Einen Offenen Brief zum Thema Windpark Kohlenstraße haben Beate Braun aus Michelbach an der Bilz und Harry Thalheimer aus dem Teilort Gschlachtenbretzingen geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Offenen Brief in voller Länge.
Offener Brief von Beate Braun, Michelbach/Bilz und Harry Thalheimer, Gschlachtenbretzingen
An alle Gemeinderäte, BM Dörr, Herrn Krist, Frau Neidhardt, Gemeinde Michelbach an der Bilz:
Michelbach/Bilz, den 7. November 2014
Windpark Kohlenstraße
Gemeinderatssitzung am Mittwoch, 5. November 2014
Sehr geehrte…
bei seiner letzten Sitzung am 05.11.2014 hat der Gemeinderat der Gemeinde Michelbach an der Bilz beschlossen, nun doch das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB zum Windpark Kohlenstraße zu erteilen und seinen Rückstellungsantrag nach § 15 Abs. 3 BauGB
zurück zu nehmen.
Grundlage dieses Beschlusses ist der gleichfalls vom Gemeinderat beschlossene Abschluss
eines Vertrages, in dem im Wesentlichen
a) einerseits die Evangelische Landeskirche Württemberg sich verpflichtet, außer den zur Genehmigung beantragten vier Windenergieanlagen (WEA) auf ihren auf Gemarkung Michelbach gelegenen Grundstücken keine weiteren Flächen für Windkraftnutzung zur Verfügung zu stellen, außerdem keine Baulasten zugunsten Dritter zum Zwecke der Windkraftnutzung zu übernehmen, und die Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH sich verpflichtet, auf Gemarkung Michelbach nicht mehr als die zur Genehmigung beantragten vier WEA zu errichten und zu betreiben,
b) andererseits die Gemeinde Michelbach an der Bilz hierfür die Pflicht zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens für die zur Genehmigung beantragten vier WEA übernimmt, sie sich des weiteren verpflichtet, Errichtung und Betrieb dieser vier WEA nicht zu behindern und insoweit auf Rechtsmittel zu verzichten.
Während der Gemeinderatssitzung hat der anwaltliche Vertreter der Gemeinde Michelbach an der Bilz, Herr Rechtsanwalt Armin Brauns, detailliert rechtlich ausgeführt, dass die bei Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens vorgebrachten Gründe nicht mehr aufrecht erhalten werden könnten und er im Ergebnis keinen Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Klage gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sehe.
Mit anderen Worten:
Die Ausführungen des Herrn Rechtsanwalt Armin Brauns führen zu der Schlussfolgerung, dass die Gemeinde Michelbach an der Bilz die rechtliche Verpflichtung hat, das gemeindliche Einvernehmen zu erteilen.
Bei dem Vertrag der Gemeinde Michelbach mit der Evangelischen Landeskirche Württemberg und den Stadtwerken Hall handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Austauschvertrag nach § 56 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG). Die Leistung der Gemeinde besteht in diesem Vertrag unter anderem darin, dass sie sich zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu den vier zur Genehmigung beantragten WEA verpflichtet. Wie vorstehend bereits erwähnt, besteht aber ohnehin eine rechtliche Verpflichtung der Gemeinde, dieses Einvernehmen zu erteilen.
Eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und einem Bauantragsteller, der in einem solchen öffentlich-rechtlichen Vertrag auf künftige bauliche Nutzungen verzichtet, ist jedoch gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG nichtig, wenn das gemeindliche Einvernehmen zu dem vom Bauantragsteller beantragten Vorhaben ohnehin erteilt werden müsste (Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.04.2008, Az. 3 S 1771/07). Das heißt, der vom Gemeinderat bei der letzten Sitzung zum Abschluss beschlossene Vertrag mit Kirche und Stadtwerken ist aus diesen Gründen nichtig! Das vorgenannte Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs fügen wir unserem heutigen Schreiben unter besonderem Hinweis auf die Randnummern 34 bis 41 bei.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Gemeinderat sein gemeindliches Einvernehmen und
die Rücknahme des Rückstellungsantrages mit sofortiger Wirkung und damit vor Unterzeichnung des Vertrages beschlossen hat. Da die Gemeinde damit in Vorleistung getreten ist, bestehen jedenfalls Zweifel, ob der Abschluss eines solchen Vertrages überhaupt noch nach §§ 54 ff. LVwVfG rechtlich zulässig ist.
