„Die Pandemie solidarisch europaweit eindämmen“ Zwölf Thesen von Verena Kreilinger, Winfried Wolf und Christian Zeller

„Die Pandemie solidarisch europaweit eindämmen – Zwölf Thesen“ lautet der Titel eines Artikels von Verena Kreilinger, Winfried Wolf und Christian Zeller.

Informationen zugesandt von Paul Michel, Schwäbisch Hall

These 1

Außer Kontrolle // Anfang 2021, ein gutes Jahr nach der ersten Identifizierung des Sars-CoV-2 Virus, ist die Epidemie in großen Teilen der Welt, so insbesondere in den USA, in Lateinamerika und in Europa, mit der zweiten Welle weitgehend außer Kontrolle geraten. Obwohl inzwischen Massenimpfungen begonnen haben, steigt die Zahl der Menschen, die mit einer Corona-Virus-Infektion sterben dramatisch an. Die Mutationen des Virus häufen sich. Die Virusvariante B117 weist eine wesentlich höhere Übertragbarkeit auf und vermehrt sich rasend schnell. Im Februar 2021, ein Jahr, nachdem die Epidemie im Westen ankam, wird die Zahl von 2,2 Millionen Corona-Toten erreicht sein. Eine zentrale Aussage in diesem Papier – wie zuvor in unserem Buch „Corona, Kapital, Krise“ – lautet: Diese Entwicklung war absehbar. Die Verantwortung dafür tragen die Regierenden und die herrschenden Kreise, die diese Regierungen unterstützen.

These 2

In drei Phasen der Epidemie haben sich die Regierungen für die Inkaufnahme zusätzlicher Zehntausender Toter entschieden // Die europäischen Regierungen und die EU haben sich während dieser Pandemie in drei Perioden in besonderer Weise gegen den Schutz der Gesundheit der Menschen entschieden: Zunächst in den ersten zehn Wochen des Jahres 2020, als alle Verantwortlichen die Epidemie verharmlosten: Das Virus wurde latent rassistisch als eine chinesische Angelegenheit abgetan. Schutzmaßnahmen wurden nicht ergriffen. Der Ausbreitung der Epidemie wurden Tür und Tor geöffnet. Sodann in den Monaten Mai bis August 2020, als es nach einem ersten Lockdown eine gewisse Eindämmung der Epidemie gab: Diese Zeit mit sinkenden oder stagnierenden Infektions-Zahlen wurde nicht genutzt, um die Eindämmung fortzusetzen. Stattdessen gab es einen Wettlauf von Lockerungen – mit den fatalen Folgen, die seit September 2020 festzustellen sind. Im Herbst 2020 taten die Regierungen das Falsche. Obwohl sich die Ansteckungen bereits wieder exponentiell vermehrten, griffen sie bewusst nicht oder ungenügend ein und wogen die Menschen in Sicherheit. Erst ab November agierten sie erneut, zunehmend überhastet und autoritär.

These 3

Dass eine andere Politik möglich war, zeigen mehr als ein Dutzend Länder // Anfang 2021 entfallen von den 1,8 Millionen Corona-Toten 72 Prozent auf die Regionen USA, Lateinamerika und EU. In diesen Regionen leben jedoch nur 18 Prozent der Weltbevölkerung. Zu überprüfen ist, was die Ursachen für diese ungleiche Verteilung sind. Sicher ist: Es gibt (wie in Tabelle 2 in unserem Text dokumentiert) mehr als ein Dutzend Länder, in denen die Epidemie durch eine Mixtur von wirksamen Lockdowns und einem hohen Einsatz von Personal zur Identifikation und Nachverfolgung der Infektionsketten weitgehend eingedämmt und die Zahl der Corona-Toten bei einem Bruchteil derjenigen, die in den USA und in Europa zu beklagen sind, verblieb. In diesen Ländern wurde weitgehend eine Pandemiepolitik betrieben, wie wir sie in These 12 empfehlen.

These 4

Das fatale Ausklammern des Bereichs Fabriken und Büros // Es gibt in Europa und insbesondere in Deutschland eine intensive Debatte über die Ansteckungsorte und Ansteckungsformen. Dabei wird vor allem der private Bereich als wesentlicher Ort der Ansteckung identifiziert. Dabei fällt auf: der Arbeitsplatz (Fabriken, Büros, Logistik-Zentren) taucht in diesen Betrachtungsweisen und Statistiken nicht auf. Das passt in die gesamte Eindämmungsstrategie, bei welcher die Restriktionen primär die Individuen und den Freizeitbereich treffen, wohingegen der Bereich der Arbeit – sprich: der Mehrwertproduktion und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft – ausgeklammert ist, ja fast zu einer Tabuzone in der Corona-Debatte wurde.

These 5

Für das Verfolgen der Infektionsketten benötigt man Personal – doch dieses wurde drastisch reduziert // Entscheidend für die Pandemie-Eindämmung sind die Identifizierung der Infektionen und das Verfolgen der Infektionsketten. Die dafür verantwortlichen Einrichtungen – in Deutschland und Österreich die Gesundheitsämter – sind dafür weder personell noch technisch ausreichend ausgestattet. Während diese Ämter im ersten Halbjahr 2020 noch in der Lage waren, gut zwei Drittel der Infektionsketten zu identifizieren, werden sie seit Ende 2020 vom Infektionsgeschehen völlig überrollt. Dieses findet weitgehend außerhalb jeglicher Kontrolle seitens dieser entscheidenden Behörde statt. Dies hängt wesentlich damit zusammen, dass das Personal dieser Ämter in den letzten 30 Jahren massiv reduziert wurde – und dass es seit Beginn der Corona-Epidemie kaum eine Aufstockung desselben gab.

These 6

Die Interessensverbände der Wirtschaft sind für die Corona-Politik mitverantwortlich // Die Verantwortlichen behaupten, von der zweiten Welle der Pandemie überrascht worden zu sein. Das stimmt nur zum Teil – und dort, wo dies zutrifft, ist dies ein Beleg für Ignoranz. Denn die Warnungen der Wissenschaft gab es lange vor Corona und seit den ersten Monaten der Pandemie ohne Unterbrechung. Tatsächlich gibt es für diese Politik eine andere Erklärung: Die Regierungen in den genannten Regionen stehen unter dem Diktat der kapitalistischen Wirtschaft. Diese drängte von Anfang an darauf, die Restriktionen so gering wie möglich zu halten bzw. solche immer wieder aufs Neue zu lockern. In dieser Situation ist die offizielle Corona-Politik dadurch definiert, dass es dann Teil-Lockdowns gibt, wenn die Situation außer Kontrolle zu geraten droht. Sobald es zu einem gewissen Rückgang der Infektionen kommt, werden wieder die Zügel gelockert – bis die Gesellschaft erneut an den Rand der Katastrophe gerät… Diese Politik verfolgt faktisch heimlich das zynische Prinzip der Herdenimmunität. Sie ist verantwortungslos und primär orientiert an der maximalen Kapitalverwertung.

These 7

Die Corona-Gelder vergrößern die soziale Ungleichheit // Die Regierungen haben Rekordsummen im Kampf gegen Corona investiert. Doch diese Gelder flossen zum allergrößten Teil in die Kassen und auf die Konten der Konzerne und Banken, der Wohlhabenden und Vermögenden. Diejenigen, die am meisten unter der Epidemie leiden (und die oft auch gesundheitlich am stärksten von ihr betroffen sind), sind die Obdachlosen, die Arbeitslosen, die prekär Beschäftigten, Menschen in Kurzarbeit, die Kleingewerbetreibenden, Kunstschaffende und die migrantische Bevölkerung. Tatsächlich sind die sozialen Schäden der Pandemie extrem hoch. Doch dies sind nicht, wie die Corona-Leugner sagen, die Folgen der Restriktionen. Diese Schäden sind so groß, weil die Politik mit den Corona-Steuergeldern eben keinen solidarischen Schutzschirm aufgespannt hat, sondern einseitig die Oberklasse begünstigt. Noch nie in der Menschheitsgeschichte gab es eine derart große Zusammenballung von Reichtum in den Händen weniger Tausend; dieser Prozess der Reichtumskonzentration hat sich im Corona-Jahr 2020 enorm beschleunigt.

These 8

Die Corona-Krise ist tief. Sie wird das Jahr 2021 bestimmen und in Sparorgien münden // Pandemie und Krise verschränken sich 2020/2021. 2020 gab es den größten Rückgang der Weltwirtschaft seit 1930. Auch das Jahr 2021 wird von den Krisenerscheinungen geprägt sein. Die Gefahr zehntausender Pleiten und eines drastischen Anstiegs der Arbeitslosigkeit besteht weiter. Die massiv angestiegene Verschuldung auf allen Ebenen und das zeitweilige Aussetzen der „Schuldenbremsen“ werden spätestens Ende 2021 dazu führen, dass die Regierenden Sozialabbau und Reduktionen von Realeinkommen verordnen.

These 9

Gewerkschaften und linke Parteien haben versagt. Sie müssen die Gesundheit der Beschäftigten ins Zentrum rücken // Die Gewerkschaften und so gut wie alle linken Parteien haben keine Konzepte zum Schutz der Arbeitenden und Erwerbslosen entwickelt, kaum konkrete Forderungen aufgestellt, wonach die Reichen und Vermögenden, die Konzerne und Banken, für Epidemie-Kosten aufzukommen haben. Erste Aufgabe von Gewerkschaften ist es, die Lohnabhängigen zu verteidigen. In Zeiten der Epidemie heißt das, deren Gesundheit ins Zentrum zu rücken. Die Gewerkschaften müssen alles unternehmen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren und die Gesundheit der Beschäftigten und ihrer Angehörigen sicher zu stellen. Das bedeutet auch: Es muss wirksame Schutzmaßnahmen an den Arbeitsplätzen geben.

