Zwei wichtige Aktionen gegen Neonazis finden am 19. Februar 2011 statt. Bundesweit ruft die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) zur Blockade des jährlichen Naziaufmarsches in Dresden auf. In Baden-Württemberg mobilisiert die VVN zusätzlich zur Demonstration und Kundgebung „Pforzheim nazifrei!“ auf.
Von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA)
Redner ist der VVN-Kamerad Heinz Hummler
Die Veranstaltung in Pforzheim beginnt am Samstag, 19. Februar 2011, um 14 Uhr am Waisenhausplatz. Einer der Redner wird der VVN-Kamerad Heinz Hummler sein, dessen Vater Anton Hummler wegen Widerstands von den Nazis hingerichtet wurde. In Pforzheim findet der nunmehr einzige regelmäßige Naziaufmarsch in Baden-Württemberg in Form eines Fackelaufmarsches auf dem Wartberg am Mittwoch, 23. Februar 2011, statt.
Nachdem sich dagegen jahrelang keine gemeinsamen Gegenaktivitäten zusammengefunden haben, gibt es nun ein breites Bündnis das zur Aktion „Pforzheim nazifrei!“ aufruft. Wer nicht nach Dreden kann, sollte auf alle Fälle nach Pforzheim.
Inhalt des Flugblattes zur Veranstaltung „Pforzheim nazifrei!“:
„Pforzheim nazifrei! Wir wollen nicht zulassen, dass Vorurteile gegen Minderheiten, Rassismus, Gewalt- und Kriegsverherrlichung erneut an politischem
Einfluss gewinnen.
Seit 1994 veranstaltet der rechtsradikale ‚Freundeskreis ein Herz für Deutschland‘ (FHD) fast jedes Jahr am 23. Februar eine Fackelmahnwache, um der ‚deutschen Opfer‘ 1 des Angriffs auf Pforzheim 1945 und des 2. Weltkriegs zu gedenken. Die Mahnwache ist mittlerweile mit 100 – 200 Teilnehmer/-innen die größte regelmäßige faschistische Veranstaltung in Baden-Württemberg.
Gespenstische Atmosphäre
Hier können Rechte 2 aller Strömungen ungestört zusammenkommen, sich austauschen und Gemeinschaft erleben. Sie bedienen sich einer gespenstischen Atmosphäre: Um 19.40 Uhr entzünden sie ihre Fackeln und währenddessen beginnen in der ganzen Stadt für 20 Minuten die Kirchenglocken zu läuten; ansonsten herrscht andächtige Stille. Diese Stimmung kann Einsteiger/-innen in die rechte Szene beeindrucken und alte Nazis festigen; es vermittelt allen, dass sie nicht alleine sind; dass an den rechten Parolen schon was dran sein wird, weil es sich richtig anfühlt.
Die rechtsradikale Szene in Pforzheim
In Pforzheim gibt es nicht nur am 23. Februar eine starke Naziszene. Sie ist über das gesamte Jahr aktiv und zeichnet sich durch eine große Mobilisierungsfähigkeit unter Jugendlichen aus. Ebenso ist sie überregional vernetzt und kann auf Strukturen wie auf das Stallhaus Germania in Mühlacker/Lomersheim zurückgreifen. Öffentlich in Erscheinung treten sie hauptsächlich bei Demonstrationen und durch zum Teil bewaffnete Übergriffe, wie im Oktober 2008, als etwa 15 Neonazis aus dem Umfeld des „Heidnischen Sturmes Pforzheim“ 3 ein Konzert der Aktion ‚Laut gegen Nazis‘ bewaffnet angriffen oder im Mai 2009, als drei Neonazis einen 14-Jährigen auf Grund seiner Hautfarbe durch die Pforzheimer Nordstadt jagten.
Aktuell griffen im Mai etwa 50 Personen mit Stahlknüppeln bewaffnet einen Dönerladen in der Nordstadt an. Sie riefen dazu auf, den Laden zu zerstören und anzuzünden.
