Irgendwo in Hohenlohe – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreiunddreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XXXIII Kostüme
… er schaute gelangweilt durch den Raum, als sein Blick an einer unauffälligen Frau mit einem Fotoapparat, den sie lässig in der rechten Hand hielt, hängenblieb. Scheinbar ebenso gelangweilt wie er, lehnte sie an der Wand und blickte nichtssagend an den Stuhlreihen entlang. Carl betrachtete die dunkelhaarige Erscheinung, sie trug eine Brille. Ihre Stirn war zwar kaum gerunzelt, aber Carl meinte, ihr anzusehen wie groß ihre Missbilligung war, zu dem was sie erblickte. Ob sie wohl zuhörte?
Stöckeln
Sie und ihr schlichter Aufzug passten so überhaupt nicht zur Veranstaltung. Die wenigen Frauen, die sich damals für die Vortragsreihe interessierten, kamen im unauffälligen Kostüm. Farblose Röcke waren perfekt zu den figurbetonten Jacken geschneidert. Die Gesichter dezent geschminkt und die Haare stets derart gefestigt, dass es keinem einzigen Haar einfallen würde, sich ungebeten aus der Fönfrisur zu lösen. Ihre Handtaschen sorgfältig über der Schulter straff gezogen, stöckelten sie mit den im Ton dazu passenden eleganten Schuhen über das Parkett.
Weder Bluse, noch Pullover
Keine würde sich erlauben, in einer locker sitzenden schwarzen Hose mit einem schlichten und gar nicht auf Taille geschnittenen Oberteil, das weder Bluse, noch Pullover war, zu erscheinen. Es schien elfenbeinfarben in einem floralen Muster gewebt zu sein – und Carl Eugen Friedner fragte sich, wo er diese Frau schon einmal gesehen hatte. Eine Parteigängerin, oder von der Presse? Auch als Mitarbeiterin des gastgebenden Hauses schied sie definitiv aus.
Sie fesselte ihn
Carl Eugen konnte sich nicht erinnern, sie jemals irgendwo gesehen zu haben. Aber etwas an ihr fesselte ihn, machte ihn neugierig. Sie gefiel ihm auf Anhieb. Kurzerhand beschloss er, sie anzusprechen. Der kluge Redner vorne am Pult wollte sowieso kein Ende finden und die heutige Veranstaltung war für seinen Geschmack zu hochtrabend
gestaltet.
Libertär gesonnen
Es handelte sich innerhalb einer Reihe von verschiedenen Veranstaltungen für Betriebsinhaber und Neugründer um Motivation. Angesprochen waren Geschäftsführer selbst und führende Mitarbeiter; gerade mit ihnen zusammen musste man ja den nötigen Umsatz erwirtschaften. Carl konnte sich zwar immer noch nicht entschließen, der veranstaltenden Partei beizutreten, aber seine Loyalität mit den libertär Gesonnenen war ungebrochen. Außerdem traf Carl in diesen Kreisen genau den guten Teil seiner Kundschaft, an dem er künftig gut zu verdienen gedachte.
Eher grüne Heimat
Aus heutiger Sicht waren es zwar die richtigen Schritte für seine Karriere – dass er sein Vorgehen aber irgendwann in Frage stellen, ja bitter bereuen würde, kam ihm damals nicht in den Sinn. Carl blickte Paula ins Gesicht und sagte: „Dort waren halt die Herren mit dem feinen dunklen Zwirn, mit denen musste ich recht schön über Gewinnzuwachs und Steuerersparnisse reden, aber meine innere Einstellung fand bei der neuen grünen Partei eher eine Heimat.“
Seilschaften
Und nach einer Pause fügte er hinzu: „Du weißt, wo ich herkomme und wie sehr ich mich diesem Land, dem Ackerboden hier verpflichtet fühle. Zum Bauer oder Handwerker war ich nicht geeignet, auch wollte ich es zu mehr als nur Anerkennung für solide abgegebene Steuerklärungen bringen. Mich interessierten die Hintergründe, das undurchschaubare Dickicht der politischen und wirtschaftlichen Seilschaften, ich träumte davon, den Halunken das Handwerk legen zu können.“ Und wieder schwieg er eine Weile. „Ich habe mich damals maßlos überschätzt“. Paula sah ihn aus dunkelgrünen Augen an und schwieg. Carl begann zu grinsen: „Und was für eine erfrischende Abwechslung Du damals für mich warst, kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Endlich eine die einfach so ungeschminkt und ohne Tand daherkommt. Aufrecht und unbeteiligt die Reihen mit den gewichtigen Herren und den wenigen Damen maß – ich konnte Dich seit unserer ersten Begegnung nicht mehr vergessen.“
Hochkarätiger Referent
Dann dachte er wieder an den besonderen Tag im Hofhotel zurück und rekapitulierte die Momente, bis er Paula tatsächlich ansprach. Carl konnte sich sowieso schöneres vorstellen als den langen und breiten Ausführungen des sicherlich hochkarätigen Referenten zu lauschen. Kurzentschlossen erhob er sich und ging hinter den Stuhlreihen in Richtung der anderen Seite des Saales. Seine Angewohnheit, möglichst
weit hinten und ganz außen in einer Sitzreihe Platz zu nehmen, kam ihm nun zu pass.
Ideologischer Parteikopf
Aber schon auf dem Weg dorthin sah er, dass die Begehrte nicht mehr da war. Sie konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben, wo war sie hin? Während er seinen Schritt beschleunigte, ließ er unauffällig seinen Blick in die Runde schweifen. Hatte sie Platz genommen? Nein, das konnte nicht sein, dafür hatte sie zu uninteressiert in der Gegend herumgeschaut. Mit einem leichten Schreck kam ihm der Gedanke, dass sie gegangen sein könnte. Falls Sie von der Presse war, wäre ihre Aufgabe nämlich erledigt. Ein einziges Foto vom Hauptredner würde dieser Veranstaltung gerecht werden – den Artikel schreiben würde, wie üblich, allein der ideologische Parteikopf.
Blick ins Leere
Carl fand Paula dann im Freien. Sie lehnte an einem Geländer und blickte ins Leere. Er trat zu ihr. Sie richtete sich auf und wandte sich ihm zu. Er wies mit einem kurzen Neigen des Kopfes zum Saal und fragte: „Und, was meint die Fotografin dazu?“…. Fortsetzung folgt.
Wer hat auch schon eine Immobilie verloren?
Sollte sich jemand aus der geneigten Leserschaft, durch die Beschreibung der Machenschaften daran erinnert fühlen, wie eine Immobilie verloren gegangen ist, können sich diejenigen gern an die Autorin wenden.
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