Wenn man Regeln verletzte, müsse man mit Sanktionen rechnen. „Wenn man sanktioniert wird, darf man nicht jammern“, sagte Wilfried Kretschmann mit Blick auf die Schüler, die gegen den Klimawandel bzw. das Nichtstun der Politiker demonstrieren.
Leserbrief von Paul Michel, Schwäbisch Hall
Wo bleibt die angekündigte Demokratisierung der Gesellschaft?
Mit dieser oberlehrerhaften Zurechtweisung der SchülerInnen hat Kretschmann mittlerweile sogar den Bayern Markus Söder rechts überholt. Ein weiterer Fall, der zeigt, aus welchem Holz der Ober-Schwabe aus Sigmaringen geschnitzt ist. An Stelle der bei seinem Amtsantritt versprochenen Demokratisierung der Gesellschaft und Engagement für die Umwelt beschert der Ministerpräsident seinem Wahlvolk die gehabte Kungelei mit den Mächtigen, weitgehende Untätigkeit beim Umweltschutz, autoritäres Gehabe und Anbiederung an fremdenfeindliche Ressentiments.
Der Durchwinker von Stuttgart 21
Im März 2011 hatten die Grünen die Landtagswahlen nicht zuletzt wegen ihrer Gegnerschaft zu Stuttgart 21 gewonnen. Bald darauf war von Gegnerschaft zu S21 bei Kretschmann nichts mehr zu bemerken. Seither heißt es „Kritisch begleiten“ bzw. Augen zu und durch. Mit Verweis auf das Ergebnis der Volksabstimmung bürstet Kretschmann heute alle Forderungen nach einem Baustopp für Stuttgart 21 ab. Unterschlagen wird von ihm, dass in dieser Volksabstimmung die Leute nach Strich und Faden belogen wurden. Stuttgart 21 werde 4,5 Milliarden Euro kosten und keinen Cent mehr, wurde damals steif und fest behauptet. Heute geht der Bundesrechnungshof von 10 Milliarden Euro aus und die Bahn gibt zu, dass S21 ein Draufzahlprojekt ist. Für Kretschmann aber kein Grund, seine (Fehl-) Entscheidung zu überdenken.
Rekord-Gleisneigung bei Stuttgart 21
Skandalös ist zudem, wie Kretschmann Hinweise auf die Gefahren von Stuttgart 21 abbürstet: Mit 15 Promille hat der Tiefbahnhof von Stuttgart 21 eine Rekord-Gleisneigung, die sechsmal so hoch ist wie erlaubt. Kretschmann weiß das, lässt die Bahn aber gewähren. Stuttgart 21 ist aufgrund eines fahrlässigen Brandschutzkonzepts brandgefährlich. Hans-Joachim Keim, ein international renommierter Brandschutz- Experte sagt dazu: „Es ist eine Katastrophe mit Ansage. Im Unglücksfall haben Sie die Wahl: Will ich ersticken? Oder zerquetscht werden? Oder verbrennen?“ Und was tut Kretschmann? Er und seine Minister weigern sich (wie auch der Grüne Stuttgarter OB Kuhn), ein Gutachten, das die Gefahren beim Brandschutz aufzeigt, überhaupt entgegenzunehmen.
Kretschmann der „Dieselgarant“
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Kretschmann noch gewagt, eine Selbstverständlichkeit auszusprechen: „Weniger Autos sind besser als mehr“. Die öffentlichen Prügel, die er dafür von der Autolobby bezog, waren ihm eine Lehre. Seither ist er ein wackerer Schutzpatron der Autoindustrie und praktiziert den Schulterschluss mit Daimler-Boss Dieter Zetsche. Als beim Parteitag der Grünen 2016 beschlossen wurde, ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos zur Produktion zuzulassen, bekam Kretschmann einen Tobsuchtsanfall. Nach dem Auffliegen von Dieselgate konnten die Autobosse auf Kretschmann als Schutzpatron bauen. Im Gleichklang mit der Autoindustrie erklärte Kretschmann, Hardware- Nachrüstungen seien nicht machbar. Als die Gerichte wegen der zu hohen Feinstaub- und Stickoxidwerte Fahrverbote für Stuttgart aussprachen, kämpfte Kretschmann vehement dagegen und wollte auch Zwangsgelder in Kauf nehmen. Von der „Wirtschaftswoche“ bekam Kretschmann folgerichtig den Ehrentitel „Dieselgarant“ verliehen.
Grottenschlechte Umweltbilanz
Die Bilanz der Ära Kretschmann beim Umweltschutz ist grottenschlecht. Kein Wunder, dass Baden-Württemberg die Klimaziele krachend verfehlte und sogar noch schlechter als der Bundesdurchschnitt war.
Der Mauschelmann
Als jemand, dem vor allem am Tete-a-Tete mit den Mächtigen im Land gelegen ist, setzt Kretschmann auf die Methode, die den Mächtigen an meisten zusagt: Die Mauschelpolitik im Hinterzimmer. Als herauskam, dass es neben dem offiziellen Koalitionsvertrag mit der CDU noch eine ganze Reihe von Geheimabsprachen zwischen Strobl und Kretschmann gab, platzte es aus dem Ober-Schwaben heraus: „Ich mauschele schon immer“. Kretschmann und Strobl hatten offenbar einen Abbau von 5000 Stellen bei den Landesbeschäftigten bis 2020 verabredet und weitere Sparmaßnahmen vereinbart.
Populist ohne Schamgrenze
Kretschmann schreckt bei seinem Buhlen um Wählerstimmen auch vor Anbiederung beim rechtpopulistischen Klientel nicht zurück. Baden-Württemberg hat als einziges grün regiertes Bundesland Zustimmung für das Begehren der CDU signalisiert, die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer zu bestimmen und somit das Asylrecht weiter verschärfen. Wer die Praxis bei den Anhörungsverfahren für Asylanträge kennt, weiß, was das bedeutet: Die auf dem Papier noch bestehende Einzelfallprüfung für Menschen aus diesen Ländern ist damit in die Tonne getreten. PRO ASYL reagierte empört, auch viele Grüne in Baden-Württemberg waren fassungslos. Offene Kritik aus den Reihen der Grünen gab es aber kaum.
Den Häuptling in die Wüste schicken
Die Gallionsfigur der Grünen sollte eigentlich grünen Parteimitgliedern die Schamröte ins Gesicht treiben. Wäre den Grünen an den Zielen gelegen, für die sie angetreten sind, müssten sie ihren Häuptling in die Wüste bzw. in Pension schicken. Die Tatsache, dass dies nicht zu erkennen ist, lässt nur einen Schluss zu:
Wem Engagement für die Umwelt, mehr Demokratie und mehr soziale Gerechtigkeit ein Anliegen ist, für den/die sind die Grünen nicht wählbar.
Wer Grün wählt, wird sich schwarz ärgern!
Viele GegnerInnen von Stuttgart 21 wissen, von was sie reden.