Irgendwo in Hohenlohe – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden siebenundvierzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XLVII Erben
… genüsslich verspeisten Paula und Carl die Mohrenköpfe und tranken dazu Kaffee. Sie sprachen dabei lediglich belanglos über das derzeitige herrliche Wetter und wie schön doch jetzt in der Natur wieder alles blühte und grünte. Ohne sich darüber abgesprochen zu haben, erwähnte keiner von beiden die vergangenen Ereignisse. Es war zwischen ihnen, als müssten sie sich jetzt erst einmal von den belastenden Zusammenhängen erholen und neue Kräfte für die nächste Wahrheitsetappe sammeln. Paula holte zwei Flaschen Sprudel, ein stilles Wasser und Gläser und fragte Carl, ob er einen Tee wolle. Als dieser verneinte, öffnete sie als Wegzehrung zum ungestörten Fortgang ihrer Unterhaltung noch die besonderen Kekspackungen, leerte aus jeder etwas in eine Schüssel und stellte diese auf den Tisch. Carl trug das Kaffeegeschirr zum Ablauf neben dem Küchenbüffet im Büro. Dann machte er es sich im Atelier auf
dem Zweisitzer, neben dem Lieblingsschlafplatz von Muller, gemütlich.
Treu beistehen
Als Paula sich auf ihrem Platz eingefunden hatte, ergriff Carl wieder das Wort: „Ich gedachte dir treu beizustehen, aber ich habe mich überschätzt. Und es passierten unverhofft Dinge, die ich, als ich den Vorverkaufsvertrag aufsetzte, nicht in Betracht zog. Es schien damals alles kontrollierbar zu sein und auf einmal überholten mich die Geschehnisse“ – „So wie der plötzliche Tod meines Onkels?“ fragte Paula unvermittelt dazwischen. „Ja,“ antwortete Carl, „aber warte, ich muss nochmals zurück, es war schon vor dem Tod deines Onkels Ewald erheblich schwieriger für mich geworden.“
Carl überlegte eine Weile, dann hob er zu einer längeren Rede an:
„Schneider machte sich stets über deine Naivität lustig, zu glauben, als kleine Handwerkerin so ein Projekt durchziehen zu können, wo ganz andere Renditen mit diesem Objekt möglich gewesen wären. Trotzdem unterrichtete er mich laufend darüber, was man gegen dich im Schild führte. Es gefiel ihm, dass ich für Sand im Getriebe der Machenschaften sorgte. Einmal äußerte Schneider sich sogar voller Respekt zu deiner Rolle als Widersacherin. Und ich gedachte als Gegenleistung für seine kleinen Hilfen, den Vertrag quasi >vorderscheingerecht< zu gestalten. Ich war mir sicher, dass das Vorkaufsrecht nicht gegen dich eingesetzt werden würde, also
nur dazu diente, diesen nimmersatten Kerl zu beruhigen. Balduin Vorderschein konnte ja immer mit der Hilfe seiner Frau rechnen, wenn er etwas erreichen wollte. Und es gab doch noch genug anderes altes Gemäuer in der Stadt.“
Sulferturm in Beschlag genommen
Paula ergänzte stirnrunzelnd: „Ja, aber du hast den Wert hier am Steinernen Steg damals unterschätzt und du hast Frau Vorderschein und ihre Herkunftsfamilie vergessen – diese waren wohl stark an einem Besitz direkt am Kocher interessiert. Und Balduin betonte mir gegenüber immer, dass seine Heike ja so gern wieder einen Laden betreiben würde, und am liebsten mitten in der Stadt. Und wie ganz und gar ungeeignet für mich diese Räume mit den niedrigen Decken doch seien … “. Paula bekam einen verbissenen Gesichtsausdruck: „Der Vorderschein wollte unbedingt eines der ältesten Denkmäler in der Innenstadt für sich reserviert haben – oder ist es dir entgangen dass, als ihm hier der Zugriff genommen war, er da vorne dann kurz darauf das ehrwürdige Haalamt samt Sulferturm in Beschlag nehmen konnte?“
Auf Karriere fixiert
„Jaja, der Vorderschein beschwatzte die Leute halt zu gern mit seinen einfältigen Weisheiten.“ Carl ging aber nicht weiter auf Paulas Einwendung ein und nahm den Faden zum vorigen Thema wieder auf: „Also, mitten in diesen zähen Verhandlungen zwischen den Vorständen des Kreditinstitutes und Vorderschein, wurde mein Freund Norbert sterbenskrank. Er war der Einzige, über den ich wenigstens etwas Einfluss auf das Geschäftsgebaren dir gegenüber nehmen konnte.“ Und er schaute Paula bei diesen Worten eindringlich an. „Du erinnerst dich hoffentlich daran, wie oft ich für dich eingegriffen habe! Aber mit seinem schnellen Tod verlor ich dann nicht nur einen Freund, sondern damit auch das Gewicht, das ich für dich in die Waagschale legen konnte.“ Erst nach einer Pause konnte Carl weitersprechen: „Bei seinem Nachfolger Dreist, dem geborenen Bäuerle, den sie ja schon vor Norberts Tod begonnen hatten auf dich anzusetzen, hatte ich keinen Stein im Brett. Dreist war auf seine Karriere fixiert. Somit waren auf einmal alle Möglichkeiten dir beizustehen verloren.“
Unwiederbringlich verloren
Carl Eugen Friedner schwieg, es fiel ihm schwer, diese Niederlage einzugestehen. Er war damals – entgegen seinem souveränen Auftreten gegenüber Paula – nämlich handlungsunfähig geworden. „Ich verschwieg es dir, damit du dich nicht aufregst, und ich war obendrein zu feige, meine Fehleinschätzung zuzugeben.“ Carl nahm sich ein Glas Wasser und knusperte an einem Keks bevor er weitersprach. „Und als dann dein Onkel Ewald in die verzwickte Sachlage eingriff, schien auf einmal alles bestens geregelt zu werden. Es war fünf vor Zwölf als Vorderschein hinter verschlossener Tür zum Verzicht gezwungen und die Übernahmeverträge mit Ewald Bündner unterzeichnet wurden. Dass der Onkel dann noch am selben Abend verstarb, war wie bei Norberts Tod ein schockierendes und niederschmetterndes Unglück für mich. Die Möglichkeit, dich noch rechtsgültig als alleinige Erbin für den von ihm erworbenen
Hausteil festzulegen, war damit unwiederbringlich verloren.“ Tief berührt von der Erinnerung an die damaligen Geschehnisse wendete Carl seinen Blick von Paula ab und zum Fenster hinaus auf die im Wind wogenden Lindenbäume.
Immer weggelaufen
Paulas Groll auf die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war, brach langsam aber sicher zusammen. Sie hatte seither noch nie die Geschichte aus seiner Sicht betrachtet, war immer nur von ihrer eigenen Betroffenheit ausgegangen. Nun war sie erschüttert von seinen Worten und Paula zeigte ihre erwachende Bereitschaft, einzulenken: „Wir hätten so oder so mehr miteinander reden sollen – es war auch mein Fehler, immer wegzulaufen und dich mit allen Problemen alleine zu lassen … Fortsetzung folgt.
Hat jemand auch schon eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gern an die Autorin wenden.
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