These 10

Coronaleugner verfolgen einen Sozialdarwinismus – Wer die Kritik am Abbau demokratischer Rechte vor den Gesundheitsschutz stellt, handelt inhuman // Das Leugnen der Epidemie ist weiter stark verbreitet – trotz massiver Ausweitung der Epidemie, trotz stark steigender Zahl der Corona-Toten. Diese Positionen ähneln denjenigen der Klimaleugner. Gleichzeitig befinden sie sich (auch hier wie beim Klimaleugnertum) objektiv im Gleichklang mit den Interessen der Kapitalvertreter: diese haben, wie in These 6 dargelegt, kein Interesse an einer wirksamen Eindämmung der Epidemie. Insofern ist es kein Zufall, dass der reaktionäre Ex-Präsident der USA Donald Trump und der faschistoide brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Epidemie-Gefahr lange Zeit mit denselben Argumenten leugneten und dass so gut wie alle Interessenverbände des Kapitals in der Epidemie plötzlich für Demokratie eintreten und dies in einen Gegensatz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Epidemie stellen. Richtig ist: Demokratische Rechte und das Streikrecht sind in Gefahr, wenn man den Regierenden die Gesundheitspolitik überlässt. Doch diese demokratischen und gewerkschaftlichen Rechte können nur wirksam verteidigt werden, wenn die Linke und die Gewerkschaften selbst eine wirksame Politik gegen die Epidemie unter besonderer Berücksichtigung der unteren Klassen und Schichten entwickeln. Der Abstentionismus jedoch, den die Gewerkschaften bei diesem Thema pflegen, treibt die Menschen eher in Apathie und Entpolitisierung – was wieder der Nährboden für Rechtsextremismus und Faschismus ist. Das Querdenkertum mag sich ursprünglich aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten zusammengesetzt haben. Inzwischen ist diese Bewegung von rechten und faschistoiden Strömungen beherrscht.

These 11

Das Starren auf den Impfstoff und eine massenhafte Impfkampagne ist problematisch und ergänzt im gewissen Sinn die falsche Corona-Politik // Ein wirksamer Corona-Impfstoff macht nur Sinn als Ergänzung einer Politik, die umfassend auf eine Eliminierung der Epidemie und ihrer Ursachen abzielt. Die Corona-Impfstoffe werden selbst in den reichen Regionen der Welt erst im Herbst 2021 Wirkung zeigen. Weltweit frühestens im ersten Halbjahr 2022. Lässt man aber dem Virus diese Zeitspanne, dann kostet das weiteren hunderttausenden Menschen das Leben. Vor allem häufen sich mit der weiteren Ausbreitung des Virus die Mutationen. Weisen diese eine höhere Ansteckungsrate auf, droht die Epidemie sich so schnell auszuweiten, dass die Impfkampagnen nicht mehr hinterherkommen. Zudem müssen möglicherweise bald – wie bei der weniger gefährlichen Grippe – ständig neue Impfstoffe entwickelt und neue Impfkampagnen gestartet werden. Das mag für Impfstoffhersteller, nicht jedoch für die Menschheit, eine interessante Perspektive sein. Notwendig sind Sofortmaßnahmen zur wirksa- men Eindämmung des Virus. Nur damit wird die Gefahr von Mutationen stark minimiert – mit der Chance, sie im Keim immer neu zu ersticken.

These 12

Eine internationale, linke Kampagne zur Eindämmung der Epidemie ist notwendig – und möglich // Wir schließen uns dem internationalen Aufruf für die konsequente Eindämmung der Covid-19-Pandemie in Europa an. Ziel muss sein, die Infektionen auf ein Minimum zu reduzieren und das Virus wirkungsvoll einzudämmen. Das erfordert strikte Lockdown-Maßnahmen, die auch den Bereich der Arbeitsplätze erfassen, gepaart mit einem massiven Aufstocken der Zahl der Beschäftigten in den Gesundheitsämtern, um ein solches Identifizieren und Nachverfolgen erst zu ermöglichen. Ziel muss sein: Jede einzelne SARS-CoV-2-Ansteckung in Europa muss direkt nachvollziehbar sein. Auf dieser Basis wird es möglich sein, Schritt für Schritt wieder ein normales Alltagsleben zu ermöglichen.
Diese Politik ist zu ergänzen um Forderungen, die die Profitlogik im Gesundheitssektor und in der Pharmaindustrie grundlegend in Frage stellen. Beide Sektoren müssen perspektivisch unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Sofortforderungen dabei sind: das Außerkraftsetzen des Prinzips der Fallpauschalen in den Krankenhäusern, der sofortige Stopp aller Krankenhaus-Schließungen und die Produktion der wirksamen Corona-Impfstoffe in Anlagen unter öffentlicher Kontrolle.
Eine solidarische Perspektive in den Zeiten der Pandemie heißt: Im Zentrum stehen der Mensch, die menschliche Gesundheit, die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft und deren Interessen und die gemeinschaftliche Bekämpfung der Epidemie. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Gesundheitsschutz und Pandemiebekämpfung einerseits und der Verteidigung demokratischer Rechte und des Rechtstaats andererseits. Demokratie ohne Gesundheitsschutz ist sinnlos und zynisch. Gesundheitsschutz ohne Demokratie führt in den autoritären Staat. Die Einheit von beidem ist in der gegebenen Situation der entscheidende Schritt zur solidarischen Gesellschaft.

Internationaler Aufruf für die konsequente Eindämmung der Covid-19-Pandemie in Europa:

https://www.containcovid-pan.eu/

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„Plädoyer für einen linken Green New Deal“ – Online-Lesung mit dem Parteivorsitzenden Bernd Riexinger (LINKE)

Eine Online-Lesung mit Bernd Riexinger bieten die Linken Schwäbisch Hall und Hohenlohe am Sonntag, 17. Januar 2021, um 11 Uhr an. Der Vorsitzende der Bundespartei von „Die Linke“ liest aus seinem aktuellen Buch „Plädoyer für einen linken Green New Deal“. Die LandtagskanidatInnen für Hohenlohe (Simon Brecht) und Schwäbisch Hall (Ellena Schumacher Koelsch) sind ebenfalls anwesend.

Von Cedric Schiele, Kreissprecher Die Linke Schwäbisch Hall und Hohenlohe

Zugangsdaten zur Online-Lesung

Online-Lesung mit Bernd Riexinger mit dem Titel „System Change – Plädoyer für einen linken Green New Deal“ am Sonntag, 17. Januar 2021, um 11 Uhr:

Zugang: Zoom-Meeting beitreten

https://us02web.zoom.us/j/84499673702?pwd=L2JmTyt3bzNyVmppWHo3UTM5VE05UT09

Meeting-ID: 844 9967 3702

Kenncode: 651851

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„Offenes Online-Treffen“ Verein „Ohne Rechtsaußen“ lädt zum Mitdiskutieren ein

Der Verein „Ohne Rechtsaußen e.V.“ lädt alle Freunde und Mitglieder zu einem Zoom-Meeting am Montag, 11. Januar 2021, um 19 Uhr ein. Eines der Themen lautet „2020 war ein seltsames Jahr“. Außerdem soll über die Stürmung der Trump-Anhänger des amerikanischen Parlamentsgebäudes „Capitol“ gehen.

Von David Jäger, Verein Ohne Rechtsaußen

Das erste offene Treffen in neuen Jahr findet am Montag, 11. Januar 2021, um 19 Uhr unter folgendem Link statt:

Zoom-Meeting beitreten https://uni-wuerzburg.zoom.us/j/92135596129?pwd=R0d4VFIzWnEwSGg1ajMzc0lrekx3Zz09

Mit Snack und Getränk

David Jäger: „Schnappt euch ein Getränk und einen Snack eurer Wahl und wohnt unserem ersten offenen Treffen dieses Jahr bei.“

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„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden einunddreißigster Teil

„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden einunddreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

XXXI Winter

…Die zweite Tasse Rumschokolade genießend, ließ Carl die wunderbare Atmosphäre im Jadel auf sich wirken. Er sinnierte darüber nach, wie sich die kommende Woche im Hochschwarzwald wohl gestalten würde. Der Abschlussbericht von Leopold Findus, seinem Informant, lag ihm nunmehr vor. Danach war seine geliebte Paula im Jahr zweitausendsechzehn, ganz kurz vor dem Weihnachtsfest, hinterhältig überfallen und niedergeschlagen worden. Sie war damals mit einem Schweizer Rechtsanwalt und Notar verabredet. Anstatt jedoch zum Abschluss ihrer langwierigen Erkundigungen zu gelangen – erwachte Paula aus einer Bewusstlosigkeit, die sie sich nicht erklären konnte. Die Vorboten zum geplanten Hinterhalt, die sie hätten misstrauisch machen können, wurden in dem damals vorangehenden Sommer von Paula arglos übersehen. Sie wiegte sich in Sicherheit und traf daher keinerlei nützliche Vorkehrungen, um sich gegen einen gezielten Angriff auf ihr Leben zu schützen. Im Kreiskrankenhaus wurde am Tag nach dem nächtlichen Überfall ein Schädelbruch diagnostiziert.

Hohenzollern

Durch die Recherchen seines Informanten Findus wurde der erste Verdacht, dass es sich um eine familiäre Tragödie handeln könnte, erhärtet. Immer noch stockte Carl beim Gedanken an diesen Überfall der Atem. Paula Engel hatte zwei Vettern, beide waren Söhne der Schwester ihres Vaters. Renate verheiratete sich, und zog dann, gut situiert, hinauf an den Rand des Albtraufs. Dort, unweit der hoch oben thronenden Burg Hohenzollern, lebte sie mit ihrem Mann und den Söhnen Wilhelm und Roger. Die Buben aus der Familie Teufel wuchsen neben Paula und ihrem kleinen Bruder auf, da zu dieser Zeit, enger Kontakt zwischen der hochgelegenen Albstadt und der Stadt am Kocher gehalten wurde. Schon damals, als Paula gerade lernte, sich aus eigener Kraft, an den hölzernen Gitterstäben des Laufstalls hochzuziehen, war ihrem Vetter Wilhelm das geschickte Bäßle* bereits ziemlich unheimlich. Sobald er nahe an Paula vorbei lief, giftete sie ihn aus ihrem Laufstall heraus an, schnellte mit der einen Hand vor und krallte sich in seinen Kleidern fest, um mit der anderen Hand beherzt in seinen Haarschopf zu greifen und an seinen Haaren zu ziehen.

