1,4 Millionen, 2,7 Millionen, 2,8 Millionen, aktuell 3,0 Millionen Euro: das ist die Kostensteigerung innerhalb eines einzigen Jahres für das geplante neue Feuerwehrmagazin in Kirchberg an der Jagst . Dabei wurde bisher noch kein Schubkarren Erde bewegt. Die Kosten laufen völlig aus dem Ruder.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Mehrkosten verheimlicht
Zuletzt stieg die städtische Kostenschätzung wegen des instabilen Baugrunds um rund 200.000 Euro. Grundlage dafür ist ein Bodengutachten, das Bürgermeister Stefan Ohr seit März 2015 vorliegt. Von zu erwartenden Mehrkosten hat er die Stadträte aber erst Ende November 2015 informiert. Über ein halbes Jahr nachdem ihm und der Stadtverwaltung das Bodengutachten vorlag.
Antrag auf Akteneinsicht gestellt
In der Gemeinderatssitzung am 14. Dezember 2015 versuchte Bürgermeister Ohr vor allem Schaden von sich abzuwenden. Es wurden rhetorische Nebelkerzen gezündet und ungeprüfte Zahlen eines Interessenvertreters präsentiert, der sich von Beginn der Magazinplanungen an für den Standort „In der Au“ stark gemacht hatte. Überhaupt nicht dargestellt wurden vom Stellvertretenden Kommandanten der Gesamtfeuerwehr Kirchberg die mit Sicherheit geringeren Kosten am besten Alternativstandort, beim aktuellen Feuerwehrmagazin und der bald frei werdenden Fläche bei der Firma Häsele. Nach eigenen Aussagen hatte Bürgermeister Ohr aus dem Bodengutachten für den Standort „In der Au“ nicht herauslesen können, dass bei der Fundamentierung mit Mehrkosten zu rechnen ist. Andere Personen, die das Gutachten einsehen konnten, sehen das anders. Ein Antrag auf Akteneinsicht seitens der Kirchberger Bürgerschaft läuft.
Die ganze Geschichte im Überblick:
1,4 Millionen Euro: Das war die erste Kostenschätzung der Stadtverwaltung Kirchberg für das neue Feuerwehrmagazin „In der Au“. Auf Grundlage dieser genannten Bausumme gab die Mehrheit der Kirchberger Stadträte Ende 2014 ihren Segen zu dem Neubau im Landschaftsschutzgebiet am Fuße des Sophienberges. Bei einigen Stadträten und vielen Bürgern war der geplante Standort von Beginn an auf starken Widerstand gestoßen. Rund 500 Unterschriften wurden innerhalb kurzer Zeit gesammelt. Im Gemeinderat stimmte zunächst nur die UGL-Fraktion gegen den Standort „In der Au“.
Verdopplung der Kosten über den Jahreswechsel
Bereits im Januar 2015 wartete Bürgermeister Stefan Ohr mit einer faustdicken Überraschung auf. Über den Jahreswechsel 2014/2015 hatte sich die einzuplanende Bausumme schlagartig fast verdoppelt. 2,7 Millionen Euro sollte das Magazin plötzlich kosten. Erstes Rumoren bei einigen Kirchberger Stadträten. Da der Kaufpreis für das Grundstück nicht einberechnet war, kamen noch einmal rund 100.000 Euro obendrauf – also 2,8 Millionen. Das entspricht genau dem Doppelten der Summe, zu der die Kirchberger Stadtparlamentarier Ende 2014 noch glaubten, ein komplettes, neues, zentral gelegenes Feuerwehrmagazin für Kirchberg und die Teilorte Lendsiedel, Gaggstatt und Hornberg zu bekommen. Aber nur die Mitglieder UGL-Fraktion im Gemeinderat und Max Botsch (26) von den Aktiven Bürgern (AB) sagten Nein zu dieser explosionsartigen Kostensteigerung „über Neujahr“.
Unwägbarkeiten des Schwemmlandes
Seit Frühjahr 2015 war es dann wegen des umstrittenen Feuerwehrdomizils ruhig geworden. Bis Bürgermeister Stefan Ohr im November 2015 den Mitgliedern des Technischen Ausschusses (TA) der Stadt von einer weiteren Kostensteigerung von rund 200.000 Euro berichtete. Das Feuerwehrgebäude kostet inzwischen also satte drei Millionen Euro. Da fiel manchem Stadtrat die Kinnlade runter. Die Bedenken mehren sich, dass die drei Millionen noch nicht das Ende der Kostensteigerungen sein werden. Zu unsicher und unwägbar ist der Baugrund im Schwemmland des ehemaligen Jagstlaufs.
