Schon dass Politiker darüber entscheiden dürfen, welche Lobbyisten im Bundestag ein und aus gehen, ist ein Skandal. Noch skandalöser ist, dass die Öffentlichkeit nicht erfahren soll, wer diese Lobbyisten sind. abgeordnetenwatch.de verklagt deswegen nun den Deutschen Bundestag.
Vom Verein Abgeordnetenwatch
Bundestag lehnte Antrag ab
Die Bundestagsverwaltung weigert sich seit Monaten, uns eine Liste mit Interessenverbänden herauszugeben, die mit Bewilligung der vier Fraktionen einen Bundestagshausausweis erhalten haben – und damit ungehinderten Zugang zu allen Parlamentsgebäuden: Im Juni 2014 lehnte der Bundestag unseren Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz ab, im Oktober wies er unseren Widerspruch zurück.
Es geht um Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD
Genau genommen geht es um die Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD. Welchen Organisationen Grüne und Linke Zugang zum Bundestag verschafft haben, haben sie uns nämlich freiwillig mitgeteilt. Union und SPD aber weigern sich – sie schieben den Datenschutz vor. Unsere Anwältin hat inzwischen eine dreizehnseitige Klageschrift beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Vertreten werden wir von der Berliner Rechtsanwältin Katja Pink, die eine ausgewiesene Expertin in Sachen Informationsfreiheit ist: 2012 erwirkte sie, dass das Kanzleramt die Gästeliste der fragwürdigen Geburtstagsparty von Ex-Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann auf Einladung der Bundeskanzlerin veröffentlichen musste.
Transparenz im Bundestag schaffen
Auch der Prozess gegen den Bundestag wird viele Jahre dauern und mehrere Tausend Euro kosten. Doch davon lassen wir uns nicht abschrecken! Um eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, was uns erwarten könnte: Bis zur Veröffentlichung der Ackermann-Gästeliste benötigte unsere Anwältin insgesamt drei Jahre und zwei Gerichtsinstanzen. Bitte unterstützen Sie uns auf diesem langen Weg. Als Förderin/Förderer halten Sie uns den Rücken frei – gemeinsam mit Ihnen schaffen wir Transparenz im Bundestag!
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Mit herzlichen Grüßen von
Gregor Hackmack, Boris Hekele und dem gesamten abgeordnetenwatch.de-Team
Details über die Hintergründe zu unserer Klage:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/abgeordnetenwatchde-verklagt-den-deutschen-bundestag
abgeordnetenwatch.de verklagt den Deutschen Bundestag
Von Martin Reyher, abgeordnetenwatch.de
Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht
Welche Lobbyisten gehen auf Einladung der Fraktionen im Deutschen Bundestag ein und aus? Weil die Bundestagsverwaltung dazu die Auskunft verweigert, hat abgeordnetenwatch.de Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Es geht insbesondere um die Lobbykontakte der Großen Koalition, die nach dem Willen von Union und SPD geheim bleiben sollen.
Hausausweise sind leicht zu haben
Die Klage hat eine monatelange Vorgeschichte. Im Früjahr 2014 waren wir im Zuge einer Recherche darauf gestoßen, dass Lobbyisten sich durch eine weitgehend unbekannte Regelung Zugang zum Deutschen Bundestag verschaffen können: Nach abgeordnetenwatch.de-Informationen reicht bereits die Unterschrift eines Parlamentarischen Geschäftsführers von Union, SPD, Linke oder Grünen, um als Interessenvertreter einen Hausausweis ausgestellt zu bekommen.
Zugangsberechtigung zu den Räumlichkeiten des Parlaments
Die Regelung mit der Geschäftsführer-Unterschrift ist derart vertraulich, dass darüber weder in den Rechtsgrundlagen für den Bundestag noch in der Hausordnung ein Wort verloren wird. Wie aus dem Bundestag zu hören ist, haben über diesen diskreten Weg etliche Interessenvertreter eine Zugangsberechtigung zu den Räumlichkeiten des Parlaments erhalten.
