Wenige Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat die Redaktion von Hohenlohe-ungefiltert Kandidatinnen und Kandidaten der Wahlkreise Schwäbisch Hall und Hohenlohe befragt. Den jeweiligen Fragenkatalog erhielten alle angefragten Kandidatinnen und Kandidaten am Sonntag, 20. März 2011, per E-Mail an Adressen, die sie auf ihren Internetseiten selbst angegeben haben. Die Fragen am schnellsten beantwortet hat Ute Oettinger-Griese (FDP/Wahlkreis Hohenlohe). Deshalb steht sie bei der Veröffentlichung an erster Stelle. Wilfried Kraft (Bündnis 90/Die Grünen / Wahlkreis Schwäbisch Hall) hat die Fragen als Siebtschnellster eingesandt.
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Hohenlohe-ungefiltert: Die schon seit Jahren andauernden Proteste gegen Stuttgart 21 und auch gegen die Atomenergie zeigen, dass viele Menschen das Vertrauen in die Politik und die Politiker verloren haben. Was können Sie derzeit als Landtagskandidat und später als Landtagsabgeordneter konkret tun, damit die Menschen Vertrauen in die handelnden Personen in Politik und Wirtschaft bekommen?
Wilfried Kraft: Genau zuhören und ehrliche Antworten geben, zu denen ich auch stehe.
Welche Position beziehen Sie bei den Themen Hartz-IV und Leiharbeit ?
Ein auskömmliches Einkommen ist Grundlage für eine menschenwürdige Existenz –bei Leiharbeit gilt die Prämisse: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Die Grünen sind gegen den Bau des Stuttgarter Tiefbahnhofs (Stuttgart 21). Welche Nachteile bringt der Bau des Stuttgarter Tunnelbahnhofs für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Schwäbisch Hall ?
Es ist zu befürchten, dass der regionale Zugverkehr sich eher verschlechtert als verbessert. Ein Tiefbahnhof bindet aufgrund seiner hohen noch nicht abschätzbaren Kosten Finanzmittel, die besser in die Erhaltung von Bahnhöfen in der Fläche und zum Ausbau des Personen- und Güterverkehrs eingesetzt werden sollten.
Sind Sie für einen Bürgerentscheid/Volksentscheid zum Immobilien- und Bahnprojekt Stuttgart 21 ? Meines Wissens ist dafür eine Zweidrittelmehrheit im Landtag erforderlich. Wie sollen diese über 66,6 Prozent der Abgeordnetenstimmen nach der Landtagswahl zusammenkommen?
Ich kann im Moment, also vor der Wahl nur für mich sprechen und mit meiner Stimme werben – ein Bürgerentscheid ist dringend herbeizuführen. Einer Ablehnung von mehr Bürgerbeteiligung muss sich die CDU sehr genau überlegen. Ich denke, die erforderliche Mehrheit wird kommen.
Die Katastrophe in den Atomkraftwerken im japanischen Fukushima erschüttert die Welt. Hat die Atomkraft in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg noch eine Zukunft, oder sollen die AKWs möglichst schnell abgeschaltet werden? Falls Sie fürs schnelle Abschalten sind: Wie könnte ein realistischer Zeitplan aussehen? Wie kann die Versorgungssicherheit in Deutschland mit Strom gewährleistet werden ?
In Berufung auf die Studie des Fraunhofer Instituts Freiburg (aufgegeben im Auftrag der derzeitigen Landesregierung), ist es für Baden Württemberg bereits jetzt möglich, die Stromversorgung ohne Atomkraft zu sichern. Die Atomkraft darf keine Zukunft mehr haben. Also, packen wir´s an! Wir werden den schnellstmöglichen Ausstieg nehmen.
Wie beurteilen Sie das derzeitige Verhalten der Regierungsparteien im Bund (CDU und FDP) – und deren Kurswechsel – beim Thema Kernenergie in Deutschland?
Ich trete für meine Ziele und die meiner Partei ein, und die sind schon seit Gründungszeiten klar und deutlich formuliert – Ein Urteil über das Verhalten der Parteien CDU und FDP im Bund kann sich jeder selbst bilden.
