„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden dreiundzwanzigster Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.
Von Birgit Häbich
XXIII Siechtum
… „Und bevor ich es vergesse, Carl“, lenkte Paula freundlich lächelnd und damit recht geschickt das Thema nochmals auf die unguten Geschehnisse von einst: „Schlägt der Vorderschein jetzt genug Profit aus seinen hinterlistigen Methoden?“ Carl setzte sich wieder an den Tisch, schnappte nach Luft und wurde schmallippig. Er kniff die Augen zusammen; gepresst kommentierte er Paulas Frage mit einem knappen „Es sieht so aus.“ Und nach einer ziemlich langen Denkpause setzte er nach: „Dem sein Anwesen war da letzthin im Denkmalblatt. Er nennt sich neuerdings Bauforscher.“
Halsabschneider
„Aha, Forscher“, stellte Paula trocken fest. „Carl, da fragt sich eine nämlich, ob die Verwandlung vom selbst ernannten Bauhistoriker zum Bauforscher einen Aufstieg oder einen Abstieg darstellt?“ Betont ironisch stellte Paula die nächste Frage in den Raum: „Will er es womöglich nicht mehr gewesen sein? Beim Begriff des Historikers ist wissenschaftliche und hochdekorierte Wissenspräsentation anzunehmen – während der Begriff des Bauforschers eher vermuten lässt, dass er doch noch nicht ganz so genau weiß, was er da eigentlich tut. Stochert er bei seiner eigenen persönlichen Gewissenserforschung etwa im Dunkeln?“ und Paula neigte sich mit einer scheinbar vertraulichen Geste deutlich zu Carl hinüber, „Willst du dem Halsabschneider nicht dabei helfen, zu seiner wahren Identität als Betrüger zu finden?“ Nach einer Pause, in der sie die in sich zusammenfallenden Gesichtszüge Carls mit großer Genugtuung betrachtete, setzte Paula nach: „Oder hast du ihm den guten Ratschlag gegeben, mit so einem gänzlich neuen und unterstapelnden beruflichen Begriff in eine makellos weiße Weste schlüpfen?“
Hinterlistige Machenschaften
Paula wartete seine Antwort nicht ab, sie spürte, dass glühender Zorn in ihr aufwallte. Erinnerungsfetzen an die geschehenen hinterlistigen Machenschaften zogen vor ihrem geistigen Auge vorbei. Und sie resümierte: „Alle Achtung Carl, deine damaligen Kumpels sind insgesamt doch erstaunlich entwicklungsfreudig! Man könnte meinen, es handle sich um fleißig mutierende Viren, die gern und jederzeit bereit sind, ein elendes Siechtum auslösen.“ Folgerichtig goss sie daher weiteren Spott über Carl aus: „Den Vertrag für den Vorderschein hast du damals mit Fleiß und eigenhändig für ihn maßgeschneidert. Und genau mit diesem Vertrag haben die liederlichen Sparkässler, ganz legal natürlich, letztlich den Hebel angesetzt und man hat mich ganz gezielt um mein geerbtes Haus gebracht.“
Unbequeme Rechfertigung
Carl schwieg betreten. Warum musste Paula auch immer wieder auf diesem leidigen Thema herumreiten? Gerade jetzt, wo ein netter gemeinsamer Aufenthalt im Schwarzwald in Aussicht stand. Carl Eugen fühlte sich durch Paulas eindeutige Argumentation in eine unbequeme Rechfertigungsecke gedrängt und schwieg.
Wie würde er jemals mit Paula in Ruhe über die Geschehnisse reden können, wenn sie immer noch derart aufgebracht war. Mit was konnte er beweisen, dass er alles wiedergutmachen wollte? Mit dem Austauschen alter Vorwürfe gibt es kein Weiterkommen, aber Paula gerade jetzt eine offene Frage zu stellen, traute er sich auch nicht. Er erhoffte sich eine gemeinsame Zeit, in der man sich die Dinge in Ruhe gemeinsam überlegen und dann strategisch klug angehen könnte. Carl atmete tief ein und aus und wandte sich nochmals mit leiser Stimme an sie: „Paula, komm doch einfach mit. Eine andere Umgebung wäre bestimmt auch für unser gedeihliches Miteinander gut.“ Sie vernahm Carls versöhnlichen Ton sehr wohl, antwortete jedoch mit keiner Silbe.