Bürgermeister Ohr gibt sich überrascht
Der Untergrund in der Au sei nicht stabil genug, um ein solches Bauwerk ohne weitere Sicherungsmaßnahmen errichten zu können, hatte der Bürgermeister den TA-Mitgliedern erklärt. Etwa zehn Meter lange Betonstützpfeiler müssten in den Boden eingebaut werden, um das Schwemmland des ehemaligen Jagstlaufs bausicher zu machen. Der Schultes berichtete den Mitgliedern des Technischen Ausschusses weiter, wie überraschend die eingetretene Entwicklung auch für ihn selbst gewesen sei. „Ich habe erst vor sechs Stunden davon erfahren“, erklärte er in der öffentlichen TA-Sitzung.
Bodengutachten den Stadträten monatelang vorenthalten
In der Gemeinderatssitzung zwölf Tage später, am Dienstag, 1. Dezember 2015, gab es eine weitere Überraschung. Es stellte sich heraus, dass die Aussage des Bürgermeisters ganz und gar nicht der Wahrheit entsprechen kann. Ohr räumte auf Nachfrage des UGL-Stadtrats Robert Schmid-Denkler kleinlaut ein, dass ihm ein entsprechendes Bodengutachten bereits seit März oder April 2015 vorliege. Dieses Gutachten hat Ohr dem Gemeinderat über ein halbes Jahr lang verschwiegen. Einige der Stadträte fühlten sich düpiert und forderten für die nächste öffentliche Gemeinderatssitzung am Montag, 14. Dezember 2015, eine offene Aussprache und Diskussion über den Standort und die Kostenentwicklung des neuen Feuerwehrmagazins. Einer von ihnen war der UWV-Stadtrat und Kommandant der Kirchberger Gesamtfeuerwehr, Gerhard Stahl aus Gaggstatt – bisher ein maßgeblicher Verfechter des Au-Standorts. Bürgermeister Ohr sträubte sich vehement dagegen, diese Diskussion bei der nächsten Gemeinderatssitzung führen zu müssen.
Bessere Standortalternative ist vorhanden
Dabei gibt es in Kirchberg seit Monaten die sichere Aussicht auf einen viel besser geeigneten Platz für ein neues Feuerwehrgebäude. Ende Dezember 2015 schließt die Baustoffhandlung Häsele ihr Lager und ihren Laden in Kirchberg. Das Grundstück liegt unmittelbar neben dem bisherigen Kirchberger Feuerwehrmagazin. Und: Die Stadt Kirchberg hat ein Vorkaufsrecht für das Grundstück. Es wäre also Platz genug für eine preiswerte Erweiterung des bisherigen Feuerwehrmagazins vorhanden. Es fehlt nur noch der Mut des Gemeinderats und der Stadtverwaltung, den bisher geplanten falschen Standort aufzugeben und einen Neuanfang zu wagen.
Weiterer Anfahrtsweg zu den meisten Gebäuden
Wird ein Neubau überhaupt gebraucht? Dies ist ebenfalls fraglich. In Lendsiedel gibt es ein fast noch neuwertiges Feuerwehrmagazin mit Schulungsraum, in Gaggstatt ein vor einigen Jahren grundlegend saniertes. Neben dem Gaggstatter Gebäude ist auch noch Platz für eine eventuell notwendige zusätzliche Fahrzeuggarage. Der Vorteil von zwei Magazinstandorten, statt einem: Die Feuerwehrleute wären schneller an ihren Fahrzeugen und könnten früher ausrücken, sind also schneller am Einsatzort. Und: Die Baukosten wären nur ein Bruchteil von denen eines Neubaus. Gegen den Standort in Kirchberg-Tal spricht auch die Lage der meisten Gebäude in der Gemeinde. Das Schloss, das Altenheim, die Schulen, die Kindergärten, die Gewerbegebiete, die größten Wohngebiete (Windshöhe und Lendsiedel), das Landhotel liegen alle auf dem Berg oder der Hochebene – also näher am derzeitigen Kirchberger Magazinstandort. Außerdem ist die Ausfahrt der Einsatzfahrzeuge vom Standort „In der Au“ auf die Landesstraße 1040 wegen schlechter Sicht bergaufwärts und oft schnell bergab fahrender Autos gefährlich. Wenn die Fahrzeuge bei einem Einsatz zunächst bergaufwärts fahren müssen, verlieren sie wegen der enormen Steigung zunächst viel Zeit.