Gemeinde Michelbach hat sich selbst aller Rechte beraubt
Mit diesem nichtigen Vertrag wird jedenfalls das Ziel der Gemeinde, eine Beschränkung der WEA auf vier Windräder zu erreichen, verfehlt! An einen nichtigen Vertrag ist keiner der Vertragspartner gebunden. Allerdings werden im Voraus bereits erteiltes gemeindliches Einvernehmen und zurückgenommener Rückstellungsantrag gleichwohl mit Zugang bei der Baurechtsbehörde wirksam. Die Gemeinde Michelbach an der Bilz hat sich mit dieser Handlungsweise folglich aller Rechte selbst beraubt.
Sollten sich ihre Vertragspartner (Evangelische Landeskirche und/oder Stadtwerke Hall) auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen, so ist ein Heranrücken weiterer WEA an die Wohnbe-
bauung möglich.
Aufgrund der am 5. November 2014 erfolgten Beschlüsse des Gemeinderats befindet die Gemeinde Michelbach an der Bilz sich jetzt in der schlechtest möglichen Situtation in den Windkraftverfahren.
Aus welchen Gründen der anwaltliche Vertreter der Gemeinde, Herr Rechtsanwalt Armin Brauns, auf die vorgenannte Rechtsprechung und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht hingewiesen hat, ist uns weder ersichtlich noch nachvollziehbar.
Die dadurch verursachte Handlungsweise bei der letzten Gemeinderatssitzung bringt, jedenfalls bei weiterem Heranrücken weiterer WEA an die Wohnbebauung, Schadensersatzansprüche der Immobilienbesitzer aufgrund enteignungsgleichen Eingriffs mit sich. Soweit uns bekannt ist, haben mehrere Michelbacher Bürger die Geltendmachung solcher von der Rechtsprechung anerkannten Ansprüche bereits bei der Gemeinde Michelbach angekündigt. Für diesen Schadensersatz haften die Gemeinde (als juristische Person), deren an der Vorbereitung des Gemeinderatsbeschlusses mitwirkenden Amtspersonen und die dem Beschluss zustimmenden Gemeinderatsmitglieder persönlich mit ihrem gesamten Vermögen.
Besteht tatsächlich die Pflicht zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens, kann das Ziel, dass weitere WEA auf Gemarkung Michelbach nicht gebaut werden, nur dann erreicht werden, wenn die Windkonzentrationszone „Östlich Michelbach“ entsprechend verkleinert wird. Dies ist nur mit einem Beschluss zum Flächennutzungsplan möglich. Um die Planung der endgültig festzulegenden Konzentrationszone nicht zu erschweren oder zu verhindern, muss aber der Rückstellungsantrag nach § 15 Abs. 3 BauGB aufrecht erhalten bleiben.
Wir übersenden deshalb unser heutiges Schreiben an alle Gemeinderatsmitglieder und alle an der Gemeinderatssitzung beteiligten Amtspersonen mit dem dringenden Appell, alles zu veranlassen, um Schaden von unserer Gemeinde abzuwenden.
Wir weisen hierbei auf die gesetzliche Vorschrift des § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung hin, in Notfällen form- und fristlos und ohne öffentliche Bekanntmachung eine Gemeinderatssitzung einberufen zu können. Desweiteren weisen wir auf das Notantragsrecht eines Viertels der Gemeinderäte hin (§ 54 Abs. 1 Satz 3 der Gemeindeordnung). Nach unserer Auffassung ist eine solche Notsitzung unentbehrlich, damit die Gemeinderäte in jetziger Kenntnis der Rechtslage die in der letzten Sitzung verabschiedeten Beschlüsse überdenken und sie zur Vermeidung von Schäden für die Gemeinde und Amtshaftungsansprüchen gegen die an der Beschlussfassung beteiligten Amtsträger zurück nehmen werden.
Mit freundlichen Grüßen
(Beate Braun)
(Harry Thalheimer)