelle und Arrangements moderner Objekte im Schlosspark zu sehen, und im selben Zug die junge Donau, beim neu gestalteten Zusammenfluss von Brigach und Breg, zu besichtigen. Alles im Freien – fasste Carl skeptisch zusammen und betrachtete den Himmel – daran hätte seine geliebte Paula sicherlich nur eine Freude sofern es nicht regnet … Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
Neue Partei: https://team-freiheit.net/
https://www.youtube.com/watch?v=JkJyIpSAUIg
Linachkraftwerk: https://de.wikipedia.org/wiki/Venturi-D%C3%BCse
Wahlomat: https://wahlomat.co/landtagswahl-baden-wuerttemberg-bw/
Devisen und Transfers:
https://de.wikipedia.org/wiki/Devisen
https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCck%C3%BCberweisung_%28Migranten%29 https://www.kla.tv/17962
Kunst, Kultur und Natur an der Donau: https://www.youtube.com/watch?v=DirL4RI1448
https://www.donaueschingen.de/erlebnisfuehrungen/maerchen
https://www.museum-art-plus.com/