Der Cum/Ex-Skandal gilt als der „größte Steuerraub“ in der Bundesrepublik, mehrere Beteiligte müssen sich derzeit vor Gericht verantworten. Auslöser war ein Gesetz, das an entscheidender Stelle von der Bankenlobby formuliert worden war – eins zu eins, ohne dass ein Komma geändert wurde. Wie konnte es dazu kommen? Wir haben die Dokumente zusammengetragen.
Von Susan Jörges, abgeordnetenwatch.de
Kein Komma wurde geändert
Vor dem Landgericht Bonn erzählte ein Zeuge kürzlich etwas Ungeheuerliches: Nach intensiver Lobbyarbeit durch Banken und Beratungsfirmen sei ein Gesetz genau so übernommen worden, wie von den Beteiligten gewünscht, „eins zu eins, ohne dass ein Komma geändert wurde“.
„Größter Steuerraub“ in der Bundesrepublik
Der Fall ist unter dem Namen Cum/Ex-Skandal bekannt geworden und machte Schlagzeilen als der „größte Steuerraub“ in der Bundesrepublik. Mit sogenannten Cum/Ex-Geschäften konnte ein Netzwerk aus Banken, Beratern und reichen Investoren lange Zeit viel Geld auf Kosten der Allgemeinheit machen. Durch das Hin- und Herschieben von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch, ließ sich eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Schaden für die Allgemeinheit: mehrere Milliarden Euro. Derzeit laufen zahlreiche Gerichtsverfahren.
Haben sich Lobbyakteure also das Gesetz selbst geschrieben, wie es der Zeuge, ein langjähriger Investmentberater, vor Gericht nahelegte?
Bundesfinanzministerium übernahm die Formulierungen der Bankenlobby
Wir haben die betreffenden Dokumente zusammengetragen und tatsächlich: Entscheidende Passagen aus Lobbyschreiben des Bundesverbandes deutscher Banken wurden in den folgenschweren Gesetzentwurf übernommen – teilweise eins zu eins, ohne ein Komma zu ändern. Die Dokumente stammen aus den Anlagen eines 830-seitigen Abschlussberichtes des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zum Cum/Ex-Skandal.
Bankenverband schickte 2003 „ersten Entwurf“
Am 9. Januar 2003 schickte der Bundesverband deutscher Banken dem Bundesfinanzministerium einen von ihm selbst verfassten „ersten Entwurf eines steuergesetzlichen Formulierungsvorschlags“ zur Änderung des Einkommenssteuergesetzes, der unter anderem den folgenden Paragraphen enthielt:
Ausschnitt aus Brief des Bankenverbandes an das BMF vom 3. Januar 2003
„Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören […] Einnahmen, die an der Stelle der Bezüge im Sinne der Nummer 1 von einem anderen als dem Anteilseigner nach Absatz 2a bezogen werden, wenn dieser die Anteile mit Dividendenberechtigung erworben aber ohne Dividende erhalten hat.“ (…)
Link zum ganzen Artikel auf der Internetseite von abgeordnetenwatch.de:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2020/cumex-skandal?pk_campaign=nl20200113
Weitere Informationen zu einer Zeugenaussage bei einem Prozess am Bonner Landgericht zum Cum/Ex-Skandal:
Zeuge im Cum-Ex-Prozess: Wie Banker und Investoren die Staatskasse plünderten
Cum-Ex-Skandal Staatsanwaltschaft klagt Mitarbeiter der Maple Bank an
Im Skandal um windige Steuertricks hat die Staatsanwaltschaft sieben weitere Verdächtige angeklagt. Mitarbeiter der Maple Bank sollen rund 380 Millionen Euro vom Fiskus erschwindelt haben.