Nazis müssen es schwer haben, Fuß zu fassen
Lasst uns als Pforzheimer/-innen ein Klima schaffen, in dem Nazis es schwer haben, Fuß zu fassen. Dazu müssen wir gemeinsam deutlich machen, dass wir Menschen nicht nach ihrer Herkunft beurteilen dürfen.
Geschichte als Anknüpfungspunkt
Am 23. Februar wird der 17.000 Toten gedacht, die in Pforzheim 1945 ums Leben kamen. Meist werden dabei Erlebnisse von Pforzheimer/-innen während und nach dem Luftangriff aufgezeigt. Neben der Trauer um Verwandte, die viele ältere Pforzheimer/-innen durchleben, wird auch symbolisch aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Der Weg von 1933 bis zur Zerstörung der Stadt wird hingegen nur begrenzt und im Stadtbild und der medialen Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar nachgezeichnet. So entsteht leicht der Eindruck, dass Pforzheim zufällig kurz vor Kriegsende angegriffen wurde.
Von Nazi-Deutschland begonnener Krieg
Dabei war es die Härte des von Nazi-Deutschland begonnenen und von der Bevölkerung mehrheitlich mitgetragenen Vernichtungskriegs, die nun auch auf Pforzheim zurück fiel. Die Lehre aus dem 23. Februar kann nur lauten: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg! Wir brauchen einen verantwortungsvollen Umgang mit der deutschen Geschichte. Das muss bedeuten, die Bedingungen und Mechanismen dieses Krieges und der industriellen Massenvernichtung zu benennen, und nicht, sich auf zwangsläufig durch Krieg hervorgerufenes Leid zu fokussieren. Aus Geschichte zu lernen muss bedeuten, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf [Willi Brandt]. Wir treten dafür ein, dass dieser gesellschaftliche Konsens wiederhergestellt und verteidigt wird! Eine solch klare Positionierung in der Stadt würde es dem FHD ungemein erschweren, sich der allgemeinen Trauerstimmung zu bedienen und sich selbst als eine Trauergruppe unter vielen darzustellen.
Für ein Pforzheim ohne Nazimahnwache am 23. Februar
Wir möchten an die erfolgreiche Demonstration zum 23. Februar 2010 anknüpfen. Über 500 Demonstrant/-innen haben klar gemacht: Für Nazis und ihre Inhalte ist in Pforzheim kein Platz! Auf unserer Open-Space-Konferenz ‚Wie positioniert sich Pforzheim gegen Rechts‘ war ein Ergebnis, dass wir uns das gesamte Jahr mit Rassismus in all seinen Facetten auseinandersetzen müssen. Konkret zum 23. Februar sollten wir uns dabei ein Beispiel am Bündnis ‚Dresden nazifrei‘ nehmen, das es am 13. Februar 2010 geschafft hat, mit Massenblockaden als Aktion des zivilen Ungehorsams den größten regelmäßigen Naziaufmarsch in der Bundesrepublik zu verhindern. Unsere Perspektive kann nur ein Pforzheim sein, das gemeinschaftlich und aus der Bevölkerung dafür sorgt, dass hier keine Naziveranstaltungen stattfinden können! Für ein Pforzheim ohne Nazimahnwache am 23. Februar!
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1 Nazis verstehen unter Deutschen diejenigen, die sie zu ihrer konstruierten ‚Volksgemeinschaft‘ zählen; so gehören beispielsweise Jüdinnen und Juden, Behinderte oder politische Gegner/-innen nicht zu den Deutschen.
2 Unter ‚Rechts‘ verstehen wir sowohl offen faschistische Bestrebungen als auch Formen des Rechtspopulismus, jedoch keine demokratischen Kräfte
3 Der Heidnische Sturm Pforzheim ist eine 2005 gegründete, rechtsradikale Kameradschaft.
Weitere Informationen und Kontakt:
VVN – Bund der Antifaschisten, Landesvereinigung Baden-Württemberg e.V., Böblinger Straße 195, 70199 Stuttgart
Telefon 0711 603237
Fax 0711 600718
Internet:
http://www.vvn.telebus.de/
http://www.dresden-nazifrei.com/