Zur Überraschung des Auslands, der Alliierten, wie der DDR-Führung, aber auch der Bundestags-Opposition und seines Koalitionspartners schlug der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl am 28. November 1989 einen Stufenplan zur Vereinigung Deutschlands und Europas vor, der als Wegmarke für die deutsche Wiedervereinigung gilt. Der Vorschlag Kohls wird als dessen „Zehn-Punkte-Programm“ bezeichnet. Die Rede zur Neuregelung der deutsch-deutschen Beziehungen und zur Lösung der deutschen Frage formulierte Kohl in einer Rede im Deutschen Bundestag am 28. November 1989.
Von der Internetseite Wikipedia, abgerufen am 10. November 2019
Möglichst viel Widerstand von vornherein abbauen
Von den zehn Programmpunkten betrafen die ersten fünf die innerdeutsche und die nächsten die europäische Situation. Die Rede war „nach allen Seiten abgefedert“ und vermied etwa das politisch umstrittene Wort „Wiedervereinigung“ oder Aussagen zur künftigen Ostgrenze (siehe Oder-Neiße-Grenze) oder zu zukünftigen Bündniszugehörigkeiten. Den Ausschlag dafür gaben laut dem Mitverfasser Teltschik taktische Gründe: Man habe gewusst, dass der Vorstoß Widerstand hervorrufen würde: „Nicht nur in Moskau. Also mussten wir die Rede so anlegen, dass wir möglichst viel Widerstand von vornherein abbauen.“
Der Inhalt des Zehn-Punkte-Programms:
Punkt 1 – Sofortmaßnahmen humanitärer Art
Es muss die Möglichkeit bestehen, frei in die DDR ein- sowie auszureisen. Dies ist eine sachliche Voraussetzung, damit Hilfe im humanitären und medizinischen Bereich wirken kann.
Punkt 2 – Umfassende Wirtschaftshilfe
Die Bundesrepublik Deutschland ist bereit, wirtschaftlich, wissenschaftlich-technologisch und kulturell eng mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zusammenzuarbeiten. Dazu muss aber eine Angleichung der Verhältnisse geschaffen werden, indem zum Beispiel das marode und spärliche Telefonnetz der DDR und Eisenbahnverbindungen jeglicher Art von Grund auf saniert und erweitert werden. Überregionale Verbindungen wie Hannover–Berlin oder Moskau–Warschau–Berlin–Paris sind wieder aufzunehmen.
Punkt 3 – Ausbau der Zusammenarbeit beider Staaten
Die Bundesrepublik Deutschland zielt auf eine umfassende Ausweitung der Zusammenarbeit, wenn ein grundlegender Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems in der DDR vollzogen wird. Das heißt im Konkreten, dass die Suprematie der SED abgeschafft wird und freie, geheime Wahlen eingeführt werden, das Recht auf Opposition eingeführt wird und der Staat ein demokratisches Antlitz erhält, das politische Strafrecht abgeschafft wird und politische Gefangene freigelassen werden und die bürokratische Planwirtschaft der Vergangenheit angehört.
Punkt 4 – Vertragsgemeinschaft
Es ist zunächst eine Vertragsgemeinschaft anzustreben. Diese beinhaltet ein dichtes Netz von Vereinbarungen und in naher Zukunft auch gemeinsame Institutionen. Bereits bestehende oder neu gegründete Kommissionen könnten neue Aufgaben in Wirtschaft, Verkehr, Umweltschutz, Wissenschaft und Technik, Gesundheit oder Kultur übernehmen.
Punkt 5 – Schaffung konföderativer Strukturen
Es ist sogar denkbar, konföderative Strukturen zu erschaffen, um in Deutschland eine bundesstaatliche Ordnung zu errichten. Voraussetzung für einen solchen Schritt ist allerdings eine vom Volk legitimierte und demokratisch gewählte Regierung der DDR. Vorstellbar sind in diesem Rahmen ein gemeinsamer Regierungsausschuss zur ständigen Konsultation und politischen Abstimmung, gemeinsame Fachausschüsse, ein gemeinsames parlamentarisches Gremium. Sogar eine deutsche Einheit ist greifbar, wenn dies im Sinne der Entwicklung in der DDR ist.
Punkt 6 – Einbettung des deutschen Einheitsprozesses in gesamteuropäische Entwicklung
Der deutsche Einheitsprozess ist in die gesamteuropäische Entwicklung einzubetten. Ein neues Deutschland muss von seiner Architektur her in den europäischen Kontext passen. Ein vereintes Deutschland ist ein Zeichen für die Vereinigung Europas.
Punkt 7 – EG-Beitritt reformorientierter Ostblockstaaten
Die reformorientierten Ostblockstaaten sollen der Europäischen Gemeinschaft beitreten und samt der DDR an den westlichen Markt herangeführt werden, damit das wirtschaftliche und soziale Gefälle in Europa abgebaut werden kann. Soweit die Staaten Mittel- und Südosteuropas die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, sind sie auch willkommen, dem Europarat und insbesondere auch der Konvention zum Schutze der Menschenrechte beizutreten.
Punkt 8 – Forcierung des KSZE-Prozesses
Innerhalb dieses Prozesses sollen sich die jeweiligen Mitgliedstaaten über Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit, kulturelles Erbe und Umweltfragen verständigen.
Punkt 9 – Abrüstung und Rüstungskontrolle
Die Überwindung der Trennung Europas und der Teilung Deutschlands erfordern weitreichende und zügige Schritte in der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Vor allem die Nuklearpotenziale der beiden Supermächte USA und UdSSR sollten auf ein strategisches Minimum reduziert werden. Konventionelle Streitkräfte in Europa sollen abgebaut und chemische Waffen weltweit verboten werden.
Punkt 10 – Deutsche Einheit
Mit dieser Politik wird auf einen Zustand des europäischen Friedens hingewirkt, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen kann. Die Wiedervereinigung, das heißt die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands, bleibt das politische Ziel der Bundesregierung.
Link zum Artikel auf der Internetseite Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zehn-Punkte-Programm