„Irgendwo in Hohenlohe“ – eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich. Der Episoden vierunddreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XXXIV Geltung
… Paula lächelte bei der Erinnerung an ihre erste Begegnung. Auch sie erinnerte sich an seine Frage, auf die er, wie sie damals vermutete, eigentlich gar keine konkrete Antwort wollte. Carl wollte wissen, wer sie war und es fiel ihm auf Anhieb, als unverbindlicher Gesprächsanfang, eben nur der Bezug zur Veranstaltung ein. Und er hatte den rechten Ton getroffen, Paula freute sich, auf diese Art von dem fremden Anzugträger angesprochen zu werden. Sie war von seiner wohlklingenden Stimme angetan und die wenigen Worte ließen deutlich auf die Hohenloher Herkunft schließen. Seine deutlichen Fragestellungen bezeugten sein aufrichtiges Interesse an ihr. Gleichzeitig ließ er ihr damit aber noch genug Spielraum, den Gesprächsfaden in ihrer Art aufzunehmen und weiterzuspinnen.
Recht nobel
Carl Eugen Friedner wirkte im dunklen Anzug mit perfekt gebundener Krawatte recht nobel und Paula fand ihn sofort äußerst sympathisch. Sein gewinnendes Lächeln und die eigenwilligen kleinen Löckchen auf seinem Kopf amüsierten Paula. Carls warme und herzliche Ausstrahlung paarte sich angenehm mit der zur Rundlichkeit neigenden Körperfülle. Paula fühlte sich bei dieser ersten Begegnung sofort zu ihm hingezogen. Sie konnte es schier nicht fassen – das wohlige Gefühl in seiner Nähe war, über die vielen Jahre und alle furchtbaren Geschehnisse hinweg das selbe geblieben. Auch jetzt fühlte sie sich neben ihm einfach wohl, es war ein angenehmes Gefühl in seiner Nähe zu sein. Und seine Worte taten ihr heute, wie damals, gut. Als sie sich aber ihrer aufkommenden Zuneigung bewusst wurde, rief sie sich augenblicklich zur Ordnung, schließlich hatte er nicht verhindern können, dass sie um einen guten Teil ihres Erbes gebracht wurde. Paula konnte und wollte diesen, für sie immer noch fragwürdigen Umstand auf keinen Fall hintenan stellen. Jetzt waren sie schon zwei Stunden miteinander unterwegs und er hatte sich immer noch nicht konkret zu den Geschehnissen hinter den Kulissen geäußert.
„Schönmehlgeschwätz“
Paula Engel rückte ein gutes Stück von ihm ab. Ihr Blick wurde hart, dann wandte sie sich Carl zu und fuhr ihn an: „Und? Wie sieht es heute mit deinem Erinnerungsvermögen aus?“ Und nach einer kurzen Atempause hub sie erneut an: „Wann willst du mir endlich reinen Wein einschenken?“ Carl hatte nicht mit diesem frontalen Angriff gerechnet und war betroffen über Paulas unverblümte Fragen. Gedachte er doch, zuerst das gute alte Verhältnis zwischen ihnen in Erinnerung rufen zu wollen. Die schwierigen Worte mit denen die verzwickten Umstände dann zu besprechen wären, würden noch bald genug benannt werden müssen. Er war sich ziemlich sicher, dass Paula ihm von nun an jedes weitere freundliche Wort als „Schönmehlgeschwätz*“ auslegen würde.
Vergangene Zuneigung
Warum konnte Paula die Erinnerungen an den wunderbaren Moment ihrer ersten Begegnung nicht mit ihm zusammen genießen? Und jetzt wo sie wieder zueinander gefunden hatten, erst ein wenig in Harmonie und glücklicher Zweisamkeit mit ihm schwelgen. Warum hing sie derart verbissen gerade an dem so furchtbar misslungenen Teil ihrer gemeinsamen Vergangenheit? Wie würde sie erst reagieren wenn er ihr die Umstände beschreiben würde ? Wo sie jetzt schon so ungehalten war, obwohl er noch gar nichts Konkretes gesagt hatte. Carl war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er Paula die Wahrheit sagen sollte. Sie war ja auch kaum auf seine verbindlichen Worte eingegangen, zeigte so wenig Freude an einem friedlichen Zusammensein, sprach kein Wort von der vergangenen Zuneigung zwischen ihnen, oder ließ gar durchblicken, dass sie ihm immer noch wohlgesonnen war.
Versagt
Würde sie ihn wohl wieder fallen lassen, wenn er die Hintergründe benannt hatte? Wollte sie nur seine Kenntnisse und sonst nichts von ihm wissen? Einzig das entspannte Lächeln, das über ihr Gesicht gehuscht war, ließ ihn auf ihre Freude an der vergangenen Gemeinsamkeit schließen. Doch jetzt war das Lächeln in ihrem Gesicht verschwunden. Paulas Lippen waren bedenklich schmal geworden. Mit gehobenen Augenbrauen blickte sie ihn hart und fordernd an: „Warum hast du mich verraten?“ Carl senkte den Kopf. So schätzte sie es also ein. Es gab nur für oder gegen, sie würde keine Zwischentöne gelten lassen. Unterstellte sie ihm, gar vorsätzlich gegen sie gehandelt zu haben? Er überlegte angestrengt wie er sie beruhigen könnte und sprach leise zu ihr: „Paula, bitte hör mir erst zu, bevor du ein Urteil fällst. Ich habe dich nicht absichtlich verraten, ich habe –“ Carl rang mit sich, aber er sprach weiter: „… ich habe versagt. Ja, und ich konnte dir nicht so helfen wie ich es als dein Berater und Rechtsbeistand und vor allem als dein Freund hätte tun müssen.“
Erleichtert
Nun war es gesagt. Würde sie ihn jetzt einfach stehen lassen? Carl hielt den Blick immer noch gesenkt. Trotz der Angst wie Paula reagieren würde, war er unendlich erleichtert. Ja, er hatte schlicht und einfach versagt. Es war keine Ausrede mehr nötig, Carl war erleichtert. Er hob den Kopf und blickte nun seinerseits Paula fragend an, wie würde sie sein Geständnis aufnehmen ?… Fortsetzung folgt.
Erläuterung:
* Schönmehlgeschwätz, (Scheemählgschwätz):
Redewendung für leere, aber doch schöne Reden ohne konkreten Inhalt, kann sowohl
als lobende Schmeichelei, als auch als taktierende Heuchelei verstanden werden. Es
liegt in der Betonung der Rede, oder dem Eindruck des Hörers, was genau damit
gemeint sein soll.
Wer hat schon einmal eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gern an die Autorin wenden.
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