Die rechtsextreme Partei „Goldene Morgenröte“ hetzt und mordet in Griechenland schon länger gegen MigrantInnen, Schwule und Linke. Mehrere Migrantinnen wurden bereits von rassistischen Rollkommandos ermordet. Nun hat ein Anhänger der Nazipartei einen linksgerichteten Rapper im Rahmen einer organisierten Rollkommandoaktion erstochen.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Mit dem Messer erstochen
Die Bluttat ereignete sich im einem Vorstadtbezirk von Piräus, in Keratsini. Das Opfer, der 34-Jährige Pavlos Fyssas, Antifaschist und Sympathisant des Linksbündnisses Antarsya, ist in Griechenland unter dem Namen „Killah P“ bekannt. Er ist einer der bekanntesten Rapper des Landes. Er gehört der linken Partei Antarsya an. Paul Fyssas hatte in einem Café das Champions League Spiel zwischen Olympiakos Piräus und Paris St.Germain angeschaut, als einige Schläger der „Goldenen Morgenröte“ ihn erkannten. Über ihre Handys informierten sie ihre Kumpanen. Als er mit seiner Freundin und einem anderen Paar das Café verließ, wurden sie von einer bis zu 20-köpfigen Gruppe Neonazis erwartet. Es kam zu einer Verfolgungsjagd, bei der eine zweite Gruppe Neonazis den Angegriffenen den Weg abschnitt. Mehrfach stach einer der Faschisten mit einem Messer auf den 34-Jährigen ein. Getroffen in Herz und Bauchraum verstarb Fyssas wenig später im Krankenhaus.
Polizeibeamte schritten erst spät ein
Laut eines Augenzeugenberichts waren Polizeibeamte vor Ort, schritten aber erst ein, als es bereits zu spät war und der Großteil der Neonazis bereits geflüchtet war. Sie sollen dann den vermeintlichen Mörder, der noch das Messer in der Hand hielt, festgenommen haben. Die Polizei bestätigte die Festnahme eines 45-jährigen Mitglieds der „Goldenen Morgenröte“. Bei ihm sei ein Messer gefunden worden. Nach Polizeiangaben hat er sowohl die Tat als auch ihren faschistischen Hintergrund bereits gestanden.
Neun Personen krankenhausreif geschlagen
Zwei Abende zuvor hatten Anhänger von „Goldenen Morgenröte“ in Perama, einem Arbeiterviertel von Piräus eine Gruppe von rund 30 Mitgliedern der „Kommunistischen Partei“ angegriffen. Die Kommunisten waren am späten Samstagabend im westlich von Athen gelegenen Werftengürtel unterwegs, um für das am nächsten Wochenende in Athen stattfindende Jugendfestival der Jugendorganisation der KKE zu plakatieren. Rund 50 Nazi-Schläger griffen die KKE-Mitglieder mit Stöcken, die mit Nägel versehen waren, an und schlugen neun Personen krankenhausreif. Unter den Verletzten ist der Vorsitzende der Metallarbeitergewerkschaft, der in der Gegend wohnt.
Motorisierte Polizisten schauten nur zu
Augenzeugen zufolge hatten auch hier einige motorisierte Polizisten das Geschehen beobachtet, aber nicht eingegriffen. Erst später wurde die Polizei aktiv und durchsuchte unter anderem das regionale Büro der mit 18 Abgeordneten im griechischen Parlament vertretenen faschistischen Partei. Bei weiteren Ermittlungen wurden insgesamt 24 Personen vorläufig festgenommen, von denen vier anhand von Fingerabdrücken oder Aussagen der Opfer als Täter identifiziert werden konnten. Nach Aussagen der Überfallenen befanden sich unter den in T-Shirts mit Parteiabzeichen gekleideten mörderischen Schlägern auch der regionale Parteiverantwortliche der Chrysi Avgi.
Welle der Empörung
Der Mord Pavlos Fyssas löste eine Welle des Protestes in Griechenland aus. Auf den Straßen von Athen und Thessaloniki, aber auch in zahlreichen anderen Städten, versammelten sich die Menschen zu antifaschistischen Protesten. In zahlreichen Städten kam es zu Demonstrationen.
Zeitungsschlagzeile: „Wehrt Euch – das Monster Nazi-Bewegung tötet“
Auch in der griechischen Presse gibt es nun Stimmen, die erstmals eindeutig Stellung gegen die Nazipartei „Goldene Morgenröte“ beziehen. „Schluss damit“, titelt die „Ta Nea“ über einem durchgestrichenen Hakenkreuz. „Die ‚Goldene Morgenröte‘ hat Blut an den Händen. Die Regierung, die verfassungstreuen Parteien und die griechische Gesellschaft dürfen sich nicht von der faschistischen Gewalt einschnüren lassen“, heißt es im Leitartikel der Zeitung. „Wehrt Euch – das Monster Nazi-Bewegung tötet“, heißt es auf der „Ethnos“.
Heuchelei von Samaras
Angesichts der starken öffentlichen Empörung über den Mord, versuchte auch die Regierung den Eindruck zu erwecken, als wäre sie gewillt, entschieden gegen Nazis vorzugehen. Regierungschef Antonis Samaras sagte den Neonazis in einer Fernseh-Ansprache den Kampf an. Griechenland werde es nicht zulassen, dass diese „die Demokratie aushöhlen“, sagte Samaras. Die Regierung werde den „Nachfahren der Nazis“ auf keinen Fall erlauben, „das soziale Leben zu vergiften, Verbrechen zu begehen, zu provozieren und die Grundlagen des Landes, das die Demokratie hervorgebracht hat, zu unterminieren“, fügte der Regierungschef hinzu.
