Am 27. Januar 2020 wurde in Deutschland die erste Corona-Infektion registriert – beim Autozulieferer Webasto in Bayern. Seither gab es 65.000 Corona-Tote. Warum? Die Politik der Bundesregierung hat daran großen Anteil. Tatsächlich hatte das Rober-Koch-Institut (RKI) bereits 2013 diese Pandemie vorhergesagt und Empfehlungen gegeben, um sich darauf vorzubereiten. Aber die Bundesregierung ließ die Studie in der Schublade verrotten, unternahm keinerlei Maßnahmen.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Die Dynamik der Pandemie
Bisher starben weltweit mehr als 2,5 Millionen Menschen an Corona. Die Dynamik der Pandemie hat sich hierzulande beschleunigt. In den ersten sechs Wochen des neuen Jahres gab es in Deutschland 32.000 Corona-Tote. Das sind fast so viele wie im gesamten Jahr 2020. Das Virus mutiert und wird gefährlicher. Die »Flatten the Curve«-Strategie der Regierungen in Europa ist gescheitert. Die Regierungen halten ihre Länder im Lockdown-JoJo. Neben den Menschen, die direkt durch Corona starben und auf den Intensivstationen nur knapp dem Tod entkamen, sind vor allem die Frauen die Leidtragenden, weil sie den Hauptteil der Care-Arbeit schultern; Lohnabhängige und prekär Beschäftigte ohne Chance auf Home-Office, Menschen in beengten Wohnverhältnissen oder ohne Obdach; Selbstständige, Kunstschaffende, Kinder aus ärmeren Verhältnissen – sie alle sind in besonderer Weise sozial und mental durch den Lockdown belastet.
Kleinexistenzen vor dem Ruin
Es kann nicht sein, dass der Bundeswehr-Etat 2020/21 um sieben Milliarden Euro erhöht wird, aber ein paar hundert Millionen Euro für Laptops in den Schulen fehlen. Dass Lufthansa und TUI mit 170.000 Beschäftigten zwölf Milliarden Euro Steuergeld erhalten und dann Jobs abbauen, das Gastgewerbe mit zwei Millionen Beschäftigten jedoch auf die viel zu niedrigen Novembergelder wartet und nun hunderttausende Kleinexistenzen vor dem Ruin stehen. In den Altenheimen fehlen FFP2-Masken. In den Gesundheitsämtern blieb die notwendige massive Personalaufstockung weitgehend aus. Das Krankenhauspersonal arbeitet nach wie vor am Limit. 2020 wurden weitere 20 Kliniken geschlossen trotz der bestehenden Überbelastung der Intensivstationen durch Corona-Erkrankungen.
Die Rückkehr der „Locker-Macher“
Obgleich die Inzidenzwerte überall noch viel zu hoch liegen und die gefährlicheren Virus-Mutationen sich schnell verbreiten, wird von den üblichen Verdächtigen zu einem neuen Wettlauf der Öffnungen geblasen. Mit dabei ist wieder Armin Laschet. Der „Lockermacher“ vom Frühjahr 2020, der zwischenzeitlich, von November bis Januar, einen auf Hardliner gemacht hatte, sagte mit Blick auf den Inzidenzwert 35 in einer Online-Veranstaltung des baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrats, man könne „nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet“. Unterstützung erhielt er sofort von FDP-Chef Christian Lindner, der stets zu jeder Faktenverdrehung bereit ist, die Unternehmerinteressen nützt. Seit einigen Tagen veranstalten die Wirtschaftsverbände ihr publizistisches Trommelfeuer. Ihr scheinheiliges neues Mantra heißt „Öffnungsperspektive“. Ihr Zorn richtet sich dagegen, dass die Regierung Lockerungsmaßnahmen an einen Inzidenzwert von 35 koppelt. Sie wollen Geschäftsöffnungen um jeden Preis. Gesundheitsschutz ist ihnen gleich. Was sie interessiert ist, dass endlich wieder der Rubel rollt. Nur wenige äußern das so unverblümt wie das Management des schwäbischen Schicki-Micki Modehauses Breuninger. Aber Breuninger-Sprecher Christian Witt spricht wohl ihnen allen aus der Seele, wenn er fordert, dass sein Haus öffnen kann – völlig unabhängig von der Inzidenzzahl. Ob er damit einer dritten Corona-Welle Vorschub leistet, ist für den Breuninger-Manager offenbar kein Thema.
