Deutschland lehnt als bislang einziges Land Europas chinesische Hilfsangebote im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie ab.
Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall
China zur Hilfe bereit
Nach einem Bericht der Webseite „German Foreign Policy“ vom 23. März 2020 nimmt die Bundesrepublik Deutschland als bislang einziges Land Europas ein chinesisches Hilfsangebot im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie nicht an. Wie Chinas Präsident Xi Jinping sagt, habe er Bundeskanzlerin Angela Merkel mitgeteilt, die Volksrepublik sei bereit, „im Rahmen unserer Fähigkeiten Hilfe zu leisten“, sollte es „Bedarf“ geben. Peking hat in den vergangenen Tagen mehreren Staaten Europas, darunter Italien, Spanien und Frankreich, Hilfslieferungen zukommen lassen und teilweise auch Ärzteteams zu praktischer Unterstützung vor Ort entsandt.
Hilfslieferungen auch an Spanien, Frankreich und Griechenland
Nach einem ersten Transport von 31 Tonnen Hilfsgütern – darunter Atemschutzmasken und andere medizinische Schutzausrüstung – der am 12. März 2020 auf dem Flughafen Rom-Fiumicino eintraf, sind in den vergangenen Tagen weitere Lieferungen in Spanien, in Frankreich und in Griechenland angekommen. Auch Serbien, das von einem EU-Exportverbot betroffen ist, genießt Unterstützung aus der Volksrepublik. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat Peking außerdem um die Entsendung eines Teams von Medizinern gebeten, die mit den chinesischen Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Pandemie vertraut sind; solche Teams sind inzwischen etwa in Italien eingetroffen, zuletzt in der besonders hart von Covid-19 betroffenen Lombardei. Laut Berichten sind weitere EU-Mitgliedstaaten an chinesischer Unterstützung interessiert, darunter Bulgarien, Slowenien und Litauen. Zusätzlich zu praktischer Unterstützung vor Ort tauschen sich Experten aus China mit europäischen Kollegen über ihre Erfahrungen aus. Teilweise wird die chinesische Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen wie der Alibaba Foundation sowie der Jack Ma Foundation organisiert. Mit Blick auf die zunehmende Dichte der Aktivitäten ist inzwischen von einer „Seidenstraße der Gesundheit“ die Rede.
Kein Mangel an Schutzkleidung?
Nun, „Bedarf“ gibt es in der BRD zur Genüge. In der Bundesrepublik herrscht ein eklatanter Mangel an wichtigen Materialien und an Schutzausrüstung. Berlin ignoriert das Hilfsangebot, obgleich in der Bundesrepublik ein eklatanter Mangel etwa an Atemschutzmasken herrscht; so beklagen mehr als 80 Prozent aller niedergelassenen Ärzte, nicht genügend Schutzkleidung beschaffen zu können. Da der Weltmarkt wie leergefegt sei, habe seine Organisation sich schon vor Wochen mit der Bitte um Unterstützung an die Bundesregierung gewandt, berichtete kürzlich der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, Walter Plassmann: „Da ist nichts gekommen. Nicht eine einzige Maske haben wir gekriegt.“ Ähnlich verhält es sich in Krankenhäusern, wo ebenfalls Atemschutzmasken und Schutzanzüge fehlen. Zwar habe der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens, Karl-Josef Laumann, vor kurzem eine Million Atemschutzmasken bestellt; davon seien allerdings erst 20.000 eingetroffen, hieß es Ende vergangener Woche. Nordrhein-Westfalen ist das von der Pandemie am härtesten getroffene Bundesland; allein in Heinsberg, dem Epizentrum der dortigen Covid-19-Erkrankungen, werden laut Berichten täglich 7.500 Mund-Nasen-Schutzmasken sowie 2.200 FFP2-Masken benötigt. Mangel herrscht zudem an spezieller Ausrüstung wie etwa Beatmungsgeräten, darüber hinaus aber auch an einfachen Materialien wie Desinfektionsmitteln. Für diese gehen inzwischen den Herstellern die Grundstoffe aus.
„Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört“
Achim Theiler, Geschäftsführer des Buchloer Unternehmens Franz Mensch, das Hygienebekleidung, Mundschutz und Atemschutzmasken für Krankenhäuser und Ärzte herstellt und vertreibt, erhebt ebenfalls Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Bereits am 5. Februar 2020 hatte sich Theiler per E-Mail an den Bundesgesundheitsminister gewandt und darauf hingewiesen, dass es in Kürze zu bedenklichen Engpässen bei der Versorgung mit Schutzmasken für Krankenhäuser kommen werde und dazu aufgerufen, die Versorgung der Kliniken voranzutreiben. „Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört“, sagt Theiler. Dennoch seien die Behörden seit Wochen untätig geblieben.
Ein unkonventioneller Landrat
Angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung hat sich der Landrat des Kreises Heinsberg, CDU Mitglied, zu einer ungewöhnlichen Initiative entschlossen. Heinsberg ist jener Fleck im äußersten Westen von NRW, den die Corona-Epidemie besonders hart getroffen hat. Inzwischen sind über 800 Menschen infiziert, einige auch schon an Covid-19 gestorben. Pusch bekommt Lob von allen Seiten für sein Krisenmanagement. Sein größtes Problem, sagt er, sei der Mangel an Atemschutzmasken und Schutzanzügen in den Kliniken. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) meldete, hat der Landrat von Heinsberg, Stephan Pusch (CDU), in seiner Verzweiflung mittlerweile einen offenen Brief an den Präsidenten der Volksrepublik China, Xi Jinping, verfasst. In seinem Brief, den er an die Botschaft der Volksrepublik in Berlin adressierte, appelliert der konservative Kommunalpolitiker an den ostasiatischen Staat, Heinsberg mit dringend benötigten medizinischen Gütern zu beliefern. Der Bestand an Masken und Schutzkitteln im Kreis drohe innerhalb weniger Tage aufgebraucht zu sein, so Pusch. Diese ungewöhnliche Maßnahme eines konservativen Landrats ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung,
Quellen:
Annahme verweigert, German Foreign Policy, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8224/
Cornelia Stolze, „Wir haben gemahnt, und keiner hat uns gehört“, SPIEGEL Online 19.03.2020 https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-krise-hersteller-von-schutzkleidung-greift-jens-spahn-an-a-dba397bb-d86b-4779-af8c-1912aebce7ac
Lukas Eberle und Hubert Gude, „Liefert irgendwas!“, SPIEGEL Online 20.03.2020 https://www.spiegel.de/gesundheit/corona-krise-in-deutschland-mangel-an-masken-und-kitteln-liefert-irgendwas-a-ff2ded09-b53f-43e3-8f58-09624113b448
Russia Today (RT) Deutsch, Blamage für Bundesregierung: Heinsberger CDU-Landrat bittet verzweifelt China um Hilfe gegen Corona