Das überregionale Bündnis GelöbNix in Stuttgart wendet sich an die kritische Öffentlichkeit in Stuttgart und Umgebung, um möglichst viele Unterstützer für einen Offenen Brief an Ministerpräsident Stefan Mappus, Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, die Fraktionen des Landtags und des Gemeinderats zu gewinnen, mit dem Ziel das Bundeswehr-Gelöbnis am 30. Juli 2010 abzusagen.
Vom überregionalen Bündnis GelöbNix in Stuttgart
Die Organisatoren bitten: unterzeichnet den Brief bis 7. Juli (Rückmeldungen an Roland Blach, DFG-VK, mailto:ba-wue@dfg-vk.de mit Name, Funktion und Ort und gebt den Brief mit der entsprechenden Bitte an möglichst viele Leute in Eurem Umfeld, gerne auch viele Prominente (Kulturschaffende, Sportler…) weiter. Dann können wir ihn am 8. Juli 2010, also rechtzeitig vor dem geplanten Gelöbnis, entsprechend veröffentlichen.
Der Inhalt des Offenen Briefes:
An den
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg
Dr. Stefan Mappus
und alle Fraktionen des baden-württembergischen Landtags
sowie
an den
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart
Dr. Wolfgang Schuster
und alle Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderats
*Öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr am 30.7. absagen* Stuttgart, 21.6.2010
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Mappus,
sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete,
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schuster,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats der Stadt Stuttgart,
die Bundeswehr plant im Stuttgarter Neuen Schloss am 30. Juli ein öffentliches Gelöbnis. Wir Bürgerinnen und Bürger in der Region Stuttgart wollen das nicht, und bitten Sie, die Zustimmung dazu zu widerrufen.
Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Vor 20 Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, dass deutsche Soldaten in Afghanistan, im Kosovo, Kongo, im Golf von Aden und anderswo kämpfen. Immer mehr Menschen in Deutschland lehnen diese Politik ab und immer weniger sind bereit, Soldat zu werden und für angebliche „deutsche Interessen“ in fernen Ländern in den Krieg zu ziehen.
Darum wirbt die Bundeswehr immer häufiger in Schulen, bei Ausbildungsmessen und Arbeitslosenvermittlungen ihren Nachwuchs an – in diesem Jahr wurden die Ausgaben zur „Nachwuchswerbung“ von 12 Millionen auf 27 Millionen mehr als verdoppelt. Auch öffentliche Gelöbnisse, wie das am 30. Juli 2010 auf dem Stuttgarter Schlossplatz geplante, sollen die Akzeptanz und das Ansehen des Militärs in der Bevölkerung steigern. Selbst in Preußen haben Gelöbnisse und Vereidigungen im Kasernenhof stattgefunden – es hat nur eine Zeit in Deutschland gegeben, wo öffentlich gelobt und vereidigt wurde, und das waren nicht die Zeiten der Demokratie, sondern des blanken faschistischen Terrors. Doch seit 1980 werden Gelöbnisse in der BRD wieder öffentlich gefeiert – meistens unter großem Protest der Bevölkerung.
Laut Grundgesetz darf die Bundeswehr ausschließlich zur Landesverteidigung eingesetzt werden – in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 aus dem Hause Rühe wurden allerdings die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ als vitale deutsche Sicherheitsinteressen definiert. Das Weißbuch der Bundeswehr, das die Agenda des deutschen Militärs für die nächsten zehn Jahre festlegt, empfahl 2006, dass die Bundeswehr in der Lage sein soll, gleichzeitig bis zu fünf „Stabilisierungseinsätze“ mit insgesamt bis zu 14.000 Soldaten zu leisten. Bis 2010 soll sich die Armee unterteilen in 35.000 Eingreif-, 70.000 Stabilisierungs- und knapp 150.000 Unterstützungskräfte. Interventionskriege und deren Vorbereitung sind eindeutig verfassungswidrig. Wir lehnen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr entschieden ab.
Die Bundeswehr versucht nun zum ersten Mal seit 1999 wieder in Stuttgart ein Gelöbnis zu feiern. Dank großer Proteste damals mied die Bundeswehr elf Jahre Stuttgart. Jetzt sollen 33.500 Euro Mehrkosten in die Neuauflage des Spektakels investiert werden.
Die Zeremonie selbst steht den Grundwerten einer zivilen, emanzipatorischen und friedlichen Gesellschaft entgegen. Das Strammstehen, das gleichgeschaltete Marschieren, das Bewegen aufgrund militärischer Kommandos sowie die Wiederholung von Gelöbnisformeln lassen die einzelnen Personen unmündig und ihrer Individualität beraubt erscheinen. Es geht um die öffentliche Demonstration des Prinzips von Befehl und Gehorsam, um Hierarchie, um die Vereinnahmung des Individuums in eine Tötungsmaschinerie. Die Soldaten und Soldatinnen werden nicht aufs Grundgesetz, sondern auf den Staat vereidigt, unabhängig vom Inhalt der Politik, für die sie kämpfen sollen.
Wir sehen dieses geplante Spektakel im Zusammenhang mit der schwindenden Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit für die Auslandseinsätze der Bundeswehr (70 Prozent der Bevölkerung sind gegen den Afghanistan-Einsatz). Mit Hilfe solcher Werbe-Veranstaltungen soll die Akzeptanz des Militärischen und der wachsenden Militarisierung unserer Gesellschaft erhöht werden. Durch eine Kooperationsvereinbarung der Bundeswehr mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg soll die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schulen intensiviert werden. Jugendoffiziere übernehmen Unterrichtseinheiten und betätigen sich in der Lehrerfortbildung. Immer häufiger taucht die Bundeswehr auf Bildungs- und Azubi-Messen sowie in Job-Centern auf. Das alles geschieht vor dem Hintergrund eines massiven Arbeitsplatzabbaus in der Automobil- und Metallindustrie der Region. Jugendliche haben immer weniger Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Diese Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge!
Stuttgart ist seit 11. November 2004 Mitglied bei den „Mayors for Peace“. Der Präsident dieses Bündnisses, der Oberbürgermeister von Hiroshima, hat sich an Sie mit dem Satz gewandt „Die vornehmste Aufgabe eines Bürgermeisters: Das Leben und Eigentum der Bürger zu schützen.“ Im Sinne dieses Anliegens von „Mayors for Peace“ bitten wir Sie, das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr im Innenhof des Stuttgarter Neuen Schloss abzusagen!
Töten und getötet werden ist keine Perspektive für die jungen Menschen – nicht nur in unserer Stadt! Die Sprengkraft des Themas „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ und ihre wirklichen oder vermeintlichen Gründe, zeigt nicht zuletzt auch der Rücktritt von Bundespräsident Köhler. Die Menschen in den von Auslandseinsätzen betroffenen Ländern sind Opfer und Leidtragende dieser Militärpolitik. Die 142 Toten von Kundus sind nur ein Beispiel dafür.
Wir wollen solche Militärspektakel nicht in unserer Stadt! Stuttgart soll eine Stadt des Friedens sein und bleiben!
Mit freundlichen Grüßen…
Weitere Informationen im Internet auf der Seite http://www.gelöbnix-stuttgart.de/