Eine aktuelle Studie des Vereins LobbyControl, der in den vergangenen Monaten schon einige Lobbyistenskandale ans Tageslicht gebracht hat, kommt zu dem Schluss: Nebentätigkeiten von Abgeordneten sind nicht transparent. Es gibt große Lücken in den Angaben der Abgeordneten, kaum Kontrolle und Sanktionen, dafür aber jede Menge Schlupflöcher und Unklarheiten bei der Angabe der Nebeneinkünfte.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Christian von Stetten will als Geschäftsführer in acht Firmen nur ehrenamtlich gearbeitet haben
Eine der undurchsichtigsten Ansammlungen von Nebeneinkünften und Nebentätigkeiten hat der Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten (CDU) aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe. Dies hat auch schon das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 9. Juli 2007 berichtet.
Bis ins Jahr 2007 hat Christian von Stetten nach eigenen Angaben bei acht Firmen ehrenamtlich als Geschäftsführer gearbeitet – bei weiteren zwei Firmen ehrenamtlich als Prokurist. Auch alle anderen Funktionen in Unternehmen will Christian von Stetten ehrenamtlich ausgeübt haben. Ist das alles glaubwürdig?
Jetzt will er nur noch an zwei Firmen beteiligt sein
Inzwischen gibt Christian von Stetten auf der Bundestagsinternetseite an, dass er nur noch an zwei Firmen beteiligt ist (Stand 25. September 2009): der Stetten Bau GmbH, Künzelsau und der Unternehmensentwicklungs- und Förderungsgesellschaft Hohenlohe mbH, Künzelsau. Im Juli 2007 waren es nach seinen eigenen Angaben noch Beteiligungen an sieben Firmen. Funktionen in Unternehmen habe er derzeit nur noch bei den Firmen „cominvest Asset Management GmbH, Frankfurt/Main, Mitglied des Aufsichtsrates, ehrenamtlich“ und „Schloss Stetten Holding AG, Künzelsau, Vorsitzender des Aufsichtsrates, ehrenamtlich.“ Im Jahr 2007 waren es nach Christian von Stettens eigenen Angaben noch zwölf Funktionen in Unternehmen.
Auf der Internetseite des Deutschen Bundestags vom 5. Juli 2007 sah die Liste der veröffentlichungspflichtigen Angaben für Christian von Stetten (CDU) wie folgt aus:
3. Funktionen in Unternehmen
Dr. v. Stetten Grundstücks KG, Künzelsau, Prokurist, ehrenamtlich (bis 11.1.2007)
Hohenloher Krankenhaus gGmbH, Künzelsau, Stellv. Mitglied des Aufsichtsrates, ehrenamtlich
Hohenloher-Ticket-Service GmbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 16.4.2007)
Künzelsauer Burgfestspiele Schloß Stetten gGmbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 3.4.2007)
Messe- und Betriebsgesellschaft Stetten mbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 16.4.2007)
Ökologische Energie- und Versorgungs-GmbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 11.1.2007)
Residenz Dienstleistungsgesellschaft mbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 11.1.2007)
Residenz Schloß Stetten gGmbH, Künzelsau, Prokurist, ehrenamtlich (bis 11.1.2007)
Residenz Taubertal GmbH, Bad Mergentheim, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 11.1.2007)
Schloß Stetten Betreuungs AG, Künzelsau, Vorsitzender des Aufsichtsrates, ehrenamtlich (bis 30.4.2007)
Stetten Bau GmbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 31.5.2007)
Unternehmensentwicklungs- und Förderungsgesellschaft Hohenlohe mbH, Künzelsau, Geschäftsführer, ehrenamtlich (bis 31.5.2007)
4. Funktionen in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts
Landkreis Hohenlohe, Künzelsau, Mitglied des Kreistages, ehrenamtlich
Sparkasse Hohenlohekreis, Künzelsau, Mitglied des Verwaltungsrates, ehrenamtlich
Stadt Künzelsau, Künzelsau, Mitglied des Stadtrates, ehrenamtlich
5. Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen
Friedrich Kriwan-Stiftung, Forchtenberg, Mitglied des Stiftungsrates, ehrenamtlich