Union und SPD verweigern Auskunft zu ihren Lobbykontakten
Wer aber sind die Lobbyisten, die mit Bewilligung der Fraktionen im Bundestag ein und aus gehen? Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage von Anfang April 2014 verweigerten die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD Auskunft zu ihren Lobbykontakten, angeblich aus Datenschutzgründen. Dass der Datenschutz nicht als Argument gegen die Offenlegung herhalten kann, zeigten die Linke und nach anfänglichem Zögern auch die Grünen: Sie nannten gegenüber abgeordnetenwatch.de die Interessenverbände, für die sie Bundestagshausausweise befürwortet hatten.
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist ein nützliches Instrument
Am 17. April 2014 beantragte abgeordnetenwatch.de auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) bei der Bundestagsverwaltung eine Auflistung aller Interessenverbände, denen mit Bewilligung der Fraktionsgeschäftsführer seit Beginn der Legislaturperiode Hausausweise ausgestellt worden waren. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein nützliches Instrument, über das Bürger und Journalisten Informationen von staatlichen Stellen anfordern können. Allerdings bestreitet die Parlamentsverwaltung, die Namen der Interessenverbände mitteilen zu müssen – und lehnte den abgeordnetenwatch.de-Antrag ab. Ihr Argument: Die Ausstellung der Hausausweise würde durch die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen bewilligt, deswegen handele es sich um eine „parlamentarische Angelegenheit“. Das Informationsfreiheitsgesetz greife aber nur, wenn eine „öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe“ vorliege, wenn also die Verwaltung selbst tätig werde.
Unsere Anwältin erwirkte bereits die Herausgabe der Gästeliste des Ackermann-Geburtstages
Genau dieser Punkt ist nun Gegenstand unserer Klage. Denn unserer Auffassung nach handelt es sich bei der Herausgabe von Bundestagshausausweisen sehr wohl um eine Verwaltungsaufgabe, was sich schon daraus ergibt, dass das Hausrecht des Deutschen Bundestages beim Parlamentspräsidenten liegt. Oder etwas plastischer ausgedrückt: Seinen Hausausweis bekommt ein Lobbyist nicht vom Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU/CSU oder SPD ausgehändigt und schon gar nicht bewilligt, sondern von einem Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung. Noch eindeutiger kann Verwaltungshandeln eigentlich nicht sein. Vertreten werden wir bei unserer Klage gegen den Deutschen Bundestag von einer ausgewiesenen Expertin in Sachen Informationsfreiheit, der Berliner Rechtsanwältin Katja Pink. Vor einigen Jahren erwirkte Pink vor Gericht die Veröffentlichung der Gästeliste von der fragwürdigen Geburtstagsparty des damaligen Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann im Bundeskanzleramt. Damals hatte das Kanzleramt eine Herausgabe der Liste nach dem Informationsfreiheitsgesetz ebenfalls zunächst verweigert.
Ein langwieriges Verfahren ist absehbar
Inzwischen ist die dreizehn Seiten lange Klageschrift unseres gemeinnützigen Vereins Parlamentwatch e.V. beim Berliner Verwaltungsgericht eingegangen und wurde der Beklagten, „die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Deutschen Bundestag“, zugestellt. Ein Termin für die Verhandlung steht noch nicht fest. Schon jetzt ist allerdings absehbar, dass es ein langwieriges und teures Verfahren werden wird. Um im Auftrag des Verbraucherschützers Thilo Bode die Herausgabe der Ackermann-Gästeliste zu erwirken, benötigte unsere Anwältin annähernd drei Jahre und zwei Gerichtsinstanzen.
Bitte unterstützen Sie unsere Klage zur Offenlegung der Lobbykontakte, indem Sie uns mit einer regelmäßigen Spende den Rücken freihalten.
Weitere Informationen zum Thema:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-11/bundestag-halt-zugangsregeln-fur-lobbyisten-unter-verschluss
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-19/fraktionen-schweigen-zu-lobbykontakten