Ungesunde Veränderungen

Carl musste Paula unbedingt zu ihrer Kindheit befragen. Es war ja gut möglich, dass eine versteckt verzwickte Situation, kleine familiäre Streitereien aus der Kindheit, zu dieser beinahe tödlichen Eskalation führte. Da Carl bei Paul zum Abendessen eingeladen war, wollte er sich vorher noch die Füße vertreten und frische Luft schnappen. Er stand auf, um bei Jadel Junior die Rechnung der edlen Gedecke an der Kasse zu begleichen und wurde dann freundlich aus dem Café verabschiedet.
Später im Esszimmer bei Paul, führten er und Carl ihr Gespräch aus dem Jadel fort. „Es ist grad schwierig an eine Änderung zum Guten hin zu glauben.“, meinte Paul, „Nicht nur bei Studierenden und Schülern, sondern auch in meinem Arbeitsbereich bei der Betreuung von jungen Menschen in der beruflichen Bildung, finden sehr viele ungesunde Veränderungen statt.

Ansprache und Förderung

Diejenigen die von zu Hause begütert und mit digitalen Geräten und Anschlüssen ausgestattet sind, verkraften das vielleicht gerade noch so. Aber stell dir mal vor: Es wurde angeordnet junge Menschen, die dringend Hilfen beim Lernen brauchen, mit Videounterricht abzuspeisen. Da handelt es sich um Heranwachsende, die sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden, sie sind motiviert; sie sind die klugen Facharbeiter und findigen Handwerker von morgen. Sie haben nur Lücken im theoretischen Bereich, beim Rechnen oder beim Schreiben. Was gebraucht wird, sind Ansprache und Förderung sowie Unterstützung im theoretischen Bereich.“

Aufwendige Ferienvergnügungen

„Haben diese jungen Menschen denn einen Hauptschulabschluss?“ fragte Carl. Als Paul mit dem Kopf nickte, fragte Carl Eugen weiter: „Woher kommen dann die Wissenslücken? Ein normaler Hauptschulabschluss ist doch ausreichend, um eine solide Berufsausbildung absolvieren zu können.“, stellte er fest.
„Nun, es gibt viele Gründe und ein Hauptschulabschluss ist nicht mehr das, was er in deiner Jugendzeit war. Da sind zum einen Einheimische, die irgendwann einmal mit erzieherischen Methoden verschreckt wurden, die nicht zu ihrem Gemüt oder ihrer Leistungsfähigkeit gepasst haben. Und dann Enkel und Urenkel der Arbeitsmigranten aus der Wirtschaftswunderzeit, welche man jahrelang durch Schulen geschleust hat, ohne sich um eine sinnvolle Nachhilfe für ihre Defizite zu scheren. Lehrer, die nicht den Mut hatten sich nach oben hin gegen inhaltsleere Methoden des Unterrichtens zu wehren. Und nicht zu vergessen, die Lehrkörper, die ihrer wahrhaftigen Berufung gefolgt sind und aufwendige Ferienvergnügungen vor den erzieherischen Auftrag gestellt haben.

Gesellschaftliche und kulturelle Hintergründe

In den ausbildungsbegleitenden Hilfen zum Beispiel sind neu Eingewanderte oder deren Kinder als Teilnehmer einer Fördermaßnahme dabei. Denen fehlt natürlich neben der sprachlichen Ausdrucksform auch das Wissen um gesellschaftliche und kulturelle Hintergründe. Da kann man oft nicht einmal davon ausgehen, dass ein gewöhnliches Werkzeug erkannt oder gar richtig benannt werden kann“, erläuterte ihm da Paul ausführlich und ergänzte in absolut überzeugtem Ton: „Deutschland hat ein ausgezeichnetes duales Ausbildungssystem, da seid ihr ein leuchtendes Vorbild in der Welt. Aber man muss auch da die vordergründig schwächeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen integrieren und sie mitnehmen. Beziehungsweise unter globalen Gesichtspunkten gesehen: Jetzt erst recht sehr gut ausbilden. Was unter anderem heißt, eben ganz gezielt fördern – sie sind unsere Zukunft. Nicht nur wenn sie hier bei uns in Baden-Württemberg, in Deutschland oder in Europa bleiben, sondern auch wenn sie in ihre Heimatländer auf anderen Kontinenten zurückkehren.

Lebendiges Wissen

„Weißt du, Carl.“, dozierte Paul nun in voller Fahrt weiter: „In ihren Heimatländern sind sie sehr wertvolle Katalysatoren. Sie sind es, die genau diese Neuerungen einführen können, die man dort so dringend braucht – jedoch nicht schon wieder von den ehemaligen Kolonialherren aufs Auge gedrückt bekommen will. Von denen, welche die Sprache sprechen und die Gepflogenheiten kennen, nehmen ja auch hier die Eingeborenen eher etwas an“, augenzwinkernd schloss er seine Ausführungen mit den Worten ab: „Ich hoffe sehr, dass viele der jungen Flüchtlinge später auf ihre Kontinente zurückkehren und sich dort nützlich machen. Sie nehmen ja nicht nur das fachliche, das berufsbezogene, sondern auch das lebendige Wissen aus einer freien Gesellschaft mit.“

Abdriftende

„Manchmal habe ich gerade deswegen große Sorgen um den Nachwuchs“, beleuchtete Carl nun seine Sicht: „Die Lernmethoden – ob in Schulen oder Universitäten – daheim und auf Abstand sind allesamt wenig effektiv. Wenn schon über Beschränkungen beschlossen wird, müssen unbedingt Ausnahmen her. Oft sind die technischen Ausstattungen bei den Lernenden daheim ja gar nicht vorhanden, um einer Erklärung folgen zu können. Zum besseren Verständnis einer Materie ist die lebendige und menschliche Nähe einer vermittelnden Lehrkraft unbedingt erforderlich – es braucht diesen direkten und unmittelbaren Kontakt – und es braucht den direkten Kontakt der Lernenden zueinander. Das digitale Füttern von Kindern und Jugendlichen mit abstraktem Wissen ist haarsträubender Quatsch. Viele klinken sich dabei unbemerkt aus, oder melden sich erst gar nicht zu den geplanten Veranstaltungen an. Niemand kümmert sich mehr umeinander und die Abdriftenden verschwinden still und leise. Dort wo er verlorengegangen ist, muss wieder der Mut zum Präsenzunterricht aufgebracht werden. Das sollten unsere Universitätsdekane, Schulrektoren und die Leitungen in Bildungseinrichtungen unbedingt durchsetzen, um mit Bildung gegen die Planspiele* der Angst vorzugehen.“

Begegnungen

„Der Mensch wird nur am DU zum ICH*“, betonte Paul. „Wir nehmen alle etwas aus Begegnungen mit anderen Menschen mit. Wenn wir Begegnungen abschaffen, schaffen wir nicht nur die Spuren anderer in unseren Herzen, sondern auch jede Mitmenschlichkeit ab.“ … Fortsetzung folgt.

Erläuterungen:

*Bäßle: Schwäbischer Ausdruck für die Kusine oder auch Cousine.

*Wirtschaftswunderzeit: Bezeichnung für den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung ab den 1950er Jahren, in der nicht nur Europa, die Schrecken der beiden Weltkriege und zu vergessen suchte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftswunder

*Ausbildungsbegleitende Hilfen: Maßnahme der Bundesarbeitsarbeitsagentur zur Unterstützung von Auszubildenden, auch kurz abH genannt. https://de.wikipedia.org/wiki/Ausbildungsbegleitende_Hilfen https://www.arbeitsagentur.de/content/1478797061080

*Planspiele zur Angst und Freiheitsbeschränkungen: https://www.youtube.com/watch?v=SSnJhHOU_28

*Der Mensch wird nur am DU zum ICH: Zitat von Dorothee Sölle, nach dem jüdischen Religionsphilosoph Martin Buber.

*Dorothee Sölle, Theologin und Sprachwissenschaftlerin mit besonderem Augenmerkauf die Theologie der Befreiung und für Mystik: https://www.dorothee-soelle.de/

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„Für die Merlins zählt aktuell jeder Euro“ – CDU-Landtagskandidatin Isabell Rathgeb im Gespräch mit Geschäftsführer Martin Romig

Nicht der Profisport, sondern der Schulsport nahm beim Online-Gespräch von CDU-Landtagskandidatin Isabell Rathgeb mit Merlins-Geschäftsführer Martin Romig am Freitag, 30. Dezember 2020, überraschenderweise breiten Raum ein. Sportunterricht sei essentiell für die Gesellschaft und müsse aufgewertet werden, meint Romig.

Von CDU-Landtagskandidatin Isabell Rathgeb

„Die Sportart kann sich über Wasser halten“

Zum Zeitpunkt des Gesprächs hatten die Hakro Merlins Crailsheim gerade den zweiten Tabellenplatz der Basketball-Bundesliga inne. Und natürlich war der sportliche Erfolg der Profimannschaft wie auch die finanziellen Herausforderungen, die die Merlins aktuell durch die Corona-Krise zu meistern haben, Thema der Unterhaltung. „Die Sportart kann sich über Wasser halten“, erklärte Romig. Für die Merlins zähle aber aktuell jeder Euro.

Gesellschaftlicher Wille gefragt

Romig nutzte das Interview aber vor allem, um auf die gesellschaftliche Bedeutung von Vereins-, Breiten- und Schulsport aufmerksam zu machen. Sport trainiere die Teamfähigkeit, fördere das soziale Miteinander und wirke so der Vereinsamung und der Verrohung der Gesellschaft entgegen. Gegenstand des Interviews waren auch Zuschauerfragen aus dem ganzen Kreis, die Rathgeb an Romig weitergab: Von Spielen auf europäischer Ebene bis zur Nachwuchsförderung wurde viel gefragt.

