“Irgendwo in Hohenlohe” ist eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich. Der Episoden zweiter Teil. Die Reihe wird wöchentlich fortgesetzt.
Von Birgit Häbich
Personen, Namen und Orte sind frei erfunden
Die geschilderten Handlungen, Personen, Namen und Orte sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt. Der in dieser Episode wörtlich zitierte Reim stammt aus einem „Liebesbrief“ von 1835, gedruckt im Bilderbuch „Unbekanntes Hohenlohe-Franken“, Herbert Schüßler, 2. Auflage 1988, Verlag Wilfried Eppe, Bergatreute.
II. Freunde
… aber wie? Wie konnte er sie wieder für sich gewinnen? Fetzen eines Liebesgedichtes aus dem 19. Jahrhundert kamen ihm in den Sinn: „Die Tage verfliegen, die Jahre vergehen, doch unsere Freundschaft soll ewig bestehen“, das war die vorletzte Strophe. Weiter kam er nicht, es stockte ihm der Atem, sein Magen zwickte wie verrückt.
Nackte Gier und Hinterlist
Und gerade heute hatte er einen besonders wichtigen Termin bei einem Kreditinstitut in der nahe gelegenen Kreisstadt. Man hatte ihn als Vermittler zu einer Krisensitzung bestellt. Heiß stieg es in ihm hoch, die Magensäure plagte ihn entsetzlich. Freundschaft, ewig – er zog sein dunkelblaues Mäntelchen an und verließ das Haus. Sie hatte zu ihm niemals von Treue gesprochen, nur ihren Augen war das ehrliche Versprechen abzulesen gewesen. Im Gegensatz zu seinen Kameraden aus der Schulzeit, kurz vor dem Abitur. Im jugendlichen Leichtsinn hatten sie sich „bis zum bitteren Ende in treuer Gefolgschaft“ verbündet. In den Augen der meisten Verbündeten glitzerte aber schon damals lediglich die nackte Gier und Hinterlist.
Sehnsucht nach Paula
Auf seiner Fahrt in Richtung Westen merkte er, dass seine Gedanken ihn zu sehr ablenkten, er blinkte kurz und scherte nach rechts aus. Fuhr ein Stück weit in die breite Abfahrt zu einem Feldweg und stellte den Wagen ab. Ruhe, das war es, was er dringend brauchte. Ruhe, er musste nachdenken, wie er vorgehen könnte. Sein Arzt hatte ihm schon lange Ruhe verordnet, eine ausgiebige Kur wäre heilsam, auch eine Luftveränderung täte gut. Seine Bauchmuskulatur entspannte sich und der Magenschmerz schien langsam zurückzugehen. Wunderbar, wenn schon der Gedanke an Ruhe half, wie gut würde ihm dann erst tatsächliche Erholung tun? Oder hielt er es wieder nicht aus, wie so oft, diese Leere, diese Einsamkeit, die Sehnsucht die ihn überfiel? Die Sehnsucht nach Paula, die dann so heftig wurde, dass er sich nach wenigen Tagen kurzerhand zurück an seinen Schreibtisch setzte und wie besessen arbeitete. Nur um der leisen Stimme nicht nachzugeben, die in ihm zu flüstern schien, „geh zu ihr, rede mit ihr“. Dort, bei seinen Ordnern und Papieren, mit weitem Blick über die Felder des Hohenloher Landes, schmerzte ihn das alleine sein weniger.
Eisiges Schweigen
Freunde? Er hatte keine Freunde, die bewährten Verbindungen aus den Jugendtagen waren zerbrochen. Erfolgreich waren sie gewesen, ja, gemeinsam hatten sie viel erreicht und bis vor ungefähr zehn Jahren war immer alles glatt gegangen. Nie hatten sie damit gerechnet, dass ihnen eines Tages ein gewaltiger Strich durch die Rechnung gemacht werden würde. Eisiges Schweigen, das war das einzige, das diesen Wertebund mittlerweile noch zusammenhielt.
Er wollte ihre kindliche Unschuld nicht verletzen
Keiner würde sich verraten, es stand zu viel auf dem Spiel. Die Wahrheit wäre gefährlich, sehr gefährlich, auch für ihn. Noch schien die alte Seilschaft unberedt zu halten, manchmal begegneten sie sich, zwangsläufig, zufällig, wenn Geschäfte terminlich zur Anwesenheit riefen. So wie heute, die Besprechung würde nicht lange dauern, der Fall war simpel, die Widersacher einfach zu handhaben. Es würde schnell eine friedliche Lösung gefunden werden. Nur Paula wollte seine Hilfe irgendwann nicht mehr. Wehmut überfiel ihn abermals, wie hätte er es ihr damals erklären sollen, wie? Ohne ihre kindliche Unschuld zutiefst zu verletzen?
Anton, der Frauenversteher
Anton! Ja, er hatte indirekt Kontakt zu ihr, warum war ihm das nicht schon früher eingefallen? Antons Frau war wohl mit Paula befreundet. Anton, der Frauenversteher, er hatte ihm, so oft er ihn anrief, ein offenes Ohr geschenkt und ihn akzeptiert wie einen Freund. Mit ihm würde er wieder Kontakt aufnehmen. Anton war ein Mann und er kannte seine beruflichen Probleme. Er war im gleichen komplizierten Metier tätig, trotzdem rücksichtsvoll, einfühlsam und dennoch geradlinig und ehrlich, halt ein aufrechter Schwabe aus dem Remstal. Seine Sekretärin würde ihn durchstellen, obwohl er noch sehr lebhaft in Erinnerung zu haben meinte, dass diese ihn schon immer am liebsten aus der Leitung geworfen hätte. Frau Plüsch meldete sich stets höflich und freundlich. Ihre Stimme bekam
jedoch schlagartig einen spitzen Klang, sobald er nach Anton verlangte, so dass er förmlich spürte, wie sie ihn der übelsten Machenschaften bezichtigte und ihre kalten Augen ihn augenblicklich durchbohrten.
Er würde alles für sie tun
Wenn er es sich recht überlegte, stellte er sich einen guten Freund genauso vor wie Anton. Er selber hatte den Kontakt zu ihm vor sieben Jahren abgebrochen. Oh guter Gott ! Was hatte er eigentlich noch alles falsch gemacht. Ihm dämmerte so langsam der ganze Umfang des Dilemmas, in das er sich hineingewurstelt hatte. Sein Magen blieb ruhig, ein gutes Zeichen, er war endlich auf dem richtigen Weg. Möge ihm der selbige helfen, da wieder herauszufinden. Es würde schwierig werden, aber wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab, dass Paula ihn noch liebte, würde er alles versuchen, er würde alles für sie tun. Das war ihm jetzt vollkommen klar geworden. Und nun galt es fürs erste die lästige Sitzung einigermaßen anständig hinter sich zu bringen. Morgen würde er Anton anläuten. Er bog rückwärts in die freie Landstraße ein, legte den Vorwärtsgang ein und fuhr wieder weiter Richtung Westen… (Fortsetzung folgt).
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