Begeisterung
Unerwartet sprang Carl auf: Urplötzlich war ihm seine geplante Überraschungen für Paula wieder eingefallen. Den Rechner hatte Carl schon hingerichtet und er musste ihn nur noch kurz holen und einstellen. Schnurstracks kam Carl mit seinem Klapprechner in den Händen zurück, stellte ihn vor Paula auf dem Küchentisch ab, öffnete ihn und strahlte Paula gutgelaunt an. Seine Erleichterung über eine mögliche Wende in dem verfahrenen Gespräch verlieh im neuen Mut. „Pass auf Paula, gleich geht’s los.“ Er steckte den Stecker in die Steckdose über der Eckbank. „Es geht bei der alten Mauer im *Eisenbacher Granit um mehr als nur um sauber hergestellte Kilowattstunden und effiziente Turbinentechnik im Krafthaus.“
Mit einer Paula bislang unbekannten Begeisterung für eine Sache, schwang Carl sich auf, ihr mit Hilfe des anfänglich mystisch anmutenden Films seinen ausgeheckten Ausflugsplan schmackhaft zu machen. „Paula! Nicht nur die Landschaft, auch die drei Feen und die ganze Geschichte drum herum sind faszinierend, um nicht zu sagen, absolut zauberhaft“, drückte auf die Starttaste, um den Film ablaufen zu lassen.
Drei tanzende Feen
Paula Engel glaubte nicht recht zu hören und zu sehen: Nebelumwobene Feentänze? Hatte der sonst so rational denkende Rechtsanwalt und Steuerberater seinen kalt rechnenden Verstand verloren? Wollte er nun mit Hilfe von wohlig gurgelndem Wassergeplätscher Kompliziertes auf das Wesentliche reduzieren? Trotzdem lehnte sie sich entspannt zurück und wandte sich neugierig dem anlaufenden Film zu. Während sie dem spannenden Zeitdokument folgte, ließ sich Paula von den beeindruckenden Bildern inspirieren. Der vorwärtsdenkenden und konstruktiven Stimmung des Filmes konnte auch sie sich nicht entziehen und sie besann sich. Falls Carl tatsächlich an einer Wiedergutmachung interessiert war, durfte sie ihn jedenfalls nicht mehr weiter traktieren. Sie würde auf Carls Angebot eingehen und einlenken. Als der Film nach einer halben Stunde zu Ende war, gab sie Carl ihre Zusage.
„Also gut Carl, du hast mich überzeugt. Ich komme mit. Aber ich kann mir erst in der kommenden Woche für dem Heiner seine Tannenduft umwehte Energieversorgung und deine drei tanzenden Feen Zeit nehmen.“ … Fortsetzung folgt.
Erläuterungen:
Nachtrag zur Episode 22 Angst – Leider hat der Link zu *Angst nicht funktioniert, man sollte den Link hier kopieren und dann in den Browser einsetzen:
https://www.danieleganser.ch/videos/dr-daniele-ganser-was-macht-angst-mit-uns- bern-20-10-2019/
*Bauforschung und Denkmalpflege: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/issue/view/5210
*Eisenbacher Granit: Der heutige Oberlauf der Donau gehört geologisch betrachtet dem Schwarzwald-Kristallin an, welches vorwiegend aus den Zentralschwarzwälder Gneisen und dem Eisenbacher Granit besteht.
Quelle: http://www.fg.vs.bw.schule.de/doztg/fbgdn/fa-donau.pdf
*Film zur Linachtalsperre: https://www.youtube.com/watch?v=Ks-31fW2Nck