Zunehmend körperliche Defizite bei Kindern

Nicht nur der Profisport, auch die Jugendarbeit sei eine Herzensangelegenheit der Merlins. „Wir beobachten jedoch zunehmend körperliche Defizite bei Kindern“, erzählte Romig. 30-Jährige mit chronischen Rückenleiden und Knieschmerzen bei 14-Jährigen gehörten mittlerweile zum alltäglichen Bild. Diese Defizite seien häufig auf Bewegungsmangel und Übergewicht zurückzuführen und würden die Sozialsysteme künftig stark belasten, so seine Befürchtungen. Um dem entgegenzuwirken, müsse dem Sportunterricht die gleiche Bedeutung wie Deutsch und Mathe zuerkannt werden. „Ich verstehe nicht, warum das nicht passiert“, so Romig. Es genüge nicht, „alle vier Jahre nach neuen Leitlinien zu schreien, weil es gerade bei Olympia nicht läuft“. Romig vermisst hier den gesellschaftlichen Willen, etwas an der Situation zu ändern.

Lockdown für Kinder besonders fatal

Romig zeigte sich zudem besorgt über die Auswirkungen des Lockdowns auf Kinder und Jugendliche. Die Merlins würden ihrem Nachwuchs derzeit zwar Trainingseinheiten per Zoom-Meeting anbieten und es werde tolle Arbeit von den Trainern geleistet. Den Trainingsrückstand könne dies jedoch nicht wirklich ausgleichen. „Fast ein Jahr Corona-Lockdown – im Kindesalter ist ein Jahr viel und wahrscheinlich kaum aufzuholen“, so die Einschätzung Romigs.

Neue Halle

Im Bereich des Profisports sei der Kauf des Hangars, den der Crailsheimer Gemeinderat vor Kurzem beschlossen habe, ein Lichtblick. Der Hallenbau dürfe aber nicht als Projekt der Merlins alleine, sondern müsse als Gemeinschaftsprojekt der Stadtgesellschaft verstanden werden, warnte Romig vor falschen Erwartungen. Bis zum Bau einer neuen Spielstätte in Crailsheim sei es daher noch ein langer Weg, bei dem viele Akteure zusammenkommen müssten, stellte Romig klar.
Einig waren sich Rathgeb und Romig, dass wir in einer wirtschaftlich starken Region leben und hier der Basketball auch ein integratives Element bildet. Er bietet gerade auch neuen Fachkräften – auch mit ausländischen Wurzeln – in der Region eine neue Anlaufstelle und kann so zur Heimat werden.

Bildungspolitik als Schwerpunkt

„Die Bedeutung des Sportunterrichts schätze ich ähnlich wie Martin Romig ein“, so Isabell Rathgeb im Nachklang des Gesprächs. Die Bildungspolitik hat für die Mutter von drei schulpflichtigen Kindern hohe Priorität. „Wir müssen die Digitalisierung der Schulen vorantreiben, dürfen aber auch die elementaren Bedürfnisse unserer Kinder, wie Sport oder die Förderung von Kreativität und Gemeinschaftssinn, nicht aus den Augen verlieren“, meint Rathgeb. Eine sehr gute Bildungspolitik sei auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland von herausragender Bedeutung. Als besonderes Beispiel für die gelebte Verantwortung vor Ort führte sie im Nachgang die Gemeinde Michelfeld auf. Hier hat die Kommune mit Bürgermeister Binnig einen Schwerpunkt auf die Gesundheit der Bevölkerung gelegt und richtet dementsprechend ihre Aktivitäten aus.

Nächster Gesprächspartner: Frank N. Walter

Um das Thema Schule und deren aktuelle Rahmenbedingungen geht es daher auch beim nächsten Online-Gespräch am Freitag, 8. Januar 2021, um 20 Uhr. Isabell Rathgeb wird sich dann mit Frank Walter, Rektor und Geschäftsführender Schulleiter aus Schwäbisch Hall, unterhalten. Fragen hierzu können an die Landtagskandidatin vorab unter kontakt@isabell-rathgeb.de geschickt werden.

Info:

Die Aufzeichnung des Gesprächs mit Martin Romig ist unter www.isabell-rathgeb.de in voller Länge abrufbar. Auf der Internetseite wird auch das Gespräch mit Frank Walter am Freitag, 8, Januar 2021, um 20 Uhr live zu verfolgen sein.

Isabell Rathgeb, CDU-Landtagskandidatin im Wahlkreis Schwäbisch Hall, Mühlstraße 31, 74597 Stimpfach

Was bewegt Sie?

Kontaktmöglichkeiten:

Telefon: 01520 74 20 930

E-Mail: kontakt@isabell-rathgeb.de

Internet: www.isabell-rathgeb.de

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„Lang beschattete Täler“ –  Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreißigster Teil

„Lang beschattete Täler“ –  Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreißigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

XXX Herde

… Als Jadel Junior freundlich lächelnd, die leeren Kuchenteller vom Tisch zog, bestellte Carl für sich und Paul noch zwei weitere heiße Schokoladen. „Ja, Paul, man kann sich grad ständig empören. Ob wohl überhaupt jemand kapiert, was die Änderung der Begrifflichkeiten bedeutet? Man hat nämlich, was früher eine simple Erkältungswelle war, zuerst zu einer Epidemie und dann zu einer Pandemie hochstilisiert. Konträr dazu wurden aber sämtliche der kleinen und beliebten regionalen Krankenhäuser jahrzehntelang niedergespart und planmäßig geschlossen.“ Paul warf kurz ein: „Hier in Villingen hat man vor Jahren sogar das kurz zuvor aufwändig und teuer sanierte Krankenhaus, erst lang leer stehen lassen, und es dann – auch wieder recht teuer – abgerissen.“

„Unsinnige Angst vor Krankheit und Tod“

Und Carl setzte fort: „Die Wartezimmer in den Arztpraxen waren jeden Winter voll mit hustenden und niesenden Menschen; es war klar, dass man sich spätestens da auf jeden Fall eine Erkältung holen würde. Jedoch durch veränderte Definitionen von Wörtern, also geänderten Begriffen und dem folgenden schärferen Sprachgebrauch, hat sich eine unsinnige Angst vor Krankheit und Tod in unserer Gesellschaft ausgebreitet.“
Carl machte eine kleine Pause und schlürfte genüsslich an der Tasse mit der heißen Schokolade, die ihm Gotthold Jadel schweigend hingestellt hatte. Und bevor er scharfsinnig schlussfolgerte, zog er seine Augenbrauen zusammen: „Also Paul, seit neuestem lautet die Definition: >Herdenimmunität wird erreicht, indem Menschen vor einem Virus geschützt werden, und nicht indem man sie dem Virus aussetzt.<“ Paul versuchte aufmerksam zu folgen und schwieg. „Vorher war es so, dass man mit einer normalen und langsamen Ausbreitung einer Infektion, Herdenimmunität erreichen wollte. Und jetzt hat die WHO aber durchgesetzt, dass >Schutz< gleich >Impfung< bedeutet. Und damit ist wohl jedem klar, dass man die Herde auch durchimpfen* will. Aber was mich an der ganzen Diskutiererei anfängt vehement zu stören ist, dass wir ziemlich viel Zeit damit verschwenden, den vermeintlichen Wissenschaftlern in ihren oft haarsträubenden Argumentationen zu Viren* hinterherzulaufen. Wir sollten uns den wesentlichen Dingen widmen, den Zeitfressern unsere Zuwendung entziehen und den Stundendieben stillschweigend den Rücken zeigen. Wir befürworten oder zerlegen und erwidern virales Gefasel, das überhaupt nicht wissenschaftlich belegt* ist.“

Demokratie-Problem

Und weil Paul ein recht verdutztes Gesicht machte, beugte sich Carl näher zu ihm hin und sprach eindringlich weiter: „Wir haben viele Probleme, wie unser kluger Heiner Grün das bereits öfters auszubreiten pflegte – egal ob sie nun Energie, Umwelt, Bildung, Gerechtigkeit, Klima oder Ressourcen heißen. Die kontinuierliche Umverteilung des Vermögens nach >OBEN< hat ein deutliches Verteilungs-Problem mit sich gebracht. Damit selbstredend verbunden, besteht bei uns ein Demokratie-Problem. So lange das so ist, können Menschen lamentieren und demonstrieren, sie können aber nichts Konkretes tun, um die Probleme an der Wurzel anzupacken. Damit dürfen wir uns da >UNTEN< aber keinesfalls abfinden. Die von >OBEN< her geduldete Zuschauerdemokratie, die halt mit einem Demonstrationsrecht ausgestattet ist, hat ausgedient. Und selbst dieser minimale Grundrechterest, wurde mittlerweile im Zuge von >Karina< eingestampft. Wir müssen zu einer denkenden und aktiven Gesellschaft werden, bei der die Menschen aktiv zupacken. Eine Bevölkerung die vor allem ihre Gesundheit wieder selbst in die Hand nimmt und wo jeder Mann und jede Frau sich höchstpersönlich und umgehend um alles schert was ihn und sie direkt angeht. Wir brauchen für alle genannten Bereiche einen sich wandelnden Staat, eine grundlegend neue Herangehensweise, um dann Themen, die uns betreffen, durchdacht und umsichtig voranzutreiben.“