Stiftung des Hohenlohekreises und der Stadt Künzelsau zur Förderung der Reinhold Würth Hochschule, Künzelsau, Mitglied des Stiftungsrates, ehrenamtlich
Wolfgang von Stetten Stiftung, Künzelsau, Mitglied des Vorstandes, ehrenamtlich
7. Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften
Dr. v. Stetten Grundstücks KG, Künzelsau
Hohenloher-Ticket-Service GmbH, Künzelsau
Messe- und Betriebsgesellschaft Stetten mbH, Künzelsau
Residenz Dienstleistungsgesellschaft mbH, Künzelsau
Schloß Stetten Betreuungs AG, Künzelsau
Stetten Bau GmbH, Künzelsau
Unternehmensentwicklungs- und Förderungsgesellschaft Hohenlohe mbH, Künzelsau
Heute, am 25. September 2009, sieht die Auflistung von veröffentlichungspflichtigen Nebentätigkeiten des Abgeordneten Christian von Stetten auf der Bundestags-Internetseite wie folgt aus:
3. Funktionen in Unternehmen
cominvest Asset Management GmbH, Frankfurt/Main, Mitglied des Aufsichtsrates, ehrenamtlich
Hohenloher Krankenhaus gGmbH, Künzelsau, Stellv. Mitglied des Aufsichtsrates, ehrenamtlich (bis 23.07.2007)
Schloss Stetten Betreuungs AG, Künzelsau, Vorsitzender des Aufsichtsrates, ehrenamtlich (bis 30.04.2007)
Schloss Stetten Holding AG, Künzelsau, Vorsitzender des Aufsichtsrates, ehrenamtlich
4. Funktionen in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts
Landkreis Hohenlohe, Künzelsau, Mitglied des Kreistages, ehrenamtlich
Sparkasse Hohenlohekreis, Künzelsau, Mitglied des Verwaltungsrates, ehrenamtlich (bis 30.09.2008)
Stadt Künzelsau, Künzelsau, Mitglied des Stadtrates, ehrenamtlich
5. Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen
Anne-Schmidt-Brücken-Stiftung, Künzelsau, Mitglied des Stiftungsrates, ehrenamtlich
Friedrich Kriwan-Stiftung, Forchtenberg, Mitglied des Stiftungsrates, ehrenamtlich
Stiftung des Hohenlohekreises und der Stadt Künzelsau zur Förderung der Reinhold Würth Hochschule, Künzelsau, Mitglied des Stiftungsrates, ehrenamtlich
Wolfgang von Stetten Stiftung, Künzelsau, Mitglied des Vorstandes, ehrenamtlich
7. Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften
Hohenloher-Ticket-Service GmbH, Künzelsau (bis 31.12.2007)
Messe- und Betriebsgesellschaft Stetten mbH, Künzelsau (bis 31.12.2007)
Residenz Dienstleistungsgesellschaft mbH, Künzelsau (bis 16.03.2009)
Schloss Stetten Betreuungs AG, Künzelsau, (bis 16.03.2009)
Stetten Bau GmbH, Künzelsau
Unternehmensentwicklungs- und Förderungsgesellschaft Hohenlohe mbH, Künzelsau
Weitere aktuelle Informationen zum Thema Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten finden Sie hier:
LobbyControl-Newsletter Extra vom 23. September 2009
Von Heidi Klein, LobbyControl-Vorstand
Liebe Leserinnen und Leser,
seit zwei Jahren gelten neue Transparenzregeln für die Abgeordneten im Bundestag. Die Volksvertreter/-innen müssen angeben, welchen Nebentätigkeiten sie parallel zu ihrem Mandat nachgehen und wie viel sie damit nebenher verdienen. LobbyControl hat nun überprüft, ob diese Regeln ihren Zweck erfüllen – und musste feststellen, dass von
Transparenz bisher leider nicht die Rede sein kann. Auch zu den Bundestagswahlen 2009 können wir als Wählerinnen und Wähler uns also kein umfassendes Bild von den Nebentätigkeiten unserer Abgeordneten machen.
Bei der Recherche stießen wir auf eine Reihe von Abgeordneten, die Positionen in Präsidien, Kuratorien oder Beiräten von Interessengruppen nicht angeben. Auch sonst gibt es erhebliche Mängel bei den Regeln und ihrer Umsetzung: die Stufen zur Angabe der Nebeneinkünfte sind zu grob und unsinnigerweise nach oben hin offen, die Auftraggeber von Anwält/-innen und Unternehmensberater/-innen bleiben im Dunkeln, und die Einhaltung der Regeln wird nicht wirksam kontrolliert.
