Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht das „Dossier Nr. 60“ zur Atomkatastrophe in Japan.
Zugesandt von Willi Maier, Schwäbisch Hall
Von 54 AKWs nur noch eins in Betrieb
Tepco hat am 26. März sein letztes AKW vom Netz genommen. Damit ist in ganz Japan von 54 AKWs nur noch eins in Betrieb, ohne dass die Energieversorgung zusammen bricht. Allerdings sind deswegen höhere Importe von Öl und Gas notwendig, was die japanische Außenhandelsbilanz belastet. Die japanische Regierung und die Energiekonzerne drängen darauf, die stillgelegten AKWs so bald wie möglich wieder anzufahren, um ihre Maximalprofite aus deren Betrieb zu ziehen.
Bevölkerung ist gegen die Wieder-Inbetriebnahme
Es wird ihnen jedoch nicht gelingen, die Bevökerung dafür zu gewinnen. Laut einer Befragung von 3.000 Erwachsenen durch die Zeitung „Tokyo Shimbun“ sind 80 Prozent der Bevölkerung für einen Ausstieg aus der Atomkraft. Nur 4,5 Prozent wollen sie uneingeschränkt weiter nutzen, 12 Prozent tendieren in diese Richtung. (www.spiegel.de 19.3.2012)
Beunruhigende Meldungen aus Fukushima
Dazu tragen auch die ständig neuen beunruhigenden Meldungen aus Fukushima bei. Das zerstörte AKW ist keineswegs unter Kontrolle. Eine Messung mit Endoskopen ergab im Block 2 einen Wasserstand von gerade einmal 60 Zentimetern. Die Regierung ging bisher von 10 Metern aus. Es geht also sehr viel Wasser durch Lecks verloren, dringt in den Boden ein oder fließt unkontrolliert ins Meer. Arbeiter haben neue Lecks gemeldet. Die gemessene Radioaktivität ergab 30 bis 73 Sievert die Stunde. Bisher waren höchsten zehn Sievert pro Stunde gemessen worden. Sechs Sievert pro Stunde gelten als tödliche Dosis. (Süddeutsche Zeitung 29.3.2012) Die Folgen der radioaktiven Verseuchung des Meeres interessieren Tepco nicht. 11,5 Millionen Liter radioaktives Abwasser wurden bisher in den Pazifik geleitet. (Süddeutsche Zeitung 16.3.2012)
Japanische AKWs ungenügend gegen Erdbeben und Tsunamis geschützt
Zwei neue japanische Studien belegen, dass die 54 japanischen AKWs ungenügend gegen Erdbeben und Tsunamis geschützt sind. Bei einem Beben der Stärke vom 11. März 2011 könnten Tsunamis eine Höhe von 34 Metern erreichen. Bisher waren die Behörden von höchstens 20 Metern ausgegangen. „Mit den jetzt vorhandenen Dämmen könnten wir einen massiven Tsunami nicht beherrschen“, sagte Katastrophenschutzminister Masaharu Nakagawa.
Beben der Stärke 7,3 droht in den nächsten drei Jahrzehnten nördlich von Tokio
Eine zweite Studie stellte fest, dass die als Zentrum eines Bebens identifizierten tektonischen Platten zehn Kilometer höher im Erdinnern liegen als bisher angenommen. Die Regierung schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Bebens der Stärke 7,3 nördlich von Tokio in den nächsten drei Jahrzehnten auf 70 Prozent. Sie geht in einem solchen Fall von rund 11.000 Toten und 850.000 zerstörten Gebäuden aus. (www.nzz.ch 1.4.2012)
Japan ist bei Nuklearanlagen kein besonders sicheres Land
Daher wird in die Richtung argumentiert, die bestehenden AKWs sicherer zu machen. In dieser Richtung geht auch eine Untersuchungskommission unter Leitung von Yoichi Funabashi, früher Chefredakteur der Tageszeitung Asahi Shimbun. Sie befürworten weiterhin AKWs, müssen dem Protest und den Erfahrungen aber Rechnung tragen, indem sie höhere Sicherheitsauflagen verlangen. „Japan ist in Bezug auf Nuklearanlagen kein besonders sicheres Land“, so Kitazawa. (Süddeutsche Zeitung 6.3.2012) Unter diesem Vorzeichen beteiligen sich japanische Konzerne – und sogar Tepco – an Planung und Bau von AKWs in anderen Ländern. Die englische Langfassung soll Mitte des Jahres erscheinen.
Lebensmittelstichproben nur sporadisch und stichprobenartig
Die Folgen der Atomkatastrophe sind in Japan allgegenwärtig. Weil die Lebensmittelkontrollen der japanischen Regierung bis heute nicht umfassend, sondern nur sporadisch und stichprobenartig erfolgen, hat sich ein großes Mißtrauen in die Unbedenklichkeit der Lebensmittel ausgebreitet, die von der japanischen Regierung trotz der völlig lückenhaften und unzureichenden Überprüfung behauptet wird. Viele Einwohner haben daraus die Konsequenz gezogen, Lebensmittel aus der Region um Fukushima überhaupt nicht mehr zu kaufen.