Versäumnisse
Wir müssen die Infektionszahlen massiv senken. Im Frühjahr 2020 wurden durch die Disziplin der Bevölkerung die Neuinfektionen auf wenige hundert Fälle gedrückt. Der Sieben-Tage-Mittelwert lag im Juni bei 286 Fällen – bundesweit; heute sind es mehrere Tausend. Hätte sich die »Lockerungsmafia« damals nicht durchgesetzt, wäre nahe Null eine Sache von ein paar Wochen gewesen. Die Politik der „Locker-Macher“ in Brüssel und Berlin ist von Kapitalinteressen geprägt. In Kauf genommen werden hohe Infektionszahlen bis kurz vor dem Kollaps des Gesundheitssystems, um dann oft widersprüchliche Restriktionen zu verhängen: Amateursport nein – Profisport ja, Kreuzfahrtschiffsfahrten ja – Theaterbesuch nein. Damit wird Politikverdrossenheit gefördert; der gute Wille von mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wird aufs Spiel gesetzt. Kaum ein Thema ist dagegen in der BRD, dass in zahlreichen Ländern eine recht erfolgreiche Coronapolitik verfolgt wird. In Australien und Neuseeland lagen die Inzidenzwerte am 31. Januar 2021 bei weniger als zehn Corona-Toten auf 100 000 Einwohner (BRD: 72 Tote).
„Große Namen“, handzahme Behörden
Lange war die Rolle der Betriebe beim Infektionsgeschehen ein Nicht-Thema. Inzwischen wird immerhin über solche Vorfälle berichtet. In unserer Region waren in den letzten Wochen vor allem zwei „große Namen“ betroffen. Bei Würth in Gaisbach gab es in einem der vier Logistikzentren über 40 Fälle von Corona. Bei drei Fällen handelt es sich um die Corona-Mutation aus Großbritannien. Im Kärcher-Werk Bühlertal haben sich mindestens 64 Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert. Bei einem Drittel der Betroffenen ist die britische Corona Mutation B.1.1.7. nachgewiesen worden. Am 19. Februar 2021 erfahren wir aus einer Kurzmeldung im Haller Tagblatt, dass beim Maultaschenproduzenten Bürger in Crailsheim derzeit 17 Beschäftigte infiziert sind.
Keine Werksschließungen
Im „Haller Tagblatt“ werden bei Würth und bei Kärcher die vermeintlich tollen Hygieneschutzmaßnahmen der Firmen herausgestellt. Die Frage, wie es zu der hohen Zahl der Ansteckungen kommen konnte, wird nicht gestellt. Es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass zum Beispiel bei Kärcher 64 Leute aus den unterschiedlichsten Wohnorten ausgerechnet zur gleichen Zeit sich im Privatumfeld den Virus eingefangen haben. In den Presseberichten findet sich kein Hinweis darauf, dass die zuständigen Gesundheitsämter vor Ort Untersuchungen angestellt hätten. Obwohl in beiden Fällen die Infektionen in bestimmten Werken auftraten, kam es zu keiner auch nur temporären Schließung des jeweiligen Werks. Bei Kärcher im Werk Bühlertal wurden 355 von 900 Beschäftigten in Quarantäne geschickt. Bei Würth offenbar außer den unmittelbar Infizierten niemand. Man/frau gewinnt den Eindruck, dass das Gesundheitsamt sich mit den Aussagen des Managements zufrieden gibt, ohne sich selbst konkret vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.
„Wünsch-Dir-Was“-Fibel für Unternehmer
Handzahme Behörden, wohlwollende Presse und bekanntermaßen gefügige Betriebsräte – Zustände wie aus der „Wünsch-Dir-Was“-Fibel für Unternehmer. Die Politiker der etablierten Parteien sprechen manchmal davon, dass es gelte, einen „Krieg gegen den Virus“ zu führen. Das konkrete Handeln sieht nicht danach aus.