Das neueste Buch des Direktors der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf ist eine Generalabrechung mit der Wirtschaftspolitik der zurückliegenden dreißig Jahre und der handelnden Akteure aus makroökonomischer Perspektive. Heiner Flassbeck beschreibt darin auch das politische Scheitern der Sozialdemokratie.
Gefunden von Axel Wiczorke, Hohenlohe-ungefiltert
Sehr ausführliche Buchbesprechung auf den NachDenkSeiten. Hier ein paar Auszüge:
„So habe etwa die konservative Phrase „Sozial ist, was Arbeit schafft“ die SPD ins Herz getroffen. Das Teuflische an diesem Slogan sei, dass er vollkommen richtig sei, dass daraus aber keineswegs folge, dass der Abbau des Sozialen Arbeit schaffe. Für Sozialdemokraten hätte der Slogan aber lauten müssen: „Nur eine aktive Wirtschaftspolitik kann Arbeit schaffen und ist deshalb sozial.“ (S. 30) Bei Massenarbeitslosigkeit könne nämlich kein soziales oder Gerechtigkeitsargument Eingriffe in bestehende Schutzrechte oder soziale Absicherungen auf Dauer verhindern, entscheidend sei eine wirtschaftspolitische Strategie des Abbaus der Arbeitslosigkeit. (S. 30)
Für führende Sozialdemokraten, wie etwa Wolfgang Clement oder den Seeheimer Kreis, sei jeder, der Unternehmern widerspreche, gleich ein Gegner der Wirtschaft. In ihrer kleinen (ökonomischen) Welt, sei es nur darum gegangen durch Lohn- und Sozialdumping den deutschen Unternehmen ein für alle Mal absolute Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dass die dadurch erzeugten Ungleichgewichte im internationalen Handel, in eine tiefe Rezession führen könnten, liege weit außerhalb der Vorstellungswelt solcher „Wirtschafts“-Experten.
Mit schlichten Parolen (die Steuern sind zu hoch und zu kompliziert, die Sozialleistungen zu üppig, die Gesundheit zu teuer, die Rente nicht sicher, die Bürokratie lege alles lahm) sei das Unternehmerdenken und damit auch die Unternehmerpolitik auf fahrlässige Weise auf die Volkswirtschaft, ja auf die gesamte Gesellschaft übertragen worden. (S. 166) Wie bei einem Unternehmen, dem es schlecht geht, habe man in der gleichen einzelwirtschaftlichen Logik verlangt, den Gürtel enger zu schnallen. Und gerade weil diese Logik so schlicht sei, plapperte sie jedermann nach.
Es sei die Unternehmerlogik gewesen, die verantwortlich dafür gewesen sei, dass die Wirtschaft Deutschlands in den 90er Jahren zurückgefallen sei. Ausgerechnet die drei gängigsten Thesen über die wirtschaftliche Misere Deutschland überzeugten in der Sache am wenigsten.
Behauptet wurde, die Abgaben seien zu hoch und die Leistungsanreize zu gering: Tatsache sei aber, dass die Abgaben nicht höher als in den 80er Jahren waren, als man bei Wachstum und Beschäftigung in der Weltspitze lag. Die Abgaben der Unternehmen seien noch nie so niedrig gewesen wie 1998 und im internationalen Vergleich eher mittelmäßig. Und die Lasten der deutschen Einheit seien inzwischen weitgehend über den Abbau des sozialen Netzes finanziert worden.
Behauptet wurde, das soziale Netz und die Überregulierung hinderten das Wachstum. Tatsache sei aber, dass es seit den 60er Jahren nicht mehr so wenig soziale Absicherung gegeben habe. Andere Länder mit einer viel stärkeren Regulierung hätten ein viel stärkeres Wachstum gehabt.
Behauptet wurde, der verkrustete Arbeitsmarkt und die Gewerkschaftsmacht seien das Haupthindernis für eine größere Wachstumsdynamik. Tatsache sei jedoch, dass der Arbeitsmarkt dem Wachstum folge und nicht umgekehrt. Das belege sowohl der Wachstumsschub um die Jahrtausendwende als auch der letzte leichte Aufschwung bis vor der Finanzkrise. (S. 162)“
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Heiner Flassbeck, Gescheitert. Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert. Westend Verlag Frankfurt, 2009. 264 Seiten, 19.95 Euro.