Das Scheinheilige an Anzeigenblättern sind Berichte, bei denen nicht unmissverständlich klar wird, ob es sich um einen redaktionellen Beitrag oder um eine bezahlte Anzeige handelt. Ein Beispiel dafür ist in der Januarausgabe 2010 des Monatsmagazins Hohenlohe Trends auf Seite 42 zu finden. Dabei geht es um das Richtfest am „Stadthaus“ in Bad Mergentheim.
Kommentar von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Unseriös und feige
Unter der Überschrift „Neuer Akzent in der Altstadt von MGH“ (Anmerkung: Bad Mergentheim) ist dort unter anderem zu lesen: „Das von Architekt Dieter Bäumlisberger aus Künzelsau konzipierte Objekt fügt sich harmonisch in das Umfeld ein und führt die Argumentation einschlägig bekannter Bedenkenträger ad absurdum. Rund fünf Millionen investieren wir in das Projekt“, wird Dr. Wolfgang von Stetten als einer der Geschäftsführer der „Residenz Tauberland“ in Hohenlohe Trends zitiert. Ein Blick ins Internet zeigt, dass es eine „Residenz Tauberland“ gar nicht gibt. Es existiert aber eine Residenz Taubertal und ein Wohnpark Tauberland. Sei’s drum.
Auf den ersten Blick sieht der Artikel in Hohenlohe Trends – auch von der Gestaltung her – wie ein redaktioneller Artikel aus. Auf der Seite ganz oben rechts ist kleingedruckt das Wort „Anzeigen“ zu finden. Ein unvoreingenommener Leser geht nun davon aus, dass damit die Werbung des Bauunternehmens Schäffner Zenkert GmbH unten links auf der Seite gemeint sein müsste. Allem Anschein nach bezieht sich das Wort „Anzeigen“ aber auch auf alle Texte der Seite 42, einschließlich des Artikels über das Mergentheimer Stadthaus, das durch seinen Namen zudem noch suggeriert, es wäre ein kommunales Gebäude. In diesem – vermutlich bezahlten Artikel – darf der Investor, ohne als Autor genannt zu werden, über nicht näher bezeichnete „einschlägig bekannte Bedenkenträger“ herziehen. Das nennt man feige, unseriös und schmierig.
Im Grünen Baum nächtigte Ludwig van Beethoven
Stolz verkündet Dr. Wolfgang von Stetten in dem Trends-Artikel, dass anstelle des ehemaligen Gasthauses „Grüner Baum“ für fünf Millionen Euro das neue „Stadthaus“ entstehen soll. Auf 2.200 Quadratmetern will die Residenz Taubertal GmbH Wohnungen und Gewerberäume entstehen lassen. Wolfgang Stetten und Christian von Stetten sind Geschäftsführer der Bauträgergesellschaft. Die Freiherren bemühten sich von Anfang an sehr darum, ihr Bauprojekt bekannt zu machen. Das ist durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, dass 2.200 Quadratmeter Fläche an den Mann zu bringen sind. Das Bauprojekt geriet schon in der Vergangenheit in die Schlagzeilen. Doch anders als von den Freiherrlichen geplant, machte es schnell negativ von sich reden. Der Beginn der Abbrucharbeiten im April 2009 wurde mit einer „Abschiedsparty“ begangen. Das empfanden große Teile der Bevölkerung als sehr geschmacklos. Immerhin war der Grüne Baum ein traditionsreiches Gasthaus gewesen. Sogar Ludwig van Beethoven stieg dort 1791 ab. Das Gebäude zeichnete sich durch viele interessante Architekturdetails aus und stand unter Denkmalschutz.
Rendite vor Geschichtsbewusstsein und Fingerspitzengefühl
Das Renditeobjekt wurde sogar überregional bekannt. Nicht irgend eine Zeitung, sondern die Zeitung der wirtschaftlichen und politischen Eliten, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete ausführlich über den „Fall Bad Mergentheim“ und stellte im Untertitel die Frage, „wie lange lassen wir uns die Verwüstung noch gefallen?“ Sichtlich irritiert ließen die beiden Freiherren schnell von zwei denkmalgeschützten Häusern am Mergentheimer Marktplatz ab, in denen sie planten, ein Kleiderkaufhaus unterzubringen, was heftige öffentliche Diskussionen ausgelöst hatte.
Bauträgergier „Länge mal Breite mal Geld sprengt die Harmonie der Altstadt“
Das neue Stadthaus füge sich harmonisch in das Umfeld ein, dichteten die von Stettens und ihre Mitstreiter in ihrem Werbetext in Hohenlohe Trends. Das ist der blanke Hohn. Schon die schiere Größe des viergeschossigen 30 Meter langen Klotzes passt wie die Faust aufs Auge in das alte Stadtquartier, das durch kleine Ackerbürger- und Handwerkerhäuser geprägt ist. Der Bau nimmt keinerlei Rücksicht auf seine Umgebung. Tausendfach begegnen uns diese gleichartigen, maklergerechten Bauträgerhäuser in den Neubaugebieten der Vorstädte. Langweilig wie Pappkartons. Haben wir uns dort an die monotonen Fassaden gewöhnt, so sind sie in einer Altstadt mit ihrem Gassengewirr und ihrer kleinteiligen Bauweise ein Sündenfall. Die Planungsvorgabe, Länge mal Breite mal Geld sprengt die Harmonie der Altstadt. Der „neue Akzent“ ist ein Ärgernis. Dem Kahlschlag an historischer Bausubstanz folgt ein gesichtsloses, nur durch seine Größe auffallendes Renditeobjekt.
Die Fassaden des Stadthaus-Klotzes sind unter http://www.residenz-taubertal.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6&Itemid=9 abgebildet.
Weitere Informationen zum Stadthaus: https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=3449
Weitere Informationen zu Hohenlohe Trends: Das monatlich erscheinende Anzeigenmagazin gehört seit Januar 2010 zum Zeitungsverlag Schwäbisch Hall. Der bisherige Redaktionsleiter Frank Szyddat ist nach Angaben des Verlags noch bis Jahresende im Dienst.
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