Der CDU-Landtagsabgeordnete und CDU-Landtagskandidat Helmut W. Rüeck aus Crailsheim und die CDU im Land Baden-Württemberg brüsten sich mit dem ihrer Ansicht nach guten Abschneiden der Kinder und Jugendlichen aus Baden-Württemberg bei den Pisa-Tests. Welche Dinge liegen Ihrer Meinung nach beim Thema Bildung im Land im Argen ? Was muss besser werden und wie soll dies geschehen ? Bitte nennen Sie konkrete Beispiele und Begründungen.
Es stimmt, die Leistungen in Mathematik und bezüglich des Leseverständnisses haben sich wohl im Vergleich zu früheren Studien verbessert – an der Spitze sind sie deswegen noch lange nicht angekommen. Hingegen verbleibt die sogenannte Risikogruppe weiterhin vergleichsweise stark ausgeprägt – soziale Herkunft ist immer noch das entscheidende Merkmal für schulischen Erfolg. Das kann sich aber unsere Gesellschaft eigentlich nicht leisten!
Im Gegensatz dazu zeigt die IGLU-Studie vergleichsweise zufriedenstellende Ergebnisse auf – die IGLU-Studie bezieht sich auf Leistungen der Grundschule – hier wurde und wird gemeinsam gelernt – ein aussagekräftiges Indiz dafür, dass gemeinsames Lernen nicht zu schlechteren Lernergebnissen führt; im Gegenteil. Längeres gemeinsames Lernen wünschen sich nicht nur deshalb viele Eltern für ihre Kinder, sowie Lehrerverbände und Wissenschaftler.
Gute und erfolgreiche Schulpolitik kann aber nicht von „oben nach „unten“ einfach befohlen und angeordnet werden. Im Land gibt es bereits viele Ideen und Konzepte von „unten“, die diese Maßgabe in ihr Schulentwicklungskonzept schon aufgegriffen haben – bisher, unter der jetzigen Landesregierung wurden sie blockiert.
Das Zulassen von neuen Modellen, den Bedürfnissen der jeweiligen Standorte und Ressourcen angepasst ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Diese Initiativen bedürfen der Unterstützung, nicht der Verhinderung. Dabei sehe ich auch reale Chancen mehr kleinere Schulen auf dem Land zu erhalten.
Welche Position haben Sie beim Thema Ausbau der Autobahn 6 (A 6) ? Halten Sie diesen für notwendig oder gibt es bessere Alternativen? Falls Sie den Ausbau für notwendig halten: Wie soll das Nadelöhr Kochertalbrücke bei einem sechsspurigen Ausbau (zuzüglich Standspur) bewältigt werden? Wie soll der Ausbau bezahlt werden?
Wir denken, dass ein Ausbau ähnlich wie zwischen Öhringen und Kupferzell ausreichend ist. Also Standspur nutzen, einige Ausweichstellen schaffen und Tempolimit um den Verkehr zu verflüssigen und sicherer zu machen. Eine Finanzierung über PPP-Projekte lehnen wir grundsätzlich ab. Wohin das führt zeigt der Ausbau der A1 zwischen Bremen und Hamburg.
Siehe auch http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2011%2F02%2F15%2Fa0077&cHash=22abf4ea38
Welchen Themen wollen Sie sich als Landtagsabgeordneter besonders intensiv widmen – und warum?
Sollte ich tatsächlich in den Landtag gewählt werden, so interessiert mich der Sozial- und Gesundheitsbereich besonders, da mir die Themen bereits jetzt sehr gut vertraut sind. Ich bin da aber flexibel.
Welche Parteien sind für Sie als Kandidat der Grünen mögliche Koalitionspartner bei der Regierungsbildung im Land – welche nicht (und warum nicht) ?
Statt zu spekulieren will ich lieber die konkreten Wahlergebnisse abwarten – nur dann ergeben sich konkrete Verhandlungsdispositionen.
Sie haben eine Fülle von beruflichen Aufgaben (Leiter des Sozialdiensts in den Weckelweiler Gemeinschaften) und ehrenamtliche Verpflichtungen (unter anderem Stadtrat in Crailsheim und möglicherweise noch einige andere Ämter mehr…). Wie können Sie Ihrem Beruf sowie den einzelnen Ehrenämtern und auch Ihrer Familie gerecht werden?
Die Entscheidung für die Grünen im Landtag zu kandidieren, habe ich bewusst getroffen – ich war mir im Klaren, dass damit viel zusätzliche Arbeit auf mich zukam und kommt. Ich habe das Glück, dass von meiner Familie wie auch von meinem Arbeitgeber das notwendige Verständnis entgegengebracht wird.