Groß angelegtes Experiment

Paul rollte genervt mit den Augen: „Die angeblichen Impfschäden* sind doch schon umstritten genug.“ „Ja, Paul“, wandte Carl ein: „Genau deswegen ist es ja so unfasslich, wie die geplante Impfung jetzt angegangen wird. Seit bald siebzig Jahren hat nicht ein einziger Virologe den wissenschaftlichen Nachweis für die Existenz von Viren erbracht. Sie konstruieren ihre Nachweise. Man hat noch nie ein einziges Virus* aus menschlichen oder tierischen Körperflüssigkeiten isoliert.“ Carl holte tief Luft und erklärte: „Impfen ist dieses Mal ein groß angelegtes Experiment. Es wurden keinerlei Langzeittests gemacht. Indem man jetzt, im voraus, ganz konkrete Angaben dazu macht, dass niemand weiß, wie die Impfung wirken wird und es >Monitoring< nennt, umgeht man sogar den Nürnberger Kodex. Wenn durch die Impfung nun jemand zum Zombie mutiert, wird niemand helfen, sondern es wird lediglich von einer Art >Superexperte< beobachtet was passiert. Die derzeitige Präsidentin der Europäischen Kommission, >Von den vielen Lügen< erwähnte kurz in einem Interview vernetzte Experten. Diese sollen in Echtzeit beobachten, wie gut die Impfstoffe funktionieren. Vernetzte Experten sind jedoch keine Menschen, sondern künstliche neuronale Netzwerke. Mit diesen sogenannten >AI-Ergebnissen< kann man dann auch gezielt Gelder in bestimmte Bereiche umlenken.“

Intransparent

„Carl, das Ganze ist doch vollkommen daneben.“, warf Paul nun ungläubig ein. „Nein Paul, es ist eben nicht daneben, sondern bereits Realität. Und wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen.“ Und Carl erklärte dem Freund weiter: „>AI< lässt nämlich die gerechneten Ergebnisse nicht nachvollziehen, sie sind intransparent. Man muss diesem System zuerst sehr viele Daten zum Anlernen geben. Also werden jetzt, ab Beginn der Impfung diese >AI-Systeme< mit Symptombildern gefüttert. Und erst dann wird das neuronale Netz, nach und nach eine Optimierung der Zusatzstoffe empfehlen.“ Paul warf ein: „Verstehe, man weiß dann aber immer noch nicht, welche Stoffe empfohlen werden; es ist eine unkontrollierbare >Sichselbstoptimierung< eines Computersystems.“ Er erinnerte sich, dass seine Söhne ein ähnlich ungutes Treiben da letzthin erwähnten. „Aber Carl, soll das etwa heißen, dass man dann die erzeugten Zombies per Videoüberwachung am Bildschirm verfolgt?“ „Ja, so wird es sein“, stellte Carl ohne weitere Umschweife fest.

Stimmungsumschwung

Jadel Junior, der hinter seiner Kuchentheke stehend, den Stimmungsumschwung im Gespräch der Freunde, intuitiv erfasste, schritt behende in den Gastraum und trat fragend vor das Duo: „Haben die Herren noch einen Wunsch?“ „Ich könnte jetzt etwas mit Schuss vertragen“, trug Carl seufzend vor und blickte den Freund an: „Und du?“ „Darf es da eine Portion Russische, also heiße Schokolade mit Rum sein?“, legte Jadel mit einem alkoholischen Vorschlag die gesuchte Antwort vor. Stumm nickte Carl Eugen Friedner zustimmend, während Paul Malibo abwinkte, aufstand, sich zum Gehen umwandte und dem Freund dabei einen kurzen Abschiedsgruß zuwarf.

Unsinnige Einschränkungen

Den Gruß erwidernd und mit der Aussicht auf das entspannende Getränk, sank Carl Eugen dann wieder gemütlich in das grüne Lederrondell.
An der Rumschokolade nippend, entschwanden aus Carls Bewusstsein langsam alle wahnsinnigen Auswüchse der leidigen >Karinahysterie<. Ihm kam ein kritischer Text von Konstantin Wecker* in den Sinn: >Wer seinem Staat vertraut, muss damit leben, das was heute noch Recht ist, oft Unrecht wird über Nacht<. Carl war beruhigt über solch feinsinnige Poesie. Aufrechte PoetInnen wurden, da wo es immer mehr unsinnige Einschränkungen im kulturellen Leben gab, verlässliche und wichtige Freunde und Freundinnen, die einem beistanden. Man konnte ihre Musik wie aus gut gelagerten Konservendosen holen und sich im Internet kostenfrei an wunderbaren Konzerten erfreuen. Erbauliche Texte zum Lesen oder zum laut Vorlesen aufrufen.

Beduselnde Köstlichkeit

Carl Eugen fragte sich, wie es Paula wohl mit den immer schärfer werdenden Auflagen im öffentlichen Leben erging? Im Programm des Kommunalen Kinos der Fürstlich Fürstenbergischen Donaustadt hatte er einen Filmabend mit ausgefallenen Darbietungen zur Liebe* entdeckt. Dazu würde er sie einladen – Paula würde ihn sicherlich gern zu einer solchen kulturellen Veranstaltung begleiten. So malte Carl sich das jedenfalls aus und zeigte Gotthold Jadel mit seiner erhobenen Tasse den Wunsch nach einer weiteren beduselnden Köstlichkeit an … Fortsetzung folgt.

Erläuterungen:

*Bestandteile von Impfstoffen: https://www.youtube.com/watch?v=Sx3mSsAOai8

*Viren in Impfstoffen, fehlende Nachweise, Bionten (Riesenviren oder Phagen): https://wissenschafftplus.de/uploads/article/wissenschafftplus-virologen.pdf

*Nürnberger Kodex:
https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Kodex

*Interview als Video, ab Minute 1:05 „Impfmonitoring durch vernetzte Experten“: https://www.youtube.com/watch?v=3-wGYK8fWOk https://de.wikipedia.org/wiki/Monitoring

*Künstliche neuronale Netzwerke und AI: https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliches_neuronales_Netz https://www.ip-insider.de/was-ist-ein-neuronales-netz-a-959282/ https://www2.deloitte.com/de/de/pages/technology-media-and- telecommunications/articles/artificial-intelligence-tmt.html

*Dashbord, ist eine grafische Benutzeroberfläche im Informationsmanagement: https://de.wikipedia.org/wiki/Dashboard_(Informationsmanagement) https://coronavirus.jhu.edu/map.html

*Tracken, dient dem Verfolgen von Bewegungspuren: https://de.wikipedia.org/wiki/Track_(GNSS)

*Wecker-Welt:
https://wecker.de/de/weckers-welt.html

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135360.konstantin-wecker-wie-damals- in-der-raeterevolution.html
https://www.youtube.com/watch?v=9ojaAvcDzws https://www.youtube.com/watch?v=08LcvohsVeM

*Kurzfilm: https://www.arte.tv/de/videos/032287-000-A/undressing-my-mother/

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„Baden-Württemberg zum sicheren Hafen für Flüchtlinge machen“ – Online-Petition unterschreiben

Dass die Situation in Lagern an europäischen Außengrenzen und auf dem Mittelmeer seit Jahren unerträglich ist, ist für die meisten von uns leider keine Neuigkeit mehr. Menschen leben zusammen auf engstem Raum, Wind und Wetter ausgesetzt, ohne ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Hygieneeinrichtungen.

Bündnis Sicherer Hafen Baden-Württemberg

Menschen ertrinken im Meer

Und auch schon vor der Ankunft in den Elendslagern sind flüchtende Menschen lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt. Durch die fortlaufende Kriminalisierung und aktive Blockade der zivilen Seenotrettung, müssen Menschen auf offener See ertrinken. Diese Menschenrechtsverletzungen sind direkte Folgen der europäischen Abschottungspolitik und müssen in dieser Form nicht passieren.

Landesaufnahmeprogramm durchsetzen

Aus diesem Grund fordern die Seebrücke und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg in einem offenen Brief an die Landesregierung Baden-Württembergs gemeinsam mit vielen weiteren Unterstützerinnen, u.a. das Durchsetzen eines Landesaufnahmeprogramms, aktiven Einsatz für sichere Fluchtrouten und Bleibeperspektiven für Geflüchtete im Land. Baden-Württemberg kann und muss etwas ändern, aus diesem Grund rufen wir zur Unterstützung unserer Kampagne „Sicherer Hafen Baden-Württemberg“ auf. Je mehr Unterzeichnerinnen wir bekommen, desto deutlicher können wir der Landesregierung Baden-Württembergs, allen voran Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigen, dass die Evakuierung der Lager und das Schaffen sicherer Fluchtrouten unumgänglich ist und dass Baden-Württemberg hier einen entscheidenden Beitrag zu leisten kann und muss.

#BWhatplatz

#SichereHafenBW

Offener Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU):

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrter Herr Minister Strobl,

Sehr geehrte Mitglieder der Baden-Württembergischen Landesregierung,

nach wie vor sind viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf der Flucht. Diejenigen, die sich auf den Weg nach Europa machen, sind dabei großen Gefahren ausgesetzt. Ob in Libyen, an der bosnisch-kroatischen Grenzen oder auf den griechischen Inseln: Die Lage spitzt sich immer weiter zu: Zehntausende Menschen harren unter unmenschlichen Bedingungen aus. Auch Sie, Herr Kretschmann, haben im März dieses Jahres (Anmerkung: 2020) die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland gefordert. Unter anderem sprachen sich der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) oder der Oberbürgermeister von Rottenburg Stefan Neher (CDU) für die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aus.

Wieder Vorreiterrolle einnehmen

Wir erinnern daran, dass Baden-Württemberg bei der Aufnahme von Geflüchteten einmal Vorreiter unter den Bundesländern war. So hatte Baden-Württemberg 2015 durch ein Landesaufnahmeprogramm, über das vom IS bedrohte Jesidinnen aus dem Nordirak aufgenommen wurden eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese muss nun dadurch gefestigt werden, dass die Landesregierung die Aufnahme weiterer geflüchteter Menschen in dieaufnahmebereiten baden-württembergischen Kommunen ermöglicht und weitere Schritte unternimmt, um die hier lebenden Geflüchteten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und bei der Schaffung von Perspektiven zu stärken.