Noch einige Feuerwehrleute werden aufhören
Zu bedenken ist ebenso, dass die Entwicklung bei den aktiven Feuerwehrmitgliedern nicht nur wegen des demografischen Wandels rückläufig ist. Schon jetzt arbeiten viele Feuerwehrleute auswärts. Vor einigen Monaten war die Zahl der aktiven Feuerwehrleute im Gemeindegebiet Kirchberg auf einem so niedrigen Stand, dass für den Betrieb des geplanten Magazins „In der Au“ nicht einmal genügend Aktive vorhanden gewesen wären. Die erforderliche Zahl an aktiven Feuerwehrleuten liegt beim Neubau „In der Au“ laut Stadtverwaltung bei 85. Bei Bekanntgabe dieser Zahl gab es in der Gesamtgemeinde Kirchberg auf dem Papier nur noch 82 aktive Floriansjünger. Mit Sicherheit wird diese Zahl weiter sinken, wenn die Teilortwehren aufgelöst werden und die Feuerwehrleute ihren Dienst zentral in Kirchberg leisten müssen. Den weiteren Weg zur Übung oder zur Schulung wollen nicht alle aktuellen Aktiven auf sich nehmen. Da wird es einen weiteren Schwund geben. Wenn die soziale und kulturelle Funktion der Feuerwehren in den Teilorten wegfällt, werden noch einige Feuerwehrleute ihren Dienst quittieren. Dann rückt die notwendige Mindestzahl an Aktiven in unerreichbare Ferne.
Es läuft auf Berufsfeuerwehren hinaus
In absehbarer Zeit wird es ohnehin darauf hinauslaufen, dass auch in Hohenlohe die wichtigen Aufgaben „Retten, Löschen, Bergen, Schützen“ von Berufsfeuerwehren oder von Stützpunktfeuerwehren übernommen werden. Die wenigen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren werden dann – wenn überhaupt – vielleicht noch zu Räumarbeiten oder Sicherungsarbeiten am Unglücksort gebraucht. Wegen seiner topografischen Lage wird Kirchberg/Jagst sicher kein Standort für eine solche Berufsfeuerwehr in der Region werden. Crailsheim, Ilshofen, Blaufelden oder Schrozberg sind dafür deutlich besser geeignet. Das Horrorszenario wäre: Kirchberg baut ein extrem überteuertes Feuerwehrmagazin, das einige Jahre nach der Fertigstellung leer steht. Eine Millionen Euro teure Bauruine im Landschaftsschutzgebiet „In der Au“. Das wäre ein echter Schildbürgerstreich.
Sinnlose Eile
Was nüchterne Betrachter nicht verstehen, ist die übertriebene und unnötige Eile mit der Bürgermeister Ohr den Magazinneubau in Kirchberg vorangetrieben hat. Der Mehrheit der Stadträte ist gleichzeitig vorzuwerfen, dass sie in Sitzungen zwar auf die mangelhafte Informationslage hingewiesen haben, aber die notwendigen Informationen nicht einforderten. Wenn es an die Abstimmungen ging, nickte die Mehrheit der Stadträte den Bürgermeister-Eilkurs einfach ab.
Neuen Standort wählen
Um die angeblichen rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, würde ein Neubau bis zum Jahr 2025 genügen. Während andere Kommunen bewusst und gelassen abwarten, wohin die Entwicklung bei den Feuerwehren tatsächlich geht, drückte Kirchbergs Bürgermeister Ohr in den vergangenen Monaten sinnlos aufs Gaspedal – und eine Mehrheit der Kirchberger Stadträte raste bis zur Sitzung am Dienstag, 1. Dezember 2015, genau so sinnlos mit. Jetzt gilt es, behutsam aufs Bremspedal zu drücken, einen besser geeigneten Alternativstandort zu wählen oder den Neubau ganz bleiben zu lassen. Ich hoffe, die Verantwortlichen im Gemeinderat und der Stadtverwaltung haben den Mut dazu.