Radioaktiv verseuchte Produkte sind nicht zu verkaufen
Die japanischen Agrargenossenschaften befürchten, dass die Bauern aus Fukushima und den ebenfalls radioaktiv verseuchten benachbarten Präfekturen ihre Produkte auf Jahre hinaus nicht absetzen können. Nach ihren Angaben haben 100.000 haben vor allem kleine Bauern im vergangenen Jahr Einnahmeverlust von rund 58 Milliarden Yen, zirka 530 Millionen Euro. Im Gegenzug ist die Einfuhr von Lebensmitteln um 16 Prozent auf 5,58 Billionen Yen gestiegen, das sind umgerechnet 52,7 Milliarden Euro. (FAZ 26.3.2012)
7,7 Milliarden sind notwendig, um die Opfer der Atomkatastrophe zu entschädigen
Nach Zeitungsberichten soll Tepco von der Regierung Staatshilfen von über 16 Milliarden Euro beantragen. 7,7 Milliarden seien notwendig, um die Opfer der Atomkatastrophe zu entschädigen. 9 Milliarden Euro würden gebraucht, um die angeschlagene Finanzlage zu stabilisieren. (www.nzz.ch 29.3.2012) Damit zeichnet sich ab, dass die finanziellen Folgen der Atomkatastrophe vollständig auf die breiten Massen abgewälzt werden sollen.
Regierung will Mehrwertsteuer verdoppeln
Die Regierung will daher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von fünf auf zehn Prozent durchsetzen, in zwei Schritten, auch um das Wiederaufbauprogramm für die von Erdbeben und Tsunami zerstörten Gebiete zu finanzieren und die angeschlagene Wirtschaft zu stützen. Premierminister Noda hat in seinem Kabinett am 30. März einstimmig durchgesetzt, dass die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringt. Kommt er damit nicht durch, will er zurücktreten. (FAZ 31.3.2012)
In Deutschland höhere Energieeffizienz
In Deutschland und weltweit argumentieren Regierungen und Energiekonzerne, AKWs seien gut für die Umwelt, weil sie den CO2-Ausstoß verringern. Trotz Abschalten von acht AKWs in Deutschland hat sich der CO2-Ausstoß 2011 um ein Prozent vermindert und nicht erhöht, wie es die Internationale Energie Agentur angenommen und Deutschland deswegen hart kritisiert hatte. Es liefen zwar mehr Kohlekraftwerke in Deutschland, doch eine höhere Energieeffizienz und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien machten das mehr als wett. (Süddeutsche Zeitung 3.4.2012)
Bulgaroen stellt AKW-Bau ein
Bulgarien hat den Bau des AKW Belene an der Donau wegen zu hoher Kosten und Zweifeln an der Rentabilität eingestellt. Ministerpräsident Bopiko Borisov sagte, der Bau sei mit 10 Milliarden Euro zu teuer. RWE ist 2009 aus dem Projekt ausgestiegen. Andere ausländische Investoren haben sich nicht gefunden. Lieferant ist der russische Konzern Atomstroiexport. Bulgarien musste 2007 als Bedingung für seinen EU-Beitritt vier Blöcke des AKW Kosloduj abschalten und plante Belene als Ausgleich dafür. (http://diepresse.com und www.nzz.ch 28.3.2012)
RWE und Eon geben AKW-Pläne in Großbritannien auf
Mit der Begründung „hoher Kosten“ und langer Kapitalrücklaufzeiten gaben RWE und Eon am 29. März bekannt, dass sie ihre Pläne zum Bau von fünf bis sechs Atomkraftwerken mit einer Leistung von zusammen 6.000 MW in Großbritannien aufgeben. Sie sollten bis 2025 für eine Bausumme von 16 Milliarden Euro fertig gestellt werden. Das dazu gegründete Gemeinschaftsunternehmen Horizon Nuclear Power soll nun verkauft werden. Kaufinteresse gibt es aus China. Der britische Energieminister Charles Hendry nannte die Entscheidung „sehr enttäuschend“. Großbritannien will trotz Fukushima neue Kernkraftwerke mit einer Kapazität von 16.000 MW errichten, einige davon durch die französische EDF und die spanische Iberdrola. Beide Unternehmen haben jedoch noch keine Investitionsentscheidung getroffen. Als Begründung müssen die Klimaschutzziele herhalten. Eon will sich in Großbritannien auf Projekte konzentrieren, die sich schneller auszahlen, wie den Bau von Windkraft- und Biomasseanlagen. (FAZ und FR 30.3.2012)
Kosten für Reaktorneubauten verdoppeln sich
Reaktorneubauten in Frankreich und Finnland kosten am Ende mit über sechs Milliarden Euro doppelt so viel, wie ursprünglich geplant. Die Bauzeit hat sich um mehrere Jahre verzögert. Der Worldwide Fund for Nature hatte im Herbst 2011 einen Bericht vorgestellt, dass Großbritannien bis zum Jahr 2030 60 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen könnte, vor allem durch Windkraft, wofür die britischen Inseln die besten Voraussetzungen bieten. (FR 2.4.2012)
AKW Brokdorf abgeschaltet
In einem Abklingbecken des AKW Brokdorf wurden gebrochene Niederhaltefedern entdeckt, welche die Brennelemente in ihrer Position fixieren. Das AKW wurde abgeschaltet, um zu überprüfen, ob Federn im Reaktor gebrochen sind. Die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ forderte, das AKW umgehend und auf Dauer stillzusetzen.