„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: der Episoden sechster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
VI Freiheit
…er schreckte auf, er hatte geträumt, es war irgendwie furchtbar, der dunkle Schleier eines Alptraumes wurde jäh zerrissen, sein Herz klopfte wie wild, Carl Eugen Friedner konnte sich aber an nichts Genaues erinnern.
Zartes Gesicht
So ruhig und gleichmäßig wie nur möglich, tat er ein paar tiefe Atemzüge, versuchte sich nicht aufzuregen, sonst würde sich zu allem Überfluss auch noch der Magen melden. Wieder sah er ihr zartes Gesicht, ihre sanften grünen Augen. Paula trug ihre Haare jetzt anders als früher, aber es stand ihr gut, fast besser sogar, wenn er es sich recht überlegte. Sie wirkte von weitem eindeutig noch feiner und engelsgleicher, und er wünschte sich sehnlichst, sie bald auch wieder aus der Nähe betrachten zu können.
Plötzlich kam ihm Paulas Großonkel in den Sinn. Carl erinnerte sich oft an diese besondere Persönlichkeit. Zu früh für die Sache, die auch der Großonkel mit großem Ernst betrachtete, und vor allem so plötzlich, war er vor wenigen Jahren gestorben. Und mit seinem Tod war vieles nur noch komplizierter geworden.
Ein Glückspilz
Ewald Bündner war der Großonkel von Paula Engel, ein wacher Geist, weit gereist, gebildet, sein unschätzbar umfangreiches Vermögen hatte er bereits in relativ jungen Jahren mit erfolgreichen Geschäften aufgebaut. Onkel Ewald war so etwas wie ein Glückspilz. Als zuverlässiger Kaufmann im Handel mit Dingen des täglichen Gebrauchs erwarb er sich einen treuen Kundenkreis und erzielte in der Nachkriegszeit mit seinen damals zukunftsweisenden Verkaufsstrategien erstaunliche Umsätze. Die erzielten Gewinne und ein umsichtig verwaltetes Erbe waren der Grundstock, um dann in den Siebzigern gezielt im Geldgeschäft einzusteigen, wo abermals das Glück sein Begleiter war. In lukrative, aber stets sichere Anlagen gesteckt, vermehrte sich sein Vermögen weiterhin stetig.
Seine Frau, Luise Bündner, kam ebenfalls aus einer nicht ganz unvermögenden Familie und brachte ihren Teil an Grund und Boden in die Ehe mit. Zwei prächtige Stadthäuser in bester Lage und ein paar weitläufige Anwesen in landschaftlich besonders entzückenden Gebieten, konnte das Ehepaar Bündner zum Wechsel ins neue Jahrtausend ihr eigen nennen. Die Beiden waren zwar kinderlos geblieben, genossen aber großzügig genau die Freiheiten, welche nur kinderlosen Paaren möglich waren. Sie reisten monatelang allein in der Weltgeschichte herum und kümmerten sich ansonsten um ihre Häuser und Gärten, als wären diese ihre eigenen Kinder, die es nötigenfalls aufzubauen, zu hüten und zu pflegen galt.
In der näheren Verwandtschaft gab es ja Nachwuchs genug und sie wollten abwarten, wer sich später dann als würdig erweisen würde, sie anstatt eigener Töchter und Söhne zu beerben.
Stolz
Paula lernte die Eheleute Bündner zwar erst relativ spät kennen, aber seit dem ersten Zusammentreffen ließen Bündners keinen Zweifel an der Zuneigung zu ihrer mittlerweile erwachsenen Großnichte. Es wurde jede Gelegenheit genützt, um Paula zu sich nach Würzburg, in die Schweiz oder an den Bodensee einzuladen, sie zeigten sich interessiert an ihrer beruflichen Entwicklung, nahmen sie mit zu kulturellen Veranstaltungen und stellten Paula, mit größtem Vergnügen, im weitläufigen und unkomplizierten Freundeskreis stolz als ihre Großnichte vor.
Dann war der Kontakt eine lange Weile unterbrochen worden. Luise hatte große gesundheitliche Probleme und es waren strenge Kuraufenthalte nötig. Währenddessen hörte Ewald das Gras wachsen, wollte für kommende Krisen einfach keine Risiken eingehen und ordnete das Vermögen dementsprechend neu. Über dieser Neuordnung vergingen Jahre, in denen nur wenig Zeit übrig war, und so kam es nur zu kurzen sporadischen Zusammenkünften.
Paula widmete sich im Lauf der Zeit immer mehr ihrer Karriere und ihrem Beruf, denn dieser verlangte gerade an den Wochenenden sehr oft ihre Präsenz. Ihre Treffen mit Freunden und ihr gesellschaftliches Leben richtete sie nach den Interessenverbänden
aus, in denen Paula aktiv war. Es waren glücklicher Weise oft dieselben Menschen mit denen sich vertraute Freundschaften und der Spaß am Schaffen und Gestalten über viele Jahre hinweg verbinden ließen. Deswegen schränkte auch sie regelmäßige verwandtschaftliche Treffen ziemlich ein.
Verfahren
Das änderte sich aber vor ungefähr zehn Jahren grundlegend, als Paula ungeahnt in eine ausweglose Situation schlitterte, aus der nicht einmal mehr er ihr helfen konnte. Damals wurde ihr der Großonkel ein rettender Anker. Es war auch für ihn eine unsagbare Erleichterung, als Ewald Bündner sich mit seinem klaren Sachverstand in die völlig verfahrene Sache einzumischen begann.
Ach, wenn der Großonkel doch nur noch leben würde, vielleicht wüsste er auch ihm
einen persönlichen, einen gescheiten Rat, einen Hinweis darauf, wie er wieder völlig
frei, neu und unbefangen auf sie zugehen könnte, ihr wieder ein sanftes Lächeln
würde entlocken können… Fortsetzung folgt
Kontaktaufnahme zur Autorin: b.haebich@web.de