Aus humanitären Gründen vorangehen

In Baden-Württemberg haben sich bereits 24 kommunale Gebietskörperschaften zu „Sicheren Häfen“ erklärt, die insgesamt zirka drei Millionen Menschen repräsentieren. Bund und Länder setzen bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen auf eine gesamteuropäische Lösung. Auch wenn eine solche grundsätzlich zu begrüßen ist, ist sie auf absehbare Zeit politisch nicht realistisch. Daher sollte Baden-Württemberg aus humanitären Gründen vorangehen. Deshalb appellieren wir an Sie: Die Landesregierung hat vielfältige Möglichkeiten, sich für die zusätzliche Aufnahme von Schutzsuchenden einzusetzen und um die Situation der hier lebenden Geflüchteten zu verbessern. Die Aufnahmebereitschaft und Solidarität mit geflüchteten Menschen auf kommunaler Ebene ist groß.

Doch aufnahmewillige Städte und Kommunen sind auf Sie als Landesregierung angewiesen, damit die Aufnahme zusätzlich zur Quote ermöglicht wird. Als breites zivilgesellschaftliches Bündnis möchten wir die große Aufnahmebereitschaft vieler Bürgerinnen unseres Landes deutlich zum Ausdruck bringen. Baden-Württemberg hat die Kapazität, noch viele weitere Geflüchtete aufzunehmen und somit ein Sicherer Hafen zu sein.

Daher fordern wir, dass die Baden-Württembergische Landesregierung:

  1. sich solidarisch mit allen Menschen auf der Flucht, der zivilen Seenotrettung und den zivilgesellschaftlichen Unterstützerinnen von Geflüchteten erklärt und sich für ein Ende der Kriminalisierung von praktischer Solidarität mit geflüchteten Menschen in Europa einsetzt.
  2. sich aktiv für sichere Fluchtwege und für die Einführung staatlich organisierter ziviler Seenotrettungsmissionen einsetzt.
  3. neue Landesaufnahmeprogramme (nach § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz) auflegt, um sichere Fluchtwege für Schutzsuchende zu schaffen und diese zusätzlich zum Königsteiner Schlüssel in Baden-Württemberg aufzunehmen.
  4. die Aufnahme weiterer Menschen aus den Lagern an den europäischen Außengrenzen, insbesondere von den griechischen Inseln, umsetzt –entweder über Beteiligung an einer Bundesaufnahme durch Überquote oder im Falle der weiteren Blockade der Bundesregierung durch ein eigenes Landesaufnahmeprogramm.
  5. sich an den Resettlement-Programmen des Bundes mit einem zusätzlichen Kontingent beteiligt, um so Möglichkeiten für die zusätzliche Aufnahme von Schutzsuchenden zu schaffen.
  6. das Engagement der vielen Kommunen als Sichere Häfen unterstützt, indem Rahmenbedingungen für eine eigenständige kommunale Aufnahme durch eine entsprechende Änderung des Aufenthaltsgesetzes erörtert und gesetzlich eingeführt werden.
  7. sichere Bleibeperspektiven schafft. Anstatt – wie seit Jahren praktiziert –Monat für Monat Menschen abzuschieben, die seit vielen Jahren, teilweise Jahrzehnten in Baden-Württemberg leben, muss die Landesregierung dafür sorgen, dass ihr Beschluss vom April 2017 umgesetzt wird, wonach Betroffene über die existierenden Bleiberechtsoptionen aufgeklärt werden und aktuelle Bleiberechtsoptionen verbessert werden.
  8. vor dem Hintergrund der Beteiligung Baden-Württembergischer Polizeibeamtinnen an FRONTEX-Einsätzen Sorge dafür trägt, dass ein menschenrechtskonformer und humanitärer Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen sichergestellt ist, etwa durch ein eigenes Monitoringverfahren.
  9. sich dafür einsetzt, die Abschiebehaft in Baden-Württemberg zu beenden und das Abschiebegefängnis in Pforzheim zu schließen. Als Landesregierung haben Sie die Möglichkeit, zum Ende der Politik der Abschottung beizutragen und Schutzsuchenden Perspektiven eines menschenwürdigen Lebens zu geben. Mit besonderem Nachdruck appellieren wir an Ihre Menschlichkeit und Ihren Einsatz für grenzenlose Solidarität! Gerne unterstützen wir bei der konkreten Umsetzung unserer Anregungen mit unserem breit aufgestellten Bündnis.
  10. Mit freundlichen Grüßen, die bisherigen Unterzeichnerinnen:
  11. Seebrücke BW, Flüchtlingsrat BW
  12. Online-Petition unterschreiben:
  13. https://www.change.org/p/landesregierung-baden-w%C3%BCrttemberg-lasst-uns-baden-w%C3%BCrttemberg-zum-sicherern-hafen-machen

Weitere Informationen und Kontakt:

https://seebruecke.org/

https://fluechtlingsrat-bw.de/asylpolitik/offener-brief-sicherer-hafen-bw-uebergeben/

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„Lang beschattete Täler“ –  Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: der Episoden neunundzwanzigster Teil

„Lang beschattete Täler“ –  Eine Fortesetzungsgeschichte von Birgit Häbich: der Episoden neunundzwanzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

XXIX Schatten

… Die Freunde waren wieder beim Auto angelangt und Carl Eugen fuhr, ohne einen Kommentar von Paul zu erwarten, weiter nach Hoheitshausen. Mit Missfallen nahm er den vielen Unrat am Wegesrand wahr. Da lagen an den Böschungen und in allen Gräben leere und zerschlagene Glasflaschen und Verpackungsteile aus Aluminium, Pappe, Styropor und anderen Kunststoffen von Essen >TO GO< herum. Diese in letzter Zeit recht deutlich anwachsenden Ansammlungen, von gezielt oder im Unverstand aus dem Auto hinausgeworfenen Abfall, waren ihm bereits in Hohenlohe aufgefallen. Er aß ja selber auch ab und zu gerne etwas vom türkischen Schnellimbiss – was er, allein schon wegen den anfallenden Verpackungsmaterial, als eine Verschwendung ansah – jedoch war es für ihn selbstverständlich, danach den Müll wenigstens wieder zu trennen und anständig in Tonnen oder dem gelben Sack zu entsorgen.

Vermüllung

Warum, so fragte er sich, schmeißen die Leute ihren Unrat einfach in die Gegend? Da letzthin hatte ihm ein städtischer Straßenkehrer bei seinem frühmorgendlichen Gang zum Markt der Kocherstadt erklärt, dass die Stadtreinigung jetzt durch >Karina< bald das dreifache an Müll wegräumen muss. Die eigene Schachtel oder Tüte oder eigene Tasse mitzubringen, wird neuerdings als unhygienisch angesehen – was für ein Irrsinn – und das, wo kurz vor >Karina< auch die Letzten begriffen hatten, dass das oberste Gebot unserer Konsumgesellschaft, um unsere Erde zu schonen und weiteren Müll zu vermeiden, Wiederverwertung und Ressourcenschonung lauten muss.

Café Jadel

Als Carl Eugen kurz darauf in Hoheitshausen vor dem >Herrschaftlichen Hoheitshaus< parkte und sich umwandte, nahm er Pauls gequälten Gesichtsausdruck wahr. Carl fragte nur kurz: „Geht’s?“ Paul nickte stumm und murmelte: „Bis nachher im Jadel“, stieg wortlos aus, nahm seine Reisetasche aus dem Kofferraum, trottete gebeugt zu einem Seiteneingang, schloss umständlich die Türe auf und verschwand, ohne sich noch einmal umzuwenden, im Haus. Sie wollten eigentlich gemeinsam gemütlich durch Hoheitshausen schlendern, um sich dann im traditionsreichen Café Jadel gemütlich bei Kaffee und Kuchen niederzulassen.

Freiheit von Frondiensten

Nun blieb Carl eben nichts anderes übrig, als sich alleine zu einem Spaziergang durch den Ort aufzumachen. Die kleine Gemeinde Hoheitshausen lag sanft in einem leicht nach Osten abfallenden Tal des mittleren Schwarzwaldes eingebettet. Der durch Napoleon eingesetzte württembergische König Friedrich, unterzeichnete 1808 die Gründungsurkunde für Hoheitshausen und gab der damaligen >Commune< die Freiheit von Frondiensten, gewährte ihnen Zollfreiheit und die vor allem anderen gewünschte Religionsfreiheit. Mit der Ansiedlung, welche er mit vielen wirtschaftlichen Vorteilen ausstattete, erreichte der ehemalige Großherzog Friedrich zwar die von ihm gewünschte Belebung des Grenzgebietes, jedoch säte er damit auch Unfrieden in der Gegend. Die umliegenden Gehöfte und Dörfer waren nämlich seinerzeit habsburgisch-vorderösterreichisch, also katholisch geprägt, und so kam es, auch später noch, als Hoheitshausen längst badisch geworden war, zu ständigen Streitereien.

Abgeholzt

Carl ging durch den neu angelegten kleinen Park, der etwas ungleichzeitig anmutete. Vermutlich lag es daran, dass der barocke Stil nicht ganz zu den schlichten Gebäuden passte, welche diese Ortsmitte umfassten. Man hatte hier einen alten und dichten Lindenbaumbestand* gegen den Willen vieler Bürger abgeholzt. Kein einziger der vielen sinnvollen Vorschläge aus der Bürgerschaft, um den dichten und hohen Baumbestand zu erhalten, wurde von der Verwaltung erhört. Man fällte irgendwann Baum um Baum. Die gesunden Stämme wurden ziemlich zackig abtransportiert – die Stämme bei denen sich tatsächlich Schäden zeigten, ließ man wochenlang deutlich sichtbar liegen – damit nachher niemand mit Fug und Recht behaupten konnte, es wäre doch sinnlos gewesen, bis auf zwei Bäume, welche jetzt völlig einsam ohne ihre geliebten Kameraden dastehen mussten, alles andere abzuholzen.

