„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: der Episoden sechzehnter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XVI Schweigen
Fremdwörter im Text mit * werden am Ende der Episode erklärt
… heute, endlich, würde er sich Anton anvertrauen können wie einem guten Freund. Frohgelaunt stand Carl Eugen Friedner auf, machte sich ein kurzes Frühstück und erfrischte sich unter der Dusche. Danach nahm er eine leger wirkende graue Cordhose und ein dazu passendes blassrosa Hemd aus dem alten eichenen Kleiderschrank. Carl mochte den würzigen bitterherben Geruch der Eichenholz so eigen ist und somit auch seinen Kleidern anhaftete.
Aussicht genießen
Während er ungeduldig seinen Mantel vom Bügel nahm, schlüpfte er rasch in die Schuhe und war mit den Gedanken schon unterwegs in Richtung Südwesten. Sie waren auf der Eck, einem auf der Höhe gelegenen Gasthaus zwischen Rems und Murr, verabredet. Dort wollten sie bei klarem Wetter zuerst in Ruhe die Aussicht genießen. Später, wenn dann viele Gäste zum Mittagstisch in das beliebte Ausflugsziel kommen würden, wollten sie einen ausgedehnten Spaziergang in einem der umliegenden Wälder unternehmen.
Schimmernde Farbtupfer
Es war immer wieder umwerfend – der Blick rundum ins Tal war einfach atemberaubend. Der Frühling hatte begonnen und die Obstbäume fingen an, ihre betörende Blütenpracht zu entfalten. Die weißen und rosa schimmernden Farbtupfer lagen malerisch in der abwechslungsreichen Hügellandschaft. Die Sonne schien und es war kein Wölkchen am Himmel zu sehen.
Schlanke Flasche Kerner*
Anton erwartete ihn bereits auf dem Parkplatz am Turm. Dieser hatte sich seine ausgewaschene Lieblingsjeans angezogen und trug das blaugrau karierte kurzärmlige Oberhemd offen darüber. Das Jackett hatte er, falls es ihm wegen des Windes kalt werden würde, vorsorglich unter den Arm geklemmt. Sie begrüßten sich herzlich und freuten sich beide darüber, einen so schönen Tag miteinander verbringen zu können. So holte auch er zur Sicherheit seinen blauen Überzieher aus dem Wagen und sie schlenderten gemütlich die Treppen zum Gasthaus hinauf. Anton hatte einen Tisch auf der Terrasse reservieren lassen und als sie Platz genommen hatten, bestellten sie zuerst erfrischenden Sprudel aus dem Schurwald, dazu zwei Gläser, ein Körbchen Käsestängele und eine schlanke Flasche Kerner*.
Erfrischender Weißwein
Ein rassiges Tröpfchen, ein erfrischender Weißwein, die Kreuzung aus Trollinger und Riesling wurde 1929 nach dem württembergischen Poeten Justinus Kerner genannt und war unter Weinkennern schon lange als entspannender Genuss bekannt. Die eigentlich sonst nur für Most* übliche Geschmacksmischung von süßen Äpfeln und reifen Birnen kam im Kerner auf edle Art und Weise zur Geltung.
Ernsthafter
Die beiden Freunde genossen ihr Wiedersehen und das erste Glas des biologisch angebauten und ohne synthetische Hilfsmittel gereiften Traubensaftes hingebungsvoll und in stiller Freude. Sie wechselten ein paar lustige Anekdoten über ihre Erfahrungen mit dem Älter-werden und dann begann Anton langsam aber sicher, das Gespräch auf den Grund ihres Treffens zu bringen. Der Gesichtsausdruck der beiden wurde nun sehr viel ernsthafter und sie dämpften die Lautstärke ihrer Unterhaltung.
Fremder Anwalt
Anton legte zuerst seine Sicht der Angelegenheit dar und Carl hörte ihm aufmerksam zu. Nach einem kurzen Schweigen gestand Carl Eugen ihm dann stockend, dass er Paula immer noch nicht angesprochen hatte, weil er nicht wusste, wie er es anfangen sollte. Erzählte auch von der blamablen Verhandlung in Heilbronn und davon, dass es ihm bald das Herz brechen würde, wenn es so weiterginge. Von seinen Magenschmerzen, und dass der Arzt ihn dringend aufforderte, sein Leben zu ändern, davon dass sie ihn ignorierte, und wie sehr es ihn schmerzte, dass sie ihm das Vertrauen entzogen hatte und zu allem Überfluss auch noch einen fremden Anwalt ihre Angelegenheiten regeln ließ.
Carl berichtete
Über Carls Bericht waren unversehens Stunden vergangen, mit einem ordentlichen Trinkgeld bezahlte Anton für den guten Wein, das erfrischende Wasser und die Käsestängele, dann standen sie auf und begaben sich zu ihren Fahrzeugen. Auf der Fahrt konnte sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Am Fichtensee angekommen, parkten sie auf der großzügigen Abstellfläche ihre Wagen und gingen zum nächstgelegenen, vom Schwäbischen Albverein gut ausgeschilderten Spazierweg. Nach einigen Schritten auf dem weichen Waldboden und ein paar tiefen Atemzügen in der frischen Frühlingsluft verfielen sie in einen gleichmäßigen zügigen Schritt und nahmen ihr angefangenes Gespräch wieder auf.
Nicht genügend den Rücken gestärkt
Obwohl Anton Carl gut verstehen konnte, ging er hart mit ihm ins Gericht und erklärte ihm, was es zu bedenken galt. Er legte ihm ausführlich dar, was ein Mann, der behauptete, eine Frau zu lieben, eben dieser dann auch tatsächlich schuldig war. Paula würde sich aus gutem Grund von ihm verraten fühlen; er hätte sie alleine gelassen, ihr nicht genügend den Rücken gestärkt. Die einst verlorene Verhandlung gegen Vorderschein sei ja nicht das Schlimmste gewesen, nein, dass er, Carl nicht reden würde, das sei es, was Paula vermutlich am meisten gegen ihn aufbringen würde. Carl erkannte mit Entsetzen: er war feige gewesen, er hatte sie verraten, oh Gott, er würde Paula nie wieder in die Augen sehen können…. Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
Kerner*: im ABC des Weinwissens als Weiße Deutsche Rebsorte beschrieben, Internetseite der Remstalkellerei eG, Kaiserstraße 13, 71384 Weinstadt, web: http://www.remstalkellerei.de
Most*: gepresster vergorener Fruchtsaft aus Birnen und Äpfel von heimischen Streuobstwiesen
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