Biegsamkeit im Auftreten des konservativen Ministerpräsidenten
Erstaunlich an den Worten des konservativen Ministerpräsidenten ist bestenfalls die Biegsamkeit im Auftreten. Denn Samaras, in seiner Partei am rechten Flügel angesiedelt, war bisher durch Annäherungen an die Politik der „Goldenen Morgenröte“ aufgefallen. Im Mai hatte er verhindert, dass ein Gesetz verabschiedet wird, das ein entschiedeneres Vorgehen gegen rassistisches Auftreten ermöglicht hätte. Durch Übernahme der rassistischen Demagogie der „Goldenen Morgenröte“ und Massenverhaftungen von Flüchtlingen versuchte er, jenes Klientel anzusprechen, das Sympathie für die „Goldene Morgenröte“ zeigte.
Polizeieinheiten schauten konsequent weg
Seine Polizeieinheiten, von denen bekannt ist, dass fast die Hälfte von ihnen Sympathien für die Nazis hegt, schauten konsequent weg, wenn rassistische Schlägerbanden, MigrantInnen angriffen. Dabei konnten sie sich der stillschweigenden Billigung ihrer Vorgesetzten und der politischen Führung sicher sein. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 und Anfang 2013 griff die Samaras-Regierung andrerseits gegen AntifaschistInnen und Gewerkschaften zu Maßnahmen, die an Praktiken der Junta zwischen 1967 und 1974 erinnerten.
AntifaschistInnen von Polizei schwer misshandelt
Im Herbst 2012 wurde eine Gruppe von AntifaschistInnen mehrere Tage in einem Polizeirevier festgehalten und schwer misshandelt. Anfang 2013 verbot die Regierung Samaras in kurzen Abständen Streiks der Metrobeschäftigten, Seeleute und der LehrerInnen, indem der kurzerhand den Ausnahmezustand ausrief und die KollegInnen einen „Einberufungsbefehl“ für die Arbeit zustellte. Nachdem in den letzten Monaten die bisherige Gemeinsamkeit in der Regierung brüchiger wurde, häuften sich in Griechenland die Vermutungen, dass Samaras jetzt eine Zusammenarbeit mit der „Goldenen Morgenröte“ anpeilt.
Antirassistische Solidarität
Nicht nur der rechte Flügel der „Nea Demokratia“ um Samaras, sondern auch Teile der herrschenden Kreise in Griechenland haben bislang die Aktivitäten der „Goldenen Morgenröte“ zumindest mit einem gewissen Wohlwollen verfolgt. Es wäre insofern verfehlt, darauf zu hoffen, dass die Regierungsparteien ernsthaft versuchen, den Terror der Nazis bekämpfen. Denn bei den Nazis können sich die griechischen Oligarchen darauf verlassen, dass sie keine „unternehmerfeindlichen Handlungen“ anzetteln.
Umlenken des Frusts auf die bekannten Sündenböcke
Die Anhänger der „Goldenen Morgenröte“ sind vehemente Gegner aller gesellschaftlichen Bewegungen gegen den von der Troika befohlenen und von der griechischen Regierung exekutierten sozialen Kahlschlag. Sie kanalisieren den berechtigten Ärger über die immer schlimmer werdenden sozialen Verwerfungen auf die bekannten Sündenböcke um: Ausländer, Flüchtlinge, Juden oder Schwule um. Nicht von ungefähr fordert die „Goldene Morgenröte“, dass den griechischen Reedern die wenigen Steuern, die sie noch zahlen, erlassen werden.
Sozialdarwinismus gewinnt an Schärfe
Rassismus und Sozialabbau sind Ausdrucksformen eines die kapitalistische Gesellschaft prägenden Sozialdarwinismus, der in Zeiten der Krise immer mehr an Schärfe gewinnt. Der griechische Soziologe Panagiotis Sotiris bemerkt dazu:
Aufgeblasene Sprüche
„Es ist bekannt, dass faschistische Bewegungen immer wieder ihren Antrieb aus der Verzweiflung und Unsicherheit, speziell der individualisierten Verzweiflung schöpfen. Wenn nicht weite Teile der Gesellschaft eine Art von kollektivem Selbstvertrauen wiedergewinnen in ihre Fähigkeit, ihr Leben zu verändern durch kollektive solidarische Kämpfe, muss man ein weiteres Erstarken der Faschisten befürchten. …Wenn wir nicht zeigen können, dass wir durch kollektive Kämpfe erreichen können, dass kein Haushalt mehr ohne Strom ist, kein Mensch ohne Zugang zu medizinischer Versorgung bleibt, kein Kind ohne Mahlzeit in der Schule bleibt, wenn wir es nicht schaffen, den Sparmaßnahmen zu widerstehen, wenn wir nicht zeigen, dass Solidarität zwischen GriechInnen und MigrantInnen der beste Weg ist die Nachbarschaften sicherer zu machen, dann wird der Zuspruch für Chrysi Avgi mit all ihren aufgeblasenen Sprüchen über “Solidarität nur für Griechen“ weiter steigen.“
Sollten sich die Nazis durchsetzen, droht die offene Barbarei
Antirassistische Solidarität, das Ineinandergreifen von solidarischen sozialen Selbsthilfeprojekten und breiten antifaschistischen/antirassistischen Selbstverteidigungsbündnissen in den Wohnbezirken ist der Ansatz, um gegen die drohende Verrohung und Brutalisierung einer Gesellschaft, die offenbar völlig aus den Fugen geraten ist, vorzugehen. Es ist zu hoffen, dass die immer noch zahlenmäßig deutlich überlegene Linke in diesem Sinne zu einem geschlossenen Handeln findet. Sollten sich die Nazis durchsetzen, droht die offene Barbarei.