Flächenfraß

Der barocke Park war zum auferstandenen Wahrzeichen eines erbitterten Streites der Hoheitshausener untereinander und dem tiefen Riss in der Einwohnerschaft geworden. Carl Eugen Friedner ließ mit schweren Gedanken den besonderen Bau des Kirchsaals hinter sich und steuerte auf den Gottesacker zu. Dort lagen lauter gleichförmige Steine auf den Gräbern – das dahinterliegende Gedankengut, welches hier zum Ausdruck gebracht wurde, dass nämlich vor dem Herrn letztlich alle gleich seien, fand Carls uneingeschränkte Zustimmung. Immer noch grübelnd spazierte Carl am Rathaus vorbei und fragte sich, wie es sein konnte, dass Gläubige verschiedenster Konfessionen und mit traditionell anmutenden Einstellungen, gleich zweierlei einschneidende Umweltzerstörungen dulden konnten? Kaum war nämlich das legitime Ansinnen zum Erhalt des alten Baumbestandes niedergeschmettert worden, erfolgte die Planierung weiterer lebensspendender Grundlagen – der Gemeinderat genehmigte, unbegreiflicher Weise, am Rand von Hoheitshausen, einen zerstörerischen Flächenfraß* für zwei Handelsriesen. Wer erkannte, dass der Grünflächenverbrauch nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in ganz Deutschland mittlerweile erschreckende Ausmaße annimmt, konnte doch einen solchen Beschluss nur mit schlechtem Gewissen fassen. Aber Carl wusste: obwohl die Erde schon weltweit und deutlich sichtbar verblutete, so manche Bürgermeister es mit tiefem Bückling begrüßten, was im Berliner „Bundesumweltzerstörungsministerium“* geplant wurde, um den unsinnigen Flächenfraß noch mehr zu fördern. Und das obwohl, wie auch in Hoheitshausen, in den Ortsmitten, genügend Leerstände zu beklagen waren, die sinnvoll ausgefüllt, als Einkaufsmöglichkeiten der Einwohner dienen könnten – wenn man wollte.

Sorgen vergessen

Paul wartete bereits im Café auf Carl, er saß im behaglichen mit dunkelgrünem Leder bezogenen Rondell und begrüßte Carl mit den Worten: „Da kommst du ja endlich, ich habe uns von dem mandelgedeckten Apfelkuchen wegstellen lassen“, und strahlte übers ganze Gesicht. Der Apfelkuchen im Jadel war ein Gedicht; akribisch achtete Jadel Junior auf die ausschließliche Verwendung hochwertiger Zutaten und garantierte damit höchste Qualität seiner Konditoreiwaren. Aromatische Boskopschnitzchen* verströmten mit den gezuckerten Mandeln zusammen einen herrlichen Duft. Gotthold Jadel führte das Café bereits in der fünften Generation; er stellte dienstbeflissen vor jeden einen Kuchenteller auf die marmorierte Granittischplatte. Die zu Rosenblüten geformten Sahnetupfer nahmen sich an die knusprigbraune Mandeldecke gefügt wie Pirouetten tanzende Schaumkronen neben schaukelnden Holzbötchen aus. Als Jadel Junior dann noch zwei Tassen mit dampfender heißer Schokolade anmutig auf den runden Tisch gleiten ließ, vergaßen die Freunde für eine kleine Weile ihre Sorgen.

Herdenimmunität

Nachdem Paul und Carl sich an der süßen Speise gelabt und sich an dem gefälligen Jugendstilambiente des Jadel sattgesehen hatten, setzte Paul zu einer Frage an: Sag Carl, was hältst du davon, dass die WHO* ganz still und leise die seither geltende Definition zur Herdenimmunität geändert hat?“ Carl dämmerte zwar was Paul meinte, aber ließ sich den Sachverhalt gern auch mit Pauls Sichtweise erklären: „Man kann ja bei einem Infektionsgeschehen auf gewöhnlich entstehende Herdenimmunität setzen. Dabei kann man auf alte und gut bewährte Hausmittel setzen, um die Auswirkungen von Infektionen schonend abzumildern. Zum Beispiel gibt es vielerlei Kräuter und deren ungezählte, aber höchst wirkungsvolle Anwendungsvarianten. Sich nötigenfalls zur Fieberruhe ins Bett zu begeben und sich liebevoll versorgen lassen, ist ebenfalls eine segensreiche Möglichkeit, um mit einer ganz normal durchgemachten Infektion Immunität zu erlangen. Carl blickte seinen Freund aufmerksam an; und wartete ab worauf Paul eigentlich hinauswollte.

Entmündigung der Weltbevölkerung

„Aber Carl“, rief Paul nun empört aus. „Damit hat die WHO eine Impfung als die einzige Möglichkeit Immunität zu erlangen, festgelegt – das ist nicht nur die komplette und globale Entmündigung der Weltbevölkerung und bedeutet die Ausschaltung von guten Ärzten und Heilpraktikern, sondern es verbirgt sich dahinter der über die Hintertür eingeführte Impfzwang.“ Carl folgte hellwach den Ausführungen seines Freundes. Er folgerte aus diesem tückischen Schachzug der Pharmaindustrie richtig, dass in Zukunft nur noch derjenige eine Daseinsberechtigung hätte, der oder die geimpft war. Alles andere würde komplett abgelehnt werden; und man würde beginnen, Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, zu diskriminieren, dann zu diskreditieren und letztlich zu kriminalisieren. Carl war darüber ebenfalls zutiefst empört. … Fortsetzung folgt.

Erläuterungen:

*TO GO: Aus dem englischen Sprachschatz übernommen, „zum Gehen“ für Speisen und Getränke die man anstatt in Ruhe und im Sitzen, relativ niveaulos auf dem Weg, in Eile, und im Gehen verzehrt.

*Commune: Die Wurzeln der Herrnhuter Unität liegen in der vorreformatorischen Zeit um 1457.
https://www.ebu.de/startseite/ http://ekivill.de/bezirk-und-gemeinden/gemeinden/koenigsfeld/

*Gemeine: Selbstbezeichnung von Mitgliedern, siehe Herrnhuter Brüdergemeine. https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeine

*Lindenbaumbestand am Zinzendorfplatz: https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.koenigsfeld-alter-baumbestand-wertet- das-kleinklima-auf.fbfb0800-5df9-47e6-92ed-1280881df7ee.html

*Unterschriftenaktion des NABU zum *Flächenfraß in Deutschland: https://mitmachen.nabu.de/de/flaechenfrass

*Boskop: Apfelsorte zum Kochen und Backen: https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ner_aus_Boskoop

*WHO-Beschluss im November 2020: https://2020news.de/who-aendert-definition-der-herdenimmunitaet/

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„Die Kunstsammlung Würth“ – Eine gesellschaftskritische Betrachtung von Adolf Maier aus Unterwössen

Die Familie Würth hat in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl (zirka 18.300) von Kunstwerken erworben und macht sie in ansehnlichen Kunstmuseen der Öffentlichkeit ohne Eintrittskosten frei zugänglich. Dies bereichert die regionalen Kunstszenen. Auf der anderen Seite ist der kommerzielle, steuerliche und gesellschaftliche Kontext dieser beachtlichen privaten Kunstsammlung zu betrachten.

Von Dr. Adolf Maier, Unterwössen

Historische Reminiszenz

Fürstenhäuser wie die Hohenlohe hatten jahrhundertelang das Kulturleben in Deutschland mit ihren Hof-Theatern, -Orchestern, -Bibliotheken und -Kunstsammlungen beherrscht und mitunter das Kulturschaffen aktiv gefördert. Erwähnenswert ist die Epoche der Weimarer Klassik, die untrennbar mit der großherzoglichen Familie Sachsen-Weimar-Eisenach (Sachsen-Ernestinische Linie) verbunden ist.

„Hausgut“ und „Krongut“

Die demokratische Revolution 1918 ermöglichte die Überführung der im Besitz der ehemals regierenden Fürsten befindlichen Kulturgüter in das Eigentum der Länder – in die heutigen Landesmuseen. Die Trennung von Hausgut (Privatbesitz der Familien) und Krongut (Staatsbesitz) blieb dabei lange strittig und ungeklärt. Erst der Zwei-Plus-Vier Vertrag von 1990, in dem die Bundesrepublik die Enteignungen von Privateigentümern nach 1945 durch die sowjetischen Besatzungsbehörden anerkannte, und das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 brachten eine endgültige rechtliche Klärung, der allerdings langwierige Entschädigungsverhandlungen mit den enteigneten Privatpersonen über deren einstigen Kunstobjekten folgten – der Streit mit den preußischen Hohenzollern über kulturhistorisch bedeutsame Gegenstände dauert noch an (2020). Eine weitere demokratische Errungenschaft ist der in den Landesverfassungen verankerte Auftrag der Länder die Kunst zu fördern (Grundsatz der Kulturstaatlichkeit).

Public Relations, Kommerzialisierung

In gleicher Weise wie der feudale Kunstbesitz der Repräsentation und Machtdemonstration diente, wird die Kunstsammlung Würth zur gesellschaftlichen und medialen Selbstdarstellung des Unternehmers Würth eingesetzt, Kunst wird ein Statussymbol (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Februar 2018, Seite 15 „Jeder Milliardär braucht seine Kunst“). Er pflegt sein Image als Kunstsammler und Kunstmäzen (siehe letztjährige Interviewkampagnen in Tageszeitungen und Magazinen). Damit einher geht die Kapitalisierung von Kunst. Überschüssige Unternehmensgewinne werden in prestigebringende Anlageobjekte investiert: neben Kunstwerken in Immobilien wie Schlosshotel Friedrichsruhe, Villa Preuschen in Salzburg und die Repräsentanz im legendären Schwanen Werder (‚Collection of trophy assets‘).