Kontrolle und Sanktionen fehlen
Zu diesen Missständen trägt nicht zuletzt die Bundestagsverwaltung unter Leitung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) bei. Lammert hatte nicht nur die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte lange hinausgezögert, sondern verzichtet nun auch weitgehend auf ernsthafte Sanktionen, wenn Abgeordnete gegen die Regeln verstoßen. Nach unseren Informationen wertet die Bundestagsverwaltung es lediglich als „verzögerte Meldung“ und spricht eine nicht-öffentliche Ermahnung aus, wenn Abgeordnete einzelne Nebentätigkeiten verschwiegen haben und dies nachträglich ans Licht kommt. Die Zahl der bisherigen Ermahnungen hält die Bundestagsverwaltung ebenso geheim wie die Zahl der verhängten Ordnungsgelder.
Transparenz sieht anders aus
Aber auch die Regeln selbst sind mangelhaft. So müssen etwa die Einkünfte nur in drei Stufen angegeben werden: von 1000 bis 3500 Euro (Stufe 1), zwischen 3500 und 7000 Euro (Stufe 2) und über 7.000 Euro (Stufe 3) – egal ob es sich um monatliche, jährliche oder einmalige Einkünfte handelt. Ob Abgeordnete ein Honorar von 7.001 oder 70.000 oder 700.000 Euro erhalten, ist also nicht unterscheidbar. Die letzte Stufe ist nach oben offen. Transparenz sieht anders aus! Gerade bei Nebeneinkünften, die höher als die monatlichen Diäten der Abgeordneten sind, muss klar sein, wie viel Geld tatsächlich fließt.
Schwache Umsetzung bevorzugt Anwälte
Anwälte und Berater profitieren besonders von der schwachen Umsetzung der Verhaltensregeln. So fordert der Bundestagspräsident von den Anwält/-innen nicht einmal Branchenangaben ihrer Klienten und gesteht auch Berater/-innen Verschwiegensheitsrechte zu, obwohl die Verhaltensregeln dies anders vorsehen So könnte es also sein, dass ein Abgeordneter im Finanzausschuss des Bundestages sitzt und nebenher als Anwalt einen Kunden aus der Finanzbranche vertritt, der von seinen Entscheidungen als Abgeordneter direkt betroffen ist. Die Öffentlichkeit, und damit auch seine Wähler/-innen, würden das nicht erfahren.
Wir fordern daher deutliche Nachbesserungen an den Regeln und ihre strikte Umsetzung. Dies bedeutet insbesondere:
– die Stufen für Nebeneinkünfte zu verfeinern und klarer zu gestalten;
– Schlupflöcher für Anwält/-innen und Unternehmensberater/-innen zu
schließen;
– die Angaben effektiv zu kontrollieren und Verstöße deutlich und
öffentlich zu sanktionieren.
Es ist höchste Zeit, aus dem ersten Schritt der noch lückenhaften Vorschriften nun echte Transparenzregeln zu machen! Als Wählerinnen und Wähler haben wir ein Recht zu wissen, für wen unsere Abgeordneten sonst noch tätig sind außer für ihren Wahlkreis. Nur so können wir eine informierte Entscheidung treffen, ob wir uns durch sie gut vertreten fühlen.
Ihre Spende für wirkliche Transparenz
Um den nötigen Druck für wirksame Transparenz zu machen, werden wir auch nach der Wahl den Abgeordneten auf die Finger schauen. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Recherchen und hartnäckige Nachfragen, aktuelle Informationen auf unserer Webseite und für die Presse – das alles kostet Zeit und Geld. LobbyControl lebt von Ihren Spenden und Förderbeiträgen – ohne Sie ist unsere Arbeit nicht möglich. Ob 10, 20 oder 100 Euro – mit Ihrer Spende sorgen wir für mehr Transparenz und Schranken für Lobbyisten. Als gemeinnütziger Verein stellen wir Ihnen selbstverständlich eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.
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Studie und Wahlprüfsteine online
Unsere Studie zu den Nebeneinkünften der Abgeordneten finden Sie in voller Länge online unter:
http://www.lobbycontrol.de/download/nebentaetigkeiten-studie2009.pdf
Zur Positionierung der Parteien zum Thema Nebeneinkünfte können Sie auch unsere Wahlprüfsteine befragen:
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/09/wahlpruefsteine-was-wollen-die-parteien-zum-thema-lobbyismus-tun/
PS: Unsere Studie zeigt: Mit den Nebeneinkünfte-Regeln ist ein erster Schritt gemacht, aber er reicht nicht aus, um wirkliche Transparenz zu erreichen. Wir wollen für echten Durchblick sorgen.