Kunst wird neben Beißzangen feilgeboten

Parallel wird die Kunstsammlung für Werbe- und Marketingzwecke der Würth Unternehmen genutzt. Überall klebt das Würth Firmenlogo (‚invasive labelling and branding‘). Selbst in der Salzburger Domkrypta ist es plakativ reklamehaft auf der Hinweistafel zur Kunstinstallation „Vanitas“ von Christian Boltanski (Leihgabe der Würth Gruppe) angebracht. Das Domkapitel ist entweder nicht bibelfest oder -untreu (Joh.2, 13-23) und Prof. Dr. h.c. mult. Reinhold Würth hat ein kunst-tolles Eigentor geschossen – Vanitas vanitatutum et omnia vanitas. Ähnlich Skurriles bewirkt die Total-Verlinkung der Würth Websites. Geht man als Kulturinteressierter über Google zu den Homepages der Würth Kultureinrichtungen (Museen Würth, Carmen Würth Forum, Kulturstiftung) wird man gleich auf den Würth Online Shop mitverwiesen – Kunst wird neben Beißzangen feilgeboten. Jeder Museumsticket-Besteller wird dazu noch direkt auf die Websites der Würth Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe geleitet.

Bestandteil der Geschäftsaktivitäten

Diese Karikierungen zeigen die kommerzielle Funktionsbestimmung der Kunstsammlung Würth. Die Kunstsammlung wird zum Bestandteil der Geschäftsaktivitäten der Würth Unternehmen gemacht, auch wenn Kunst überhaupt keinen Bezug zu deren Gegenstand hat. Ihre organisatorische und geschäftliche Einbindung in das Handels- und Industrieunternehmen der Montage- und Befestigungstechnik wird im Geschäftsbericht 2019 der Würth Gruppe dementsprechend dargestellt. Dies bringt auch der homepage-footer der Museen zum Ausdruck:“ Alle Aktivitäten der Würth Museen sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co KG“.

Steuerliche Intransparenz

Die – gekünstelt wirkende – gewerbliche Widmung der Kunstsammlung scheint steuerlich motiviert zu sein. Der veröffentlichte Jahresabschluss der Würth Gruppe 2019 gibt allerdings keinen Aufschluss über die Eigentumsverhältnisse, Kosten-Zuordnung zu Rechtsträgern und konkrete Bilanzierung der Kunstgegenstände. Angenommen die Kunstsammlung gehört nicht den Würth-Familienstiftungen, sondern der oben genannten Firma, könnte der in der konsolidierten Gruppen-Bilanz ausgewiesene Aktivposten „Property, plant and equipment“ sowie die Position „other equipment, furniture and fixtures“ (ca. 2,06 Milliarden Euro) auch Kunstgegenstände umfassen. Der von der Würth Gruppe angewandte Bilanzierungsstandard IFRS enthält jedoch keine ausdrückliche Bilanzierungsregel für Kunstgegenstände, sondern lässt Raum für eine eigene Bilanzierungspolitik hinsichtlich „first-class artwork“. Mangels weiterer öffentlich zugänglicher Informationen und wegen des auch für die Würth Gruppe zu respektierenden Steuergeheimnisses lassen sich daher über die tatsächliche bilanzielle und steuerliche Behandlung der Kunstsammlung nur vage Vermutungen anstellen. Denkbar ist – vereinfachend zusammengefasst – eine mögliche steueroptimierte Gestaltung, die steuerlich korrekt Teilwertabschreibungen auf die Kunstgegenstände vornimmt und sämtliche mit der Kunstsammlung im Zusammenhang stehenden Kosten ertragssteuermindernd als Betriebsausgaben verbucht. Äußerst unwahrscheinlich ist dagegen das Szenario des einfachen Steuerbürgers, der sich über seine IKEA-Gemälde oder seine Kunstrepliken gar keine steuerlichen Gedanken macht.

Erbschaftssteuer

Mutmaßungen sind auch nur im Hinblick auf etwaige Erbschaftsteuern für die Kunstsammlung möglich. Hier gibt es jedoch klare steuergesetzliche Bestimmungen. Danach sind Kunstwerke zu sechzig Prozent (60 Prozent) von der Erbschaftssteuer befreit, wenn ihre Erhaltung „wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, ihre jährlichen Kosten die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden“. Dies könnte wegen des eintrittsfreien Zugangs zu den Würth Museen gegeben sein.

Steuerprivilegien für private Kunstsammler

In vollem Umfang sind Kunstwerke erbschaftssteuerbefreit, wenn der Steuerpflichtige darüber hinaus bereit ist, sie den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen und sie sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden. Eine private Kunstsammlung kann daher zu erheblichen Ersparnissen von Erbschaftssteuern führen. Beispiel: Eine Nichte erbt von ihrer Tante eine Eigentumswohnung im Wert von 200.000 Euro, sie zahlt 36.000 Euro Erbschaftssteuer. Erbt sie Kunstwerke im Wert von 200 Millionen Euro, zahlt sie bei Vorliegen der genannten (engen) gesetzlichen Voraussetzungen keine Erbschaftssteuer. Die Steuerprivilegien für private Kunstsammler werden schon lange kritisiert (FAZ vom 29. September 2018, S.15 „Die Kunst der Steueroptimierung“; FAZ vom 6. Juni 2020), der Gesetzgeber tut aber nichts.

Kritisches Resümee

Der Nur-Kunstinteressierte kann die Kunstmuseen Würth und deren Bestände nicht kritisieren, auch wenn ein exzessives Zusammenkaufen sichtbar wird. Trotz des Konglomerat-Charakters ist alles vom Feinsten und ein Besuch empfehlenswert. Über die Firmen-Emblems kann man hinwegsehen. Mittelfristig sind Risiken absehbar: Der Fortbestand der Museen hängt maßgeblich vom wirtschaftlichen Erfolg der Würth Unternehmen ab. Der Betrieb der umfänglichen Museen als Teil der Unternehmen ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Das Unternehmen tritt außerdem beim Erwerb von (wertvollen) Kunstwerken in Wettbewerb zu öffentlichen und gemeinnützigen Kultureinrichtungen, wie vor Jahren beim Erwerb der Schutzmantelmadonna (Holbein der Jüngere) von Prinz zu Hessen in Konkurrenz zum Städel Kunstmuseum Frankfurt.

Finanziert der Steuerzahler mit?

Die steuerliche Behandlung der Kunstsammlung Würth als Teil des Unternehmens ist völlig intransparent; offen bleibt, inwieweit der Steuerzahler die Kunstsammlung mitfinanziert. Wie die Erfahrung lehrt werden große private Kunstsammlungen früher oder später aufgelöst, Kunstwerke werden auf internationalen Kunstauktionen versteigert, Kunstwerkensembles oder ganze Kunstmuseen müssen von der öffentlichen Hand übernommen werden.

Gesellschaftspolitisch bedenklich

Gesellschaftspolitisch sind große private Kunstsammlungen, gleich ob steuerlich subventioniert oder nicht, bedenklich. Sie berühren jedenfalls den eingangs erwähnten verfassungsmäßigen Kulturauftrag des Staates, seinen demokratischen Bildungsauftrag. Im demokratisch verfassten Gemeinwesen gehört Kultur (einschließlich Kunstmuseen und Kunstbildung) zu den Kernaufgaben des Staates, er soll die Kulturhoheit ausüben. Kultur ist Allgemeingut. Die geistige und kulturelle Unabhängigkeit der Bürger, ihr Recht auf Kunst soll nicht vom Wohlwollen oder Mäzenatentum privater Kunstsammler abhängen. Mündige Staatsbürger sollen nicht auf neofeudalen Kunstbesitz und private Bildungs- und Kulturangebote angewiesen sein, insbesondere wenn dadurch Mehrfach-Abhängigkeiten entstehen wie im Falle eines regional bedeutenden Arbeitgebers.

Eigennützige Zwecke

Kunstmuseen betreibende Privatpersonen und Familienstiftungen verfolgen eigennützige Zwecke. Im Gegensatz zu gemeinnützigen oder öffentlichen Rechtsträger sind sie nicht an das Gemeinwohl gebunden und verfügen nicht über transparente und demokratisch kontrollierbare Strukturen und Verfahren. Die Verfügungsgewalt über Kunstgegenstände liegt beim privaten, gewinnorientierten Eigentümer. Dies führt trotz kompetent besetzter Gremien zur oben aufgezeigten Vermischung von Kunst mit kommerziellen Interessen.

Vorbildlich: Kunststiftung Emden

Aufgabe des Fiskus ist, die notwendigen Finanzmittel für die der Allgemeinheit gehörenden Kultureinrichtungen und die Anschaffung von Kunstwerken zur Verfügung zu stellen. Nicht betriebsnotwendiges privates Kapital, das in Kunstwerken und Kunstmuseen investiert ist, kann dazu mit einer angemessenen Vermögenssteuer oder -abgabe herangezogen werden; wirtschaftliche oder die Unternehmensentwicklung beeinträchtigende Gründe dagegen bestehen nicht. Eine Unternehmung bedarf keiner Kunstsammlung. Zivilgesellschaftlich alternativ kann eine private Kunstsammlung in eine gemeinnützige Stiftung (bürgerlichen Rechts) eingebracht werden, dies sichert ihren Fortbestand und die Verfolgung rein kunstbezogener Zwecke sowie Steuerfreiheit. In dieser Rechtsform lässt sich das bürgergesellschaftliche Engagement eines privaten Stifters langfristig im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit verwirklichen. Vorbildlich zu nennen ist die Kunsthalle Emden, die auf eine Stiftung von Henri und Eske Nannen 1986 zurückgeht und mittlerweile von zahlreichen Förderern unterstützt wird.

Weitere Informationen im Internet – Link zu einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 2. Oktober 2018 „Die Kunst der Steueroptimierung:

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/staatlich-gewaehrte-forderungen-machen-kunst-zu-einem-attraktiven-anlageobjekt-15811500.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

„Weniger Steuern auf Kunst: Schwierige Zeiten erfordern einfache Lösungen“

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/weniger-steuern-auf-kunst-schwierige-zeiten-erfordern-einfache-loesungen-16871888.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Die Vorzüge des Privatmuseums: Wer jetzt keins hat, baut sich eins

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/die-vorzuege-des-privatmuseums-in-deutschland-14300486.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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